HERTHA KRATZER

Alles,
was ich wollte,
war
Freiheit

AUSSERGEWÖHNLICHE
ÖSTERREICHERINNEN
DER MODERNE

INHALT

Cover

Titel

SCHAUPLATZ MANEGE UND BÜHNE

Henriette Willardt

Die Löwenbändigerin Miss Senide

Tilla Durieux

Die hässliche Diva

Cilli Wang

Die Zauberin

Hedy Lamarr

Die marmorne Sphinx

EMANZIPATION UND EXTRAVAGANZ

Norbertine Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau

Die adelige Rotkreuzschwester

Wanda von Sacher-Masoch

Venus im Pelz

Frida Strindberg-Uhl

Eine unschickliche Person

WAGNIS WISSENSCHAFT

Bertha Eckstein-Diener/Sir Galahad

Die verwundete Amazone

Helene von Druskowitz

Die abnorme Philosophin

Gabriele Possanner von Ehrenthal

Die unbeirrbare Pionierin

Anmerkungen

Bildnachweis

Impressum

„Es gibt nicht ,den Circus‘,

aber jeder trägt beinahe ein ähnliches Bild davon in sich.

Es ist die Atmosphäre, der Ort von Verzauberung

und der Ort unserer Träume,

die den Circus zum Circus machen.“1

Die Faszination der Manege – eines runden oder elliptischen Schauplatzes von Sensationen wie durch die Luft fliegenden Menschen, Kunststücken auf galoppierenden Pferden, gefährlichen Raubkatzen, ihr Leben riskierenden Artisten und von Späßen der Clowns in Glitzerkostümen – erfasst das Publikum auf den billigen Plätzen ebenso wie das in den teuren Logen. Die Zuschauer genießen den Nervenkitzel, fiebern bei waghalsigen Nummern mit und atmen auf, wenn alles gut gegangen ist, sie lachen und applaudieren. Es zählt der Augenblick, und ein Risiko berührt nur, wenn das Leben auf dem Spiel steht. Für manche bedeutet der Zirkus noch mehr als eine Szenerie von Attraktionen, er wird zu einem Traumziel, zur Utopie eines Lebens in Freiheit und Selbstbestimmung.

Für Frauen, die von Freiheit und Selbstbestimmung nicht einmal zu träumen wagten, mag die Manege vollends ein Sehnsuchtsland gewesen sein. Artistinnen, Kunstreiterinnen, Akrobatinnen, Raubtierdompteusen und Kraftfrauen haben schon früh Tabus gebrochen, die bürgerlichen Frauen Grenzen setzten, und in der Manege als realem Arbeitsplatz gleichberechtigt neben und mit ihren männlichen Kollegen gearbeitet. Als Zirkusdirektorinnen waren sie ihnen manchmal auch vorgesetzt. Vom Publikum wurden sie als Außenseiterinnen wahrgenommen, aber bewundert und verehrt.

Für Künstlerinnen auf der Bühne hingegen galt bis ins 20. Jahrhundert das Diktum Jean-Jacques Rousseaus:
„Diejenige, die sich zur Schau stellt, (…) die sieht und gesehen wird, diejenige, welche die ihr gezogenen Grenzen der Häuslichkeit und Privatheit überschreitet, die selbstständig für ihren Unterhalt sorgt und sich damit von der Fürsorge anderer unabhängig machen könnte, verdient es, misstrauisch beobachtet zu werden.“2

Der Wirkungskreis der Frau ist nicht die Bühne, weder die im Theater noch die des öffentlichen Lebens, sondern das von Mauern begrenzte Haus. Wenn eine Frau die Privatheit des Hauses verlässt und sich der Öffentlichkeit darbietet, macht sie sich zum Projektionsobjekt bürgerlicher Sehnsüchte. In Männern erweckt sie Träume erotischer Freizügigkeit, in den Frauen den Traum von Selbstverwirklichung. Beides gefährdet das Normverhalten der bürgerlichen Gesellschaft.

Eine Schauspielerin konnte sich befreien, konnte als Primadonna oder Diva unabhängig, reich und berühmt werden, freilich nur, wenn sie jung und schön war. Gleichzeitig gab es die große Zahl der Schauspielerinnen, die hart am Rande des Existenzminimums lebten und sich mit fragwürdigen Verträgen zufriedengeben mussten. Ein Star auf der Bühne, sei es eine Schauspielerin, eine Tänzerin oder Sängerin, hatte vielleicht weniger finanzielle Sorgen, bewegte sich dafür aber im Dunstkreis von Gerüchten über reiche Gönner, spendable Liebhaber, geheime Besuche in Chambres séparées etc. Die bürgerliche Welt war der Schauspielerin verschlossen, wollte sie heiraten, verlangte der Theaterdirektor oder der bürgerliche Anstand, dass sie die Bühne verlasse.

