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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog 1

Prolog 2

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Epilog 1

Epilog 2

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2342

 

In der Kaverne des Laboraten

 

Sie leben in der Dienstburg – als Diener der Terminalen Kolonne

 

Hubert Haensel

 

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Über die Welten der Milchstraße bricht im Jahr 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4931 alter Zeitrechnung – eine Veränderung herein, die sich niemand hat vorstellen können: Die Terminale Kolonne TRAITOR, eine gigantische Raumflotte der Chaosmächte, greift nach der Galaxis.

Im unmittelbaren galaktischen Umfeld entsteht in absehbarer Zeit in der Sterneninsel Hangay eine sogenannte Negasphäre, ein absolut lebensfeindlicher Raum. Die Menschheitsgalaxis soll dieser kosmischen Region als »Ressource« zugeführt werden.

Dagegen versuchen die Völker der Milchstraße zwar vorzugehen, aber bislang sind ihnen nur wenige Erfolge beschieden. Haluter und Arkoniden konnten ihre Raumflotten in Sicherheit bringen, aber alle wichtigen Planeten werden von den Kolonnen-Forts bewacht.

Immerhin sind sowohl das Innere des Solsystems als auch die Charon-Sternwolke für die Terminale Kolonne derzeit unerreichbar; hier hält sich der Widerstand. Doch der nächste Schachzug der Chaostruppen steht bevor: Er beginnt unter anderem IN DER KAVERNE DES LABORATEN …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Jothadún – Ein Effremi erkennt, dass er ein besonderer Angehöriger seines Volkes ist.

Rodyge – Ein Mor'Daer wird zu einem speziellen Förderer.

Kettena – Eine junge Effremi-Frau zeigt Jothadún die Dienstburg.

Togar Horth – Der Kestime würde sein Leben für seinen Schützling geben.

Prolog 1

 

10. Mai 1345 NGZ, galaktische Standardzeit: Im Bereich der orangefarbenen Sonne Zaragut im Sektor Rumal, 8709 Lichtjahre von Sol entfernt, waren mehr als zwölftausend Einheiten der LFT-Flotte in Sicherheit gebracht worden, eine Folge der Operation Bermuda: Insgesamt waren es 8500 LFT-BOXEN der Mobilen Kampfflotte, unter anderem vom LFT-Flottenstützpunkt Rumal abgezogen, zweitausend Fragmentraumer der Posbis, neunhundert Schlachtschiffe der APOLLO-Klasse, dazu hundert Superschlachtschiffe und fünfhundert ENTDECKER II. Außerdem noch 125 PONTON-Tender.

Schnell hatte es sich herumgesprochen, dass vierundvierzig Chaos-Geschwader im Bereich des Solsystems, im Sektor Gamma-Makon sowie an der Charon-Wolke gebunden waren. Da nach allen bisherigen Erkenntnissen mit der ersten Welle der Terminalen Kolonne TRAITOR achtundfünfzig Chaos-Geschwader von Kolonnen-Fähren angeliefert worden waren, war es für alle Beteiligten verständlich, dass die Angreifer bislang eher zögerlich reagierten. Jedoch stand zu befürchten, dass sich diese Situation in Kürze ändern würde.

Mittlerweile verfügten zweiundzwanzig LFT-Einheiten bei Zaragut über ein Kantorsches Ultra-Messwerk. Diese Schiffe wurden eingesetzt, Flotten zu schützen, die aus Stützpunkten des gesamten Sektors, vor allem von Rumal, Anlagen demontierten. Auf der Ödwelt Zar I, dem einzigen Planeten der Sonne Zaragut, entstand aus diesem Material ein neuer Geheimstützpunkt – einer von vielen, die derzeit von der Liga Freier Terraner angelegt wurden.

