Vorwort der Herausgeberin und der Herausgeber

Die Lehrbuchreihe „Entwicklung und Bildung in der Frühen Kindheit“ will Studierenden und Fachkräften das notwendige Grundlagenwissen vermitteln, wie die Bildungsarbeit im Krippen- und Elementarbereich gestaltet werden kann. Die Lehrbücher schlagen eine Brücke zwischen dem aktuellen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Forschungen zu diesem Bereich und ihrer Anwendung in der pädagogischen Arbeit mit Kindern.

Die einzelnen Bände legen zum einen ihren Fokus auf einen ausgewählten Bildungsbereich, wie Kinder ihre sozio-emotionalen, sprachlichen, kognitiven, mathematischen oder motorischen Kompetenzen entwickeln. Hierbei ist der Leitgedanke darzustellen, wie die einzelnen Entwicklungsniveaus der Kinder und Bildungsimpulse der pädagogischen Einrichtungen ineinandergreifen und welche Bedeutung dabei den pädagogischen Fachkräften zukommt. Die Reihe enthält zum anderen Bände, die zentrale bereichsübergreifende Probleme der Bildungsarbeit behandeln, deren angemessene Bewältigung maßgeblich zum Gelingen beiträgt. Dazu zählen Fragen, wie pädagogische Fachkräfte ihre professionelle Responsivität den Kindern gegenüber entwickeln, wie sie Gruppen von Kindern stressfrei managen oder mit Multikulturalität, Integration und Inklusion umgehen können. Die einzelnen Bände bündeln fachübergreifend aktuelle Erkenntnisse aus den Bildungswissenschaften wie der Entwicklungspsychologie, Diagnostik sowie Früh- und Sonderpädagogik und bieten damit eine hervorragende Grundlage sowohl für Aus- und Weiterbildung als auch für die konkrete pädagogische Arbeit in der KiTa. Die Lehrbuchreihe richtet sich sowohl an Studierende, die sich in ihrem Studium mit der Entwicklung und institutionellen Erziehung von Kindern befassen, als auch an die pädagogischen Fachkräfte des Elementar- und Krippenbereichs.

Im vorliegenden Band „Spielen – Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten“ beschreibt der bekannte Spiel- und Bildungsforscher Bernhard Hauser die herausragende Bedeutung des Spielens für die Entwicklung in der frühen Kindheit. Das Buch stellt einen inspirierenden und empirisch gut begründeten Gegenentwurf zur aktuell zu beobachteten Verschulung der Elementarpädagogik dar. Aus der wichtigen Erkenntnis, dass eine aufgeklärte demokratische Gesellschaft Bildung und Bildungsinhalte ihren Kindern von Anfang an zuteilwerden lassen muss, haben viele Bildungsforscher und -planer leider die unsägliche Konsequenz gezogen, dass die Art und Weise der schulischen Bildung einfach auf den Elementarbereich übertragen werden könne. Dem setzt Bernhard Hauser mit seinem eingängig geschriebenen Buch ein leidenschaftliches und zugleich wissenschaftlich fundiertes Plädoyer für das kindliche Spielen entgegen, das den eigenständigen Bildungswert des kindlichen Spielens und sein Potenzial für die Elementarbildung vor Augen führt.

Kinder spielen nicht nur für ihr Leben gern, sondern ein entwickeltes Spiel stellt auch den kindgerechten Entwicklungsmotor für das Lernen der so viel beachteten Vorläuferkompetenzen schulischen Lernens dar. Im Buch kommen die Fakten aus einer Vielzahl an empirischen Studien zu Wort, die zeigen, dass ein entwickeltes Spiel ein höchst ertragreiches Lernen ermöglicht. Es ist lustbetontes, intrinsisch motiviertes Lernen, das auch Anstrengungen positiv empfinden lässt. Die entwicklungspsychologischen Hintergründe werden anschaulich erläutert und gezeigt, wie Kinder in den vielfältigen Spielformen wie Bewegungs-, Funktions-, Rollen-, Regel- und Konstruktionsspielen sich wichtige soziale, sprachliche, geistige und emotionale Fähigkeiten aneignen. Das Buch schlägt auch einen Bogen zu den familiären und institutionellen Bedingungen, wie Eltern und Elementarpädagoginnen und -pädagogen das kindliche Spielen fördern, aber auch beeinträchtigen können. Ein informatives und inspirierendes Buch über das kindliche Spiel und seinen faszinierenden Schatz für eine frühkindliche Bildung und Erziehung, die Kindern ihre Zeit zum entwicklungsförderlichen Spielen eröffnet.

Münster, Freiburg und Heidelberg

Manfred Holodynski, Dorothee Gutknecht und Hermann Schöler

Einleitung

„Wird uns am Ende vor den von Geburt an neuropädagogisch abgerichteten Elitefrüchtchen nicht weniger grausen müssen als vor anderen Produkten pädagogischer Modewellen?“

Hubert Markl in seinem Festvortrag zum 100-jährigen Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 2004

An das eigene Spiel in früher Kindheit haben Menschen oft lebhafte und gute Erinnerungen. Mögen sie schon etwas im Nebel liegen und auch oft ein wenig verklärt sein, so schmecken und riechen sie doch immer noch gut. Der Geruch der Gasse, in der man Verstecken gespielt hat. Das wohlig bange Gefühl beim Hoffen, nicht entdeckt zu werden. Das Hochschnellen des Pulses, wenn man beim Fangen-Spiel vom Fänger berührt wurde oder ihm gerade nochmals entwischen konnte, und die rasche Erholung anschließend, wenn man zufrieden in Apfel und Brot biss und dabei herumalberte, während der Körper wieder herunterkühlte und der Schweiß auf der Haut trocknete. Solche oder ähnliche Geschichten können die meisten Menschen aus ihrer Erinnerung ausgraben. Sie erinnern an die Zeit, als es die Zeit noch gar nicht gab, an die Zeit gelebter Gegenwart. Viele verbinden diese Erinnerungen mit dem Bild von echter Kindheit: „Wir durften als Kinder noch Kinder sein.“ Das Spiel der Kinder hat oft ein sehr eigenes Abteil im persönlichen Erfahrungsschatz – nicht selten besetzt mit klaren Wertungen. Passen diese auch zum Stand der Forschung? Der Wert des Spiels vor Beginn der Schule ist in den letzten Jahren stark in die Diskussion geraten.

