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Zweiter Band des Monolith-Zyklus

 

Todeszone Zartiryt

 

von Rüdiger Schäfer

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Kleines Who is Who

 

 

Arrik und Taraster – sie sind Malchers Männer fürs Grobe

Atlan – der Lordadmiral der USO geht ein großes Risiko ein

Calipher – ein lemurischer Roboter wird zum Retter in der Not

Christina Gabrielle – das Wunderkind muss sich von Atlan einiges anhören

Geriok Atair – der Ara hat schlechte Nachrichten

Iasana Weiland – die Expertin für lemurische Geschichte sagt nicht nein und gerät in Lebensgefahr

Inmain Sadjadin – der Fähnrich der IMASO sieht einen Fehler ein

Malcher – der Silberherr geht über Leichen

Marcus Merten – der Techniker entdeckt die Lösung des Rätsels und den Sinn des Lebens

Milton Elks – der alte Cheftechniker bekommt keine Chance zur Heldentat

Naileth Simmers – die Kommandantin der IMASO muss mehr als eine schwere Entscheidung treffen.

Onkel Rotter – das Oberhaupt der Busrai-Nomaden erlebt eine Katastrophe

Padpool – der Draufgänger aus der Familie der Busrai-Nomaden will ein Opfer bringen

Ramit Claudrin – der Epsaler stellt seine Fähigkeiten unter Beweis

Santjun – Atlans Begleiter muss sich nach außen und innen zur Wehr setzen

Shinyan – die akonische Prospektorin kann das Unheil nicht aufhalten

Terence Abigon – der Erste Offizier der IMASO ist Naileth Simmers’ Stütze

 

 

Für Papa

 

In Liebe und Dankbarkeit

Kapitel 1
Shinyan

 

 

»Padpool?«

Shinyan lauschte dem hohlen Klang der eigenen Stimme nach. Die Prospektorin war den Aufenthalt im Weltraum von Kindesbeinen an gewohnt, doch das unterschwellige Gefühl der Furcht hatte sie dabei nie verlassen. Padpool war da ganz anders. Er konnte Stunde um Stunde im eisigen Vakuum verbringen, und wenn sie oder die Warnautomatik seines Raumanzugs ihn nicht rechtzeitig daran erinnert hätten, dass sein Sauerstoffvorrat zur Neige ging, wäre er schon längst bei einer ihrer gemeinsamen Exkursionen erstickt.

»Padpool? Kannst du mich hören?«

Aus dem Empfänger des Funkgeräts drang nur das starke Rauschen, das durch die ungewöhnlichen hyperenergetischen Verhältnisse im Zartiryt-System erzeugt wurde. Es begleitete sie seit Beginn ihrer Mission. Wo, bei allen Stürmen Godrons, steckte dieser unverbesserliche Kerl?

Shinyan kontrollierte zum wiederholten Mal die Anzeigen ihres leichten Raumanzugs. Padpool und sie hatten die MORROK vor knapp zwei Stunden verlassen und das walzenförmige, dreißig Meter lange Beiboot auf einem der unzähligen Asteroiden verankert, die das rotierende Schwarze Loch im Zentrum des Systems umkreisten. Eine direkte Landung auf dem Planeten erschien ihnen zu riskant. Das Gelände war unübersichtlich und die Hohlraumorter hatten zahlreiche unterirdische Gasblasen angezeigt, deren Inhalt jederzeit hervorbrechen konnte.

Schon während des Anflugs war den beiden Akonen klar geworden, dass sowohl das namenlose Black Hole als auch die Trümmerwelt Zartiryt für Raumnomaden wie sie etwas ganz Besonderes waren. Shinyan hatte sich nie sonderlich für Astronomie interessiert und war den entsprechenden Unterweisungen durch ihren Onkel meistens nur mit mäßigem Interesse gefolgt. Sie wusste allerdings noch, dass stellare Schwarze Löcher üblicherweise das Endprodukt einer Supernova waren. Sterne ab einer bestimmten Masse kollabierten am Ende ihres Lebenszyklus. Der verbleibende Sonnenkern stürzte dann innerhalb von Sekunden unter der eigenen Masse in sich zusammen, wurde kleiner und kleiner und erreichte schließlich den Punkt der Singularität, an dem sämtliche physikalischen Gesetze ihre Gültigkeit verloren. Von da an schwang sich die Gravitation zur Alleinherrscherin auf und zog alles und jeden in ihren Bann – inklusive Licht, Raum und Zeit.

Die Trümmerwelt Zartiryt folgte einer komplizierten Bahn um das Black Hole und bewegte sich dabei die meiste Zeit ihres Umlaufs in den Außenbereichen der Akkretionsscheibe. So nannte man jenen kreisförmigen Bereich um ein Schwarzes Loch, in dem sich die von den immensen Anziehungskräften des Gebildes eingefangene Materie sammelte, bevor sie in die Singularität hineingesaugt wurde. Früher oder später würde auch der Planet dem Sog der Gravitation nicht mehr widerstehen können, doch bis dahin mochten noch Jahrzehntausende vergehen. Genug Zeit für zwei zu allem entschlossene Prospektoren, den Fund ihres Lebens zu machen und reich zu werden.

Mit einem sanften Druck auf die in ihren rechten Handschuh integrierte Servoautomatik aktivierte Shinyan die Impulsdüsen des Rückentornisters. Eine gelbe Kontrollleuchte zeigte an, dass die Batterien in absehbarer Zeit wieder aufgeladen werden mussten, doch noch war das kein Grund zur Beunruhigung.

»Padpool«, versuchte es die Akonin erneut. »Wenn du mich empfangen kannst, dann melde dich, verdammt!«

Auch diesmal erhielt sie keine Antwort.

Die Anzeige der Nahortung war und blieb dunkel. Natürlich war längst jeder in der Milchstraße gängige Raumanzug mit einem Peilsender ausgestattet, der auf einer variabel einstellbaren Frequenz Mikroimpulse aussandte. Diese konnten in einer Entfernung von bis zu fünfhundert Kilometern empfangen werden, doch die Bedingungen im Zartiryt-System machten eine solche Art der Positionsbestimmung so gut wie unmöglich.

Vor wenigen Minuten hatte Shinyan ihren Begleiter noch am Rand einer Felskante gesehen. Hatte er etwa den Halt verloren und war abgestürzt? Nein, so etwas konnte nicht passieren. Die Sicherheitssysteme der Raummontur hätten sofort eingegriffen. Zwar trugen Padpool und sie nicht die neusten Modelle, wie sie auf den Prospektorenschiffen anderer und vor allem wohlhabender Familien verfügbar waren, doch sämtliche Technik an Bord der MORROK wurde sorgfältig gewartet und befand sich in mustergültigem Zustand. Die Anzüge stammten aus dem Fundus der Solaren Flotte, die regelmäßig ihre Bestände erneuerte und die ausgemusterten Schutzmonturen nach einer Generalinspektion zu fairen Preisen weiterverkaufte. Das Gütesiegel Made on Terra stand galaxisweit für hohe Qualität und Zuverlässigkeit; daran hatte sich seit vielen Jahrhunderten kaum etwas geändert.