Am frühen Nachtmittag des 10. Mai trafen für eine Versammlung der Flottenführer weitere Schiffe der LFT ein, unter ihnen die LEIF ERIKSSON II, die HENRY HUDSON und die VITUS JONASSEN BERING, von der Charon-Wolke kommend. Außerdem fielen zwei arkonidische GWALON-Kelchraumer aus dem Linearraum: das Flaggschiff des Imperators Bostich I., die GOS'TUSSAN, und ein Geleitschiff aus seiner Thronflotte ARK'IMPERION.

Prolog 2

 

10. Mai 1345 NGZ, galaktische Standardzeit: Reginald Bull eröffnete die Versammlung an Bord der LEIF ERIKSSON II. Mit knappen, präzisen Worten, ohne Imperator Bostich I. eines Blickes zu würdigen, sprach er darüber, dass die Flotte nun gezwungen war, weitestgehend ohne Unterstützung planetarer Werften zu operieren. Nachschub, insbesondere an Linearkonvertern, wurde zwar mit höchster Priorität organisiert; von einer Einsatzbereitschaft konnte indes keine Rede sein.

Bull zeigte Aufzeichnungen, dass der LEIF ERIKSSON II und zwanzig ENTDECKERN an der Charon-Wolke mit Hilfe eines modifizierten VRITRA-Geschützes die Vernichtung eines Traitanks gelungen war.

Er stellte klar, dass auf der HENRY HUDSON und der VITUS JONASSEN BERING diese Geschütze mittlerweile ebenfalls in einem Ringwulsthangar installiert waren. Einzig die ENTDECKER, LFT-BOXEN sowie Fragmentraumer und die GWALON-Kelche waren groß genug, um VRITRA-Kanonen einbauen zu können. Zudem war eine Ausrüstung mit der neuen Waffe nur dann sinnvoll, wenn die betreffende Einheit zugleich ein Kantorsches Ultra-Messwerk an Bord hatte, um den Gegner lokalisieren zu können.

»… aber selbst wenn wir alle geeigneten Schiffe mit VRITRA-Kanonen ausrüsten könnten, es würde uns nicht weiterhelfen«, sagte Reginald Bull bitter. »Wir werden keinen militärischen Sieg über die Terminale Kolonne erringen können – nicht jetzt und erst recht nicht, sobald die erwartete zweite Welle der Kolonne eingetroffen sein wird. Außerdem können wir nicht die Belagerung des Solsystems durchbrechen. Unsere Heimat muss weiterhin vom TERRANOVA-Schirm und dem Nukleus der Monochrom-Mutanten gehalten werden. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Seit dem 10. Februar belagern 17.424 Traitanks Sol. Wir werden die Erde also nicht unterstützen können. Aber wir haben sehr wohl die Möglichkeit für gezielte Kommandounternehmen, und genau die werden wir nutzen.«

»Geht es um Roi Danton?«, wollte jemand wissen.

»Ich weiß das noch nicht«, sagte Bull. »Roi ist von seinem Einsatz nicht zurückgekehrt. Der RUFER, sein Operationsziel, wurde am 24. Februar nach dem Erscheinen des anderen Objekts vernichtet. USO-Chef Monkey hat allerdings untersagt, dass Roi Danton für tot erklärt wurde, und ich glaube es ebenfalls nicht, aber …«

1.

 

Wunderbar schrill klang der Gesang in Jothadún nach, während er den Horst verließ. Es war ein Gefühl, als versenke er in endlose Ekstase. Wie kalt und unwirtlich erschien ihm dagegen der grell erleuchtete, schmucklose Korridor! Schrecklich gleichmäßig und monoton, geradezu abstoßend hallten seine Schritte von den Wänden wider.

Er blieb stehen, lauschte, drehte die Ohrmuscheln nach allen Richtungen. Hier draußen war der Gesang der anderen verstummt; nur die monotone Geräuschkulisse der Registernummer 18.101.399 umfing ihn.

Mit beiden Händen fuhr Jothadún durch sein fleckiges Bauchfell. Es erschien ihm struppiger als sonst, und er musste die Zähne und eine gehörige Menge Speichel zu Hilfe nehmen, um sich in einen ansehnlichen Zustand zu bringen.