Die folgenden Biografien schildern die Karriere der Henriette Willardt, die als Löwenbändigerin weltberühmt wurde, die Entwicklung der jungen theaterbesessenen Tilla Durieux zu einer der renommiertesten Schauspielerinnen ihrer Zeit, den Lebenslauf der viel zu wenig bekannten Verwandlungskünstlerin Cilli Wang und das dramatische Leben der Hollywoodikone und Erfinderin Hedy Lamarr.

Henriette
Willardt

DIE LÖWENBÄNDIGERIN MISS SENIDE

1866  1923

Emma Willardt ist entsetzt. Ihre sechzehnjährige Tochter Henriette steht in einem Käfig, umgeben von acht Wölfen, zwei Bären und zwei Hyänen – vor dem Käfig ein riesiger Menschenauflauf. Die Tiere verhalten sich ruhig, die Tochter droht: Sie werde den Käfig nicht eher verlassen, bis ihr die Mutter erlaube, Tierbändigerin zu werden. Das sei ihr Traumberuf. Sie hört weder auf Mahnungen noch auf Bitten, bis die Mutter keine andere Wahl hat, als zuzustimmen. Sie tut es unter Tränen. Emma Willardt, die sich ihren Lebensunterhalt mit einer Schaubude im Wiener Prater verdient, kennt die Gefahren, denen die immer beliebter werdenden Raubtierbändigerinnen ausgesetzt sind. Der Tod der erst siebzehn Jahre alten Dompteuse Ellen Chapman, die 1850 von ihrem Tiger getötet worden war, hatte in England sogar zu einem Auftrittsverbot für Frauen in Raubtierkäfigen geführt. 1886 wird die Französin Nouma-Soulet im Alter von fünfundzwanzig Jahren von ihrem Löwen zerrissen und 1888 stirbt in Prag die kaum ältere Dompteuse Bertha Baumgarten. Manche Dompteusen tragen gepolsterte Kleidung, um sich vor Bissen zu schützen, mit Peitschen, Eisenstangen oder Gabeln versucht die Tierbändigerin im Notfall sich den Rückzug aus dem Käfig zu sichern, auch um den Käfig herum postierte Zirkusmitarbeiter sollen von außen ein angreifendes Raubtier ablenken. Dass diese Maßnahmen höchst unzureichend sind, zeigt die große Anzahl von in Käfigen getöteten Dompteusen.

Emma Willardt, eine gebürtige Hamburgerin, hatte 1873, im Jahr der Wiener Weltausstellung, im Prater in der Ausstellungsstraße Nr. 147 eine Schaubude eröffnet. Sie zeigt Attraktionen wie Magie im Welt- und Zaubertheater von Fräulein Amanda mit Wandelbildern und Wachsfiguren, stellt Riesendamen und Bambutti-Zwerge, Lappländer mit Rentieren und Fidschi-Insulaner aus wie auch die Athletin Sophie Sondermann, die Riesendame Judith Matursik und das Riesenmädchen Therese. Eine Sensation und ein noch besseres Geschäft als die Schaubude ist der angeschlossene „Schnellphotographie-Salon“, in dem Tag und Nacht Ferrotypien hergestellt werden, ein fotografisches Direktpositiv-Verfahren. Später kommt noch eine Schießstätte dazu.

Natürlich wünscht sich Emma Willardt, dass ihre Tochter zunächst in dem florierenden Unternehmen mitarbeitet und es später einmal übernimmt. Aber die Tochter Henriette interessiert sich weder für die Zauberkunststücke und Kuriosa in der Schaubude noch ist die Schnellfotografie nach ihrem Geschmack. Das am 5. November 1866 geborene Mädchen wird in Bruck an der Mur in einem Mädchenpensionat erzogen und kommt im Alter von fünfzehn Jahren zur Mutter nach Wien. Sie ist vom ersten Augenblick an von den Raubtieren fasziniert, die sie in den Pratermenagerien bestaunen kann.

Frauenpower in der Manege: weibliche Leopardendompteuse (Foto 1905)

In „Europas größter Menagerie“ von F. Kleeberg auf der Feuerwerkswiese treten Tierbändiger auf, darunter, wie das Illustrierte Wiener Extrablatt vom 16. April 1884 berichtet, auch das Fräulein Emma Kleeberg. Von der „Ehlbeckschen Menagerie“ wird behauptet, dass sie ihresgleichen auf dem Kontinent suche. Den Tierbändigern, die dort auftreten, war allerdings von der Polizei verboten worden, den Kopf in den Rachen der Löwen zu stecken.3 Eine polizeiliche Verwarnung trifft auch den Menageriebesitzer Adolf Holzinger, als seine einjährige Löwin an der Leine im Garten des Wirtshauses „Zum Butterfaß“ spazieren geführt wird.4 Vielleicht hat das todesmutige Fräulein Kleeberg Henriette auf die Idee gebracht, es ihr gleichzutun, jedenfalls träumt sie nicht nur vom Beruf der Dompteuse, sondern setzt auf die eingangs geschilderte drastische Weise auch durch, dass sie ihn ausüben kann.