Shinyan schaltete den Helmscheinwerfer aus und wartete einen Moment, bis sich ihre Augen an das herrschende Dämmerlicht gewöhnt hatten. Zartiryt besaß zwar eine Atmosphäre, doch sie war viel zu dünn, um sie atmen zu können. Zudem enthielt sie einige chemische Bestandteile, die auf katalytischem Weg die Reaktion des Stickstoffs zu einem äußerst aggressiven säureartigen Gemisch bewirkten. Die Gravitation lag deutlich unter einem Gravo. Padpool hatte die Vermutung geäußert, dass die Trümmerwelt einst Leben getragen habe und dann von einer kosmischen Katastrophe heimgesucht worden sei, doch daran wollte Shinyan nicht glauben. Zartiryt fehlte rund ein Viertel seiner Masse, und der gigantische, über 6000 Kilometer lange Spalt, der sich über die gesamte Nordhalbkugel zog und sich viele Kilometer in die Planetenkruste hinein fraß, sah aus, als habe dort ein Riese sein Messer angesetzt und einen kräftigen Schnitt ausgeführt.

Die Prospektorin flog zu der Stelle hinüber, an der sie Padpool zuletzt erspäht hatte. Die Kluft war hier deutlich schmaler als sonst, durchmaß jedoch immer noch mehrere hundert Meter. Vor ihr ragten steile Felswände in die Höhe und warfen scharf abgegrenzte Schatten auf die Innenwände des Spalts. Das Licht der am Himmel stehenden Sterne und das rote Glühen der Akkretionsscheibe in Shinyans Rücken drangen kaum mehr als ein paar Meter in die Tiefe vor. Danach kam nur noch Dunkelheit.

Shinyan wehrte sich, so gut es ging, gegen den Gedanken, Padpool könnte in den Spalt eingeflogen sein, ohne sie zuvor zu informieren, doch genau so etwas traute sie diesem dummen Mann zu. Seit sie den Schutz der Familie verlassen hatten und aufgebrochen waren, um neue Einnahmequellen zu suchen, hatte Padpool einen Großteil seiner Zeit darauf verschwendet, sie zu beeindrucken. Dabei hatte sie von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nicht an einer romantischen Beziehung interessiert war. Seltsamerweise schien der Prospektor ihre offene Ablehnung als eine Art Herausforderung zu interpretieren, denn er verstärkte seine Bemühungen zusehends. Am Ende war Shinyan dazu übergegangen, das Imponiergehabe ihres Begleiters stillschweigend zu erdulden und darauf zu hoffen, dass dieser die Aussichtslosigkeit seiner Anstrengungen irgendwann selber einsah.

Fieberhaft überlegte die Akonin, was sie jetzt noch tun konnte. Wenn Padpool wirklich ohne Rückendeckung in die Schlucht vorgedrungen war, blieben ihr nicht allzu viele Möglichkeiten. Sie konnte warten und darauf vertrauen, dass alles in Ordnung war und Padpool irgendwann wieder auftauchen würde. Sie konnte zur MORROK zurückkehren und einen der beiden Bergungsroboter, die zur Standardausrüstung des Schiffes gehörten, in den Spalt schicken. Oder sie konnte dem Mann in die Schlucht folgen und selbst nach ihm suchen. Keine der drei Optionen erschien ihr sonderlich verlockend.

Fast zwei Minuten verharrte Shinyan unschlüssig über dem dunklen Schacht. Dann setzte sie sich in Bewegung, schaltete ihren Helmscheinwerfer wieder ein und sank langsam in den Spalt hinab.

 

Shinyan glaubte die sie umgebende Schwärze beinahe körperlich zu spüren. Sie drang mühelos durch das dünne, gasdichte Material des leichten Raumanzugs in sie ein, legte sich wie ein Stahlreifen um ihren Brustkorb und füllte ihr Inneres nach und nach vollständig aus. Die Akonin fröstelte, versuchte gegen die wachsende Angst anzukämpfen, doch wie so oft hatte ihr Verstand den natürlichen Instinkten wenig entgegenzusetzen. Ihre Finger krampften sich um den Griff des kleinen Thermostrahlers, den sie aus einem Futteral am rechten Oberschenkel gezogen hatte, doch viel nützte das nicht. Obwohl ihr Tank nur noch knapp bis zur Hälfte gefüllt war, erhöhte sie den Sauerstoffanteil der Atemluft auf 22 Prozent. Aus Erfahrung wusste sie, dass diese Maßnahme das Einzige war, was ihr zumindest kurzfristig Erleichterung verschaffte.

Wenn sich dieser verfluchte Idiot nicht schon selber umgebracht hat, dachte sie wütend, werde ich es für ihn tun.

Der Zorn half ihr ein wenig, drängte die Furcht beiseite und ließ sie vorübergehend entspannen. Sehen konnte sie so gut wie nichts. Wenn sie den Kopf in den Nacken legte, erkannte sie über sich gerade noch die Abbruchkante des Spalts als graues Band, in dem vereinzelt schwache Lichtpunkte glitzerten. Ansonsten traf der runde Fleck des Scheinwerfers nur auf scharfkantigen Fels. Aufgrund der dünnen Atmosphäre gab es so gut wie kein Streulicht. Ohne die Ortungsdaten des Anzugs wäre Shinyan annähernd blind gewesen.

Die Prospektorin war inzwischen gut zweihundert Meter tief gesunken. Obwohl sie sich nicht besonders wohl dabei fühlte, schaltete sie die Helmlampe erneut aus. Vielleicht, so ihre stumme Hoffnung, war sie dann in der Lage, das Licht von Padpools Scheinwerfer wahrzunehmen. Noch immer war sie nicht bereit, aus der anhaltenden Funkstille auf mehr als auf technische Probleme zu schließen. Padpool war mit seinen 26 Jahren ebenso jung wie leichtsinnig; dennoch gehörte er innerhalb der Busrai-Familie zu den Erfahrensten und hatte schon viele tausend Stunden im freien Weltraum und in diversen Höhlensystemen und Minenschächten verbracht.

Unwillkürlich musste Shinyan an ihren Onkel Rotter denken, der der Familie seit über fünfzig Jahren vorstand. Acht Schiffe und 1135 Familienangehörige flogen unter seinem direkten Kommando. Aus Gründen, die die Akonin nicht einmal im Ansatz nachvollziehen konnte, hielt Onkel Rotter große Stücke auf Padpool und hatte offenbar die feste Absicht, ihn als seinen Nachfolger aufzubauen. Shinyan war ziemlich sicher, dass die derzeitige Mission einzig und allein dem Zweck diente, Padpool und sie miteinander zu verkuppeln. Möglicherweise hatte Rotter den jungen Prospektor im Vorfeld der Reise sogar ermutigt, was immerhin dessen übertriebenes Balzverhalten erklärt hätte.

Drei Minuten vergingen und Shinyan überschritt die Zwei-Kilometer-Marke. Wenn sie den Ortungsergebnissen trauen konnte, die allerdings durch die im Zartiryt-System allgegenwärtigen normal- und hyperenergetischen Anomalien verfälscht sein mochten, dann weitete sich der Spalt hier unten erheblich. Die Temperatur blieb dagegen konstant bei minus vierzig Grad Celsius, was darauf hindeutete, dass die Katastrophe, der Zartiryt einst zum Opfer gefallen war, sogar den glutflüssigen Kern des Planeten hatte erkalten lassen.

