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Nr. 1376

 

Die Werber des Hexameron

 

Ein Terraner auf Informationssuche – ein Hauri wird verfolgt

 

von Robert Feldhoff

 

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Den Völkern der Milchstraße ist nach der Zerschlagung des Kriegerkults nur eine kurze Verschnaufpause vergönnt. Die neue Bedrohung, die auf die Galaktiker zukommt, wird Anfang des Jahres 447 NGZ, das dem Jahr 4034 alter Zeitrechnung entspricht, erstmals erkennbar. Teile der Galaxis Hangay aus dem sterbenden Universum Tarkan gelangen in unseren eigenen Kosmos, was wohl als Folge der verheerenden Paratau-Katastrophe im Tarkanium von ESTARTU geschehen ist.

Im Sommer 447 ist allerdings längst klar, dass eine solche Deutung nicht genügt, zumal noch weitere Materiemassen in der Lokalen Gruppe aufgetaucht sind. Wildeste Spekulationen werden angestellt, aber nur wenige Galaktiker können sich das ganze Ausmaß der Gefahr vorstellen.

Einer dieser Galaktiker ist Perry Rhodan. Doch er kann sein Wissen nicht nach Hause übermitteln, denn er wurde nach Tarkan verschlagen, wo er sich auf die Suche nach einer Rückkehrmöglichkeit und nach der verschollenen Superintelligenz ESTARTU macht.

Inzwischen, Ende Juli 447 und nach einer ganzen Reihe von gefährlichen Abenteuern, erreicht Perry Rhodan mit seiner DORIFER-Kapsel LEDA tief im interstellaren Raum des bislang in Tarkan verbliebenen Teils von Hangay ein großes Sonnensystem. Dort sind die Hauri beheimatet – und DIE WERBER DES HEXAMERON ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner auf Informationssuche.

Beodu – Rhodans ständiger Begleiter.

Shallun und Shaa – Zwei Hauri wachsen heran.

Kaahn – Ein Lehrer in Jhiakk.

Vakk – Ein misstrauischer Hausmeister.

1.

Kindheit

 

Das Schiff ging langsam wie eine tiefschwarze, dreigeteilte Feder nieder. Sein Heck bestand aus einem konisch zulaufenden Zylinder, vollgepackt bis an die Grenze der Belastbarkeit, während Mittelschiff und Bug nur technische Anlagen enthielten. Es war dreihundert Meter lang und durchmaß an der dicksten Stelle vierzig Meter. Ein Frachtschiff, dachte Shalluna. Es brachte technische Geräte und Versorgungsgüter für den Berg der Priester. Der Berg war übervölkert, sein Kreislauf bot kaum ausreichend Nahrung für die Priesterlehrer und deren eigenen Nachwuchs.

»Wir müssen noch abwarten«, flüsterte Shalluna vorsichtig. Zwar ließ sich ringsum niemand außer Shaa, der neben ihm lag, sehen, aber der Berg hatte Ohren. Seine Schründe und Falten boten Platz genug für Priesterlehrer und Novizen. Man wusste nie, wohin ein unbedacht geäußertes Wort drang.

»Sie werden uns bald vermissen«, gab Shaa unruhig zu bedenken. »Wir fehlen an der Tafel.«

»Geduld.« Shalluna warf dem Bruder einen zurechtweisenden Blick zu. »Ohne Geduld wird man uns nie zu Novizen machen. Wir müssen abwarten, bis der Trimer entladen ist. Dann schleichen wir an Bord und verlassen den Berg der Priester

Shaa sagte nun kein Wort mehr. Und Shalluna war froh darum, denn er war beschäftigt genug, sich die eigenen Zweifel ständig auszureden. Würde man ihre Abwesenheit von der Tafel tatsächlich so einfach verzeihen, wie sie dachten? Aber ja, sagte er sich. Sie waren Kinder und Kinder genossen Narrenfreiheit. Bis zu einem gewissen Grad zumindest ...

Er und Shaa wollten sich in der Technozone nur umschauen. Ihre Heimat aber lag im Berg, das wusste er ganz sicher, weil man es ihm eingehämmert hatte.