DIE „LÖWENBRAUT AUS WIEN“

Emma Willardt hält ihr Versprechen, sie fährt mit ihrer Tochter nach Hamburg und kauft zwei Berberlöwen, einen Bären und einen Leoparden. Bereits fünf Monate später, am 13. Mai 1883, berichtet das Illustrierte Wiener Extrablatt, dass in der Schaubude Willardt eine junge Tierbändigerin, Fräulein Henriette Willardt, „einzig und allein in ihrer Art in diesem Genre“ zu bewundern sei. Noch im Dezember desselben Jahres reist die junge Dompteuse, der Zirkusdirektor Ernst Renz zur besseren Vermarktung den exotisch klingenden Künstlernamen „Miss Senide“ vorgeschlagen hat, mit ihren Tieren und einem prächtigen Schaukäfig nach Berlin. Reißerisch als „Löwenbraut aus Wien“ angekündigt, gibt sie am 12. Dezember 1883 bei der Damengala im „Zirkus Renz“ ihr Debüt. Der Auftritt ist eine Sensation. Die jugendliche Tierbändigerin lässt sich von einem Löwen die Tatzen auf die Schultern legen, nimmt ein Stück Fleisch in den Mund und lässt den zweiten Löwen danach schnappen. Ein Leopard legt sich ihr schnurrend zu Füßen und setzt sich dann manierlich zu Tisch, ebenso ein Bär und eine Dogge.

Frauen im Raubtierkäfig sind immer eine Attraktion und ein Nervenkitzel für das Publikum, umso mehr, wenn eine erst Siebzehnjährige den Käfig betritt. Doch die Raubtiere gebärden sich nicht als wilde Bestien, wie es die Ankündigungen hätten vermuten lassen, sondern folgen scheinbar sanft den Befehlen der jungen Dame und zeigen willig ihre Kunststücke. Die Vorführungen finden auf engstem Raum, in einem Käfigwagen von fünf Metern Länge und etwas über zwei Metern Breite statt, der in die Manege geschoben wird. Der Abstand zwischen der Dompteuse und dem Tier ist äußerst knapp. Der Berichterstatter des Wiener Extrablatts hatte das Einzigartige in Henriette Willardts Art der Vorführung bereits betont. Mit großer Tierliebe und enormer Nervenstärke arbeitet sie mit den Raubtieren nach der Methode der „zahmen Dressur“, die ohne schmerzhafte Bestrafungen der Tiere auskommt. „Sie liebte einfach die wilden Bestien, sie schlug dieselben nicht, sie hätschelte und liebkoste sie – und siehe da: Die Tiere wurden fromm und gelehrig wie die Pudel, gehorchten auf den leisesten Wink.“5

Mit dieser Methode löst Miss Senide die gängige Praxis der sogenannten „wilden Dressur“ ab, bei der ein Kampf zwischen einem starken Mann, dem Dompteur, und den gefährlichen Bestien, den Tieren, inszeniert wurde. Die Tiere wurden gereizt, mit der Peitsche und glühenden Stangen malträtiert, bis sie in panischer Angst brüllten und sich aufbäumten. Die Dressur bestand darin, dass ein misshandeltes Tier in seiner Angst auf ein Podest oder durch einen brennenden Ring sprang, wenn es keine andere Fluchtmöglichkeit sah. Manchmal wurden die Tiere sogar zu einem Gegenangriff provoziert. Das Publikum erlebte dabei die Überlegenheit des Dompteurs, der sich als Sinnbild männlicher Kraft präsentierte und die Raubtiere seinem Willen unterwarf. Carl Hagenbeck, der als der Erfinder der „zahmen Dressur“ gilt, verlangt als Grundeigenschaft eines Tierbändigers, einer Tierbändigerin Geduld, Selbstbeherrschung und scharfe Beobachtungsgabe. Je geduldiger und gütiger der Dompteur ist, desto mehr Vertrauen werden die Tiere zu ihm fassen. Ist aber die Güte nicht mit Strenge gepaart, die den Gehorsam erzwingt, dann wird es der Vorführung an Sicherheit mangeln. Scharfe Beobachtungsgabe ist ebenfalls notwendig, um schon geringste Veränderung in der Stimmung der Tiere zu erkennen und einer eventuell gefährlichen Situation zuvorzukommen.

Tilly Bébé im Löwenkäfig (Postkarte von 1905)

Selbstverständlich beruhen auch Miss Senides Vorführungen auf einer klaren Rangordnung. Die Dominanz der  Dompteuse ist überlebensnotwendig, wird aber nicht mit Gewalt ausgeübt. Sie demonstriert vielmehr, zu welch außergewöhnlichen Leistungen Frauen mit dem Verzicht auf Gewalt imstande sind. Neben der Deutschen Claire Heliot und der Niederösterreicherin Tilly Bébé gehört Miss Senide zu den weltweit bekanntesten Dompteusen. Diese jungen Frauen verkörpern weibliche Souveränität in einem männerdominierten Umfeld. Sie sind bewunderte Ausnahmen, zeigen sich selbstbewusst und unerschrocken, verdienen gut, reisen um die Welt und können alternative Lebens- und Liebesformen jenseits der normativen Geschlechterrollen ausprobieren.