»Wo bist du, Padpool?«, flüsterte Shinyan. Das Rauschen in ihrem Funkempfänger schwoll kurz an und wieder ab. Für einen Moment glaubte die Akonin ein dumpfes Klopfen zu hören. Litt sie bereits unter Halluzinationen?

Nach kurzem Zögern desaktivierte sie die Funkanlage und erhöhte die Empfindlichkeit der Außenmikrofone auf den maximal möglichen Wert. Die vollkommene Dunkelheit um sie herum machte ihr mehr und mehr zu schaffen.

Da! Da war es wieder!

Sie hatte sich also nicht geirrt. Aus den Helmlautsprechern drang ein leises abgehacktes Pochen. Weit entfernt, aber doch deutlich genug, um es nicht für eine Sinnestäuschung zu halten. Shinyan war schon immer stolz auf ihr feines Gehör gewesen und eine der wenigen in der Familie, die die Zusammensetzung der meisten Gesteine allein anhand ihres Klangs bestimmen konnten.

Sie schaltete den Scheinwerfer wieder ein und ließ sich weitere zweihundert Meter in die undurchdringliche Finsternis hinabsinken. Das Pochen wurde geringfügig lauter. Da die dünne Luft den Schall mehr schlecht als recht trug, gab es fast kein Echo. Das erleichterte es Shinyan immerhin, die Richtung zu bestimmen, aus der die Klopfzeichen kamen. Dennoch wäre sie beinahe an der quadratischen Öffnung vorbeigeflogen.

Der etwa zwei mal zwei Meter durchmessende Durchgang war eindeutig künstlich angelegt worden. Das dunkelgraue Material des schmucklosen Torrahmens hob sich kaum von den umgebenden Felsen ab. Er schien das Licht der Helmlampe regelrecht zu verschlucken. Die Akonin näherte sich mit aller gebotenen Vorsicht. Wenn Padpool die Öffnung passiert hatte, und davon war auszugehen, mochten dahinter unbekannte Gefahren lauern. Auf jeden Fall kam das Klopfen eindeutig aus dem Durchgang.

»Padpool!«, rief Shinyan, nachdem sie auch das Funkgerät wieder aktiviert hatte. »Wenn du mich hören kannst, dann klopfe dreimal lang und dreimal kurz.«

An dem gleichmäßigen Pochen änderte sich nichts.

Shinyan seufzte. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken. Natürlich war es ein Risiko, den Durchgang zu benutzen, aber hatte sie überhaupt eine Wahl? Padpool hatte verantwortungslos gehandelt und gegen eherne Regeln der Prospektorengilde verstoßen, doch deshalb konnte sie ihn nicht im Stich lassen. Wenn er sich irgendwo dort drinnen aufhielt und wie schon so manches Mal zuvor die Zeit vergessen hatte, musste sie ihn warnen. Immerhin schien ihr Begleiter mit seiner Annahme Recht zu behalten, dass Zartiryt einmal Leben getragen hatte. Mehr noch: Der Durchgang und was immer dahinter liegen mochte, waren eindeutig von intelligenten Lebewesen geschaffen worden. In diesem System musste sich vor langer Zeit eine furchtbare Tragödie abgespielt haben. Womöglich war Padpool von der Aussicht auf reiche Beute überwältigt worden.

»Ich komme jetzt rein und hole dich«, sagte Shinyan. »Sei versichert, dass ich Onkel Rotter ausführlich über diesen Vorfall informieren werde. Für die nächsten zwei Jahre wirst du Schürfanlagen warten und Erzproben sortieren.«

Auch wenn Padpool sie nicht hören konnte, tat es gut, die Worte laut auszusprechen.

Die Öffnung mündete in einen würfelförmigen Raum. Auf seiner rechten Seite begann ein enger Gang, der dann gut fünfzig Meter weit parallel zur Steilwand des Spalts geradeaus verlief. Die dunkelgrauen Wände wiesen in unregelmäßigen Abständen lange, mehrere Zentimeter tiefe Furchen auf. In Shinyans überreizter Phantasie entstand beinahe reflexhaft das Bild eines großen Tieres mit scharfen Krallen und einem weit aufgerissenen, zahnbewehrten Maul, das sich durch die verzweigten Korridore der subplanetaren Anlage bewegte, und sofort war die Angst wieder da. Doch selbstverständlich waren solche Gedanken töricht und unlogisch. Auf Zartiryt lebte nichts und niemand mehr – und selbst wenn: Wovon hätte sich eine solche Kreatur hier unten ernähren sollen?

Der Gang beschrieb einen engen Bogen nach rechts und endete in einer schmalen, lang gezogenen Halle, an deren Ende drei weitere bogenförmige Tore tiefer in den Komplex hineinführten. Sie drehte sich zur Seite. Ein grelles Licht blendete sie. Vor ihren Augen flimmerte es; bunte Punkte tanzten in einem wirren Reigen um sie herum. Dazwischen erkannte sie eine schemenhafte Gestalt und erschrak. Der oder die Unbekannte hielt eine Waffe in der Hand!

Shinyan reagierte, ohne zu überlegen. Ihr Zeigefinger krümmte sich um den Auslöser des Strahlers. Der Fremde schoss in derselben Sekunde und im gleichen Augenblick begriff sie, dass sie auf ihr eigenes Spiegelbild hereingefallen war. Die reflektierende Hallenwand verschwand in einem Flammenmeer. Ein helles Piepsen drang an ihre Ohren. Die Sensoren des Raumanzugs registrierten die Hitze und gaben Alarm.

»Shinyan!« Die Stimme Padpools wurde von den Außenmikrofonen übertragen. Die Akonin spürte, wie jemand sie hart am Arm packte und ihr damit bewusst machte, dass sie noch immer feuerte. Mit einem Schrei ließ sie die Waffe fallen und taumelte zurück. Padpool fing sie auf, bevor sie zu Boden stürzen konnte.

»Shinyan«, rief er in bestürztem Ton. »Was machst du hier? Ist etwas passiert?«

»Ich …«, setzte die Prospektorin an, doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden. Ein unangenehmes Ziehen fuhr ihr in den Nacken und breitete sich von dort über den ganzen Körper aus. Einen Lidschlag später hatte sich die Umgebung komplett verändert.

 

Shinyan benötigte unverhältnismäßig lange, um sich zu orientieren. Sie schwebte etwa hundert Meter über der leblosen Oberfläche Zartiryts. Die vegetationslose, nur von Staubhügeln und kleinen Felsen bedeckte Landschaft erstreckte sich ohne größere Erhebungen bis zum Horizont. Padpool und sie hatten bereits während ihres ersten Ausflugs Bodenproben genommen und diese an Bord der MORROK untersucht. Die kleine Analyseeinheit des Schiffes hatte nicht einmal Bakterien gefunden. Zartiryt war so tot, wie ein Planet nur sein konnte.

Die übrigen um das Black Hole kreisende Welten waren ebenfalls leblos, zumal es sich dabei ausnahmslos um Gasplaneten handelte. Garantiert waren sie niemals bewohnt gewesen. Soweit es die beschränkten Möglichkeiten ihres Raumers zuließen, hatten Padpool und Shinyan die Basisdaten des Systems ermittelt und im Bordrechner gespeichert. Sollten sie bei ihren weiteren Streifzügen tatsächlich auf 5-D-Kristalle oder andere wertvolle Mineralien stoßen, mussten sie die entsprechenden Fundstellen nur noch katalogisieren und zusammen mit den astronomischen Pflichtangaben an die vierzig Lichtjahre entfernt wartende Flotte der Familie senden. Die Ausbeutung des Systems war dann lediglich eine Sache weniger Tage.