Tief in Gedanken versunken, hatte Jothadún die beiden Ganschkaren nicht bemerkt, die aus einem Seitengang hervorgetreten waren. Erst als sie ihn von oben herab musterten, schreckte er auf und streckte sich, wobei er sein Gleichgewicht mit dem kurzen Schwanz auspendelte.

»Hast du nichts zu tun, Effremi?«

Jothadún schwieg. Es gab an Bord angenehmere Zeitgenossen als die Ganschkaren. Ohnehin wusste jeder, dass Effremi ihre Horste nur zur Arbeit verließen. Also widmete er sich wieder seinem Fell, das er an diesem Morgen zu sehr vernachlässigt hatte. Vielleicht wegen des wunderbaren Gesanges, in dem Sehnsucht und Wehmut vieler Generationen des Effremiten-Volks angeklungen waren – vielleicht auch wegen seines nahen Todes.

Es spielte keine Rolle, ob sein Fell struppig war oder glatt und wie er sich fühlte, wenn die Sklaventreiber und ihre kobaltblauen Walzen über die Flotte herfielen. Mehrmals war er während der Nachtruhe aufgeschreckt, hatte die Bettspäne weit verstreut, und wenn er jetzt zu den Ganschkaren hochschaute, spürte er erneut diese wühlende Unruhe in der Magengegend.

Jemand hatte in der Nacht davon gesprochen, dass die Kosmokraten mit einer erdrückenden Übermacht erscheinen würden. Nur ein Gerücht? Jothadún wusste es nicht, aber seitdem steckte die Furcht in seinen Gliedern.

»Ein widerspenstiger Effremi? Das missfällt mir schon doppelt«, sagte der zweite Ganschkare schrill und in einer Schnelligkeit, die Jothadún nicht mochte, nicht an diesem Tag jedenfalls.

Wenn er schon sterben musste, dann keinesfalls in Hektik. Wer wollte es ihm verwehren, dass er das Leben in den letzten Stunden noch einmal genoss? Schon damit er nicht das Gefühl haben musste, sich den bösen Kräften zu beugen. Ihr Streben nach Ordnung war krank – und tödlich für jede Weiterentwicklung im Universum.

Zwei kräftige Fäuste schlossen sich um seine Schultern. Jothadún quietschte und zuckte mit den Beinen, als der Ganschkare ihn mit einiger Kraftanstrengung hochhob.

»Lass den Effremi in Frieden, Urall!«, versuchte der andere zu beschwichtigen. »Der Austausch des Potenzialwerfers …«

»… hat Zeit«, erklang es unleidig. »Noch haben wir den Überlichtflug nicht beendet.«

»Die Kosmokraten werden uns vernichten!«, keuchte Jothadún.

»Halt den Mund, Effremi, und sag so etwas nie wieder!«

»Viele sprechen davon.« Vergeblich versuchte Jothadún, sich aus dem Griff des Ganschkaren zu befreien. »Die Kosmokraten werden mit aller Macht verhindern, dass wir TRYCLAU-3 schließen. Sie ziehen ebenfalls eine große Flotte zusammen …«

»Ein Grund mehr für mich, den Horst aufzusuchen!« Die Finger des Ganschkaren gruben sich noch fester in Jothadúns Schultern. »Ich will endlich hören, wie grauenvoll eure Gesänge sind. Du wirst mich einlassen, hast du das kapiert?«

Jothadúns Schwanz zuckte mitsamt dem kräftigen Hinterteil hin und her.