TRIUMPH UND TODESANGST

Miss Senide wird nach ihren Auftritten in Berlin vom „Circus Halle“ engagiert, gibt Gastspiele in Österreich, tritt in Portugal, Spanien, Frankreich und Belgien auf. Eines ihrer spektakulären Kunststücke, mit dem sie in die Zirkusgeschichte eingeht, ist das „Diner africain“, ein Meisterstück der Dressurkunst, das sie erstmals in Lüttich vorführt, wo sich zur Novembermesse die bedeutendsten Tierbändiger versammeln. Vor ausverkauftem Zirkuszelt zeigt sie vorerst bekannte Tricks und erntet Bewunderung, schon allein aufgrund ihrer Jugend, und beeindruckt durch ihren sanften Umgang mit den Tieren. Dann betritt sie den Käfig zum zweiten Mal, wirft einem Panther ein Stück rohes Fleisch in den Rachen, aber bevor das Tier schlucken kann, greift sie ihm ohne eine andere Waffe als eine leichte Peitsche in der Hand ins Maul und reißt das Fleisch heraus. Die Situation droht zu eskalieren, weil die anwesenden Löwen sie am Ausgang hindern wollen. Das atemlos zusehende Publikum überschüttet sie mit Beifall, als sie glücklich wieder außerhalb des Käfigs steht.

Bei diesem Kunststück, das ihr Engagements in aller Welt einbringt, gibt es hin und wieder Verletzungen, was aber die Spannung und Bewunderung des Publikums nur steigert. Im „Zirkus Moritz Blumenfeld“ gibt sie täglich drei Vorstellungen von je einer halben Stunde, eine gewaltige Anstrengung und Leistung sowohl für die Dompteuse wie auch für die Tiere.

Miss Senide kleidet sich extravagant, liebt Fantasieuniformen und zeigt ihre Beine in Strumpfhosen und hohen Stiefeln wie ihre männlichen Kollegen. In Paris tritt sie in exotisch-freizügigem Kostüm im berühmten „Cirque d’Hiver“ auf, anschließend tourt sie durch Großbritannien und Irland. In Dublin kommt es am 3. Februar 1887 beinahe zur Katastrophe. Die Tierbändigerin soll bei einer Vorführung fotografiert werden, doch gerade in dem Moment, als sie den Kopf in den Rachen ihrer Löwin Fatima legt, geht das elektrische Licht aus, das damals in den Zirkusbauten noch eine Neuheit war. Die Löwin erschrickt und beißt zu. Schwer verletzt kann sich die Dompteuse aus dem Käfig retten. Sie erinnert sich:

Miss Senide am Höhepunkt ihrer Karriere

„Ich saß in einer kleinen Ecke vis-à-vis dem Käfig bei der trüben Gasflamme in meinem blutüberströmten Kostüm; die Tochter des Direktors hatte mir ihren Mantel über die Knie gebreitet und weinte bitterlich, neben mir kniend, und der arme Fotograf lief bald wie wahnsinnig auf der Bühne umher, bald flehte er mich wieder an, ihm zu verzeihen. Der Doktor hielt jetzt prüfend seine Nadeln an die Gasflamme, um die passendste auszusuchen. Dicht vor mir im Käfig stand die andere Löwin ,Cora‘ und wandte keinen ihrer Blicke von mir ab. Diese Situation zu beschreiben ist gar nicht möglich. Ich war kaum einundzwanzig Jahre alt und allein im fremden Lande. In dem festen Glauben, vollständig entstellt zu sein, wurde ich noch durch das Weinen und Jammern der Anwesenden bestärkt. Keine Träne und keinen Laut hörte man von mir. ,J’étais mortifié!‘ Dies ist wohl so zu erklären: Eine Stunde vorher glückstrahlend in der Mitte meiner Zöglinge beifallsumrauscht und dann blutüberströmt gegenüber den murrenden Tieren unter den Händen des Chirurgen.“6