Die Theorie des vor-operationalen Denkens (Piaget, 1975) vom zweiten bis zum siebten Lebensjahr hat die Schulreifevorstellungen über Jahrzehnte hinweg nachhaltig geprägt. Gemäß dieser Theorie sind Kinder erst ab dem siebten Lebensjahr in der Lage, sich in eine andere Perspektive zu versetzen, das Gleichheitszeichen zu verstehen, Wirklichkeit und Schein zu unterscheiden oder ein grundlegendes Zeitverständnis zu entwickeln. Befunde der letzten 20 bis 30 Jahre jedoch zeigen, dass die meisten dieser Fähigkeiten schon im Alter von vier bis fünf Jahren erworben werden (vgl. Beilin, 1978; Bischof-Köhler, 1998; Fieberg, 1991; Flavell, Green & Flavell, 1986; Hauser, 2001, 2005; Perner 1991; Sodian, 1998; Wilkening, 1982). Wenn sich diese Fähigkeiten schon mit vier statt erst mit sieben Jahren entwickeln, dann ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich bei Kindern im Vorschulalter große Unterschiede in den Lernvoraussetzungen finden. So bringt ein Teil der Kinder die Grundlagen für den Erwerb der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen schon deutlich vor dem siebten Lebensjahr mit (z. B. Stamm, 1998, 2005). Teile der Wirtschaft, aber auch aus Lern- und Hirnforschung werfen der herkömmlichen Kombination von Kindergarten und Schule vor, Lernpotenziale der jungen Kinder zu wenig zu nutzen und Kinder massiv zu unterfordern. Deren Tenor lautet: Wir vergeuden zu viel Zeit mit (sinnlosem) Spielen und „bewirtschaften“ das kindliche Lernpotenzial zu wenig. So wurde aufgrund eines PISA-Befundes in Japan gefragt, ob nicht das Spiel dem ernsthaften Lernen zu viel Zeit wegnehme (Ota & Mari, 2006). Wie berechtigt ist diese Kritik? Zum Teil lassen sich die Unterschiede zwischen Kindern tatsächlich darauf zurückführen, dass dieses frühe(re) Können fast nur im Fördermilieu bildungsnaher Eltern möglich ist. Damit wäre die zu späte Einschulung – oder die zu lange andauernde Spiel-Zeit – eine Ursache für das Entstehen von Bildungsungerechtigkeiten. Diese Wertung wird noch akzentuiert angesichts jüngster Befunde, wonach gerade bei Kindern aus benachteiligten Familien äußere Einflüsse, also Familie, Gleichaltrige und frühpädagogische Institutionen, fast alle Unterschiede im Intelligenzquotienten erklären (Nisbett, Aronson, Blair, Dickens, Flynn, Halpern & Turkheimer, 2012): Je benachteiligter ein Kind, desto mehr können auch frühpädagogische Maßnahmen zur Reduktion dieser Benachteiligungen beitragen.

Die Ergebnisse der PISA-Studie haben seit dem Jahr 2000 diese Diskussion zur frühkindlichen Bildung zusätzlich verschärft. Obwohl das in PISA erfolgreichste europäische Land Finnland die Kinder erst spät einschult, wurde vielfach eine Vorverlegung des Einschulungsalters gefordert. Denn es komme auf den Anfang an. Dieser Argumentation folgend und auf dem Hintergrund der Ergebnisse von PISA 2000 wurde z. B. in der Schweiz (BFS & EDK, 2002) – unter anderem aufgrund einer ungenügenden Kompensation der bildungsschichtspezifischen Benachteiligungen – die Einführung einer Vorschulstufe empfohlen, welche

Ähnliche Entwicklungen konnten in verschiedenen industrialisierten Ländern beobachtet werden. So bemerkte Fthenakis, einer Empfehlung des deutschen PISA-Konsortiums (2001) folgend: „Es reicht deshalb nicht aus, in Bildungskonzepten für die Kinder von heute auf selbstbildende Potenziale zu bauen“ (Fthenakis, 2004, S. 13f.). Mit den selbstbildenden Potenzialen ist das Spiel zumindest mitgemeint. Eine Verschulung des Kindergartens auf Kosten des Spiels erscheint somit als einer der Schritte zur Lösung des PISA-Problems. Die Frage, ob die Kinder für das Leben gerüstet sind, wie sie PISA 2000 im Titel stellte, wird gewissermaßen nach unten weitergereicht und in die Frage umgegossen, ob die Kinder für die Schule gerüstet sind, bzw. in die implizit versteckte Frage, ob das Spiel für die Schule rüste.

Verschulungstendenzen von Kindergarten und Vorschulzeit beschränken sich nicht auf die deutschsprachigen Länder und werden seitens der Forschung durchaus auch kritisiert. So mahnten beispielsweise Krafft und Berk (1998, S. 655) von der Illinois State University, USA: „In einer Ära der zunehmenden Beschäftigung mit dem durchschnittlichen Abschneiden nationaler Schulkinder wird als simplifizierende Lösung gerne die Ausdehnung des formal bildenden Trainings vorgeschlagen. Pädagoginnen und Pädagogen von Kindern im Vorschulalter finden sich oft im Verteidigen der Wichtigkeit des spontanen Spiels (…). Das (indirekte) Lehren durch Spiel ist nicht mehr selbstverständlich“ (Übersetzung v. Verf). Ganz ähnlich sehen das Gmitrova und Gmitrov (2003) aus der slowakischen Republik. Diese befürchteten oder erhofften Veränderungen haben die Frühpädagogik im letzten Jahrzehnt schon verändert und den Anteil des Spiels reduziert. So berichten Fisher, Hirsh-Pasek, Golinkoff, Singer und Berk (2011), dass im Gefolge der jüngsten Erziehungsreform in den USA viele Vorkindergärten und andere pädagogische Einrichtungen für kleine Kinder spielerische Erfahrungen mit Curricula ersetzt haben, welche mit pädagogischen Standards und Assessments ausgestattet sind und sich wie Drehbücher lesen. Unter anderem verbringen Kinder in Ganztageskindergärten in Los Angeles und New York normalerweise drei bis vier Stunden täglich mit instruktionalem Unterricht in Sprache und Mathematik, auch mit Testvorbereitung. Freispiel gibt es nur noch etwa eine halbe Stunde oder weniger täglich.

Vergleichbare Entwicklungen finden sich auch in deutschsprachigen Ländern, zum Beispiel auf der Ebene der Lehrmittel. In den vergangenen zwölf Jahren haben im Kindergarten Inhalte und Methoden Einzug gehalten, die früher eher der Schule vorbehalten waren. Dazu gehören das „Würzburger Trainingsprogramm“ (Küspert & Schneider, 2000) für die frühe Schriftsprachförderung, das Programm „Faustlos“ (Cierpka, 2005) zur Gewaltprävention und verschiedene Instrumente zur frühen Matheförderung wie „Komm ins Zahlenland“ (Friedrich & Galgóczy, 2008), „Mengen, zählen, Zahlen“ (Krajewski, Nieding & Schneider, 2007) oder „Das kleine Zahlenbuch“ (Wittmann, 2004). Der nachweislich große Einfluss der Vorläuferfertigkeiten in Sprache und Mathematik auf die späteren Schulleistungen im Lesen, Schreiben und Rechnen macht deren vorschulische Förderung zu einer Notwendigkeit. Diese Fertigkeiten wurden im Kindergarten bis vor etwa zehn Jahren eher zufällig und in der Regel zu wenig gefördert. Forschende sind sich – zusammen mit einer wachsenden Zahl an pädagogischen Fachkräften und Schulbehörden – einig, dass die Verbesserung der Förderung von schulrelevanten Vorläuferfertigkeiten im Kindergarten notwendig war und bleibt. Inhaltlich ist diese „Verschulung“ deshalb auch sinnvoll. Die didaktische „Verschulung“ hingegen mit sehr eng geführten Trainings oder instruktionalen Anlagen wurde erstaunlicherweise ohne großen Widerspruch hingenommen. Fraglich bleibt, ob diese mit einer eher instruktionalen oder mit einer eher spielorientierten Didaktik umzusetzen ist. Letzteres wurde bis jetzt kaum systematisch versucht. Die Folgen einer instruktionsorientierten Verschulung und damit zumindest einer Reduktion des Spielens sind bislang noch wenig bekannt.

