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Über die Herausgeber

Verena Keil und Nicole Schol sind Lektorinnen bei Gerth Medien. Verena Keil hat bereits eine ganze Reihe erfolgreicher Geschichtensammlungen herausgegeben.

Inhalt

Vorwort

Die unauslöschliche Bremsspur

Prüfungsblackout

Gott macht keine Fehler

Rettung im Meer

Seltsamer Zufall

Der Engel und das Rolltor

Verliere niemals deine Hoffnung

Ein Gebet im Regen

Verschollen im Bahnhof

Gebete können Leben retten

Die Freundin aus ihren Gebeten

Gesegnet

Riskiere etwas

Tanzen für Jesus

„Kommt zurück zum Guten!“

Das gestohlene Armband

Ich hätte gern ein Wunder

Wenn Gott Regie führt

Das Wunder am Passbildautomaten

Unter Gottes Schutz

Herausgeholt

Das kleine Loch mit der großen Auswirkung

The Miracle Maker – der Wundermacher

Vor Selbstmord bewahrt

Das Wunder am Straßenrand

Von Jesus bewegt – und geliebt

Gott liebt sogar die Braven

Eine ganz besondere Liebeserklärung

Drei Euro

Wie ich 256-mal Christ wurde

Gott kommt spätestens pünktlich

Vorwort

Willkommen in diesem Buch! Schön, dass du es in die Hände bekommen hast. Vielleicht hat es dir jemand geschenkt oder du hast es selbst irgendwo entdeckt. Auf jeden Fall lohnt es sich weiterzulesen. Denn für dieses Buch haben viele Autoren Erlebnisberichte beigesteuert – Leute, die entweder selbst Teenager sind oder sich noch ziemlich gut an diese aufregende Zeit erinnern können. Herausgekommen ist eine Sammlung von einzigartigen, persönlichen Geschichten über das, was man als Teen mit Gott so alles erleben kann. Und das ist manchmal zum Heulen schön, manchmal echt krass, auf jeden Fall aber total ermutigend!

Ob es um Spickzettel geht oder einen Prüfungsblackout, die Berufswahl oder die Frage nach dem Plan fürs Leben, um Bewahrung und unerklärliche Wunder in verzwickten Situationen, Freundschaften, Selbstzweifel, das Ringen mit Gott oder um den eigenen Glauben – in diesen Geschichten hat alles seinen Platz. Und vielleicht findest du dich in den Storys ja wieder.

Auf jeden Fall möchte dich dieses Buch einladen, selbst herauszufinden und auszuprobieren, was im Leben wirklich trägt. Wir würden uns freuen, wenn du es wagst, dich in das Abenteuer des Glaubens zu stürzen – und wie die Autoren dieses Buches die Erfahrung machst: Ja, Gott liebt mich! Er hilft mir. Ich kann ihm vertrauen, auch wenn’s schwierig wird.

An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an alle, die uns ihre Geschichte geschickt haben! Viele davon haben es in dieses Buch geschafft. Danke für euer Vertrauen, eure Offenheit, euch mitzuteilen, und für eure Geduld.

Verena Keil und Nicole Schol

EIN GOTT, DER EINGREIFT

„Er hat mich errettet und mir geholfen, ich vertraue ihm und habe keine Angst. Der Herr allein gibt mir Kraft.“
Jesaja 12,2

Die unauslöschliche Bremsspur

Genau fünfzehn Minuten nach sieben hüpfte ich die Treppe hinunter und klingelte bei meiner besten Freundin, die im gleichen Haus im Obergeschoss wohnte. Julia war zwei Jahre älter als ich, nämlich schon 14, und ging in die Parallelklasse. Der Schulunterricht begann eigentlich immer zur gleichen Zeit, und so fuhren wir immer gemeinsam zur Schule, im Herbst und Winter mit dem Schulbus, im Frühling und Sommer mit dem Fahrrad.