Trotz der schweren Verletzungen im Gesicht und am Hals tritt sie nach kurzer Zeit wieder auf. Zum Glück ist ihr Gesicht nicht entstellt, denn neben der künstlerischen Leistung zählt in der Manege – ganz besonders bei Frauen – auch die physische Attraktivität. Eine Artistin mit entstelltem Gesicht ist ihr Engagement und damit ihre Existenz los. Mit verbundenem Gesicht absolviert sie erste Vorführungen, dann folgen Tourneen nach England und Russland. 1891 nimmt sie ein Engagement im „Circus Salamonsky“ auf, in Warschau gastiert sie mit dem „Grand Cirque français J. Godfroy“. Ihre größte Tiergruppe besteht aus neun Löwen, einem Tiger, einem Leoparden und einem Bären. Mit achtundzwanzig Jahren, Ende 1894, Anfang 1895, gründet Miss Senide ihren eigenen Zirkus und bereist mit ihm Russland und Asien. Um 1896 befindet sich der „Circus Miss Senide“ in Stawropol in Russland, 1904 reist sie mit Löwen, Leoparden, Hyänen, Wölfen und Bären durch Aserbaidschan.7

LEBENSABEND IN WIEN

Über ihre späteren Jahre ist wenig bekannt. Nach einigen Quellen heiratet sie in St. Petersburg einen ehemaligen Athleten namens Wagner, Besitzer des „Circus Ciniselli“. Er ist vermutlich um 1900 verstorben. Sie kehrt nach Wien zurück und tritt im Zirkusgebäude des Zirkus Busch auf, doch ihre Vorführungen sind nicht mehr die Sensation, die sie früher waren. Manchmal decken die Einnahmen nicht annähernd die Ausgaben für das Tierfutter. Ihre große Zeit ist vorbei. Miss Senide adoptiert den Hundedresseur Joseph H. Günther und übernimmt nach dem Tod ihrer Mutter deren Schnellfotografiesalon im Wiener Prater. Am 9. November 1923, kurz nach ihrem siebenundfünfzigsten Geburtstag, stirbt Miss Senide in Wien und wird auf dem Matzleinsdorfer Friedhof neben ihrer Mutter bestattet. Auf dem Grabstein steht unter ihrem Namen: „Gew. Tierbändigerin Miss Senide.“ Ein friedlich schlafender Löwe aus Stein liegt auf dem Grabdeckel. Joseph H. Günther hat ihn ihr zu Ehren anbringen lassen.

Tilla
Durieux

DIE HÄSSLICHE DIVA

1880  1971

„Mit dem Ponem8 wollen Sie zur Bühne? Lernen Sie lieber kochen!“9 Das hört die junge Tilla Durieux 1901 vor ihrem ersten Auftreten am königlich-städtischen Theater zu Olmütz von Theaterdirektor Stanislaus Lesser. Lessers drastisches Urteil ist vom Geschmack der Zeit diktiert. Die damals einundzwanzigjährige Schauspielerin ist kein süßes blondes Mädel mit Kulleraugen und herzigem Kirschmund. Ihr Teint ist dunkel, die schwarzen Haare umrahmen eine slawisch anmutende Gesichtsform, man attestiert ihrem Aussehen eine gewisse Exotik, ja Wildheit, aber keineswegs Schönheit. Auch später, als sie bereits auf den Bühnen Max Reinhardts reüssiert, schreibt ein Kritiker einer Berliner Tageszeitung nach einer Aufführung von „Gyges und sein Ring“:„Wenn man so hässlich ist, soll man nicht die Rhodope spielen.“10 Noch deutlicher drückt sich eine Autorin der Württemberger Zeitung in ihrer Kritik von Shakespeares „Cleopatra“ aus: „Sie ist unschön; platt gedrückte Nase in hagerem Gesicht, unadelige Gestalt, sehr schlechte, gebeugte Haltung, am unköniglichsten von allen ist diese Königin.“11

Dennoch gehört Tilla Durieux zu den meistporträtierten Frauen ihrer Zeit: Auguste Renoir, Emil Orlik, Max Liebermann, Olaf Gulbransson, Franz von Stuck, Hermann Haller, Georg Kolbe, Oskar Kokoschka und andere haben sie gemalt. Für Ernst Barlach, der von den Nationalsozialisten später unter die „entarteten Künstler“ gereiht wird, war sie Modell zahlreicher Porträtbüsten, auch Hermann Haller, Hugo Lederer und Götz Löpelmann haben Büsten von ihr angefertigt.

EIN „MÄDCHEN AUS GUTEM HAUSE“ WIRD SCHAUSPIELERIN

Der richtige Name der 1880 in Wien geborenen Tochter eines Chemieprofessors und einer ungarischen Pianistin lautet Ottilie Godeffroy de la Rochelle. Da sie trotz heftigen Widerstands der Mutter – der Vater war verstorben, als sie vierzehn Jahre alt war – darauf bestand, Schauspielerin zu werden, musste sie aus Gründen der Familienehre ihren Namen gegen den ihrer Großmutter tauschen. Sie nannte sich nun Tilla Durieux.

