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Nr. 132

 

Raub der Zauberkristalle

 

von Horst Hoffmann

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Mythor, der Sohn des Kometen, begann vor rund zweieinhalb Jahren seinen Kampf gegen die Mächte des Bösen in Gorgan. Dann wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.

Inzwischen haben der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen neben Fronja, der ehemaligen Ersten Frau von Vanga, eine beachtliche Streitmacht zählt, Carlumen, die Fliegende Stadt des legendären Caeryll, in Besitz genommen und mit diesem ehemaligen Fahrzeug des Lichts schon eine wahre Odyssee innerhalb und auch außerhalb der Schattenzone hinter sich.

Carlumens gegenwärtiger Aufenthaltsort ist der Goldene Strom, denn nur dort existiert die Möglichkeit, die in der Starre des Scheintods verharrenden Carlumer – und das betrifft die große Mehrzahl der Mitglieder an Bord der Fliegenden Stadt – zu neuem Leben zu erwecken.

Nachdem dies geschehen ist, wird Carlumen von Boozam, dem Schleusenwärter, weiter durch den Goldenen Strom gelotst, nach Watalhoo, der prächtigen Stadt. Auf dem Weg dorthin kommt es zum RAUB DER ZAUBERKRISTALLE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Der Sohn des Kometen verfolgt den Räuber der DRAGOMAE-Kristalle.

Sadagar und Gerrek – Mythors Begleiter.

Boozam – Schleusenwärter vom Goldenen Strom.

Joby – Ein kleiner Meisterdieb.

Gafunkel – Ein Feinwerker aus Watalhoo.

Zahuin – Ein Dunkeljäger.

Prolog

 

Er hörte die Stimme, ein Laut in der Stille seines Gefängnisses zunächst, ein Murmeln nur, doch er kannte den Tonfall.

Er sah das Licht, nicht mehr als ein Glimmen in der Schwärze seiner Nacht zunächst, ein Schimmer nur, doch er kannte seine Magie.

Es kam ihm näher, wurde heller und brannte in seinen Adern. Glühende Hitze durchraste seinen Leib, glühender Hass glomm in ihm auf. Und er war das einzige, was der Creata ihm niemals nehmen konnte!

Ein Gesicht schob sich in den fahlen Schein. Die Faust mit der Fackel senkte sich auf die gläserne Abdeckung seines Sarges herab. Magisch wie das Feuer waren die Worte, die der lippenlose Mund murmelte, während die vorquellenden Augen ihn voller Hohn anstarrten.

Er konnte ihnen nicht ausweichen. Er wollte es ja auch gar nicht. Er glaubte zu wissen, weshalb der Creata ihn heute besuchte – warum er ihn aus seinem Traumschlaf riss und sein Silberblut zum Sieden brachte.

»Hörst du mich, mein Geschöpf?«, fragte der Creata flüsternd. Er lachte. »Natürlich hörst du mich. Wirst du mir gleich antworten, oder möchtest du erst die Qualen kosten, die ich mir für dich ausgedacht habe?«

Es gab keine Qualen mehr, die ihn noch schrecken konnten. Die schlimmste aller Qualen hatte der Creata ihm angetan, als er ihn zu dem machte, was er nun war.

Der Hass war wie ein brennender Pfeil auf der Sehne eines weit gespannten Bogens. Doch die Hand, die ihn zog, war gelähmt wie der Körper im Gläsernen Sarg.

Der Creata hatte seine Freude daran, ihn zu martern. Dass er es heute mit einer Kostprobe seiner Macht bewenden ließ, zeigte, wie begierig er nach der Auskunft war.

Der Creata gestattete es dem Mund seines Opfers, zu reden.

»Ich werde antworten!«

Und du wirst deine helle Freude daran haben!

Der Blick der vorquellenden Augen veränderte sich. Reine Gier stand nun darin zu lesen. Das Flüstern des lippenlosen Mundes war eindringlich wie niemals zuvor.

»So sage mir, mein Geschöpf, wo finde ich den Zauberkristall!«

Der Bogen spannte sich noch etwas mehr. Der brennende Pfeil zeigte genau zwischen die vorquellenden Augen, mitten hinein in die geisterhaften Schatten, die die magische Fackel auf das verhasste Gesicht warf, das wie im schwarzen Nichts über ihm starrte.