Gleichzeitig führen Erzieherinnen eine über viele Jahre bewährte Kindergartendidaktik ins Feld. Viele Eltern und Behörden melden Bedenken an gegenüber einer drohenden Verschulung des Vorschulalters. Sie plädieren für ein Primat des Spiels und damit auch dafür, den Kindern in dieser Phase Zeit zu lassen, „Kind sein zu dürfen“. Gerne würde man Robert Hinde folgen, der sagte: „Spiel verbraucht so viel Zeit und Energie, dass es eine zentrale adaptive Wichtigkeit für die Entwicklung haben muss“ (Hinde, 1974, S. 227). Dabei ist die Versuchung groß, wenig reflektierten Vorteilsbehauptungen zu glauben, statt sich an Forschungsbefunden zu orientieren. Peter Smith (1988) bezeichnete die Tendenz, die Wichtigkeit von Spiel für die kindliche Entwicklung und Erziehung zu überschätzen, als „Das Spiel Ethos“. Ziel dieses Buches ist es, die Diskussion zur Bedeutung des Spiels in der frühen Kindheit auf dem Hintergrund wesentlicher Forschungsergebnisse zu führen. Es soll dem Berufsfeld eine Hilfe sein auf dem Weg vom Glauben zum Wissen, oder wie es Klaus Grawe vor bald 20 Jahren programmatisch forderte: Von der Konfession zur Profession (Grawe, Donati & Bernauer, 1994). Wir können es uns nicht mehr leisten, das Spiel der jungen Kinder dogmatisch zu verteidigen. Es ist deshalb an der Zeit, sich mit dem Spiel und vor allem mit dem Beitrag des Spiels zum Lernen der Kinder gründlich zu beschäftigen.

Weil die Orientierung an Forschung ohne normative Haltung doch etwas orientierungslos ist, verfolgt dieses Buch noch ein weiteres, dem ersten vielleicht auch etwas entgegenstehendes Ziel. Ein grundlegendes Streben von Menschen einer aufgeklärten Kultur ist es, ein interessantes, erfülltes und auch lustbetontes Leben zu führen. Deshalb sollten wir nicht der Versuchung erliegen, den Wettbewerb um die internationale Bildungs-Spitze mit mehr Drill zu führen. Die Forschung zeigt eindrücklich, dass Leistungsdrill ohne oder mit wenig Lernfreude die Motivation nachhaltig schädigt. Wir sollten uns zur Verbesserung unserer schon ausgezeichneten pädagogischen Einrichtungen auf unsere Stärken besinnen: Noch mehr Lust und Freude am Lernen durch eine Verstärkung des spielerischen, intrinsisch motivierten und anspruchsvollen Lernens.

2 Biologische Funktion

„Spiel verbraucht so viel Zeit und Energie, dass es eine zentrale adaptive Wichtigkeit für die Entwicklung haben muss.“

(Übersetzung v. Verf.)

Robert Hinde, 1974, S. 227

Die Frage nach der Funktion des Spiels ist nicht einfach zu klären. Dies liegt vor allem daran, dass das Spiel keine direkte Funktion zu erfüllen hat, jedoch meist mit einer späteren Funktion im Zusammenhang steht. Spiel ist nicht vollständig funktional (Burghart, 2011), bezieht sich aber auf Funktionen im späteren Ernst des Lebens. Zwar sind die gezeigten Bewegungen – zum Beispiel das Trinken aus einer Teetasse – korrekt, aber das funktionale Element der Aufnahme von Flüssigkeit fehlt. Trotzdem hat das gespielte Teetrinken eine Funktion, nämlich diejenige des Erwerbs der Gepflogenheiten beim Teetrinken. Spiel ähnelt damit zwar den ernsthaften, funktionalen Verhaltensweisen, aber es dient im unmittelbaren Bestreben des Kindes nicht derselben Funktion, wenn es wirklich spielerisch ist (Pellegrini, 2009). Diese beiden Funktionen im biologischen Sinne werden in der Fachsprache als ultimater und proximaler Zweck unterschieden (z. B. Pellegrini, 2009). Der ultimate biologische Zweck ist ein Vorteil für Leben und Überleben, zum Beispiel in den Bereichen Reproduktion oder Fruchtbarkeit. Er kann darin bestehen, dass Knaben durch gespielte Gewalt größer, stärker oder wettbewerbstauglicher werden und dadurch als erwachsene Männer zu qualitativ höherwertigeren Sexualpartnerinnen (Reproduktion) gelangen, oder durch das über vielfältiges Spiel erlangte große Repertoire an Fertigkeiten zu mehr Ressourcen (z. B. Geld) gelangen und damit auch mehr Zeit in die Nachkommen investieren können (Fruchtbarkeit). Weil es bei diesem ultimaten Zweck auch um das eigentliche Ziel eines Verhaltens geht, wird er auch als Zweckursache (Aristoteles) oder als Letztursache (Bischof, 1985) bezeichnet. Der proximale Zweck ist der unmittelbare Zweck. Beim Spiel besteht dieser oft in der unmittelbaren Freude an der Sache. Das Spiel ist sich Zweck genug. Deshalb ist Mittel-vor-Zweck auch eines der definierenden Merkmale. Genau dies ist das Elegante an dieser „Erfindung der Natur“: Ohne Druck werden Ernstfälle im Spaß simuliert und vor allem geübt.

Ultimate Zwecke werden auch im Spiel nicht immer aufgeschoben. Zu unterscheiden sind der sofortige und der verzögerte Nutzen (Pellegrini, 2009). Rasche Verhaltensvorteile finden sich bei noch urtümlich lebenden Kulturen zum Beispiel im Umgang mit Mörsern, Stößeln, Pfeil und Bogen (Bock, 2005): Sobald Kinder über diese Fertigkeiten durch Spiel verfügen, helfen sie bei der richtigen Arbeit mit. Ein anderes Beispiel ist das Rennen und Springen im Bewegungsspiel. Die Aktivitäten kosten zwar (Energie, Nahrung), ziehen aber gesteigerten Mineraliengehalt in den Knochen (Gunter, Baxter-Jones, Mirwald, Almstedt, Fuchs, Durski & Snow, 2008; zit. in Pellegrini, 2009), besser ausgebildete Muskeln (Pellegrini & Smith, 1998) und gesteigerte Knochendichte (Weeks, Young & Beck, 2008; zit. in Pellegrini, 2009) nach sich. Ob und welche dieser Nutzen-Varianten eintreten, hängt nicht nur von der Art des Spiels ab, sondern auch von der Ökologie, in welcher ein Individuum sich entwickelt. Sofortige und beschleunigte Nutzen stehen eher im Zusammenhang mit harten und rauen Ökologien. Im Gegensatz dazu sind verzögerte Nutzen wahrscheinlicher in Ökologien mit einem reichhaltigen Angebot. Ein sofortiger Nutzen von Spiel ist aber auch deshalb anzunehmen, weil Kinder auch überleben müssen, bevor sie erwachsen sind (Pellegrini, 2009). Denn Kinder sind in allen Kulturen mit zunehmendem Alter immer mehr auf sich gestellt.