Sekunden später hörte ich über die Sprechanlage die Stimme ihrer Mutter. Sie rief mir zu, dass Julia gleich käme, die natürlich – wie immer – noch nicht fertig war. Typisch, dachte ich, erst zu spät aufstehen, dann trotzdem stundenlang im Bad verbringen, nicht zur verabredeten Zeit auf der Matte stehen und nachher im Schneckentempo zur Schule fahren wollen. Und das ausgerechnet heute, wo in der ersten Stunde ein Mathetest angesagt war! Ich blickte ungeduldig auf meine Armbanduhr: zwanzig nach sieben. Wenn sie jetzt nicht kommt, fahre ich alleine los.

Kaum war mir der Gedanke gekommen, da vernahm ich schon ihre Schritte auf der Treppe, dann ging die Tür auf und sie kam auf mich zu. Ich gab ihr keine Gelegenheit, mich zu begrüßen. „Los, mach schon, wir kommen zu spät“, sagte ich. Doch Julia blieb ganz unbeirrt: „Hallo, erst mal! Und mach keinen Stress, dass schaffen wir noch locker.“ „Ja klar, wie immer“, gab ich zurück, während wir unsere Fahrräder bestiegen. „Und ins Klassenzimmer müssen wir dann rennen, um es noch vor dem Gong zu schaffen.“ Wir wohnten in einem Dorf, das ungefähr sechs Kilometer von der Schule entfernt lag; da brauchten wir schon zwanzig Minuten. Pünktlich 7.45 Uhr ging der Unterricht los.

Ich gab Gas, worauf sich Julia beschwerte, ich sei viel zu schnell. Also fuhr ich etwas langsamer, aber immer noch schnell genug, sodass ich sie ungefähr eine Fahrradlänge hinter mir ließ und sie sich die ganze Zeit anstrengen musste, mich einzuholen. Mit diesem Trick erreichte ich, dass sie ein wenig schneller als gewöhnlich fuhr.

Ich erschrak zutiefst, als der LKW mit quietschenden Reifen zum Stehen kam.

Wir fuhren auf einem Feldweg, der parallel zur Schnellstraße lag. Dann kamen wir an die Stelle, an der wir die Straße überqueren mussten, was nicht ungefährlich war. Eigentlich sollten wir, wie unsere Eltern uns nahelegten, lieber einen Umweg in Kauf nehmen, um eben nicht hier über die Straße fahren zu müssen, aber wir hatten es wie immer eilig. An der Schnellstraße hielten wir stets an, schauten uns um und fuhren dann schnell hinüber, denn es dauerte nie lange, bis das nächste Auto in Sicht war. Ich stoppte also, blickte nach links, nach rechts und schließlich nochmals nach links, sah weit und breit kein Fahrzeug und trat in die Pedale. Doch nichts tat sich, ich stand praktisch auf den Pedalen und kam einfach nicht vorwärts. Ich versuchte es mit etwas mehr Kraft und kam ein paar Zentimeter vorwärts, doch dann blieb mein Fahrrad wiederholt stehen. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Stimmte denn mit meinem Fahrrad etwas nicht? Oder hatte ich einfach nicht genug Schwung? Also stieg ich ab und wollte es mit erneutem Schwung versuchen. Zu diesem Zeitpunkt ragte mein Vorderrad ungefähr 30 Zentimeter auf die Straße. Da wurde ganz plötzlich, verursacht durch einen heftigen Windstoß und begleitet von einem ohrenbetäubenden Lärm, der von einem wie aus dem Nichts erscheinenden Lkw stammte, das Vorderrad meines Fahrrades zur rechten Seite weggedrückt. Ich erschrak zutiefst und war noch ganz benommen, als der Lkw mit quietschenden Reifen und eine lange Bremsspur hinterlassend zum Stehen kam. Der Fahrer sprang aus seinem Fahrzeug und kam auf mich zugeeilt. Ich zitterte am ganzen Leib und kann mich noch gut daran erinnern, wie mir flüchtig der Gedanke kam: Jetzt wirst du gleich ein paar unfreundliche oder zornige Worte zu hören bekommen! Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen fragte mich der besorgte Fahrer mit russischem Akzent: „Ist dir etwas passiert? Ich habe schon gedacht, dass ich dich überfahren habe. Alles in Ordnung?“ Ich stand noch ziemlich unter Schock und beteuerte ihm nur, es wäre alles okay, doch er war nicht so ganz überzeugt davon, nahm mein Rad und schob es über die Straße in Richtung Feldweg. Dann nahm er mich am Arm und brachte mich sicher zur anderen Straßenseite. Danach erkundigte er sich nochmals nach meinem Wohlbefinden, woraufhin Julia ihm versicherte, sie werde sich schon um mich kümmern. Der Lkw-Fahrer verabschiedete sich daraufhin von uns und fuhr weiter.