»Du findest ihn nirgendwo mehr!« Jedes Wort war Genuss, war ein Schattenbild des Pfeiles, das die Sehne verließ. »Mächtigere sind dir zuvorgekommen, Creata!«

Das Gesicht zuckte zurück. Die Hand mit der Fackel begann zu beben.

»Das ist nicht wahr!«

»Wohl ist es wahr! Ein Dämon und ein Eindringling kämpften um den Kristall, und ich sah, wie der Eindringling Sieger blieb! Er schlug den Dämon, Creata! Willst du den Kristall in deinen Besitz bringen, so kämpfe um ihn! Kämpfe gegen jenen, der die Macht hat, Dämonen zu töten!«

Jeder Schattenpfeil traf. Das magische Licht flackerte heftig. Nur die beiden vorquellenden Augen tauchten aus der Schwärze zurück in den zuckenden Schein. Ein lippenloser Mund murmelte wieder die magischen Worte, die das Silberblut kochen ließen. Der Schmerz fraß sich in die Knochen aus Blei, in die Haut aus Eis, in die Seele aus Hass.

Der Körper konnte sich nicht einmal aufbäumen. Er lag starr in seinem Sarg und ertrug – ertrug, wie er es immer getan hatte.

»Sage die Wahrheit!«, kreischte die Stimme. »Glaube nicht, dass ich nur Macht über den Leib habe, Geschöpf! Zwinge mich nicht, deine Seele in einen Stein zu verwandeln, in dem du für alle Zeiten gefangen bist!«

Er lachte lautlos. Gefangen! Damit willst du mir drohen?

»Ich sehe für dich in ferne Bereiche, Creata! Ich höre auf dich, was der Wind aus ihnen herüberträgt. Quäle mich weiter, doch was du auch tust, der Zauberkristall ist in den Händen des Fremden.«

»Dann nenne mir seinen Namen!«

Er sah das mächtige Schiff, das sich im Goldenen Strom bewegte. Er sah die Krieger und Kriegerinnen, die Magiekundigen dort an Bord. Konnte er den Pfeil nicht gegen den Creata schleudern, nun mochten vielleicht andere seine Rache erfüllen.

»Mythor!«, schrie er dem Peiniger entgegen. »Er heißt Mythor, und er kommt aus einer fliegenden Stadt, die Carlumen genannt ist! Sie ist auf dem Weg hierher! Begib dich dorthin, Creata, sofern dein Mut groß genug ist, um auch gegen wehrhafte Gegner zu kämpfen!«

Der lippenlose Mund schob sich noch einmal vor. Er verzog sich zu einem kalten und grausamen Lächeln.

»Ich werde feststellen, ob du lügst, Orlabal. Nun träume wieder und denke dabei jeden Herzschlag an meine Rückkehr. Du weißt, ich bin nicht immer so gnädig gestimmt wie heute.«

Das magische Licht wurde schwächer, erlosch. Wieder umfing ihn die Schwärze, aus der die Träume kamen.

Eine schwere Tür schlug zu. Wieder war Stille.

Der Creata hatte seinen Namen genannt: Orlabal. Das war schlimmer als alle körperliche Qual.

Ich werde niemals mehr Orlabal sein! Doch solange ich lebe und denken kann, bleibt die Sehne gespannt.

Und eines Tages trifft mein Pfeil!

Er sank zurück in die Nacht. Sein Silberblut kühlte sich ab, der Schmerz ließ allmählich nach. Nur der Hass auf den Creata blieb.

1.

 

Robbin schien Saugfüße bekommen zu haben. Er stand zwar fest auf den Beinen, aber sein Körper bog und drehte sich, als wollte der Pfader mit seinen Körperbandagen den Boden des Bugkastells sauberwischen. Dabei gab er Laute von sich, die an knarrende Holzbohlen erinnerten.

Gerrek warf Mythor einen ergreifenden Blick zu.