»Was …«, hörte Shinyan Padpool in ihrem Funkempfänger. »Was … war das?« Offenbar funktionierte die Funkverbindung wieder.

»Wenn ich mich nicht sehr irre«, erwiderte die Akonin, die nach und nach ihre Fassung zurückgewann, »dann wurden wir gerade von einem Transmitter erfasst und abgestrahlt. Der Entzerrungsschmerz war aufgrund der geringen Entfernung zwar nur schwach, aber dennoch deutlich zu spüren.«

»Unglaublich.« Padpool ließ sich neben sie gleiten und drehte den Kopf, so dass sie sein Gesicht sehen konnte. Ihr Begleiter war geradezu euphorisch. Er hatte die Augen weit aufgerissen, und die schwarzen Haare hingen ihm kreuz und quer im verschwitzten Gesicht.

»Du machst dir ja keine Vorstellung davon, was ich gefunden habe«, sagte er mit breitem Grinsen. »Da unten existiert ein wahres Labyrinth von Gängen und Räumen. Lagerhallen, Fabriken, Maschinenparks und wer weiß, was sonst noch. Das meiste ist natürlich defekt oder zerstört, aber in den tieferen Regionen gibt es bestimmt noch Unmengen von Dingen, die sich verwerten lassen. Ist dir klar, was das bedeutet? Wir sind reich, Shinyan. Verstehst du denn nicht? Wir sind reich!«

»Halt den Mund, Padpool!«, stieß die Akonin zornig hervor. »Im Gegensatz zu dir verstehe ich sehr wohl. Du hättest uns beinahe umgebracht. Warum bist du in den Spalt geflogen, ohne mir Bescheid zu sagen?«

»Ich … keine Ahnung«, antwortete Padpool konsterniert. »Ich dachte, das sei unsere Aufgabe. Uns umschauen, Daten sammeln, Proben nehmen. Ich dachte …«

»Hör auf!«, fuhr ihn Shinyan an. »Du magst vieles getan haben, aber gedacht hast du definitiv nicht! Du weißt ganz genau, dass es bei Außenmissionen streng verboten ist, auf eigene Faust loszuziehen. Dieser Transmitter war vielleicht eine Abwehranlage, die Eindringlinge wie uns bei einwandfreier Funktion direkt in das Schwarze Loch abgestrahlt hätte. Wer sagt dir, dass es nicht noch mehr Fallen dieser Art gibt, die womöglich ihren Zweck weit besser erfüllen? Du bist nachlässig, Padpool. Was du für Wagemut hältst, ist nichts weiter als Dummheit und damit bringst du nicht nur dich selbst, sondern auch andere in Gefahr.«

»Entschuldige bitte, oh du Unfehlbarste aller Unfehlbaren«, begehrte nun auch Padpool auf. »Ich erinnere mich nicht, dich gezwungen zu haben, mir hinterherzufliegen. Überhaupt: Wer hat denn, bitte schön, wie verrückt um sich geschossen? Wahrscheinlich war es dein grundloses Geballere, das den Transmitter überhaupt erst aktiviert hat. Und wer sagt dir, dass es sich dabei um eine Falle handelt? Genauso gut könnte es ein Notsystem gewesen sein, das die einstigen Bewohner der unterirdischen Anlagen bei Gefahr an die Planetenoberfläche transportieren sollte. Wenn man es recht bedenkt, ist das sogar die wesentlich plausiblere Annahme.«

»Du bist …«, Shinyan rang verzweifelt nach Worten. Sie fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, aber sie wollte nicht weinen. Nicht hier, nicht jetzt und vor allem nicht vor diesem beschränkten, arroganten, selbstgerechten Mistkerl. Sie hatte sich tatsächlich Sorgen um Padpool gemacht, war ihm gefolgt, um ihn notfalls vor sich selbst zu schützen, und nun fiel ihm nichts Besseres ein, als ihr genau das vorzuwerfen.

»Du bist … ein Scheusal«, brachte sie schließlich hilflos heraus. Mit einer ruckartigen Handbewegung schaltete sie den Impulsantrieb auf Maximalschub und raste in den von Lichtpunkten übersäten Himmel hinauf. Zartiryt lag in der Nähe der galaktischen Zentrumsballung und weit abseits der üblichen Handelsrouten. Aufgrund der hohen Sternendichte existierten hier nach wie vor zahlreiche Gebiete, die so gut wie unerforscht waren.

In Shinyan tobte ein wahrer Gefühlsorkan. Zum einen war sie wütend auf Padpool, der sich in seiner typisch männlichen Impertinenz in der Rolle des zu unrecht kritisierten Helden gefiel. Die Geschäfte der Busrai-Nomaden liefen in letzter Zeit nicht besonders gut, und vermutlich sah sich Padpool ob seines großen Fundes bereits als den von allen gefeierten Retter der Familie. Zum anderen ärgerte sie sich aber auch über sich selbst. Sie hatte die Kontrolle verloren, hatte überreagiert und eine Waffe auf ihr Spiegelbild abgefeuert, ein Spiegelbild, das ebenso gut Padpool hätte sein können. Es war der Gedanke, dass ihr Begleiter mit seinen Vorwürfen nicht ganz Unrecht hatte, der sie am meisten wurmte.

»Shinyan«, hörte sie den Akonen hinter ihr her rufen. »Wo willst du denn hin? Komm schon. Sei nicht albern, und lass uns in Ruhe darüber reden, einverstanden?«

Noch bevor die Prospektorin reagieren konnte, empfing sie einen Rafferimpuls von der MORROK. Auf der Anzeige, die in Augenhöhe über der Sichtblende ihres Helms angebracht war, erschienen mehrere Zahlen- und Buchstabenkolonnen. Sofort bremste sie ab und wartete, bis Padpool zu ihr aufgeschlossen hatte.

»Na also«, sagte er, als er die Frau erreichte. »Ich wusste doch, dass du vernünftig …«

»Ortungsalarm«, unterbrach ihn Shinyan schroff. »Die Sensoren der MORROK haben das Echo eines Raumschiffs aufgefangen, das vor wenigen Minuten ins Zartiryt-System eingeflogen ist. Es sieht eindeutig so aus, als wären wir nicht mehr allein.«

Kapitel 2
Atlan

 

 

»Eintritt in den Normalraum in drei … zwei … eins …jetzt!«

Die dunkle Stimme Torben Santorins, des Cheforters der IMASO, rollte wie Donnergrollen durch die Zentrale des Leichten Kreuzers. Naileth Simmers, die ihre langen Beine in scheinbarer Lässigkeit übereinander geschlagen hatte, warf mir einen flüchtigen Blick zu, den ich ohne jede Reaktion registrierte. Stattdessen richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Panoramaschirm, auf dem soeben das milchige Graurot des Linearraums der Schwärze des Einstein-Kontinuums Platz machte. Die dunklen Streifen und Schlieren, die von der Außenbeobachtung übertragen wurden, verschwanden übergangslos. Ein Zittern durchlief die stählernen Eingeweide der IMASO, und für zwei Sekunden war das aus den Tiefen des Schiffskörpers kommende Rumoren der Energieerzeuger ein wenig deutlicher als sonst zu hören.