Eine wichtige Frage ist nun, in welchem Ausmaß das Lernen im Spiel biologisch – also instinktiv – gesteuert wird. Eine biologisch gesteuerte Lern-Erleichterung des Lernens im Spiel muss sich auf das Verhalten von Kindern und Erwachsenen auswirken. Weil aber, wie aus dem Kapitel des Erwachsenen-Kind-Spiels ersichtlich, das Lernpotenzial des Spiels von Kindern und Erwachsenen unterschiedlich gut genutzt wird, ist davon auszugehen, dass die Biologie alleine für ein optimales Lernen durch Spiel bei weitem nicht ausreicht. Trotzdem scheinen wichtige Elemente des Spiels biologisch zumindest mit-gesteuert zu werden. Ausgewählte Befunde und Argumente, die eine biologische Funktion spielerischer Aktivitäten für das spätere Handeln im Erwachsenenleben belegen, werden nachfolgend dargelegt.

2.1 Zur biologischen Bedingtheit des Spiels

Um eine Verhaltensweise als biologisch bedingt zu bezeichnen, müssen drei Bedingungen erfüllt sein (Preuschoft, 1980; Schenk, 1979): Für das Verhalten finden sich Zusammenhänge mit einer physiologischen Basis (Gene, Hormone, Gehirnstrukturen), es weist eine phylogenetische Kontinuität auf (evolutionär näher verwandte Tierarten zeigen ähnlicheres Verhalten als entfernter verwandte), und es ist innerhalb derselben Art universell (kommt in allen Kulturen der Erde vor).

2.1.1 Physiologische Basis

Für das elterliche spielbezogene Antwortverhalten finden sich plausible Zusammenhänge zu hormonellen Prozessen (→ Kapitel 3.1.1). So steuert die Kombination von reduzierter Prolactin- und Cortisolkonzentration bei gleichzeitig erhöhtem Oxytocin-Wert das Spielverhalten (Feldmann, 2010; Gettler, McDade, Agustin & Kuzawa, 2011a). Dabei steht das Oxytocin am stärksten mit frühem elterlichem Spiel im Zusammenhang. Für Kinder ist die Herzratenvariabilität als physiologische Basis für Spiel bekannt, weil diese im Spiel hoch ist, bei Exploration jedoch tief (Hutt, 1979).

2.1.2 Phylogenetische Kontinuität

Kinder spielen bei verschiedenen Tierarten. Das tun sie im Rahmen einer schützenden Mutter-Kind-Bindung (Papousek, 2003). Junge Murmeltiere und Erdmännchen verbringen viel Zeit mit Balgen im Spiel. Auf diese Weise werden sie vermutlich auf spätere Hierarchie-Kämpfe vorbereitet (Steiner, 1971; zit. nach Papousek, 2003). Dabei spielen Mütter oft mit, während Männchen Wache halten. Auch Raubtiere spielen. So signalisieren erwachsene Löwenmännchen ihren Jungen mit einem leichten Stupsen auf den Kopf ihre Spielbereitschaft (Schaller, 1972; zit. nach Papousek, 2003). Je verwandter die Tiere dem Menschen sind, desto ähnlicher ist deren Spielverhalten. So zeigen unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, einen speziellen spielerischen Gang und das Spielgesicht, aber auch eine Vielfalt an spielerischen Verhaltensmustern mit Wiederholungen und Variationen (Papousek, 2003), welche auch Neuerfindungen beinhalten kann. Bei den Schimpansen spielen selbst Erwachsene miteinander (wie bei Menschen), indem sie sich kitzeln oder Fingerhakeln (van Lawick-Goodall, 1968). Zusammenfassend kann festgehalten werden: Je näher eine Tierart mit dem Menschen verwandt ist, desto ähnlicher ist auch deren Spiel. Damit ist das Kriterium der phylogenetischen Kontinuität erfüllt.

2.1.3 Universalität

In menschlichen Gesellschaften ist das Spielen für die Kindheit typisch. Auch in verschiedenen naturnah lebenden Kulturen Afrikas, Asiens und Südamerikas ist das Spiel eine zentrale Aktivität von Kindern (Bock, 2005; Bock & Johnson, 2004; Eibl-Eibesfeldt, 1995; Gosso, Otta, De Lima Salum e Morais, Ribeiro & Bussab, 2005). Spielerisches Kämpfen und Balgen findet sich bei den mexikanischen drei- bis neunjährigen Zapoteken (Fry, 1987), bei brasilianischen Zwei- bis Vierjährigen (Fry & Hoppe-Graff, 1994), bei Kindern der afrikanischen Zhun/twa (Konner, 1972), aber auch bei Kindern aus Neu Guinea, Schottland, USA und vielen anderen Ländern (für einen Überblick vgl. Fry, 2005; Pellis & Pellis, 2011). Insbesondere ist kein Bericht über eine Kultur bekannt, in welcher Kinder nicht spielen. In der Regel stellt Spielen eine der wichtigsten Tätigkeiten in der Kindheit dar.

2.2 Bedingungen für die Evolution von Spiel

Es erfordert eine ganz besondere Konstellation, damit ein Verhalten wie Lernen im Spiel durch die Evolution begünstigt werden kann. So gelang es den Vorfahren von Menschenaffen und Menschen zunehmend besser, sich vor Gefahren so gut zu schützen, dass sie ihre Lebenserwartung auch ausschöpfen konnten. Die geringere Sterblichkeit und die damit verbundene zunehmende Lebensdauer von Erwachsenen werden denn auch als eine primäre Selektionskraft in der Evolution ausgedehnter Kindheit bei Menschen betrachtet (Pellegrini & Smith, 2005). Durch das längere Leben war erst die Möglichkeit gegeben, eine verlängerte Kindheit entstehen zu lassen. Somit wurde es möglich, die Zeit des Aufwachsens mit Lernen durch Spiel zu belegen. Weil diese Neuentwicklung nun Evolutionsvorteile – im Vergleich mit nicht spielenden Menschen – nach sich zog, konnte sich dieses Verhalten zunehmend durchsetzen.

Gordon M. Burghardt (2005) hat die Bedeutung des weniger heftigen Überlebenskampfs für das Spiel des Menschen in seiner Überfluss-Ressourcen-Theorie beschrieben. Danach wird Spiel nur in Arten mit überflüssigen Ressourcen beobachtet. Erst unter diesen Bedingungen können Lebewesen es sich leisten, lang andauernde elterliche Fürsorge mit langen Perioden der Unreife bei Kindern zu verbinden. Diese Theorie, wonach Lernen im Spiel nur bei gedeckten Grundbedürfnissen adaptiv ist, gilt immer noch (Martin & Caro, 1985; zit. nach Pellegrini, 2009). Denn Spiel wird nur in Arten mit überflüssigen Ressourcen beobachtet, einen Überfluss, den sie sich durch ihre besondere Kraft (Raubtiere), durch spezifische Vorratsbeschaffung (Nager) oder durch besondere Intelligenz (Menschenaffen und Menschen) verschaffen. Konform mit dieser Theorie zeigt sich in Kulturen mit mehr Überfluss auch mehr Spiel. Je produktiver eine Gesellschaft, desto mehr Überfluss, desto mehr Spiel. Je mehr Kinder aber als Arbeitskraft gebraucht werden, unter anderem weil die vorhandenen Ressourcen zu wenig Überfluss hergeben, desto weniger spielen sie (Bock & Johnson, 2004). Der unmittelbare Nutzen ist für eine Gesellschaft wichtiger als der aufgeschobene Nutzen. Bock und Johnson (2004) konnten zeigen, dass in selbstversorgenden Kulturen, in denen die unmittelbare Produktivität größere Vorteile aufweist als der Erwerb von künftig produktiven Fähigkeiten, die Kinder weniger Zeit mit Spielen verbringen. Selbstversorgende Kulturen brauchen erheblich mehr Zeit für die Sicherstellung der Grundversorgung und haben deshalb auch weniger überflüssige Ressourcen, welche das spielende Lernen begünstigen.