Als die schlimmste Mittagshitze einer etwas kühleren Nachmittagsbrise gewichen war, lag das Frachtschiff entladen und scheinbar verlassen da. Hinter Shaa machte er sich an den Abstieg. Versteinerte Geweberisse durchzogen den Berg horizontal und vertikal. In Mulden und Rinnen hatten sich Geröllbrocken gesammelt. Sie nutzten jede Deckung und umgingen so den Sichtbereich der Pförtner, doch Shalluna spürte immer wieder nicht existente Blicke im Rücken.

»Du hast Angst«, stellte Shaa zufrieden fest. »Du hast nur getan, als würde es allein mir so gehen.«

»Weiter!«, zischte Shalluna böse.

Ein paar Minuten später hatten sie unentdeckt jene ausgedehnte Plattform erreicht, die man schon vor Jahrhunderten ins Gewebe des Berges geschnitten hatte. Heute war die Schnittstelle hart und unnachgiebig wie nackter Fels. Der Trimer ruhte auf Antigravpolstern ein paar Zentimeter über dem Boden, und Shalluna streckte rasch die Hände zum unteren Rand der Ladeluke aus. Mit einem heftigen Ruck zog er sich bis zur Brust hoch. Shaa half derweil von unten nach.

Im Laderaum brannte kein Licht. Es handelte sich um einen vergleichsweise winzigen Verschlag, so viel begriff der junge Hauri. An der Wand gegenüber würden sich Lichtschalter und ein Schott zum nächsten Korridor finden.

»He!«

Shalluna reichte seinem Bruder eine Hand und zog ihn hinauf. Sie kauerten am schattigen Rand der Ladeluke nieder, behielten die Pfortenöffnung des Berges im Auge und warteten ab. Es dauerte nur wenige Minuten. Selten genug war den Hauri aus der Technozone ein längerer Aufenthalt im Berg der Priester gestattet. Woran das lag, hatten die Lehrer nicht gesagt. Er und Shaa zumindest lebten hier – und das war genug, dachte Shalluna.

Die Erwachsenen begaben sich rasch zum Kopfteil des Trimers und ließen sich dort von einem Antigravfeld aufwärts ziehen. Als der letzte verschwunden war, sank unter dem Schiff der Boden weg.

»Sie schließen die Luken nicht«, sagte Shaa beklommen. »Genau das haben wir vergessen ...«

»Keine Panik, Bruder.« Shalluna schaute mit einem flauen Gefühl in den Gliedern nach unten. Dort schrumpfte der Berg allmählich zu einem langgestreckten, zerklüfteten Objekt. »Die Technozone ist nur ein paar Kilometer entfernt.«

Er spürte, dass seine Zuversicht geheuchelt wirkte. Aber weshalb hätte die Besatzung für einen Flug von dreißig oder vierzig Kilometern das Schiff aus der Lufthülle hinaussteuern sollen? Nein, sie waren sicher ...

Der folgende Augenblick belehrte ihn eines Besseren. Unvermittelt nahm das Schiff Fahrt auf, und sie wurden von übermächtiger Andruckbelastung ans hintere Ende der Frachtkammer gepresst. Erst allmählich pendelte sich die Beschleunigung auf geringe Werte ein.

Sie krochen gegen den scharfen Fahrtwind nach vorn. Weit unten lag der Berg der Priester, umgeben von einer Wolke aus Staub. Seine Masse sah gewaltig aus und war doch erstaunlich gering. Daran waren die vielen Hohlräume, eingeschlossene Gasblasen und das feste, zugleich leichte Gewebematerial des Berges schuld.

»Schau nur, dort!«

Shallunas Arm wies in Richtung einer glitzernden Fläche, die hinter zwei Gebirgszügen aufgetaucht war. Sie schien bis zum Horizont hin unbegrenzt, und der junge Hauri wusste, dass dem tatsächlich so war. Von Norden nach Süden durchmaß die Technozone mehr als hundert Kilometer. Dort lebten all jene Jünger des Hexameron, die in den Priesterbergen keinen Platz gefunden hatten. Auf Talluur machten sie neunzig Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

»Ich hätte nie gedacht, dass es von oben so gewaltig aussieht«, flüsterte Shaa.