»Kein Grund zur Beunruhigung, Madam.«

Ramit Claudrin drehte seinen mächtigen Schädel und nickte der Kommandantin mit ernster Miene zu. Die tiefbraune Lederhaut des epsalischen Piloten glänzte im Licht der Gefechtsbeleuchtung. Wie immer, wenn ein Schiff der USO eine Linearetappe in unbekanntem Gebiet beendete, befand sich die Besatzung in Alarmbereitschaft.

»Hier geht es ziemlich stürmisch zu«, erklärte Claudrin den gemessen an der technischen Auslegung der IMASO eher holprigen Eintritt in den Normalraum, »aber unser flottes Püppchen hat schon Schlimmeres erlebt.«

Ich lächelte flüchtig. Claudrin, belegte die IMASO vorzugsweise mit eher zweifelhaften weiblichen Kosenamen, eine Eigenart, die Naileth Simmers nicht unbedingt mit Begeisterung erfüllte.

»Ihre Fürsorge in allen Ehren, Oberleutnant Claudrin«, erwiderte spitz die Kommandantin, die vom Kolonialplaneten Gäa im System von DeKamps Stern stammte, »aber ich bin sicher, dass sich die Beunruhigung der hier Anwesenden innerhalb vertretbarer Grenzen bewegt. Bringen Sie uns auf den berechneten Kurs.«

»Verstanden, Madam«, gab der Pilot knapp zurück.

Ich hatte schon vor langer Zeit aufgehört, meine Flüge an Bord moderner Raumschiffe zu zählen; sie mussten inzwischen in die Hunderttausende gehen. Doch egal, wie viele in den kommenden Jahrhunderten noch dazukommen würden, eines hatte mich dabei von jeher fasziniert und würde es auch weiterhin tun: das perfekte Zusammenspiel der aus sorgfältig ausgebildeten und trainierten Spezialisten bestehenden Mannschaft und einer über lange Zeit gereiften und immer wieder verbesserten Technik.

In diesen Minuten wurde die Zentrale der IMASO zu einem Ort, an dem jeder Handgriff, jede Geste, jedes gesprochene Wort eine Bedeutung hatten. Die Männer und Frauen an den Kontroll- und Steuerpulten wussten, was sie zu tun hatten – und sie wussten, dass dasselbe auch für ihre Kameraden galt. Es mochte letztlich pathetischer klingen, als es der Anlass rechtfertigte, aber bereits während meines Dienstes in der arkonidischen Flotte hatte ich die immense Bedeutung von Dingen wie Kollegialität, Vertrauen, gegenseitigem Respekt und Zusammengehörigkeitsgefühl an Bord eines Raumschiffs kennen und schätzen gelernt. Ungeachtet des immer schneller voranschreitenden technischen Fortschritts war der Weltraum nach wie vor ein gefährlicher und im Zweifel tödlicher Ort. Hier draußen überlebte man auf Dauer nur, wenn man Menschen an seiner Seite wusste, auf die man sich hundertprozentig verlassen konnte.

»Sonden raus«, ordnete Naileth Simmers an.

»Sonden sind raus«, meldete Torben Santorin noch im selben Atemzug.

»Berechnete Parkposition erreicht«, schloss sich Ramit Claudrin an. »Vier Astronomische Einheiten von Zartiryt entfernt. Alle Maschinen klar. Grünwerte für Impuls und Linear. Verschlusszustand von Rot auf Gelb reduziert.«

»Ortung negativ.« Das war wieder Santorin. »Allerdings sind die eingehenden Daten nicht schlüssig. Ich habe hier Hyperanomalien beträchtlichen Ausmaßes auf dem Schirm. Da kocht eine ziemlich hässliche Suppe, Madam.«

»Geht das ein wenig präziser, Oberleutnant Santorin?«, mischte ich mich ein.

»Die Werte liegen weit im hochfrequenten Bereich, Lordadmiral«, kam der Ortungschef meiner Aufforderung nach. »Dreißig bis vierzig Terakalup. Die Instabilitäten erstrecken sich auf das gesamte System und treten ohne erkennbares Muster auf. Das können keineswegs allein die Auswirkungen eines Schwarzen Lochs sein. Für detailliertere Auskünfte brauche ich mehr Informationen. Wir müssten näher ran.«

»Vorerst bleiben wir, wo wir sind«, nahm mir Naileth Simmers die Worte aus dem Mund.

»Haben Sie Ihre Werte mit den Messungen auf Thanaton verglichen?«, fragte ich.

»Sie sind nahezu identisch, Sir.«

Ich nickte zufrieden. Nichts anderes hatte ich erwartet. Damit stand so gut wie fest, dass es auch im Zartiryt-System einen Monolithen gab, ähnlich dem, den wir auf Thanaton entdeckt hatten – und dass er aktiv war.

Die turbulenten Ereignisse auf dem Planeten der Silberherren lagen nur wenige Stunden zurück, und noch immer war mir nicht klar, auf was ich hier eigentlich gestoßen war. Der Monolith auf Thanaton war alt gewesen; Schätzungen des Ersten Offiziers Terence Abigon zufolge mindestens eine Million Jahre, eher mehr. Die in ihm entdeckte lemurische Technik bewies zudem, dass das geheimnisvolle Objekt einst von der legendären Ersten Menschheit in Besitz genommen und genutzt worden war – mit hoher Wahrscheinlichkeit vor etwa 50.000 Jahren, also zur Zeit des Krieges der Lemurer gegen die Haluter.

Unseren Recherchen zufolge hatte es sich bei Thanaton um eine nicht unwichtige lemurische Kolonie gehandelt, die im Zuge der allgemeinen Kampfhandlungen beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen worden war. Alles andere, vor allem die genaue Anzahl der in der Milchstraße existierenden Monolithen und ihr Zweck, lag weiterhin im Dunkel der Geschichte verborgen. Dass es weit mehr als zwei oder drei davon geben musste, hielt ich für eine gesicherte Erkenntnis, auch, weil die Stimme im Bunker des Thanaton-Monolithen von einer Experimentalstation 8 gesprochen hatte. Wie auch immer: Für mich stand zweifelsfrei fest, dass ich es gewesen war, der den Thanaton-Monolithen zu seinem unheilvollem Leben erweckt und dadurch eine möglicherweise gefährliche Kettenreaktion ausgelöst hatte. Insofern war es nun auch meine Aufgabe, mich um die eventuellen Folgen zu kümmern.

»Hat sich Quinto Center gemeldet?«, wollte ich wissen.

»Nein«, antwortete Naileth Simmers. »Wie Ihnen bekannt ist, haben wir einen ausführlichen Bericht zum Einsatz auf Thanaton per Hyper-Richtfunk über Relaiskette abgeschickt. Bislang keine Bestätigung, aber unsere Leute wissen, wo wir sind. Wollen Sie auf Verstärkung warten, Lordadmiral?«

Ich atmete tief ein und wieder aus.