»Unsere Gesänge sind das Paradies, wie ein Universum ohne Krieg!«, stieß er hervor. »Kein Ganschkare wird das je verstehen – und kein Ganschkare betritt unseren Horst. Das ist so, das war so und das wird immer …«

»Ich breche mit der Tradition, Effremi! Jetzt, sofort! Du wirst dafür sorgen, dass ich …« Der Techniker verstummte, als Jothadún sich wie ein Wurm wand. Im nächsten Moment schrie er gellend auf, denn Jothadún hatte sich ruckartig zur Seite gedreht und die kräftigen Nagezähne tief in seinen Arm geschlagen.

Noch einmal biss der Effremi zu. Er schmeckte das Blut des Ganschkaren, und schon das benebelte seine Sinne, aber er kam frei und fiel auf den Boden zurück. Alle erzwungene Gemächlichkeit fiel von ihm ab, er wollte nur weg von dem Techniker, dem die bevorstehende Schlacht zu Kopf gestiegen war. Jothadún sah das als böses Omen. Er fragte sich, was geschehen würde, falls die alles versklavende Ordnung jemals den Sieg davontrug.

Die Schlacht um das Kosmonukleotid musste gewonnen werden. Mit allen Mitteln.

Obwohl ihn die schnelle Flucht vor den Ganschkaren nicht angestrengt hatte, zitterte Jothadún. Er verwünschte die Techniker, die sich so erhaben fühlten. Was waren sie denn schon? Nicht mehr als jeder andere auch. Verfügten sie über ein perfektes Zahlengedächtnis? Konnten sie sagen, woran sie vor siebenunddreißig Bordtagen, zu einer genau definierten Zeit, gearbeitet hatten? Dafür hatten sie keinen Sinn, denn solche Leistungen blieben dem Effremiten-Volk vorbehalten.

Jothadún spuckte aus. Da war immer noch der Blutgeschmack, der ihn würgte. So konnte er nicht arbeiten, vor allem kam er in Gedanken nicht von den Ganschkaren los. Er fühlte sich besudelt.

Ohne dass er es bewusst wahrnahm, bog er in einen Seitengang ab und stürmte in einen Nassraum. Er nahm den Mund voll Wasser, gurgelte und presste das Nass sogar durch die Nasenlöcher, um die Witterung loszuwerden. Mit beiden Händen zupfte er anschließend sein Gesichtsfell zurecht und fand, als er sich in den Spiegelfeldern betrachtete, sogar noch Bettspäne.

Ein fernes Geräusch irritierte ihn. Der Alarm heulte durch Registernummer 18.101.399, und die gleichmäßigen Vibrationen des Antriebs hatten sich verändert.

Die Flotte beendete den Überlichtflug, sie hatte das Ziel ihrer langen Reise erreicht: das Kosmonukleotid TRYCLAU-3.

Solange Jothadún zurückdenken konnte, hatte es nur dieses eine Ziel gegeben.

Er versuchte, die erneut aufkommende Furcht zu verdrängen, indem er herausfordernd den Kopf hob und die Zähne nach vorne schob. Sollten sie nur kommen, die Streitkräfte der Ordnung. Jeder in der Flotte lebte seit seiner Geburt für diesen Tag. Die Schlacht um TRYCLAU-3 war immer schon so unausweichlich gewesen wie der Tod, der eines Tages jedem Leben ein Ende setzte.

Jothadún hatte es mit einem Mal sehr eilig, seinen Platz an Bord einzunehmen.

Jothadún – Effremi Nummer 3748 an Bord des Verwaltungsschiffs Traitank 18.101.399.

 

*

 

Die Datenzentrale lag im Halbdunkel höchster Konzentration, als Jothadún seinen Arbeitsplatz erreichte. Nur die wechselnden holografischen Darstellungen verbreiteten vage Helligkeit.

Er roch die furchtsamen Ausdünstungen der fünfundsechzig Effremi. Sie bemühten sich zwar, ruhig zu bleiben, fieberten aber umso mehr der Entscheidung entgegen.

