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(Foto: Holger Schupp)

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IMPRESSUM

Titelbild: Holger Schupp

Die Autorin, der Verlag und alle anderen an diesem Buch direkt oder indirekt beteiligten Personen lehnen für Unfälle oder Schäden jeder Art, die aus in diesem Buch dargestellten Übungen entstehen können, jegliche Haftung ab.

Achten Sie immer auf die entsprechende Sicherheitsausrüstung für sich selbst: feste Schuhe und Handschuhe bei der Bodenarbeit sowie Reithelm, Reitstiefel/-schuhe, Reithandschuhe und gegebenenfalls Sicherheitsweste beim Reiten.

Copyright © 2015 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Titelgestaltung und Layout: www.ravenstein2.de

Satz: Pinkhouse

Fotos im Innenteil: Holger Schupp, Fotolia.com

Lektorat der Originalausgabe: Sarah Koller

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6371-6

INHALT

Vorwort

Wie empfinden Pferde es, transportiert zu werden?

Sinnesleistungen des Pferdes

So erlebt Ihr Pferd den Transport

Wie verhindert man, dass das Pferd freudig einsteigt?

Aus dem Reich der Legenden: Die verbreitetsten Irrtümer

Sicherheit geht vor – vorausschauend vorbereiten und arbeiten

Erfolg durch eine sichere Lernatmosphäre

Rüsten Sie sich richtig aus

Die richtige Ausrüstung für Ihr Pferd

Das gut vorbereitete Pferd

Auf welchem Ausbildungs- und Vertrauensniveau sind wir?

Korrektes Führen – Positionen aus dem Herdenverhalten

Das Wesen des Führens

Basis-Bodenarbeit

Was Ihr Pferd können muss, bevor es gefahren werden kann

Wie verladefromm bin ich?

Was denke ich, was ich meinem Pferd sage?

Mein Pferd weiß, dass ich weiß, dass mein Pferd weiß …

Was mein Pferd wirklich möchte

Verlade-Achtsamkeit

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(Foto: Holger Schupp)

Instinkt und Intelligenz des Pferdes

Gute Gründe für Ihr Pferd, nicht in den Anhänger zu gehen

Gesundheitsaspekte und Spezialfälle

Verladepraxis

Mit Sicherheit in den Hänger – erste Schritte

Anspruchsvolle Situationen während des Trainings meistern

Der Faktor Zeit

Erfolgreich Verladen – Überblick aller Teilschritte

Individuelles Training für jedes Pferd

Leitfaden für das Training

Selbstcoaching – So werde ich zum Verladeprofi

So erziehe ich mein Pferd zum Verladestar

So meistere ich unterwegs jede Situation

Was tun im Falle eines Unfalls

Lindas goldene Grundregeln

Wissenswertes rund um den Transport

Das Zugfahrzeug

Der Pferdehänger

Serviceteil

VORWORT

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(Foto: Holger Schupp)

Mit Pferden die Freizeit zu verbringen ist für uns Pferdemenschen einfach das Schönste! Die Möglichkeit, mit ihnen unterwegs zu sein, zu einem schönen Ausreitgelände oder einer Prüfung, für die wir trainiert haben, ist ein besonderer Höhepunkt. Wenn da nicht das Thema des Verladens wäre, das zu den schwierigsten in der Arbeit mit Pferden überhaupt gehört. Jedes Pferd sollte das Verladen und Anhängerfahren erlernen, denn bei Erkrankungen oder Verletzungen kann ein Transport in die Klinik plötzlich notwendig werden. Gerade dann ist es besonders wichtig, dass es sicher und zügig vonstattengeht. Hier hilft nur eines: Das Verladen rechtzeitig so oft erfolgreich zu praktizieren, bis es für das Pferd, aber auch den Besitzer zur Normalität geworden ist!