Als wir wieder alleine waren, fragte mich Julia: „Willst du nicht lieber zurück nach Hause und die Schule heute bleiben lassen?“ Mir schwirrte immer noch der Kopf von dem, was gerade passiert war. Innerhalb von Sekunden waren mir zahllose Gedanken gekommen, doch jetzt hieß es, keine Zeit zu verlieren, wir mussten zur Schule und zwar schnellstens. Auf keinen Fall durfte ich die Mathearbeit verpassen, für die ich so gelernt hatte! Ich schüttelte den Kopf und antwortete: „Nein, ich muss unbedingt zur Schule, du weißt doch, ich stehe in Mathe auf der Kippe, außerdem ist ja nichts passiert. Lass uns weiterfahren.“ Julia schien nicht sehr überzeugt zu sein, denn ich zitterte immer noch ein wenig. Sie sah mich zweifelnd an, doch da fuhr ich schon los, und sie folgte mir nachdenklich. Nach einer Weile fragte sie mich: „Alona, hast du den Lastwagen nicht kommen sehen?“ „Nein, ich habe gesehen, dass die Straße frei ist“, sagte ich. „Komisch, ich habe mich voll erschrocken, als du losfahren wolltest, obwohl du ja nachgeguckt hast, ob ein Auto kommt. Und dann habe ich geschrien, dass du stehen bleiben sollst.“ „Was? Ich habe nichts gehört! Ich wollte losfahren, aber es ging nicht. Es war ganz komisch, so, als ob jemand mein Rad festhalten würde. Und plötzlich fährt der Lkw an mir vorbei. Du hast wirklich gerufen?“ „Ja! Und ich hatte schon befürchtet, dass du unter die Räder kommst. Hast du die lange Bremsspur gesehen?“ „Ja, habe ich.“

Ein paar Minuten später tauchte auch schon die Schule vor unseren Augen auf. Eilig schlossen wir unsere Fahrräder an. Wir waren gerade noch rechtzeitig angekommen. „Also mach‘s gut, wir sehen uns dann später, gell?!“ „Ja, bis dann. Und danke!“, rief ich ihr hinterher, bevor ich zum Klassenzimmer eilte.

Drei Jahre später

Ich saß auf der Couch und las gerade einen christlichen Roman. Zwar hatte ich das Buch gar nicht lesen wollen, aber mir blieb sozusagen nichts anderes übrig. Am Vormittag war meine Oma kurz bei uns vorbeigekommen, was sie öfters tat. Sie brachte dann meistens etwas mit, Selbstgebackenes oder Süßigkeiten. An diesem Tag bekam ich jedoch einen dicken Wälzer. Ich überflog kurz die Inhaltsangabe und machte nicht gerade ein begeistertes Gesicht, doch meine Oma sagte: „Beginne einfach zu lesen, du wirst schon sehen, du legst das Buch nicht so schnell aus der Hand!“