»Bei allen mächtigen Drachen«, flüsterte er, »so schlimm war es bei mir nicht, nachdem ich diese Rauschpilze gegessen hatte. Unsere Freunde sehen aus, als hätten sie zehn Tage lang durchgezecht.«

Denn nicht nur Robbin fühlte sich todkrank. Die meisten Carlumer, die durch das Bad im Goldenen Strom aus ihrer scheintodähnlichen Starre erwacht waren, fühlten sich elend. Bei jedem zeigten sich die Nachwirkungen des vom tatasischen Totenwächter Cronim vergifteten Trinkwassers auf andere Weise. Die meisten Rohnen lagen noch klagend in ihren Behausungen. Andere hatten sich von ihrem Brummschädel erholt, während wieder andere zuerst völlig gesund gewesen waren und erst jetzt zu leiden begannen.

Voll handlungsfähig waren im Grunde nur Mythor, Proscul, Gerrek, Sadagar, Cryton, die sieben Wälsenkrieger und Fronja und Glair.

Fronja ...

Mythor ging nicht auf Gerrek ein. Mehr als alles andere machte ihm Fronjas Zustand zu schaffen. Sie verhielt sich seltsamer denn je, zeigte sich zurückhaltend und wirkte kränkelnd. Mythor war davon überzeugt, dass Glair ihm einiges hätte sagen können. Doch die Hexe schwieg.

Carlumen befand sich wieder in der Schattenzone, jedoch in jener wohl einzigartigen Strömung, die sich auf Caerylls Weltkarte als Circulur- oder Lebensader eingezeichnet fand. Jeder nannte sie ihrer besonderen Beschaffenheit halber den Goldenen Strom. Es war kein Strom aus Wasser, auf dessen Oberfläche Schiffe hätten segeln können. Vielmehr handelte es sich um eine mächtige Ader aus golden flimmernden Teilchen, Staubkörnern gleich. Sie waren je nach Höhe und Tiefe unterschiedlich dicht bis hin zu einer Festigkeit, dass sie Flussgefährte und selbst Carlumen sicher trugen.

Wichtig für Mythor war vor allem, dass hier die positiven Kräfte die bösen Einflüsse der Schattenzone überwogen. Manchmal geschah es, dass Carlumen etwas zum Rand der Ader abdriftete. Dann wurden die Uferauen erkennbar – neben, unter oder über der fliegenden Stadt. Wie es schien, lebten dort die verschiedenartigsten Wesen, Mischkreaturen zumeist, aber auch solche, die aus der Schattenzone kamen und den Goldenen Strom zu erobern suchten, der den Finstermächten ein besonderer Dorn im Auge war.

Sie holten sich dabei nichts als blutige Köpfe. Die Flussauen bildeten eine Pufferzone zwischen Strom und eigentlicher Schattenzone. Eroberer von dort bekamen es erst mit den Mischwesen zu tun, dann mit den Wächtern des Stromes.

Carlumen machte nun gute Fahrt. Mythor sah es als eine glückliche Fügung an, dass sein Weg ihn hierher geführt hatte. Neun DRAGOMAE-Kristalle waren nun in seinem Besitz. Den letzten hatte er dem Darkon abringen und dabei dessen fünfte Mumme zerstören können. Shaya hatte sich seitdem nicht mehr gemeldet, so dass der Gorganer die augenblickliche Ruhe nutzte, um den Wiedererweckten Gelegenheit zur Erholung zu geben. Boozam, der Schleusenwärter, fuhr mit seiner Boje voraus. Bald, so sagte er, würden die beiden bedeutendsten Städte am Goldenen Strom erreicht sein – Watalhoo und Visavy. Dort sollten die Carlumer vorerst Aufnahme finden. Watalhoo musste nach seinen Worten riesig und prachtvoll sein, Visavy, ihr genau gegenüber, dagegen schmutzig, übervölkert und von allem nur denkbaren lichtscheuen Gesindel bewohnt.

Mythor warf einen Blick auf die neun Steine, die auf einem kleinen Gestell vor den Lebenskristallen lagen, in die Caerylls hohe Gestalt eingeschlossen war. Sie waren in einem Kreis angeordnet. Neben dem Gestell standen zwei Rohnenkrieger als zusätzliche Wache. Mythor dachte mit leichtem Schaudern an die Macht, die sich ihm während seiner Versuche mit den Kristallen offenbart hatte. Mehr denn je galt es dafür Sorge zu tragen, dass sie nicht in falsche Hände fielen.