„In Wien, wo ich alsda geboren aufwuchs, gab es acht Schulklassen für Mädchen. Weitere Bildung wurde dem Geschmack und dem Geldbeutel der Eltern überlassen“,12 erzählt Tilla Durieux in ihren Erinnerungen. Die Mutter will aus der Tochter eine Pianistin oder zumindest eine Klavierlehrerin machen, sie auf einen bürgerlich akzeptablen Beruf vorbereiten und zwingt sie, täglich vier Stunden zu üben. Tilla hasst das Klavier, das ihr täglich vier Stunden Kindsein raubt, aber sie liebt es, wenn die Mutter spielt. Dann tanzt sie im Nebenzimmer, fühlt sich als Prinzessin oder Fee, erfüllt sich Wünsche in Tagträumen. Denn ihre Kindheit ist einsam. Sie wächst allein, ohne Geschwister auf. Noch als alte Frau wird sie von ihrer „einsamen, in Träumen versponnenen Kindheit“13 sprechen. Besuche im Wiener Burgtheater wecken in ihr den leidenschaftlichen Wunsch, Schauspielerin zu werden. Sie will ausbrechen aus der Enge ihrer bürgerlichen Herkunft in eine Welt, in der sich das Leben abspielt, buntes, facettenreiches Leben mit den Höhen und Tiefen, die sie sich in ihrer Fantasie ausmalt. Sie nennt es später ein „krankhaftes Sehnen nach einer anderen Welt, die doch irgendwo stecken musste. Einer Welt voller Geheimnisse und zugleich voller Wahrheit.14“

Als sie der Mutter diesen Wunsch gesteht, schlägt ihr „die fassungslose Frau“ ins Gesicht. Den Beruf einer Schauspielerin assoziiert man zu jener Zeit mit Oberflächlichkeit, Libertinage, sogar mit Prostitution, auf keinen Fall aber mit der Zukunft einer „höheren Tochter“. Die angebliche Freiheit der Schauspielerin wird als Bedrohung des Sittenkodex empfunden, der bürgerlichen Ehefrauen, vor allem aber den Töchtern auferlegt ist. „Nicht nur der Kreis meiner Eltern, sondern die ganze Welt hatte zu dieser Zeit andere Ansichten über die Erziehung junger Mädchen als heute. (…) Wenn einen Beruf auszuüben an sich schon damals für ein Mädchen eine Degradierung bedeutete, wie viel mehr stellte sich eine werdende Schauspielerin abseits von allem Erlauchten und Hergebrachten.“15

So mag man vielleicht die Ohrfeige erklären, mit der Tillas autoritäre Mutter auf den Berufswunsch der Tochter reagiert. Aber Tilla verfolgt ihn hartnäckig und erkämpft sich schließlich den Besuch der Theater- und Vorbereitungsschule des Wiener Hofschauspielers Karl Arnau. In der Saison 1899/​1900 macht sie ihre ersten Bühnenerfahrungen und erlebt am Wiener Raimundtheater in der Rolle der scheidungswilligen, lebenslustigen Cyprienne im gleichnamigen Lustspiel von Victorien Sardou den ersten Publikumserfolg. 1901 wird sie in Olmütz von Direktor Lesser trotz ihres „Ponems“ unter Vertrag genommen. „Eine Saison Olmütz, eine Saison Breslau, und schon landete ich bei Max Reinhardt in Berlin.“16 Es ist ein Blitzstart.

Tilla Durieux im Jahr 1910


KARRIERESTART IN BERLIN

Berlin um 1900 ist in fieberhafter Aufbruchsstimmung. Gegenüber London, Paris und Wien hat die einstige Provinzhauptstadt Nachholbedarf und den deckt sie mit rasantem Tempo.

„In verblüffender Hast wuchs die Stadt über Preußen hinaus und wurde Reichshauptstadt, sprengt auch diesen Rahmen und war bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs durch ihre gewaltigen Kunstsammlungen, durch ihre weltumspannenden Finanzinstitute, durch Musik, Theater, Ausländerverkehr und ihre internationale Halbwelt eine Art Weltzentrum, ja auf mehreren Gebieten das Weltzentrum. Die gewaltige Entwicklung der gesamten Nation – in Einwohnerzahl, Wohlstand, Geschmack – ließ sich von Jahr zu Jahr aus der Physiognomie der Stadt ablesen, die sprunghaft von dürftigem Provinzialismus zu Weltgeltung wechselte.“17

Mit rund zwei Millionen Einwohnern ist die Stadt damals bereits Weltmetropole und schickt sich an, Theatermetropole zu werden. Max Reinhardt schafft sich mit den Reinhardt-Bühnen ein regelrechtes Theaterimperium. Aus der 1901 eröffneten Kleinkunstbühne „Schall und Rauch“ wird „Das Kleine Theater“ mit literarisch anspruchsvollen Aufführungen und 1903 gründet Reinhardt das „Neue Theater am Schiffbauerdamm“. Er hat nur einen ernst zu nehmenden Konkurrenten, nämlich Otto Brahm.