Daran zweifelte ich zwar, doch da ich an diesem Tag keine anderen Pläne hatte und mich langweilte, begann ich schließlich zu lesen. Es war tatsächlich so, wie meine Oma es vorhergesagt hatte! Ich unterbrach das Lesen nur kurz zum Essen, und so war ich am Abend immer noch in den Roman vertieft. Schließlich kam ich an eine Stelle, an der eine junge Frau zum Glauben an Gott fand. Im Grunde wurde in dem Buch ganz schlicht beschrieben, was Jesus für uns getan hatte, dass er für uns am Kreuz gestorben ist … etwas, das ich schon tausendmal im Gottesdienst und in der Kinderstunde gehört hatte. Doch dieses Mal war es anders. Mein Herz wurde tief berührt, und zum ersten Mal verstand ich wirklich, was das bedeutete, nämlich: dass ich verschont wurde, dass eigentlich ich die Strafe verdient hätte. Jetzt erkannte ich, wie sehr Jesus mich liebt und was er für ein Opfer gebracht hatte. Es war eben nicht selbstverständlich, dass er das für mich getan hat. Mir liefen die Tränen in Strömen die Wangen hinunter und ich fiel auf die Knie. Ich bat Jesus um Vergebung, dankte ihm für seine unendliche Liebe – dass er mich nicht vergessen hatte, obwohl ich ihn all die Jahre links liegen gelassen hatte, und vertraute ihm mein Leben an. Dann bat ich ihn, in mein Herz zu kommen, und wurde erfüllt von einem tiefen Frieden und grenzenloser Freude. Meine Gedanken wanderten zurück zu meinem Erlebnis mit dem Lkw. Mir war eines ganz klar geworden: Gott existierte und er war mächtig – er hatte auf meine unausgesprochene Frage reagiert. Ich hatte nämlich zum Zeitpunkt meines Beinahe-Unfalls an seiner Existenz gezweifelt und mir die Frage gestellt: Woher sollte denn Gott, der die Erde erschaffen hat, kommen? Aus dem Nichts? Und Gott hat mir mit einem Wunder geantwortet. Erst hatte er mir die Augen verschlossen, sodass ich den Lkw nicht kommen sah, und meine Ohren, sodass ich meine Freundin nicht hören konnte, die mich warnte. Und dann hatte er mich davor bewahrt, unter die Räder zu kommen. Unmittelbar nach diesem Ereignis dankte ich Gott zwar von Herzen für seine Bewahrung, seine Liebe zu mir erkannte ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht. Aber er hatte sein Werk an mir begonnen und ließ mich nicht mehr los. Drei Jahre später, an dem Tag, an dem ich aus Langeweile in dem Roman las, hat er zu mir gesprochen und mein Herz angerührt. Endlich hatte mein Leben einen tiefen Sinn bekommen. Ich habe diesen Schritt nie bereut!

Alona Kubitza

Prüfungsblackout

„Das kann doch nicht wahr sein! Bitte nicht heute, hier und jetzt! Bitte nicht!“ Verzweifelt starrte ich auf das leere Blatt Papier vor mir. Ich saß in der Deutschprüfung und hatte keine Ahnung, wie ich diesen komischen Text interpretieren sollte. Schon vor Wochen hatte ich mich innerlich dafür entschieden, von den drei zur Auswahl stehenden Themen die Interpretationsaufgabe zu nehmen. In Erörterungen war ich nun mal nicht so gut. Es waren nun schon einige Minuten vergangen und ich hatte noch immer einen leeren Kopf.

Wie bereits in der vorangegangenen Prüfung war ich auch diesmal völlig ruhig zur Schule gefahren. Während ich auf dem Fahrrad saß, hatte ich zudem noch Zeit, um mich ein letztes Mal vorzubereiten. Ohne Anzeichen irgendwelcher Nervosität setzte ich mich auf den mir zugewiesenen Platz. Selbst beim ersten Durchlesen des Textes blieb ich ruhig wie noch nie bei einer wichtigen Arbeit. Und das hier war auch noch die Abschlussprüfung!