Das von mir entwickelte intelligente Training hat zum Ziel, dass Pferde freiwillig und gelassen überall und jederzeit auf den Hänger oder in den Transporter gehen. Es geht also nicht darum, das Pferd einfach nur in den Hänger zu bekommen, es sollte generalisiert gelernt und positiv assoziiert sein, dass es seinem Besitzer vertrauensvoll überall hin folgt. Das Pferd kann vieles in der künstlichen Umgebung, die wir um es herum geschaffen haben, nicht verstehen, nimmt seine Existenz in unserer Welt aber gelassen an. Viele Situationen und generell die meisten unserer Anforderungen treffen es unvorbereitet und ergeben in seinem instinktiv geprägten Weltbild keinen Sinn. Durch das Ausbleiben pferdegerechten Lobs erhält es oft auch keine geeigneten Anhaltspunkte, wie es sich korrekt verhalten soll. Trotzdem erahnt es dank der Feinheit seiner Beobachtungsgabe und nonverbalen Kommunikation oft schnell, was der Mensch wünscht und wie es sich adäquat verhalten soll.

Verladeprobleme können prinzipiell von vorneherein vermieden werden, sie entstehen überwiegend aus unüberlegtem oder planlosem, emotionsgeladenem, und/oder aggressivem Verhalten des Menschen. Selbst sehr erfahrene Reiter sind zuweilen überfordert, wenn es darum geht, Pferde verladefromm zu trainieren. Es fehlt an Zeit und durchdachter Planung. Die Pferdeindustrie fordert immer schnellere und frühere Erfolge, ein unbedingtes Funktionieren des Pferdes wird oft in allen Bereichen vorausgesetzt. Demgegenüber legen viele Freizeitreiter großen Wert auf eine harmonische Verbindung zu ihrem Pferd. Der Wunsch nach pferdegerechtem Training ist unbedingt vorhanden, aber hier mangelt es an Trainern, die über wichtige theoretische Hintergründe und/oder praktische Erfahrungen mit sehr vielen unterschiedlichen Pferden verfügen. So ist das Verladeproblem in all seinen unterschiedlichen Facetten häufig anzutreffen, aber unbedingt lösbar. Es kann auch ein Indiz dafür sein, wie fragil die Verbindung zwischen Pferd und Besitzer eigentlich ist und dass es erhebliche Mängel in der Verständigung zwischen beiden Spezies gibt. Mit dem vorliegenden Buch teile ich meine reichhaltigen Erfahrungen mit Ihnen, damit Ihr Pferd mit dem geringsten Aufwand so effizient und nachhaltig wie möglich verladefromm wird.

Wenn es Ihnen nicht reicht, meine theoretischen Empfehlungen umzusetzen, finde ich es auch sehr gut, einen nachweislich versierten Trainer, der unbedingt gewaltfrei arbeitet, heranzuholen und es sich Schritt für Schritt zeigen zu lassen. Jedes Pferd ist ein perfektes Pferd und verdient eine altersgemäße, sachgerechte Ausbildung. Ich hoffe, was das Thema Verladen und Transport angeht, mit dem vorliegenden Buch eine große Lücke zu schließen und wünsche Ihnen viel Erfolg und Freude beim Trainieren und Transportieren Ihres Pferdes und Ihrem Pferd viel Freude mit Ihnen!

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WIE EMPFINDEN PFERDE ES, TRANSPORTIERT ZU WERDEN?

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(Foto: Holger Schupp)

Pferdetransport ist keine neue Erfindung, bereits vor 3 500 Jahren wurden Pferde in Schiffen auf See transportiert. Dafür wurden sie entweder unter Deck in Boxen oder an Deck, in Schlingen gehängt, befördert. Schon damals wurde berichtet, dass der Transport für die Pferde stressig und belastend war. Vor allem bei den Pferden, die unter Deck befördert wurden, gab es eine hohe Sterblichkeitsrate. Jene, die an Deck an der frischen Luft transportiert wurden, hatten bessere Überlebenschancen.

Der amerikanische General William Carter war wohl der Erste, der eine Studie zum Transport von Pferden anfertigte. Seine Aufgabe im frühen 19. Jahrhundert war es, Pferde per Schiff zu den Philippinen zu befördern. Er experimentierte mit verschiedenen Anbindetechniken und seine Erkenntnisse trugen dazu bei, dass Pferde während des Transportes auf dem Schiff nicht mehr in Schlingen gehalten wurden.