»Diesen Luxus können wir uns womöglich nicht leisten, Major Simmers«, schüttelte ich den Kopf. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir es mit einer tickenden Zeitbombe zu tun haben. Ich habe etwas in Gang gesetzt, und bevor ich nicht genau weiß, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, werde ich keine Ruhe finden.«

»Sie sollten sich keine Vorwürfe machen, Sir.« Die Kommandantin strich sich mit der rechten Hand durch das kurze blonde Haar. Ich lächelte.

»Machen Sie sich etwa Sorgen um meinen Gemütszustand?«

»Selbstverständlich, Sir«, entgegnete die Gäa-Geborene und erlaubte sich gleichfalls ein Lächeln. »Es ist eine meiner Aufgaben als Kommandooffizier, den körperlichen und geistigen Zustand der mir unterstellten Frauen und Männer permanent zu registrieren und wenn nötig zu optimieren. Das gilt auch für an Bord anwesende Vorgesetzte, vor allem wenn einer davon der Lordadmiral der USO persönlich ist.«

»Systemscan komplett«, unterbrach Santorin unseren kurzen Dialog. »Vier intakte Planeten in Abständen von 1,1 bis 8,9 Astronomischen Einheiten zum zentralen Black Hole. Dazu ein weit gestreutes Trümmerfeld, das auf mindestens einen weiteren, jedoch zerstörten Planeten schließen lässt. Zartiryt, die innerste Welt, umläuft das Schwarze Loch im Grenzbereich der Akkretionsscheibe. Eine Quelle der systemweiten energetischen Verwerfungen ist nicht zu ermitteln. Ansonsten keinerlei Werte, die sich außerhalb der gängigen Parameter bewegen.«

»Danke, Oberleutnant Santorin«, sagte die Kommandantin. »Oberleutnant Claudrin, setzen Sie Kurs auf Zartiryt. Schleichfahrt. Gelbalarm bleibt bis auf weiteres bestehen. Beim geringsten Anzeichen einer Gefahr bringen Sie uns im Eiltempo von hier weg.«

Der Epsaler bestätigte. Ich erhob mich aus meinem Sessel.

»Gut«, sagte ich. »Das gibt mir Zeit, unserem Wunderkind einen Besuch abzustatten.«

Naileth Simmers hob die Brauen und verzog die Lippen in offener Missbilligung.

»Ich bestelle Oberleutnant Gabrielle gerne zum Rapport in die Zentrale, Sir«, bot sie an. »Sie müssen sich nicht extra …«

Ich hob beide Hände und schüttelte den Kopf.

»Nicht nötig. Ich kann hier im Moment ohnehin nichts tun. Falls Sie mich brauchen, erreichen Sie mich jederzeit über Interkom. Außerdem möchte ich kurz bei Santjun vorbeischauen. Es wundert mich, dass er die Medostation noch nicht in Schutt und Asche gelegt hat.«

Die Kommandantin zuckte lediglich die Schultern und drehte mir kommentarlos den Rücken zu. Eine Minute später ließ ich mich bereits in den zentralen Antigravschacht der IMASO fallen und in den zwei Decks tiefer gelegenen Laborbereich des Kreuzers tragen.

 

Die IMASO war ein schnelles Aufklärungsschiff und entstammte einer im Jahr 2956 von den Luna-Werften ausgelieferten Baureihe. Der 100 Meter durchmessende Kugelkörper gliederte sich in acht Haupt- und zwanzig Zwischendecks, die obere Polkuppel nicht mitgerechnet. Die 48 Projektionsfelddüsen des Impulstriebwerks waren in dem für arkonidische und terranische Einheiten typischen äquatorialen Ringwulst angeordnet. Dabei war die in der Solaren Flotte übliche Serienausstattung eines Leichten Kreuzers der STAATEN-Klasse nach USO-Manier ergänzt und erweitert worden. Hochleistungs-Ortungssysteme, doppelt redundante Kraftwerksanlagen und wissenschaftliche Einrichtungen, die selbst mit einem gut ausgestatteten Experimentallabor in Quinto Center mithalten konnten, machten den Raumer zu einem perfekten Instrument für Späh- und Aufklärungsmissionen in unbekannter Umgebung. Jedes Besatzungsmitglied besaß neben seiner militärischen Ausbildung mindestens einen weiteren natur- oder geisteswissenschaftlichen Abschluss.

Ein Musterbeispiel in dieser Hinsicht war der Erste Wissenschaftliche Offizier Christina Gabrielle, den ich vor einigen Tagen bereits flüchtig kennen gelernt hatte. Die junge Terranerin hielt je einen Doktortitel in Chemie, Physik und Exobiologie, den ersten mit 14 Jahren an der renommierten Akademia Terrania erworben, blickte auf über 50 Veröffentlichungen in so gut wie allen bekannten Fachpublikationen und Datenbanken zurück und war sowohl stolze Empfängerin des Crest-Gedächtnispreises 3098 für herausragende junge Forscher als auch zweifache Trägerin der Waringer-Ehrenmedaille, der wohl begehrtesten akademischen Auszeichnung des Solaren Imperiums. Kein Wunder, dass man sie an Bord mit dem Spitznamen Wunderkind belegt hatte.

Ich hatte während des Fluges die Personalakte der gerade einmal 32 Jahre alten Frau intensiv studiert, vor allem, weil es mich interessierte, warum sich eines der hoffnungsvollsten wissenschaftlichen Talente der letzten hundert Jahre ausgerechnet zum Dienst bei der USO verpflichtet hatte und sich auf einem unbedeutenden Spähkreuzer versteckte. Auf Terra hätten dieser Frau sämtliche Türen weit offen gestanden, doch stattdessen hatte sie sich für das Spezialistenprogramm auf USTRAC beworben – und war kläglich gescheitert. So brillant Christina Gabrielle als Wissenschaftlerin auch sein mochte, so unzureichend waren ihre körperlichen Voraussetzungen, wenn es um die Ausbildung zu einer USO-Spezialistin ging. Immerhin befand sie sich in bester Gesellschaft, denn die Durchfallquote für Anwärter auf den zwölfjährigen Trainingsmarathon, der als der mit Abstand härteste der Galaxis galt, lag von jeher bei über 70 Prozent.

Die Dozenten und Instrukteure im Impron-System waren allerdings nicht dumm, sondern genügten den gleichen hohen Anforderungen, die sie auch an ihre Prüflinge stellten. Sie erkannten das in Gabrielle steckende Potenzial augenblicklich und boten ihr eine Laufbahn als Wissenschaftsoffizier an. Wie nicht anders zu erwarten, absolvierte die Frau das normalerweise fünfjährige Studium in weniger als der Hälfte der üblichen Zeit. Ihren Dienst an Bord der IMASO versah sie nun seit knapp vier Jahren. Ich war durchaus gespannt, was für ein Mensch sich hinter dem nüchternen Lebenslauf verbarg.

Ein breites Doppelschott mit angeschlossener Isolierkammer trennte das Hauptlabor vom Rest des Schiffes. Jeder, der den Forschungskomplex betrat oder verließ, wurde von einer wahren Batterie von Scannern und Sensoren auf sämtliche bekannten Mikroorganismen untersucht. Der Vorgang dauerte nur wenige Sekunden, dann fuhr das Innenschott auf, und eine grüne Lampe signalisierte, dass alles in Ordnung war.