Dieser innere Frieden, diese Ruhe, das war wirklich ein Geschenk, für welches ich sehr dankbar war. Ich wusste, dass in diesem Moment meine Familie und Freunde an mich dachten und für mich beteten.

Aber jetzt fiel mir überhaupt nichts ein.

Der Begriff „Freiheitspost“ hatte keinerlei Auswirkungen auf meine Fantasie und die Überlegung, worum es in diesem Text gehen könnte. Während ich nun den Text gründlicher durchlas, wurde mir mehr und mehr bewusst, wie wenig ich verstand. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie dieser Text zu interpretieren war. Dennoch las ich bis zum Ende, dachte nochmals über das Gelesene nach und begann schließlich noch ein weiteres Mal mit dem Lesen. Schlussendlich war ich so unsicher, dass ich mir überlegte, doch noch mit einer Erörterung anzufangen.

Wie sollte ich es bloß schaffen, den Sinn dieses Textes herauszuarbeiten, wenn ich nichts verstand? Und wie sollte ich auch nur annährend eine 1,0 schreiben, um eine bessere Note im Abschlusszeugnis zu bekommen?

Ich spürte, wie mein Gesicht rot anlief und mein Herz immer schneller schlug.

In meinem Kopf herrschte das absolute Chaos. Ich spürte, wie mein Gesicht rot anlief, ich zu schwitzen begann und mein Herz immer schneller schlug. Der Prüfungslehrer beobachtete mich mit strengem Blick. Klar, es kam sicher nicht oft vor, dass eine Schülerin in ihrer Abschlussprüfung mit hochrotem Kopf immer wieder in die Luft starrte, um sich dann wieder über ein leeres Blatt zu beugen.

Also, sagte ich zu mir, denke noch einmal gründlich über den Text nach, lies den Text noch mal und versuche, doch noch etwas herauszubekommen. Ich wusste, dass ich es eigentlich konnte. Doch warum klappte es gerade heute nicht? Am liebsten hätte ich mich selbst geschlagen wegen meiner Naivität, ich könnte ohne große Vorbereitung in diese Prüfung gehen.

„Jesus, bitte hilf mir!“

Plötzlich fiel mir ein, dass ich ja auch noch eine Inhaltsangabe machen musste. Eine Zusammenfassung des Textes konnte ich auch ohne weiteres Verständnis schreiben. Erleichtert über diesen Gedanken begann ich nun mit zitternden Händen, das Wichtigste auf mein Schmierpapier zu kritzeln. Es war erstaunlich einfach und ich kam gut voran. Schließlich las ich mir mein „Werk“ nochmals durch und schrieb es dann ins Reine. Durch diesen Schritt wurde ich wieder um einiges ruhiger. Dennoch wusste ich nicht, wie ich nun weiter vorgehen sollte. Der Hauptpunkt fehlte mir noch immer! Wie kannst du nur so blöd sein und den Text nicht verstehen? Jetzt streng dich gefälligst an, es ist deine Abschlussprüfung, Malindi! Wütend über mich selbst las ich ein letztes Mal den Text von vorn bis hinten durch.

Nach einem weiteren Hilferuf zu Gott begann ich dann, meine Gedanken zum Text aufzuschreiben. Mit der Zeit wurden aus Stichpunkten ganze Sätze und bald wurde auch daraus ein zusammenhängender Text. Nach und nach entwickelte sich aus meinen Gedanken eine Interpretation. Während ich schrieb, verstand ich diesen Text mehr und mehr.

Irgendwann legte ich, um einiges erleichtert, den Füller zur Seite und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Danke Jesus, vielen Dank. Jetzt komme ich voran!“ Die Uhr zeigte mir, dass ich trotz meines verzögerten Beginns gut in der Zeit lag. Ich war mir sicher, dass ich in der übrigen Zeit locker fertig werden würde.

Ich begann mein Konzept ins Reine zu schreiben. Wie immer nahm ich einige Änderungen vor und fügte Verschiedenes hinzu. Nun fehlte mir nur noch der Schluss. Jetzt musste ich nicht mehr lange überlegen. Im letzten Augenblick fiel mir dann noch eine passende Überschrift ein.