Brahm, seit 1894 Leiter des „Deutschen Theaters“, spielt als Erster Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal. Als er Hauptmanns „Weber“ auf die Bühne bringt, kündigt Kaiser Wilhelm II. aus Protest die Hofloge. Brahm praktiziert den naturalistischen Inszenierungsstil, der allerdings nach Meinung der Durieux mit der Zeit verknöchert sei. Als sein Pachtvertrag mit dem Eigentümer des Theaters nicht verlängert wird, übernimmt Brahm 1905 die Leitung des „Lessingtheaters“ und Max Reinhardt die Leitung des „Deutschen Theaters“.

Max Reinhardt, 1873 in Baden bei Wien geboren, hatte als Banklehrling auf den Stehplätzen des „k. k. Hofburgtheaters“ in Wien seine Leidenschaft für das Theater entdeckt, privaten Schauspielunterricht genommen und später in Wien und Salzburg verschiedene Rollen gespielt. Otto Brahm hatte ihn in einer Aufführung in Wien gesehen, engagiert und 1894 in das Ensemble des„Deutschen Theaters“ aufgenommen. Letzten Endes hat Reinhardt, als er 1905 die Leitung des „Deutschen Theaters“ übernahm, seinen einstigen Förderer Brahm überflügelt und dann beerbt. Er wird zum Begründer des modernen Regietheaters und erweitert die Regietechnik um Massenszenen, aufwendige Ausstattung, Lichteffekte und die Verwendung der Drehbühne. Für Bühnenbild und Kostüme beschäftigt er regelmäßig anerkannte bildende Künstler. So werden Edvard Munch, Emil Orlik, Lovis Corinth und viele andere zu Mitgestaltern seiner Inszenierungen. Im Mittelpunkt seiner Theaterarbeit stehen aber immer der Schauspieler und die Schauspielkunst.

Für das kaisertreue Publikum gibt es Kaiser Wilhelms „Königliches Schauspielhaus“. Der betrachtet es als patriotische Anstalt zur Verfestigung vaterländischer Gesinnung und lässt hauptsächlich Klassiker mit großem Pathos und die Dramen Ernst Wildenbruchs aufführen. Hier gibt es wallende Locken, ausgestopfte Waden und viel Gold und Silber. Tilla Durieux nennt es respektlos Kitsch. Der aus Galizien stammende Schauspieler Alexander Granach, der aus dem Schtetl aufbrach, um bei Reinhardt in Berlin Schauspieler zu werden, vergleicht in seiner Autobiografie „Da geht ein Mensch“ den Aufführungsstil der drei wichtigsten Berliner Bühnen:

„Im Königlichen Schauspielhaus (…) waren mehr Schauspielbeamte. Alle gingen wie auf Kothurnen und sprachen schön, zu schön, zu getragen und machten Gesten, wie nie ein Mensch sie machen würde (…). Aber genau so wie die Schauspieler im Königlichen Schauspielhaus zu unnatürlich waren, waren die im Lessingtheater zu natürlich. Man hustete, spuckte, kratzte sich, machte Riesenpausen – eine Vorstellung sah dann so aus, als ob man zufällig in ein fremdes Haus hineingekommen und Zeuge peinlichster privater Auseinandersetzungen wäre. (…) Reinhardts Theater war zwischen den beiden. Es war natürlich und doch nicht alltäglich, es war feierlich und doch ohne falsches Pathos, es war Theater, ein romantisches, poetisches Theater.“18

Für Tilla Durieux ist der Eindruck, den Max Reinhardt auf sie macht, nach eigenen Worten „überwältigend“. Er spricht mit ihr und lässt sie jene andere Welt spüren, nach der sie sich seit ihrer Kindheit sehnt. Der Star unter Reinhardts Schauspielern ist damals Gertrud Eysoldt. Sie verfügt über ein großes Rollenspektrum, brilliert in den Stücken Hugo von Hofmannsthals, verkörpert hinreißend die Penthesilea im Drama von Heinrich Kleist und ist eine erotisch verführerische Lulu. Ihre Glanzrolle ist die Salome in Oscar Wildes gleichnamigem Einakter. Das Stück war nach der Pariser Uraufführung mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle in Deutschland von der Zensur verboten worden und konnte nur in einer geschlossenen Vorstellung gezeigt werden. Reinhardt hatte über ein Jahr gekämpft, bis er es auf einer Berliner Bühne öffentlich aufführen konnte.

Portätfoto von 1905

Als die Eysoldt nach der dritten Vorstellung erkrankt, bietet sich für Tilla Durieux eine Chance. Die junge, unbekannte Schauspielerin, die von Breslau nach Berlin gekommen war und schon einige Rollen mit Erfolg bei Reinhardt gespielt hatte, springt für sie ein – und gewinnt. Tillas Darstellung der zügellosen orientalischen Prinzessin, eines frühreifen Mädchens, das sich seiner Macht über die Männer durchaus bewusst ist, begeistert und fasziniert Publikum und Kritik. Es ist Tillas Durchbruch, der Beginn ihrer großen Karriere.