Plötzlich schrie Gerrek etwas. Er war zu einem der beiden Augenfenster gegangen und winkte aufgeregt. Mythor und Sadagar waren zugleich bei ihm.

»Was hast du, Beuteldrache?«, stichelte der Steinmann. »Berauscht dich der goldene Glanz?«

Gerrek konnte noch nicht einmal seiner Empörung Luft machen. Sadagar pfiff durch die Zähne, und auch Mythor sah die Gestalt, die im funkelnden Schimmer trieb und dabei mit den Armen ruderte wie ein Ertrinkender.

Tertish, die Totenbleiche, stand am anderen Fenster.

»Am besten beachten wir ihn nicht!«, rief sie herüber. »Wir sollten froh sein, Carlumen vom Auswurf des Bösen gereinigt zu haben!«

»Wir nehmen ihn auf«, widersprach Mythor. »Wir wären nicht besser als das Schattengesindel, würden wir einem Hilflosen die Rettung verwehren.«

Tertish lachte rau. Ihre Hände legten sich um die Griffe ihrer beiden Schwerter.

»Eines Tages wirst du sehen, was dir dein Edelmut einbringt, Mythor! Hast du Boozams Warnung schon wieder vergessen? Er sagte, dass wir uns hüten sollten vor allem, was unseren Weg kreuzt. Und schau hin! Er fährt mit seiner Boje an dem Fremden vorbei.«

»Er ist ja auch nicht wir!«, fuhr Gerrek sie an. »Oder hast du Angst? Ich jedenfalls fühle mich wieder stark genug, um es mit allem und jedem aufzunehmen.«

»Großmaul!«

»Mannweib!«

»Hört auf zu streiten«, sagte Sadagar. »Der Fremde hat uns gesehen. Er winkt. Wenn wir ihn noch auffischen wollen, müssen wir uns beeilen.«

Und so geschah es.

 

*

 

Die großen und schlanken Hände mit den ungemein langen Fingern umklammerten noch das Seil, mit dem der Fremde an Bord gezogen worden war. Mythor, Sadagar, Gerrek und einige Rohnen standen im Kreis um ihn herum, nicht weit entfernt vom wieder sprießenden Trieb des Lebensbaums. Es schien, als ballte sich der goldene Staub um den Spross herum besonders dicht zusammen, wie um ihn in einen glitzernden Schein zu hüllen.

Der Fremde lag reglos am Boden. Er lebte, hatte offenbar aber so viel an Kraft verloren, dass er noch kein Glied rührte. Doch die stark hervorquellenden Augen waren weit offen und starrten die Carlumer an.

Sie gehörten zu einem Gesicht, das von rostrotem Haar umrahmt war, bis in den Nacken fallend. Die Haut war fast bernsteingelb. Unter den Augen saß eine scharfrückige Nase, darunter ein lippenloser Mund. Um Stirn und Hinterhaupt zog sich ein golden schimmernder Reif, der mit roten Edelsteinen besetzt war. Ebenfalls solche Kristalle waren eingearbeitet in die verzierten Griffe zweier Dolche, die in einem Gürtel unter dem perlenbesetzten gelben Mantel zu sehen waren. An ihren Knäufen funkelten zwei große Rubine.

Die ganze Gestalt war nicht mehr als sechs Fuß groß, dürr, mit hervorstehenden Gelenken.

»Er ist harmlos«, stellte Gerrek fest. »Ich sehe so etwas sofort. Oder sieht so ein Diener der Finsternis aus?«

Der Beuteldrache blickte sich beifallheischend um und verzog das spitze Maul, als ihm nur Ablehnung entgegenschlug.

»Ich meine ja nur!«, brummte er. »Und seine Meinung darf man wohl auch noch sagen!«

Sadagar brachte ihn mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen.

»Er bewegt sich«, sagte der Steinmann. Er bückte sich zu dem Fremden hinab und zog den Mantel noch etwas mehr auseinander. »Er hat Wundmale, und hier ist verkrustetes Blut. Jemand muss ihm übel mitgespielt haben.«

Der Fremde stöhnte. Sadagar half ihm, sich halbwegs aufzurichten.