2.3 Kosten-Nutzen-Bilanz

Wissenschaftlich nach wie vor noch zu wenig geklärt ist die Frage, ob die Kosten des Totalaufwandes für Spiel in der Kindheit in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Zumindest belegen industrialisierte Gesellschaften die Kindheit schon erheblich früher als viele Urkulturen mit gesteuerter Spiel- und Lernzeit. Dem systematisierten und häppchenweisen Lernen, aufgeteilt in verordnete Formen der Informationsaufnahme, -verarbeitung, -abspeicherung und dem Üben von möglichst flexiblem Abruf und der Anwendung auf verschiedene Situationen wird in modernen Gesellschaften seit mehreren Jahrhunderten mehr vertraut als dem Spiel. Kaum jemand glaubt, dass die Lerninhalte der Grundschule primär mit Spiel gelernt werden können. Vermutlich zu recht, auch wenn etwas mehr Spiel vermutlich auch dort funktional wäre. Weniger klar ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vorschulalter.

Für die Kosten-Nutzen-Bilanz ist aus biologischer Sicht folgende Frage zentral: Welcher Nutzen mag im Laufe der Evolution wohl welche Kosten übertroffen haben, um bei einigen Tierarten eine Motivation zum Spiel in der Kindheit auszulösen? Ein wesentlicher Bestandteil dieser Kosten ist riskantes Verhalten: Es enthält Verletzungs- und Todesrisiken für sich selbst und für andere. Spiel ist zum einen deshalb riskant, weil Verhalten variiert wird und dabei auch Verhalten mit mehr Mut als im richtigen Leben ausprobiert wird. Zum anderen ist Spiel aber deshalb gefährlich, weil im Spiel äußere Gefahren weniger gesehen werden, denn spielende Kinder sehen naturgemäß mögliche Ernstfälle weniger oder gar nicht. Das betrifft in modernen Gesellschaften den Straßenverkehr. In Urkulturen gefährden sich Kinder mit lärmendem und anderweitig auffallendem Verhalten, aber auch mit Unachtsamkeit, womit sie durch Raubtiere oder Unfälle bedroht werden. Weiter kostet auch der enorme Zeitaufwand. Eine verlängerte Kindheit fordert von Eltern viel Zeit und Energie (Pellegrini, 2009): Kinder jahrelang beschützen, ihnen einen Schlafplatz ermöglichen, sie ernähren, wärmen, aber auch unterrichten. Kurz: ein großer Aufwand, der wohl kaum ohne Grund investiert wird. „Eine Erbanlage, die zum Spielen motiviert, muss ihrem Träger einen massiven Vorteil einbringen, sonst wäre sie rasch abgezüchtet“ (Bischof, 1985, S. 251). Die Evolution erfindet normalerweise nichts Unnötiges. In den Genen verankerte Verhaltensweisen werden nur weitergegeben, wenn sie sich für das Überleben einer Art als vorteilhaft erwiesen haben. Spiel „kostet“ schlicht zu viel, um nur eine Laune der Natur zu sein.

Der größte Nutzen findet sich bei gefährlichen Tätigkeiten: Jagen kräftiger Tiere (Büffel, Gnus, Hirsche), Töten oder Vertreiben von Raubtieren (wie Löwe, Tiger), Umgang mit gefährlichem Werkzeug (Pfeil und Bogen), Zähmen gefährlicher Tiere (Pferde, Rinder), kriegerische und kämpferische Verhaltensweisen. Bischof (1985) hält das jugendliche Kampfspiel deshalb für eine geniale Erfindung der Natur, weil damit ein funktional oft lebensgefährliches Verhalten im Spiel ohne Gefahr geübt werden kann und mit Spaß und Freude für die Kämpfenden belohnt wird. Bei allen diesen Tätigkeiten können Fehler im Ernstfall das eigene Leben gefährden. Gegen Fehler hilft Perfektion. Und zur Perfektion braucht es viel Übung. Genau das leistet das Spiel. Wesentliches Ziel des Spiels ist Kompetenzerwerb oder -erweiterung bei gefährlichen und lange dauernden Lernprozessen.

Jede kindliche Aktivität kann unter dem Gesichtspunkt einer Kosten-Nutzen-Bilanz analysiert werden. Eine Kultur entscheidet aufgrund des mutmaßlichen Mehrwerts, welcher sich aus dem Vergleich von unmittelbarer Produktivität (im Extremfall Kinderarbeit) und dem Erwerb von erst in Zukunft nutzbringenden Fähigkeiten ergibt (Pellegrini, 2009). Dabei muss der Verlust, der sich aus der Produktionseinbuße (keine Mithilfe bei der Arbeit) durch das Spiel der Kinder ergibt, durch den Fähigkeitserwerb in einem künftigen Gewinn wettgemacht werden. Dieser Gewinn muss verhältnismäßig zur aktuellen Mithilfe größer sein, weil ja Spiel- und Lernzeit wiederum Zusatzinvestitionen der Erwachsenen (Geborgenheit spenden, jahrelanges Ernähren usw.) nach sich ziehen. In Abhängigkeit vom Ergebnis dieser Bilanz wird in einer Familie oder Kultur mehr oder weniger gespielt.

Die Entwicklung der so genannten höheren Säugetiere lässt sich als ein – oft langjähriges – Lernen beschreiben, welches im Ernstfall im eigenständig lebensfähigen Erwachsenen gipfelt.

Der wichtigste Nutzen des Lernens im Spiel besteht wohl im erwachsenenunabhängigen Lernen. Spiel ist eine Schule ohne Lehrpersonen: Die Kinder lernen freiwillig, sie müssen nicht gegen ihren Willen büffeln. Hingegen können die Erwachsenen diese Zeit für andere Zwecke (Sammeln und Zubereitung von Nahrung, Herstellung von Kleidern und Unterkunft, Jagen, den Acker bestellen, Vieh hüten usw.) verwenden. Zwar ist der Aufwand, den Eltern leisten, bis Kinder selbstständig durch Spiel lernen können, hoch: Das Eltern-Kind-Spiel, das viele Explorations- und Spielfähigkeiten erst entwickelt, dauert lange und ist für Eltern intensiv. Aber die Selbstständigkeit in Spiel und Exploration ist schon um den ersten Geburtstag herum so groß, dass Kinder über längere Zeiten alleine gelassen werden können.