Christina Gabrielle belegte mit ihrem Team aus vier Wissenschaftlichen Assistenten ein kaum mehr als hundert Quadratmeter großes Areal im Bereich der Astrophysikalischen Abteilung. Ein unsichtbarer Sensor überprüfte meine Identität, und die entsprechende Tür öffnete sich automatisch. Sofort kam mir ein Schwall kalter, fast eisiger Luft entgegen. Für einen Arkoniden wie mich war es hier entschieden zu frisch.

»Lordadmiral Atlan!«

Ein dürrer, knapp unter zwei Meter großer Terraner mit schütterem, dunkelblondem Haar starrte mich aus großen, grünen Augen an, in der rechten Hand den Computerausdruck einer Messreihe, in der linken ein angebissenes Sandwich.

»Ich … Sie … das ist …«, stammelte er entgeistert. Ich tat, was ich in solchen – durchaus nicht seltenen Situationen – immer tat. Ich lächelte und neigte grüßend den Kopf.

»Entschuldigen Sie meinen unangemeldeten Besuch …«, sagte ich freundlich und warf einen schnellen Blick auf die Rangabzeichen am Kragen der Uniform, »… Leutnant. Ist Dr. Gabrielle zu …?«

»Chrissie!«, rief mein Gegenüber unvermutet mit sich überschlagender Stimme und gab mir damit keine Möglichkeit, meinen Satz zu Ende zu bringen.

»Chrissie! Komm schnell! Der Lordadmiral ist hier!«

Ich seufzte innerlich und behielt mein Lächeln bei. Auch wenn das wissenschaftliche Personal an Bord von USO-Raumern militärische Ränge bekleidete, so erfolgte der entsprechende Schliff doch in deutlich abgeschwächter Form. Nicht einmal ein Kadett im ersten Ausbildungsjahr hätte es gewagt, einen Vorgesetzten derart rüde zu unterbrechen beziehungsweise eine so überzogene Reaktion an den Tag zu legen, wie sie mein Gegenüber gerade demonstrierte. Ich nahm es mit der stoischen Gelassenheit, die sich jede Person des öffentlichen Lebens im Umgang mit anderen zwangsläufig aneignen muss, um nicht irgendwann verrückt zu werden. Unwillkürlich musste ich an ein Zitat des vor fast 700 Jahren verstorbenen Arno Kalup denken. Der berühmte Hyperphysiker hatte einmal zu mir gesagt: Die Wissenschaft schert sich nicht um Konventionen und Benimm. Auf der Suche nach der Wahrheit bleibt selten Zeit für die gute Kinderstube.

Auch wenn ich dieser Einschätzung nicht unbedingt zustimmen wollte, so hatte ich im Lauf der Jahrhunderte gelernt zu akzeptieren, dass Wissenschaftler ein ganz eigener Menschenschlag waren und man dementsprechend behutsam mit ihnen umgehen musste.

»Hör auf hier rumzubrüllen, Walt«, sagte eine weiche Stimme. Die Frau, die soeben aus dem Schatten einer mächtigen Regalwand trat, hatte unübersehbar ein paar Pfunde zuviel auf den Rippen. Ihr rundes Gesicht strahlte trotz der demonstrierten Missbilligung eine überwältigende Freundlichkeit aus. Christina Gabrielle trug einen weißen Laborkittel über ihrer Uniform; die brünetten Haare waren zu einem strengen Knoten nach hinten gesteckt. Mit vor der Brust verschränkten Armen baute sie sich jetzt vor dem dürren Terraner auf.

»Und was habe ich dir zum Thema Essen im Labor gesagt?«

Der Gescholtene blickte abwechselnd auf seine Chefin und das Sandwich in seiner Hand. Nach endlos langen Sekunden drehte er sich urplötzlich um und rannte ohne ein weiteres Wort davon. Der Erste Wissenschaftsoffizier der IMASO schüttelte resignierend den Kopf.

»Entschuldigen Sie bitte, Lordadmiral«, wandte sie sich mir zu. »Walt ist unschlagbar, wenn es um Datenanalyse geht. In allen anderen Dingen … nun, lassen wir das. Was kann ich für Sie tun? Es geht doch nicht etwa wieder um irgendwelche Schmuckstücke?«

»Diesmal nicht. Ich würde gerne ein bisschen mehr über das Black Hole erfahren, das wir im Zentrum des Zartiryt-Systems entdeckt haben«, erwiderte ich. »Und ich wollte unbedingt mal in aller Ruhe mit Ihnen sprechen. Ihre Abhandlung über die Interpretation ultrahochfrequenter Gammaemissionen im Jetstrahl Schwarzer Löcher hat mich sehr beeindruckt.«

»Sie haben …«, setzte die Wissenschaftlerin an, stockte und versuchte es erneut. »Sie haben den Aufsatz gelesen?«

»Allerdings«, nickte ich. »Auf Quinto Center werden nicht nur sämtliche Medienberichte über wirtschaftliche und politische Entwicklungen gesammelt und ausgewertet. Unsere Spezialisten kümmern sich natürlich auch um Veröffentlichungen aus allen anderen Bereichen. Das Problem einer Informationsgesellschaft, Dr. Gabrielle, ist nicht die Verfügbarkeit der Daten, sondern ihre Aufbereitung. Was ist wichtig und was nicht? Welche Quellen sind zuverlässig? Was muss der Befehlshaber der größten unabhängigen Polizeiorganisation der Galaxis wissen und was kann er sich zu ignorieren erlauben? An diesen Fragen arbeiten tagtäglich einige tausend Frauen und Männer. Das Ergebnis sind die so genannten Zirkulare der USO-Fachabteilungen, die auf maximal zwei Seiten alles enthalten, was von Bedeutung ist. Ab und an finde ich dort auch Ihren Namen.«

Christina Gabrielle zögerte. Ich konnte förmlich hören, wie es hinter ihrer hohen Stirn arbeitete.

»Um ehrlich zu sein, Sir«, sagte sie schließlich, »weiß ich nicht, ob ich mich deshalb ängstigen, oder mich eher geschmeichelt fühlen soll.«

»Sie leisten bemerkenswerte Arbeit«, gab ich zurück. »Sie können nicht erwarten, dass so etwas auf Dauer unbemerkt bleibt. Und Sie können sich nicht ewig verstecken.«

»Ich … ich verstehe Sie nicht …« Mit einem Mal hatte die Frau ihre zuvor zur Schau getragene Selbstsicherheit verloren. Ich hatte einen Nerv getroffen.

»Sie verstehen mich sehr gut, Dr. Gabrielle«, widersprach ich. »Ich habe mich ausführlich mit Ihrem bisherigen Werdegang beschäftigt. Die Forschung ist Ihre große, vielleicht sogar Ihre einzige Leidenschaft. Allerdings hassen Sie die Öffentlichkeit. Sie erachten Vorträge auf Kongressen und Symposien als Zeitverschwendung. Sie suchen nach Antworten auf einige der drängendsten Fragen der Wissenschaft, aber Sie wollen nicht, dass die Welt Sie dabei stört. Ein Schiff wie die IMASO, das manchmal viele Monate in abgelegenen Raumsektoren, weit weg von einer akademischen Gemeinschaft verbringt, die Sie mit Terminanfragen und Interviewwünschen nur von den Ihrer Meinung nach wirklich wichtigen Dingen ablenkt, ist deshalb der perfekte Zufluchtsort. Würden Sie meiner Einschätzung soweit zustimmen?«

Sie sah mich nur ungläubig an, und ich wich dem Blick der braunen Augen nicht aus.