Verweisende Blicke trafen ihn, als er zwischen ihren Reihen hindurch zu seiner Überwachungsstation ging. Niemand redete. Unruhig wetzte Jothadún mit dem verlängerten Rückgrat in der Sitzschale, bis sein Schwanzstummel durch das Sitzloch fiel. Er aktivierte die Datenzufuhr. Vor ihm liefen die gewohnten Zahlen und Skalenfelder ab. Zumindest hier deutete nichts auf die Entscheidung hin.

Alle 330.000 Traitanks hatten den Überlichtflug beendet und formierten sich neu. Angespannt verfolgte Jothadún das Manöver in dem ihm zugewiesenen Teilabschnitt – zwei Knotenpunkte des Angriffsnetzes, zu dem sich die Flotte auseinander zog.

Er verstand nicht in jeder Konsequenz, was außerhalb Registernummer 18.101.399 vor sich ging oder wie der Raum beschaffen war, den die Terminale Kolonne seit Generationen durcheilte. Seine Welt war das Verwaltungsschiff, hier war er geboren worden, und hier kannte er jeden Winkel.

Der Raum hingegen war endlos – allein das ein unvorstellbarer Begriff, der sich weder planen noch archivieren ließ.

Es überstieg sein Verständnis, wenn er die Schwärze sah und darin, wie von unsichtbarer Hand ausgestreut, die Balken, Spiralen und Kugeln der Sterneninseln. Manchmal, nur sehr vage und dann über sich selbst erschrocken, fragte er sich, ob das alles nicht groß genug sei, dass die Chaosmächte und die versklavende Ordnung nebeneinander hätten existieren können. Er behielt solche Überlegungen allerdings für sich und wollte gar nicht wissen, ob andere Effremi ähnlich dachten.

Sein Leben war Registernummer 18.101.399, was hätte er außerhalb der beschützenden Wände mit sich anfangen können?

Die Endformation war erreicht … Das Licht der fernen Galaxien schien einzufrieren.

Scheinbar zeitlos geworden, jagten die Traitanks dem Ziel entgegen, von dem Jothadún manchmal geglaubt hatte, dass sie es nie erreichen würden. Viele Effremiten-Generationen vor ihm hatten ihre Hoffnung auf TRYCLAU-3 gesetzt, aber mehr als diese Hoffnung war ihnen nicht vergönnt gewesen.

Das Kosmonukleotid unschädlich machen!, hieß die Direktive der Flotte seit ihrer Trennung vom Gros der Terminalen Kolonne. Das konnte vernichten ebenso bedeuten wie erobern.

Jothadún fieberte dem Anblick von TRYCLAU-3 entgegen. Er würde nur einen Abdruck im Raum zu sehen bekommen, das wusste er, einen Schatten der Informationsstrukturen, die sich im fünfdimensionalen Bereich zusammenballten.

Verständlicher, weil greifbarer, war die Information des Flottenkommandanten, dass das Kosmonukleotid ein übergeordnetes Instrument sei, das den Kosmokraten dazu diente, ihre versklavende Ordnung im Multiversum aufrechtzuerhalten. Jothadún identifizierte TRYCLAU-3 damit als eine der Quellen allen Übels.

Egal auf welche Weise, er war bereit, sein Leben dafür zu geben, dass TRYCLAU-3 nicht von den Ordnungsmächten eingenommen wurde.

Wenn je die Terminale Kolonne an die Mächte der Ordnung fällt, wird der Fesselgriff der Ordnung das Multiversum erstarren lassen und alles Leben ersticken.

Diese Prophezeiung war so alt wie die Kolonne TRAITOR selbst. Angesichts der Auseinandersetzung um TRYCLAU-3 hatte sie in den vergangenen Jahren eine brisante Dimension gewonnen, umso mehr, als viele glaubten, der Gegner sei schon zu stark geworden.

Jothadún hatte sich von diesen Reden anstecken lassen.