2.4 Die adaptive und vorbereitende Natur des Spiels

Hat Spiel einen kreativen Selbstzweck oder ist der Zweck die Vorbereitung auf das Erwachsenenleben? Wenn Spiel eine vorbereitende Funktion hat, dann müssten einerseits wichtige Fähigkeiten einer Kultur im Spiel geübt werden, andererseits müssten spielerische Aktivitäten mit dem Erlangen der entsprechenden Kompetenzen automatisch abnehmen. Beides gilt heute als belegt. Schon bei zweijährigen Kindern kann beobachtet werden, was Duncker (1945) als funktionale Fixiertheit bezeichnet hatte: So imitieren sie das Verwenden eines neuen Objektes systematisch in einer beim Modell beobachteten Weise (Casler & Kelemen, 2005; Rakoczy, 2010). Im Spiel orientieren sich etwas ältere Vorschulkinder an von Erwachsenen vorgelebten Normen (Tomasello, 1999) und protestieren, wenn Dritte dagegen verstoßen (Rakoczy, Hamann, Warneken & Tomasello, 2010). Die vorbereitende Funktion von Spiel konnten Bock und Johnson (2004) in kulturvergleichenden Studien eindrücklich belegen: Je wichtiger die Ernährung mit Hirse ist, desto mehr kommt Dreschen im Spiel vor. Zielen kommt in jagenden Kulturen häufiger vor, aber weniger bei landwirtschaftlicher Hauptkultur. Für eine vorbereitende Natur des Spiels spricht auch, dass bei Erreichen der Kompetenz die Spielintensität deutlich zurückgeht. So hört das Dreschen meist im Alter von acht Jahren auf. Hingegen wird das Zielen bis ins Alter von zwölf Jahren geübt, weil es anspruchsvoller und im Ernstfall auch gefährlicher ist. Sehr lange wird auch das Kuh-Spiel gespielt, denn der Umgang mit lebenden Ochsen ist gefährlich. Die Komplexität der für das Erwachsenenleben wichtigen Fertigkeiten erfordert oft eine ausgedehnte Übung (Alexander, 1989; Pellegrini, 2009; Wrangham, 1999).

Ein eindrücklicher Beleg für die Adaptivität spielerischer Verhaltensmuster ist die Beteiligung der Eltern am Spiel der Kinder (→ Kapitel 3.1): Von den intuitiven spielerischen Satzmelodien, welche an die Hörfrequenzen der Kleinkinder optimal angepasst sind, über die perfekt an die kognitiven Fähigkeiten des Kinder angepassten Guck-Guck-Spiele bis zu den herausfordernden Formen des von Eltern initiierten Fantasiespiels. Mit Hilfe der intuitiven Didaktik (Papousek, 2003) fördern Eltern über Monate und Jahre ein hoch intensives und vor allem adaptives Lernen im Spiel. Weil adaptive Phänomene in der Regel in seinen Grundformen genetisch determiniert und mit intrinsischen Motivationen ausgestattet sind, geht Papousek (2003) davon aus, dass Spiel biologische Grundlagen aufweist. Dabei wurden die kindlichen Spiel-Verhaltensmuster „im Zuge der Evolution durch korrespondierende Verhaltensmuster im Verhalten der Eltern oder erwachsener Artgenossen ergänzt“ (Papousek, 2003, S. 26). Die Evolution solcher aufeinander abgestimmter intuitiver Verhaltensweisen dient in der Biologie als Beweis für genetische Determinierung.

Eine besondere Sicht auf die Adaptivität von Spiel stellt Pat Batesons (2006) Theorie zum Spiel als Anpassungs-Beschleuniger dar. Weil es für einen Organismus vorteilhaft ist, auf neue Umgebungen neue Antworten zu haben, und weil das Leben von Menschen durch ein hohes Ausmaß an Anpassungs-Bedarf geprägt ist, ist Spiel eine Antwort auf diesen für Menschen im Vergleich zu anderen Tierarten besonderen Bedarf. Dazu sind nur „Spezialisten auf Nicht-Spezialisiertsein“ (Lorenz, 1977, S. 190) in der Lage. Spiel bereitet naturgemäß darauf vor, auf Unerwartetes flexible Antworten zu finden. Bateson hält die intrinsisch motivierende Dimensionen des Spiels für besonders wichtig für kreative Antworten auf neue Situationen. So werden gerade kulturell anspruchsvolle Tätigkeiten, wie das Nussknacken bei den Schimpansen oder das Pilotieren eines Flugzeugs, gerne im Spiel geübt.

2.5 Jungen und Mädchen spielen unterschiedlich

Die Ursachen für Geschlechtsunterschiede bei Kindern sind seit Jahrzehnten Gegenstand von zum Teil heftigen Auseinandersetzungen. Weil dabei die Frage nach der biologischen Bedingtheit zentral ist, wird dieser Aspekt hier besonders beleuchtet.

2.5.1 Ein Überblick über die Unterschiede

Zunächst ist als Tatsache festzuhalten, dass Mädchen und Jungen in vielen Belangen ein unterschiedliches Spielverhalten an den Tag legen. So investieren fünfjährige Jungen während der Pausen im Freien viermal mehr Zeit in Rauf- und Kampfspiele als Mädchen (Blatchford, Baines & Pellegrini, 2003; Pellegrini, 1989), wobei der Unterschied bis zum neunten Lebensjahr etwa das Doppelte beträgt. Auch zeigen Mädchen häufiger und komplexeres Fantasiespiel (Garvey, 1991; Pellegrini & Perlmutter, 1989). Das Fantasiespiel von Jungen hingegen ist eher action-orientiert und weist aggressive Noten auf. Dasjenige von Mädchen ist eher häuslich-orientiert und ‚dramatisch‘ (Saltz, Dixon & Johnson, 1977). Diese Spielpräferenzen zeigen sich auch in naturalistischen Studien (Pellegrini & Perlmutter, 1989). Jungen investieren erheblich mehr Zeit als Mädchen ins Bewegungsspiel, wie eine Meta-Analyse von 90 Studien zeigte (Eaton & Enn’s, 1986; zit. nach Pellegrini, 2009). Dabei nehmen bei den Mädchen grobmotorische Aktivitäten mit der Reifung ab, bei den Jungen jedoch zu (Eaton & Yu, 1989). Vermutlich akzentuiert sich dieses gender-typische Verhalten in der frühen Kindheit durch die zunehmende Konfrontation mit gleichgeschlechtlichen Peers (Fabes, Martin & Hanish, 2004).

Jungen und Mädchen zeigen auch unterschiedliches Verhalten in der Exploration: Jungen nähern sich einem Objekt eher, während Mädchen eher abwarten (Hutt, 1966). Jungen explorieren nicht nur schneller, sie zeigen auch weniger Angst (vgl. Daldry & Russel, 1982). Sie sind dabei oft erfinderischer, nehmen zum Beispiel eher Objekttransformationen in uneindeutigen Kontexten vor (Pellegrini, 1987). Auch spielen sie mit Klötzen und anderen konstruktiven Materialien elaborierter als Mädchen (Rubin et al., 1983).