Bald zerfiel das Glitzern in Details.

Es gab Gebäude unterschiedlichster Art in der Technozone. Schlanke, turmartige Leiber wuchsen neben ausgedehnten Lagerhallen aus dem Wüstenboden. Es gab Wohngebiete, worin Tausende von Hauri untergebracht waren, und matt gestrichene Silos, deren Sinn Shalluna beim besten Willen nicht erriet.

Hier hatte die Abkehr der Hauri vom Leben in den Bergen seinen Anfang genommen. Er hatte von einem Museumsbezirk gehört, irgendwo im Herzen der Technozone. Konzentrische Gebäuderinge immer jüngeren Datums umgaben jenen Kern und hatten so das künstliche Areal entstehen lassen.

Weshalb hatten die Priester nicht mehr davon berichtet?

Wollte man sie von diesem Teil Talluurs fernhalten? Vielleicht, dachte Shalluna, denn die Lehrer hatten sie oft genug gemahnt, ihre Kraft allein den Lehren des Hexameron zu widmen. Erst dann wären sie zu Novizen ernannt worden und hätten als Erwachsene gegolten. Und was, wenn ihre Eigenmächtigkeit diesen Schritt verhinderte? Shalluna mochte nicht daran denken.

»Gleich landen wir, Bruder.«

Shalluna kam nicht mehr dazu, Shaas Worte zu überprüfen. Derselbe Andruck wie beim ersten Mal warf sie rückwärts. Als sie sich erholt hatten, stand der Trimer still über einem freien Areal am Rand der Zone.

»Der Raumhafen!«, stellte er beeindruckt fest. »Was glaubst du, Shaa, wie viele Schiffe sind es? Hundert, zweihundert?«

»Viel mehr«, versicherte der andere glaubwürdig.

Der Trimer sank gemächlich abwärts. Weit unten machten die beiden Kinder einen freien, farbig markierten Landeplatz aus. Das flaue Gefühl in Shallunas Gliedern verstärkte sich, und erstmals wusste er nicht mehr zu sagen, weshalb sie den verbotenen Abstecher überhaupt unternahmen. Wirklich nur Neugierde? Er stieß ein paar unwillige Laute aus, ließ Shaas fragenden Blick jedoch ohne Antwort.

Mit sachtem Ruck setzte das Schiff auf. Hier endeten seine konkreten Vorstellungen. Ein wenig ratlos schaute er mit Shaa auf das weite Landefeld hinaus, und die einzigen Bewegungen, die er sah, spielten sich in beträchtlicher Entfernung ab. Aus dem Kopfteil des Frachters schoss ein vollbesetzter Gleiter mit offenem Verdeck.

»Vielleicht sind wir jetzt allein hier«, meinte er zaghaft. »Zeit, dass wir uns auf den Weg machen ...«

»Wohin denn?«, fragte Shaa.

Diese Bemerkung ließ Shalluna an Sicherheit gewinnen. »Zuerst müssen wir jedenfalls raus hier.« Er packte kurz entschlossen den Rand der Ladeluke und ließ sich zu Boden fallen. Der Bodenbelag war hart wie Beton, bestand aber aus einem glasierten, halb transparenten Material, das kaum Hitze ausstrahlte.

»Es ist nicht gefährlich!«, rief er Shaa aufmunternd zu.

Sekunden später standen sie nebeneinander unten, kaum sichtbar im Schatten des schwarzen Frachtschiffs. »Wir müssen wohl oder übel laufen«, erklärte Shalluna. »Dort hinten, da scheinen mehr Gebäude zu sein.«

Als Schutz gegen die Sonne zog er seine Kutte weit über den Kopf und marschierte los. Shaa blieb neben ihm. In der Luft hing ein sonderbar unklarer Geruch, den es im Berg der Priester nicht gab, der hier aber überall präsent war. Vielleicht roch die Zivilisation so, dachte Shalluna. Weit entfernter Lärm drang an seine Ohren. Es gab klirrende und reißende Geräusche, Sirenenklänge und Lautsprecherstimmen.