»Ich dachte, Sie wollten mit mir über Schwarze Löcher reden, Sir«, sagte sie nach einer langen Pause steif und senkte den Kopf.

»Sie sind jung, Dr. Gabrielle«, ließ ich mich nicht beirren, »und ich gestehe Ihnen das Recht zu, die Realitäten noch eine Weile zu ignorieren. Aber glauben Sie einem alten Mann wie mir, wenn ich Ihnen sage, dass Sie sich früher oder später entscheiden müssen. Sie besitzen herausragende Fähigkeiten und einen überlegenen Verstand. Machen Sie nicht den Fehler zu glauben, dass Sie diese Gaben auf Dauer für sich allein beanspruchen können. Menschen wie Sie haben eine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit. Niemand in diesem Universum gehört nur sich selbst.«

»Das ist vielleicht die Art und Weise, wie Sie und Ihre unsterblichen Freunde sich sehen, Lordadmiral«, sagte die Wissenschaftlerin tonlos. »Für mich klingt das eher nach Rechtfertigung. Sie haben das Geschenk des ewigen Lebens erhalten und suchen jetzt nach Gründen, warum Sie es verdienen. Sie glauben, der Welt etwas zurückgeben zu müssen, weil Sie so unendlich viel bekommen haben. Aber Ihre Welt ist nicht die meine, Sir. Die Kriterien, die Sie anlegen, haben für mich keine Relevanz.«

»Eventuell haben Sie nicht einmal so ganz Unrecht«, entgegnete ich und lächelte verständnisvoll. »Doch wie so viele andere reduzieren Sie uns Zellaktivatorträger auf eine einzige hervorstechende Eigenschaft. Es mag für Sie arrogant klingen, aber um mit der Unsterblichkeit fertig zu werden, gibt es langfristig nur eine einzige Möglichkeit: die Entwicklung eines umfassenden Pflichtgefühls. Die Zukunft ist nichts weiter als die Vergangenheit von morgen. Daran ändert sich niemals etwas, egal wie weit man in der Zeit vorausblickt.«

»Dennoch ist es Ihr Privileg, dass Sie auf jede Frage eine Antwort bekommen, denn Sie können es sich leisten, darauf zu warten.«

»Abgesehen davon, dass Geduld noch nie zu meinen Vorzügen gezählt hat«, sagte ich, »müssten Sie eigentlich am besten wissen, dass jede Antwort mindestens zwei neue Fragen hervorbringt. Sie sollten mich also eher bedauern.«

Christina Gabrielle verzog spöttisch die Mundwinkel. Ihr war anzusehen, dass ihr diese Unterhaltung nicht gefiel.

»Wenn Sie so viel von mir halten, warum beordern Sie mich dann nicht einfach in den Wissenschaftlichen Stab nach Quinto Center?«, fragte sie provokant. »Sie sind mein Vorgesetzter, und ich habe einen Vertrag unterzeichnet, der mich unter anderem zum Gehorsam verpflichtet. Sie könnten mir die Teilnahme an den großen Konferenzen befehlen, ich könnte repräsentieren, und die USO würde vom Glanz meiner – wie sagten Sie doch gleich – herausragenden Fähigkeiten profitieren.«

»Den Lordadmiral, den Sie da beschreiben, gibt es nicht«, erwiderte ich ernst. »Ich werde Sie nicht daran hindern, den einfachen Weg zu gehen.«

»Den einfachen Weg? Was soll das heißen?«

»Ich bitte Sie, Dr. Gabrielle«, sagte ich mit unverhohlenem Spott. »Hier draußen haben Sie keinerlei Konkurrenz. Sie sind jedem Ihrer Kameraden turmhoch überlegen. In Quinto Center oder jeder anderen großen Forschungseinrichtung der Milchstraße wären Sie zunächst nur eine unter vielen. Sie müssten sich Ihren Platz an der Spitze jeden Tag neu erkämpfen. Die Ergebnisse Ihrer Arbeiten würden von den klügsten Köpfen der Galaxis auf Herz und Nieren geprüft, und man würde jeden Fehler genüsslich zerpflücken und unter Ihre Nase reiben. Sie leben im Paradies, Dr. Gabrielle, und so lange Sie sich weigern, in den Apfel am Baum der Erkenntnis zu beißen, werden Sie niemals die Antworten finden, die Sie suchen.«

Die plötzlich herrschende Stille war beinahe gespenstisch. Lediglich das leise Summen der Entlüftungsfilter war zu hören. Christina Gabrielle hatte ihre Hände ineinander verschränkt; auf ihrer glatten Stirn lag trotz der im Labor herrschenden Kälte ein dünner Schweißfilm. In diesem Moment tat sie mir fast leid.

»Immerhin …« Die Stimme der Frau war leise, aber dennoch gut zu verstehen. »Sie sind wenigstens ehrlich.«

»Das ist das mindeste, das ich Ihnen schulde, meinen Sie nicht?«, lächelte ich. »Halten Sie mich meinetwegen für einen gefühllosen Barbaren. Hassen Sie mich, wenn es Ihnen hilft. Aber tun Sie mir den Gefallen, und denken Sie über das, was ich gesagt habe, nach. Nehmen Sie sich dafür Zeit, von mir aus noch ein paar Jahre, aber treffen Sie am Ende eine Entscheidung. Wenn es soweit ist, wissen Sie, wo Sie mich finden.«

Mein Gegenüber nickte bedächtig. Dann ging ein Ruck durch den untersetzten Körper der Frau. Sie sah mich an, und in Ihren Augen glänzte jene überwältigende Freundlichkeit, die ich schon einige Minuten zuvor registriert hatte.

»Vielen Dank, Lordadmiral«, sagte sie. »Und da wir mit meiner Therapiesitzung offenbar fertig sind, möchten Sie jetzt wahrscheinlich hören, was ich über das Zartiryt-System herausgefunden habe?«

»Unbedingt«, grinste ich zufrieden. All meine Vermutungen hatten sich als korrekt erwiesen. Ich würde diese Frau im Auge behalten, denn hier reifte nicht nur eine außergewöhnliche Wissenschaftlerin, sondern auch eine bemerkenswerte Persönlichkeit heran. Wenn man ihr ab und zu einen Stoß versetzte, um sie behutsam in die richtige Richtung zu lenken, mochte hier mit der Zeit womöglich selbst einer Koryphäe wie Geoffrey Abel Waringer ernsthafte Konkurrenz erwachsen.

Christina Gabrielle bedeutete mir, ihr zu folgen, und führte mich zwischen mehreren langen Tischen mit allerlei seltsamen Gerätschaften hindurch in ein winziges Büro. Bis auf einen kleinen Schreibtisch mit Bildschirm und eingelassener Tastatur und einem furchtbar unbequem aussehenden Stuhl enthielt der Raum ausschließlich Regale, die bis auf den letzten Kubikzentimeter mit Büchern, Lesespulen, TriVid-Würfeln und ähnlichen Dokumenten vollgestopft waren. Selbst auf dem Boden stapelten sich die Folien meterhoch. Viele davon waren handschriftlich eng mit Formeln und Notizen bekritzelt.