Deutlich sind auch die Unterschiede in der Verwendung von Spielsachen: So bevorzugten drei- bis fünfjährige Mädchen Puppenhäuser, gleichaltrige Jungen hingegen Autos (McLoyd & Ratner, 1983). Derselbe Effekt kann sogar bei männlichen und weiblichen Meerkatzen (einer Affenart) beobachtet werden: Dabei hantierten weibliche im Vergleich zu männlichen Meerkatzen doppelt so lange mit Puppen und Kochtöpfen, wohingegen umgekehrt männliche Meerkatzen doppelt so lange mit Ball und Polizeiauto spielen (Alexander & Hines, 2002). Innerhalb des Fantasiespiels mit Figuren bevorzugen Mädchen Baby- und Barbiepuppen, Jungen hingegen Aktions- und Monsterfiguren (Fooken, 2012).

Geschlechtsspezifische Unterschiede beschränken sich nicht auf die Kinder, sie zeigen sich auch im elterlichen Spielverhalten: Mütter und Säuglingsschwestern stimulieren in den ersten Lebenswochen die Jungen körperlich und visuell häufiger, wenden sich den Mädchen dafür eher verbal zu. Väter hingegen spielen intensiver mit ihren Söhnen und schauen ihnen beim Spiel auch aufmerksamer zu (Caesar & Weber, 1979; zit. nach Einsiedler, 1999). Väter bevorzugen in den ersten Lebensjahren kraftbetonteres Bewegungsspiel, wie zum Beispiel Rauf- und Kampfspiele, oder Hochwerfen, was sie bei Mädchen etwas vorsichtiger tun (Carson, Burks & Parke, 1993; Crawley & Sherrod, 1984; MacDonald, 1993; zit. nach Pellegrini, 2009). Mütter spielen länger gemeinsam mit ihren Kindern, wobei das Spiel häufiger auf Spielzeug oder andere Objekte gerichtet ist (Clarke-Stewart, 1978; Crawley & Sherrod, 1984; Maccoby, 2000). Auch zeigen Mütter einen gefühlsbetonteren und kommunikativeren Interaktionsstiel als Väter (für einen Überblick vgl. Bischof-Köhler, 2002, S. 88 ff.). Dabei reagieren Eltern (vor allem Väter) positiv auf den Umgang des Kindes mit geschlechtstypischem Spielzeug, hingegen negativ auf den Umgang mit geschlechtsuntypischem Spielzeug (Langlois & Downs, 1980).

Jungen und Mädchen unterscheiden sich auch in Bezug auf das im Spiel geübte funktionale Verhalten. In allen hierzu beobachteten Kulturen zeigen sich geschlechtsspezifische Präferenzen. Bei Einheimischen im Okavango Delta (Botswana) zeigen Mädchen vor allem Spiele aus dem Themenkreis der Getreideverarbeitung wie Stampfen mit Stock, Riedgras oder einem Mörtel (Bock, 1999, 2005). Stäbe benutzen Mädchen in anderen Völkern eher für Tätigkeiten aus dem Bereich des Kochens, Jungen jedoch eher aus dem der Waffen. So spielen in Wildbeuter- (Sammler-)Kulturen im Amazonas Jungen häufiger mit Pfeil und Bogen oder mit Steinschleudern, Mädchen hingegen bevorzugen den spielerischen Umgang mit Werkzeugen, welche der Sammel- und Pflück-Tätigkeit dienen, wie zum Beispiel die Herstellung von und das Spiel mit Körben aus Palmenblättern (Gosso et al., 2005).

Für diese funktionale Unterscheidung im kindlichen Spielverhalten finden sich auch Hinweise für eine phylogenetische Kontinuität: Junge männliche Schimpansen imitieren eher Dominanz- und Jagdverhalten wie auch Patroullieren (Mitani, Merriwether & Zhang, 2000), weibliche hingegen eher den Umgang mit Kindern (Pusey, 1990). Bei den Schimpansen sind diese Geschlechtsunterschiede besonders robust (Pellegrini, 2009).

Die Geschlechtertrennung im Spiel verschärft sich zwischen 4;6 und 6;6 Jahren: Wo mit 4;6 Jahren etwas mehr als 45 % der Spielzeit ausschließlich mit gleichgeschlechtlichen Spielpartnern verbracht wird, beträgt dieser Anteil mit 6;6 Jahren schon 65 % (Maccoby, 1998). Sie erwerben dabei vermutlich – auch im Spiel – wesentliche soziale Regeln für Männer und Frauen. Typischerweise organisieren sich Mädchen in kleinen Gruppen von zwei oder drei in eher kooperativen Spielen, während Jungen sich in größeren Gruppen auf eher kompetitive Spiele einlassen (Maccoby, 1998). Im Spiel in gleichgeschlechtlichen Gruppen orientieren sich Kinder vermehrt an traditionellen Geschlechterrollen (Fabes, Martin, Hanish, Anders & Madden-Derdich, 2003). So zeigen Mädchen in gleichgeschlechtlichen Gruppen weniger energisches Spiel als zusammen mit Jungen. In Wettbewerbssituationen können sich sechsjährige Mädchen in geschlechtergemischten Gruppen weniger gut durchsetzen als Jungen (Green, Cillessen, Berthelsen, Irving & Catherwood, 2003). In geschlechtsgemischten Kontexten dominieren Jungen oft Mädchen: Sie sprechen mehr, eröffnen mehr Themen, äußern mehr Befehle. Dagegen ahmen Mädchen mehr nach und bitten um Hilfe (Perlmutter & Pellegrini, 1989). Die Benachteiligung von Mädchen in geschlechtergemischten Wettbewerbssituationen ist für ältere Kinder schon länger bekannt, so für das Dodge-Ball-Spiel bei Zwölfjährigen (Weisfeld, Weisfeld & Callaghan, 1982; zit. nach Weinberger & Stein, 2008) oder für Wettläufe bei Zehnjährigen (Gneezy & Rustichini, 2004; zit. nach Weinberger & Stein, 2008). In geschlechtshomogenen Gruppen verhalten sich Knaben – in einem Perlenspiel – um so kompetitiver, je größer die Gruppen sind (Benenson, Nicholson, Waite, Roy & Simpson, 2001; zit. nach Weinberger & Stein, 2008).

Kasten 5: Wettbewerbsspiele und Geschlecht im Vorschulalter (Weinberger & Stein, 2008)

In dieser Untersuchung wurde mit acht gleich- und acht gemischtgeschlechtlichen Vierergruppen von Kindern im sechsten Altersjahr ein von Benenson et al. (2001) entwickeltes Spiel gespielt. Bei vier der gemischtgeschlechtlichen Gruppen durfte ein Junge, bei den anderen vier ein Mädchen beginnen. Jedes Kind hatte einen Perlen-Stand. Jedes Kind hatte 10 Züge (10 Runden), wobei es einen Würfel würfeln musste (Zahlen von 1 bis 3). Entsprechend der gewürfelten Zahl konnten sie Perlen sammeln, welche sie entweder einem Gegner abnehmen oder von einer gemeinsamen Perlen-Schale entnehmen konnten. Diese Entscheidung stand ihnen frei. Gestartet wurde mit einem Startvermögen von drei Perlen. Damit bestand schon gleich zu Anfang des Spiels die Gelegenheit zu kompetitiven Zügen. Der Spieler mit den meisten Perlen war Gewinner.