»Habt ihr ... Wasser?«

Die Stimme war kaum mehr als ein Fisteln, gebrochen, schwach. Mythor gab einem der Rohnen einen Wink. Dabei sah er Fronja herantreten, mit Glair und Ejoba in ihrem Gefolge. Die Rohnin und ehemalige »Kalenderin« heftete sich in der letzten Zeit wie ein Schatten an ihre Fersen. Oft tuschelten sie miteinander.

Ihre Blicke begegneten sich nur kurz. Fronja wich ihm aus. Sie starrte auf den Fremden, und das alles andere als freundlich.

Der Rohne kehrte mit einem Bottich voll Wasser aus dem Brunnen zurück. Der Fremde trank hastig. Gerrek nutzte dies aus, um Mythor zuzuflüstern:

»Er ist bestimmt ein reicher Mann. Sicher haben ihn Plünderer überfallen und so zugerichtet. Er kam ja aus Uferrichtung auf uns zugeschwommen.«

Im Goldenen Strom schwimmen, so hatte Boozam erzählt, konnten nur wenige besonders Geübte – und solche, die der Magie mächtig waren.

»Vielleicht bekommen wir eine Belohnung«, flüsterte Gerrek, »wenn wir ihn zu Hause abliefern. Er kann doch nur aus Watalhoo stammen.«

Des Mandalers Augen funkelten fast so wie die Rubine des Fremden, der sich nun das Kinn abwischte und aufzustehen versuchte. Sofort schnitt er eine Schmerzensgrimasse und sank zurück.

»Wo ... bin ich?«, presste er mit schwerem Atem hervor. »Und wer ... seid ihr?«

Mythor ging vor dem Unbekannten in die Hocke.

»Du bist in Sicherheit und bei guten Freunden, wenn du kein Freund der Finsternis bist«, hörte er sich sagen.

Der Fremde lachte heiser.

»Das bin ich wahrhaftig nicht! Ihre Diener waren es, die mich auf meinem Weg durch die Uferauen überfielen und ausraubten. Ich konnte mich nur in den Strom retten.« Er ließ endlich das Seil los und legte seine Spinnenfinger um Mythors Armgelenk. Wieder schien er mit grausamen Schmerzen zu kämpfen, doch er zog sich hoch, bis sein Gesicht ganz nahe an dem des Gorganers war. Wie gehetzt sah er sich um, dann wieder in Mythors Augen. Nun plötzlich überschlug sich seine Stimme:

»Die Kreaturen haben mir alles genommen, was ich in den Uferauen an kostbaren Steinen sammeln konnte. Nur ich kenne die Orte, an denen sie aus den Landschollen wachsen! Wie kann ich dem Domo jetzt je wieder unter die Augen treten, ohne die Edelsteine!«

Domo!

Dann war der Fremde wahrhaftig ein Bürger von Watalhoo, denn der Domo, auch das wusste Mythor inzwischen von Boozam, war das Oberhaupt des Volkes, dem auch der Schleusenwärter angehörte. Boozam und seine Stammesgefährten nannten sich Aborginos, hießen jedoch aufgrund ihres Aussehens bei allen anderen Anwohnern des Goldenen Stromes meist nur »Drachenwölfe«. Die Aborginos beherrschten den Strom. Sie stellten die Wächter und die Krieger. Ihren Weisungen hatten alle anderen Anwohner zu gehorchen.

»Du solltest sie für ihn suchen?«, fragte Mythor, nun nicht mehr so sicher, dass er richtig gehandelt hatte. Er bemühte sich, seine Stimme dennoch unvoreingenommen klingen zu lassen.

»Ich sollte eine Schmuckkette für den Domo erschaffen, wie noch kein anderer Herrscher sie getragen hat. Denn ihr müsst wissen, ich bin ein Feinwerker und ein Meister meiner Zunft. Ich bin Gafunkel. Mein Ruf reicht weit über die Uferauen hinaus – und wäre mir fast zum Verderben geworden. Sagt, ihr seid auf dem Weg nach Watalhoo?«