Als ich dann den letzten Satz schrieb, wurde mein Herz mit jedem Wort leichter. Nur noch der Schlusspunkt und … voller Freude ließ ich den Füller fallen. Ja, ich hatte es geschafft! Am liebsten wäre ich im Klassenraum umhergesprungen.

Zwar war ich mir sicher, dass diese Interpretation nicht so gut geworden war, wie ich es mir erwünscht hatte, doch immerhin war etwas zustande gekommen. Das abschließende Durchlesen und Verbessern meines sechs Seiten langen Textes kam mir vor wie ein Kinderspiel. Langsam schob ich alle Blätter zusammen, überprüfte, ob auf allen Seiten mein Name notiert war, und gab dann ab.

Drei Wochen später wartete ich gemeinsam mit meinen Klassenkameraden gespannt darauf, dass unsere Deutsch- und Französischlehrerin das Klassenzimmer betrat. Viele Noten waren uns schon bekannt gegeben worden, doch durch eine Erkrankung unserer Lehrerin mussten wir bis jetzt auf die Ergebnisse der Deutschprüfung warten. Frau S. kam wie immer mit langsamen Schritten herein, stellte ihre Tasche ab, sah uns an, zog leicht ächzend ihren Stuhl heran und setzte sich, um gleich wieder aufzustehen. „Ich habe eure Französischnoten noch nicht ausgerechnet, darum müsst ihr jetzt alle still sein, damit ich das noch schnell erledigen kann!“ Ein Stöhnen ging durch die Reihen. „Können Sie uns nicht erst die Deutschnoten sagen, bitte?“ Den erstaunten und leicht genervten Gesichtsausdruck unserer Lehrerin kannten wir gut genug, um zu wissen, dass sie gleich einen Wutanfall bekommen würde. Dennoch versuchte sie uns ruhig zu erklären, dass nicht sie uns die Noten bekannt geben würde, sondern unser Klassenlehrer. Stirnrunzelnd sahen wir uns an. „Die anderen Lehrer haben uns aber auch alle selbst die Noten mitgeteilt?!“

Nach einem langen Vortrag ihrerseits gab sie uns dann, nun wieder in ruhigerem Tonfall, zu verstehen, dass sie uns die Noten nun wohl auch sagen könnte.

Es wurde still im Klassenzimmer. Frau S. holte die Liste hervor, setzte die Brille auf, und las dann schließlich mit strengem Blick die Ergebnisse vor.

Je weiter sie vorlas, desto nervöser wurde ich. Hoffentlich habe ich trotz allem eine ordentliche Note! Ganz so schlecht kann es ja nicht geworden sein, immerhin habe ich einiges geschrieben und schlussendlich auch den Sinn des Textes verstanden. „Malindi!“ Unsicher sah ich hoch. Sie grinste. Okay, das hieß dann wohl etwas Gutes. Mein Herz raste wie wild und meine Hände wurden feucht. Frau S. strahlte mich sekundenlang an, ohne mir die Note zu verraten. Schließlich hob ich unwissend die Hände und starrte fragend in ihr Gesicht. Und dann platzte es aus ihr heraus: „Eine 1,0!“

Erstaunt machte ich den Mund auf und wieder zu. Eine glatte Eins! Genau das, was ich erhofft hatte! Ich hatte es also geschafft, auch wenn es mir unmöglich erschien.

Mir war, als würde ich auf Wolken schweben, als ich das Lob meiner Lehrerin und den Applaus meiner Mitschüler wahrnahm. Als ich auf dem Heimweg kräftig in die Pedale trat und noch einmal an diesen glücklichen Moment dachte, fing ich an zu singen. „Danke, Jesus, das ist echt das Beste, was mir passieren konnte! Vielen Dank, ohne dich hätte ich das nicht geschafft!“

Malindi Lohse