Eine Sekunde lang sehnte sich der junge Hauri nach seiner Klause im Berg, wo alles geordnet und überschaubar war. Aber der Impuls hielt nicht lange an. Sie schritten weiter aus und kamen ihrem Ziel, den Gebäuden, rasch näher.

Zunächst durchbrachen sie eine Kette von Lagerschuppen.

Dahinter war eine leere Straße. Lediglich in einiger Höhe folgten Lastengleiter automatischen Steuersignalen. Einige von ihnen waren beladen, die meisten jedoch strebten leer einem unbekannten Ziel zu.

»Ich weiß, was wir tun müssen!« Shalluna deutete mit dem Arm auf eine Häuserzeile in einiger Entfernung. »Wir folgen den unbeladenen Gleitern. Wo sie landen, müssen Leute sein.«

»Leute?«, wollte Shaa verdrossen wissen. »Wenn sie uns erkennen, schicken sie uns zum Berg zurück.«

»Wir fallen gar nicht auf«, gab Shalluna zurück. Er war jetzt fest entschlossen, sich von diesem Bezirk der Technozone nicht abschrecken zu lassen.

Sie folgten den leeren Gleitern. Und er behielt recht: In einer ausgedehnten, flachen Talsohle lagen zahllose graue Wohnhäuser. Sie standen geometrisch exakt ausgerichtet entlang schmaler Straßen und schienen völlig unbelebt.

»Was wollen wir überhaupt hier?«, fragte Shaa. »Ich weiß es nicht mehr, wirklich nicht ... Um diese Zeit sollten wir längst im Unterrichtssaal sitzen und uns von den Lehren des Herrn Heptamer berichten lassen.«

Shalluna wollte nicht zugeben, dass sein Bruder recht hatte. Die Technozone war anders, aber nicht wirklich interessanter als der Berg. Jedenfalls stellte es sich im Augenblick so dar. »Da drüben«, sagte er deshalb, »ich sehe einen freien Platz zwischen den Wohnhäusern. Schauen wir uns um, was meinst du?«

Shaa murmelte zustimmend, und so machten sie sich durch die engen Straßen des Wohnviertels auf den Weg.

Zehn Minuten später hatten sie den Platz erreicht. Hier wurden leere Gleiter mit einem riesigen Haufen von undefinierbaren Gegenständen beladen. Ungefähr drei Dutzend erwachsene Hauri kümmerten sich um den reibungslosen Ablauf der Aktion. Alle schienen geschäftig bis zur Hektik, und niemand schenkte Shalluna und Shaa mehr als einen flüchtigen Blick.

»Vielleicht können sie sich gar nicht vorstellen, dass wir vom Berg ausgerissen sind«, flüsterte Shaa.

»Ja ... Gehen wir weiter.«

Sie schlugen einen weiten Bogen um den Platz und folgten einer Straße, die aus dem Wohnviertel hinaus tief ins Innere der Technozone führte. Weit entfernte Schrägdächer reflektierten rotes, stechend grelles Sonnenlicht von Usha und weiße Strahlen von ihrem kleineren Begleiter Allu. Im Umkreis von einem Kilometer gab es nur die Straße und schmutzigen Wüstensand.

»Schau nur!«, rief Shaa plötzlich.

Shalluna drehte sich um und erschrak. Von hinten näherte sich mit großer Geschwindigkeit ein kleiner, glitzernder Punkt. Der Punkt erwies sich als kopfgroßer Kugelschweber mit kleinen Antennen und einem grünen Signalpunkt. Direkt über ihren Köpfen verhielt das Gerät.

»Ich glaube, es ist ungefährlich«, meinte Shalluna zweifelnd.

Die nächsten Sekunden brachten seinen Glauben gründlich ins Wanken. Zunächst ertönte ein klickender Ton, dann drang aus dem Kugelschweber schrilles Sirenengeheul. Wie auf Kommando rannten sie gemeinsam los. Ihre Kutten flatterten, ihre Atemzüge gingen rasselnd. Und immer hielt das Gerät seinen Standort direkt über ihren Köpfen.

Shalluna sah bald ein, dass sie nicht entkommen konnten.

»Halt, Shaa, halt an!«

Endlich hatte sich der Bruder umgedreht und kam nun mit steifen Schritten zurückgelaufen.