Aber jetzt, als er die eigene Flotte in ihrer ganzen Ausdehnung vor sich sah, die schlanken, scheibenförmigen Traitanks mit ihrem Ausdruck von Kraft und Geschmeidigkeit, da war er fast wieder überzeugt, dass die Kolonne niemals fallen konnte. TRAITOR war zu groß und zu mächtig – ein Heerwurm, vor dem die Ordnungsmächte zittern mussten.

 

*

 

Seine Fantasie hatte die Realität weit übertroffen, vor allem hatte sie ihm eine Wirklichkeit vorgespielt, die es so nicht gab. Die Schlacht zwischen den Flotten des Chaos und der Ordnungsmächte erschien keineswegs so grauenvoll wie in Jothadúns Vorstellungswelt. Er hatte erwartet, das vierdimensionale Kontinuum würde schon nach den ersten Geschützsalven aufbrechen wie die Verkleidung eines unkontrollierbar gewordenen Energiespeichers und alles verbrennen, als wälze sich die freigesetzte Glut brodelnd durch die Korridore und Schächte der Maschinenhallen.

Ebenso hatte er befürchtet, die Schreie der Sterbenden in ihren verglühenden Schiffen hören zu müssen, zig-tausende Stimmen wie ein gewaltiger Chor, der ein letztes Mal seinen Lebenswillen hinausschrie, geprägt von der Qual, den Sieg der Chaosmächte nicht mehr erleben zu dürfen.

Die Wahrheit hingegen war stumm und wirkte alles andere als bedrohlich.

Für Jothadún blieben die Schiffe, die im feindlichen Beschuss explodierten, statistische Zahlenkolonnen, Lichter in der Schwärze des Weltraums, die nur für Sekunden die Anonymität verließen. Verlust an Material und Leben – das war eine Größe in den Aufzeichnungen, die der erbitterten Raumschlacht ihre Bedrohlichkeit nahm.

Die Schlacht um TRYCLAU-3 war für den Effremi weit entfernt. Sogar die hoch effiziente Ortung von Registernummer 18.101.399 erfasste nur einen Ausschnitt des gesamten Geschehens rund um den Abdruck des Kosmonukleotids und das Tor, das den Weg zu TRYCLAU-3 ermöglichen sollte. Jothadún zeichnete die Stärke der Ordnungstruppen auf, die der geballten Macht der Traitanks gegenüberstanden. Er bezweifelte nicht, dass die Gegenseite ebenso erbittert um das strategisch wichtige Kosmonukleotid kämpfte wie die eigene Flotte.

Er hatte nie eine militärische Ausbildung genossen – das hatte keiner des Effremiten-Volks –, dennoch erkannte Jothadún sehr schnell, dass die Zahl der Traitanks minütlich geringer wurde. Jeder Stern, der sich in einem grellen Blitz aufblähte, markierte eine vernichtete eigene Einheit. Oder auch ein Schiff des Feindes. Im Sterben unterschieden sich die Raumer der Ordnungsmächte nicht von den Traitanks.

Je länger diese Schlacht tobte, desto mehr erschien es Jothadún, als stünden die Flotten im Begriff, sich gegenseitig auszulöschen.

Dann, unerwartet, verzeichnete er die ersten Verluste in erschreckender Nähe. Traitanks, für die Verwaltungseinheit 18.101.399 zuständig war, verglühten in grellen Explosionen. Der Tod kam rasend schnell näher und pflügte eine breite Schneise durch den Pulk der Traitanks.

Jothadún lokalisierte den Angreifer: Eine kobaltblaue Walze kam mit lodernden Schirmfeldern unaufhaltsam näher. Traitanks in ihrer Flugbahn wurden von unsichtbaren Gewalten auseinander gerissen.

Unglaublich nahe war der Angreifer schon.

In erschreckender Deutlichkeit sah der Effremi, wie sich ein Traitank förmlich aufblähte, gleich einer überreifen Gantir-Frucht zerplatzte und wie ein expandierender Feuerball davonwirbelnde Rumpfsegmente in einem Sternenregen verglühen ließ.

Zwei weitere Traitanks …