Ein wesentliches Ziel war die Untersuchung von nichtkompetitiven und kompetitiven Zügen. Bei nichtkompetitiven Zügen nahmen die Kinder die mit Würfeln gewonnenen Perlen aus der gemeinsamen Perlen-Schale. Bei den kompetitiven wurden strategische und nichtstrategische Züge unterschieden. Als strategischer Zug wurde gewertet, wenn z. B. dem meistbesitzenden Kind Perlen abgenommen wurden, oder wenn das führende Kind dem zweitmeistbesitzenden Perlen abnahm. Nichtstrategische kompetitive Züge waren zum Beispiel Vergeltungszüge, wenn einem Kind Perlen abgenommen wurden, das einem in der letzten Runde Perlen abgenommen hatte; dies konnte auch gleichzeitig strategisch sein – was auch bei 50 % der Fall war.

Ergebnisse: Die Jungen zeigten in den gleichgeschlechtlichen Gruppen deutlich mehr kompetitive Züge als die Mädchen. In den geschlechtergemischten Gruppen fanden sich weniger deutliche Unterschiede, jedoch insgesamt mehr kompetitive Züge als in den gleichgeschlechtlichen. Innerhalb der strategischen Züge gab es keine Gruppen- und Geschlechter-Effekte. Allerdings zeigten Jungen Vergeltungszüge dreimal häufiger in den gleichgeschlechtlichen Gruppen, Mädchen hingegen zeigten in den gleichgeschlechtlichen Gruppen die geringste Anzahl Vergeltungszüge überhaupt.

Mädchen zeigen zwar in geschlechtergemischten Gruppen kaum weniger kompetitives Verhalten als Jungen, jedoch in geschlechtshomogenen Gruppen deutlich weniger Vergeltung (Weinberger & Stein, 2008; vgl. Kasten 5). Für diese Zurückhaltung im Ausnutzen des gesamten Repertoires an möglichen Spielzügen wird vermutet, dass Mädchen in sozialen Anfangssituationen mit direkter Konkurrenz zurückhaltender sind, vor allem wenn sie dabei mit nicht geklärten Gruppenkonflikten konfrontiert werden (Geary, Byrd-Craven, Hoard, Vigil & Numtee, 2003; zit. nach Weinberger & Stein, 2008). Denn: Je konfliktreicher eine Situation wahrgenommen wird, desto mehr investieren die Mädchen in eine mögliche Lösung. Das könnte im Experiment von Weinberger und Stein (2008) ihre Motivation für kompetitive und Vergeltungs-Züge gerade in gleichgeschlechtlichen Gruppen gehemmt haben. Sie erwarteten also ein höheres Risiko für Feindseligkeit im Kontext der Nähe. Insgesamt scheinen die Kosten (viel mehr als der Nutzen) für kompetitives und vergeltendes Verhalten für Mädchen erheblich höher zu sein als für Jungen. Womöglich brauchen Mädchen mehr Zeit für soziale Exploration und damit auch mehr Zeit für die Entspannung des Feldes, bevor sie solche Spiele spielen.

2.5.2 Biologische Bedingungen für Geschlechtsunterschiede im Spiel

Geschlechtsunterschiede im Spiel sind universell (vgl. vorangehenden Abschnitt), sie weisen aber auch in eindrücklicher Weise sowohl eine phylogenetische Kontinuität als auch mehrere physiologische Korrelate auf.

Ein Beleg für die physiologische Basis findet sich in den Hirnorganen. So steht die relative Größe verschiedener Organe wie Amygdala oder Hypothalamus bei mehreren nichtmenschlichen Primaten im Zusammenhang mit Sozialspiel (Lewis & Barton, 2006). Die Entwicklung von Amygdala und Hypothalamus beeinflussen die sexuelle Differenzierung von Spielverhalten, welche auch als Vorläufer für das Paarbildungssystem einer Gesellschaft angesehen wird (Pellegrini, 2009). Ganz ähnlich wie bei Schimpansen finden sich auch bei menschlichen Kindern Geschlechtsunterschiede, was die phylogenetische Kontinuität belegt. So zeigen Jungen mehr Raufen und Herumtoben (Pellegrini & Smith, 1998) und mehr dominanzbezogene Interaktionen (Pellegrini, Long, Roseth, Bohn & Van Ryzin, 2007), Mädchen hingegen mehr sitzende, weniger aggressive (Pellegrini et al. 2007) wie auch eher häusliche Spielthemen (Garvey, 1991).

Ein besonders eindrücklicher Beleg für die biologische (Mit-)Bedingtheit von Geschlechtsunterschieden im Spiel sind physiologische Ursachen für geschlechtsuntypisches Bewegungsspiel. Gut belegt sind Androgene (eine Hormongruppe) als physiologische Basis für typisch männliche Spielvarianten. Schon länger bekannt ist, dass Androgene eher grobmotorisch orientierte Spiele (Raufspiele, Herumtoben, Fußball) begünstigen (für eine ausführliche Diskussion vergleiche Bischof-Köhler, 2002, S. 200–210). So bewirkt die pränatale Verabreichung von Androgenen während bestimmter Phasen der Schwangerschaft bei genetisch weiblichen Föten eine doppelte Vermännlichung: Sowohl die Geschlechtsteile als auch bestimmte Verhaltensweisen werden vermännlicht (Collaer & Hines, 1995; Neumann, 1980). Befunde dafür liegen für Mäuse, Ratten, Hamster und Rhesusaffen vor (Collaer & Hines, 1995; Quadango, Briscoe & Quadango, 1977), wobei letztere nach dieser Behandlung eine Vorliebe für wilde Spiele wie Raufen und bei den für diese Tierart üblichen kindlichen Sexualspielen die typisch männliche Haltung zeigten. Bei Menschen gibt es hierzu vergleichbare Befunde aus Studien mit Kindern, bei denen das Geschlecht nicht eindeutig zugeordnet werden konnte oder bei denen eine Hormonbehandlung der Mütter zur Verhinderung des drohenden Schwangerschaftsabbruchs die kindliche Geschlechtsentwicklung unbeabsichtigt beeinflusst hatte. Bei den dermaßen von Androgenisierung betroffenen Mädchen fand sich wie bei den Rhesusaffenmädchen das so genannte ‚Wildfangverhalten‘, englisch ‚tomboy behavior‘ (Collaer & Hines, 1995; Ehrhardt, 1980; Ehrhardt & Baker, 1974). Diese Mädchen spielen auch lieber mit Jungenspielzeug (Berenbaum & Snyder, 1995), vermeiden Puppen und haben ein ausgeprägtes Interesse an körperlicher Aktivität und Sport. Sie spielen auch lieber mit Jungen als mit Mädchen. Diese Zusammenhänge zeigen sich selbst dann, wenn den Geschlechtsteilen des Mädchens nichts anzusehen ist und wenn die Eltern nichts von der Hormonbeeinflussung ihrer Wildfang-Töchter wissen, also davon ausgehen, dass es sich um biologisch typische Mädchen handelt (Reinisch, 1981). Biologie ist hier offenbar stärker als Sozialisation (vgl. auch Bischof-Köhler, 2002).

Literatur-Tipps

Eibl-Eibesfeldt, I. (1995). Die Biologie des menschlichen Verhaltens (3., überarb. u. erw. Aufl.). München: Piper.