„Diese Vorstellung habe ich tatsächlich mit vollständigem Aussetzen meines Bewusstseins gespielt, und ich erwachte erst, als der Vorhang fiel und der jubelnde Applaus mich wieder und immer wieder rief. Reinhardt kam auf mich zu und sagte: ,Sie sind ja ein großes Talent, wir werden Ihren Vertrag revidieren müssen.‘ Alles umringte mich, ich taumelte vor Freude.“19

So liest man es in den Erinnerungen der Schauspielerin. Die Zeit bei Max Reinhardt ist für Tilla Durieux zwar entbehrungsreich in materieller Hinsicht, aber überaus reich an Bühnenerfahrung. Auch in der Erinnerung noch voll begeistert schreibt sie:

„Wir waren alle verzaubert von seiner Persönlichkeit. Nur für die Proben lebten wir und die Aufführungen. Alles andere war wesenlos. Dass unsere Gagen winzig waren und wir verpflichtet waren, Kostüme und moderne Kleider davon zu schaffen, dass die Proben übermäßig lange dauerten, dass die Wangel20 und ich in der Nacht schneiderten, die Höflich21 verzweifelt mit Schulden kämpfte und ich immer mit knurrendem Magen herumlief – was machte das aus! Es wurde alles vergessen bei dieser wunderbaren Arbeit auf den Proben und bei den Premieren.“22

Bei aller Anerkennung für die Leistungen ihrer Konkurrentinnen setzt sich Tilla kritisch mit deren Aufführungsstil auseinander. Sie wirft Gertrud Eysoldt und Irene Triesch, der Hauptdarstellerin am „Deutschen Theater“, vor, in ihren Darstellungen in der Gedankenwelt der Jahrhundertwende verhaftet zu sein. Sie verkörpern ihrer Meinung nach ein Frauenbild aus einer Zeit, als Frauen noch nichts von Sport, nichts von Sonne, Luft und Wasser wussten, sondern sich vom Mann unverstanden fühlten, sich im verdunkelten Zimmer ihren seelischen Qualen hingaben und abends Verständnis und Trost erwarteten. „Diese Art Frauen verkörperte die Triesch und sie traf es ausgezeichnet.“23 Es ist ein Frauenbild, das Tilla Durieux so fremd ist, dass alles in ihr revoltiert.

„Dieses tränenreiche Stammeln und weichliche Jammern waren mir in tiefster Seele verhasst. (…) Ich wusste, ich würde jede dieser Rollen anders anpacken, denn dieses Hingeben ohne Abwehr, diese Trauer der schwachen Untätigen erschien mir verächtlich. Ich fühlte genau, dass ich mit dieser Auffassung allein stand.“24

Später, als sie ihren Stil gefunden hat, werden ihr manche Kritiker, zum Beispiel Alfred Kerr und Alfred Polgar, Mangel an Gefühl vorwerfen und ihren Intellekt betonen, den sie bei einer Schauspielerin als Nachteil werten. Auch Julius Bab stellt fest, dass das Herz nur wenig an ihrer Kunst beteiligt sei und schreibt: „Deshalb bleiben ihre allerpersönlichsten und allervollkommensten Leistungen wohl jene, die einen leicht karikaturistischen Einschlag haben. Wenn sie bei Shaw oder Schnitzler die Damen hinstichelt – dann ist sie schlechthin unübertrefflich. Denn dann triumphiert restlos ein überlegener Kunstverstand.“25

Es scheint, dass diese Kritiker jenem Frauenbild nachhängen, gegen das Tilla Durieux revoltiert. Doch bevor es so weit war, schreibt sie, musste ihr erst das Leben „Gelegenheit geben, einen bitteren Kampf zu kämpfen, und der Mann musste erst erscheinen, der mir den Weg zeigt, wie man seine Gedanken in Kunst umsetzt.“26 Dieser Mann erscheint in der Gestalt Paul Cassirers, ihres zweiten Ehemanns, als Tilla noch mit dem ersten verheiratet ist.

LEBENSMENSCH PAUL CASSIRER

Tillas Mutter, die mit ihr eine Wohnung teilt, ist einerseits stolz auf den Erfolg der Tochter, andererseits um deren Moral besorgt. Die ständigen Querelen und hysterischen Ausbrüche der Mutter mögen mit ein Grund für Tillas Heirat mit dem jungen Maler Eugen Spiro gewesen sein. Sie heiratet ihn 1904 und ist durch die Ehe dem Einfluss ihrer Mutter entzogen. Das Paar bezieht eine bescheidene Wohnung in Halensee, wo die Miete erschwinglich ist. Spiro hat regelmäßig kleinere Aufträge und Tilla spielt mit Erfolg die unterschiedlichsten Rollen. Doch die Ehe währt nicht einmal ein Jahr lang. Bei einer Abendgesellschaft, die Eugen Spiro und seine Gattin gemeinsam besuchen, lernt Tilla den renommierten Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer kennen.

  Pan