»Wir kommen nicht weg!«, schrie er gegen das Geheul des Schwebers. »Irgendwie müssen sie uns gefunden haben.«

»Und was jetzt?«

Shalluna verschränkte die Handflächen zu einer resignierenden Geste. »Da kommen sie uns schon holen. Warten wir einfach ab.«

Es war ein kleiner Gleiter ohne Verdeck. Darin saßen zwei erwachsene Hauri und schauten ausdruckslos auf die beiden Kinder, die am Rand der Straße haltgemacht hatten. Shalluna sah, wie einer von beiden eine kleine Metallschachtel hob und damit auf den Kugelschweber deutete. Sogleich erstarb das Sirenengeheul.

»Steigt ein!«

Die Erwachsenen würdigten sie keines weiteren Blickes.

Er und Shaa bestiegen folgsam den Gleiter. Wie anders hätte es enden sollen? Nun, da es zu spät war, plagte sich Shalluna mit reuevollen Gedanken herum. Sie ließen in rascher Folge das Wohnviertel, den Raumhafen und ein paar eingezäunte Randbereiche der Technozone hinter sich und nahmen schließlich Kurs auf offenes Wüstengebiet.

»Wohin bringt ihr uns?«

Einer der Hauri schaute erstaunt.

»Nach Hause natürlich. Zum Berg der Priester

»Woher ...«

Aber er sparte sich den Rest der Frage. Die Erwachsenen hatten ihre Herkunft an den Priesterkutten erkannt, wie sonst, und offenbar weilte derzeit nur einer der Berge in erreichbarer Nähe. Bald tauchte am Horizont jene Kontur auf, die ihm von nahem so vertraut war. Aus dieser Entfernung allerdings sah Shalluna seine Heimat erst zum zweiten Mal. Die Priesterlehrer hatten sie streng unter Verschluss gehalten, beschränkt auf die enge und gefährliche Welt des Berges.

Der Gleiter landete auf der freien Fläche vor der Pforte.

»Steigt aus!«

Shaa und Shalluna schauten einander mit bedenklichen Mienen an und folgten. Unverzüglich hob der Gleiter ab. Er verschwand in der Staubwolke, die den Berg umgab. In der Pfortenöffnung regte sich nichts, doch Shalluna wusste genau, dass man sie erwartete. Er nahm den etwas kleineren Shaa beim Arm und zog ihn mit sich zur dunklen Öffnung hin.

Aus dem Schatten wuchs der dürre, zwei Meter große Umriss des Pförtners. Shalluna erkannte sein Gesicht nicht – allein die tiefe Stimme hatte er schon oft gehört.

»Ihr werdet erwartet.«

Sie tasteten sich in den dunklen Gang hinein. Ein Novize erwartete sie bereits. Wortlos ging der noch junge Hauri voraus und führte sie durch ein Labyrinth von Gängen bis vor eine Tür. Hier kannte sich Shalluna nicht aus.

Er schaute aus den Augenwinkeln Shaa fragend an und gewahrte, dass der andere verneinend die Hände spreizte.

»Tretet ein.«

Der Novize blieb zurück.

Shaa und Shalluna traten durch die unverschlossene Tür in einen kleinen Raum, worin zehn Hauri geduldig gewartet hatten. Shallunas Kreislauf pumpte heiße Stöße von Körperflüssigkeit in seinen Kopf. Er meinte platzen zu müssen, und am Ende brauchte er mindestens zwei Minuten, bis er wieder sicher auf den Beinen stand.

Die Priesterlehrer. Sie hatten sich versammelt, alle zehn.

Er suchte verstohlen Blickkontakt zu Shaa, konnte aber im Halbdunkel wenig erkennen. Nur ein paar Kerzenstummel warfen trübes Licht auf die Wände.

Die ledernen, dunkelbraunen Gesichter der Lehrer zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. In den tiefen Augenhöhlen schien grünliches Feuer zu brennen – ein untrügliches Zeichen ihrer Erregung.

»Nun, Shalluna, Shaa, ihr seid Kinder.«

Er hörte atemlos zu, jedes Wort ließ ihn aus furchtsamer Erwartung schaudern.

Priesterberg,