Mehr als eine halbe Million Pferdetransporte werden heute pro Jahr in Deutschland durchgeführt. Hierbei handelt es sich überwiegend um Transporte von Sportpferden, die auf Turnieren oder bei Rennen starten. Etwa ein Drittel der zu transportierenden Pferde können als nicht verladefromm beschrieben werden. Sie bekommen Angst, bis hin zu richtiger Panik, wenn es um das Verladen und/oder Transportieren geht. Aber auch für verladefromme Pferde, die anstandslos auf den Hänger gehen und sich zu einem ungewissen Ziel transportieren lassen, gilt, dass die Anforderungen und Belastungen der Hängerfahrt auch durch die Gewöhnung nicht ausnahmslos ausgeschaltet sind.

Gerade für Sportpferde, von denen Spitzenleistungen erwartet werden, ist es nach einem Transport nicht so leicht, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Eine pferdegerechte Vorbereitung ist für das Pferd sehr wichtig, um unnötigen Transportstress von vorneherein so gering wie möglich zu halten. Und natürlich sind die Fahrtdauer, der Komfort während des Transportes und nicht zuletzt die Fahrweise wichtige Punkte, die den Fahrstress positiv oder negativ beeinflussen.

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(Foto: Holger Schupp)

Pferden sieht man ihre Angst nicht unbedingt an und nicht jedes "Weiß" im Auge deutet gleich auf Angst hin!

Sinnesleistungen des Pferdes

Pferde sind ein evolutionärer Erfolg. Seit etwa 55 Millionen Jahren leben sie in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf der Erde. Dies ist ihren feinen Sinnesorganen geschuldet, die es dem sozial lebenden Beutetier Pferd erlauben, jede kleine Veränderung seiner Umwelt wahrzunehmen. Wenn wir uns für die Gründe interessieren, warum sich unser Pferd bisher nicht verladen lässt, können wir sein Weltbild, gebildet aus den Sinneseindrücken, die ihm seine hervorragenden Wahrnehmungsfähigkeiten ermöglichen, nicht außer Acht lassen.

DAS SEHVERMÖGEN

Die Augen des Pferdes gehören zu den größten des Tierreichs. Als ehemaliger Steppenbewohner hat das Pferd eine hervorragende Fernsicht und nimmt Gegenstände wahr, die bis zu 1 500 Metern entfernt sind und überblickt dabei ein weites Panorama, gleichzeitig aber ebenfalls den Bereich direkt vor ihm, wo es seine Hufe hinsetzt und Futter findet.

Das weite Gesichtsfeld des Pferdes ergibt sich durch die Größe und Positionierung seiner Augäpfel. Das jeweilige Sichtfeld eines Auges beträgt in der Regel etwa 180 Grad. Beide Sichtfelder überlappen bis höchstens 70 Grad zu dem binokularen Sichtfeld, das dem Pferd dreidimensionales Sehen erlaubt und damit auch die immens wichtige Möglichkeit gibt, Entfernungen exakt abschätzen zu können. Dies ist besonders wichtig, wenn es lernen soll, vertrauensvoll auf die Klappe oder Rampe des Anhängers zu steigen.

Der weitaus größere Sehbereich des Pferdes besteht aus den beiden monokularen Sichtfeldern, die ihm keine Tiefenschärfe erlauben und somit das Abschätzen der Tiefe von zum Beispiel einer Pfütze schwierig bis unmöglich machen.

Durch das Tapetum Lucidum, eine fibroelastische Schicht, die hinter der Retina das Augeninnere auskleidet, haben Pferde die Möglichkeit, auch bei Dunkelheit gut zu sehen. Das Tapetum Lucidum reflektiert Licht auf die Netzhaut, weshalb Pferde bei Dämmerung im Vergleich zum Menschen noch relativ gut sehen können. Der Nachteil dieser Eigenschaft ist, dass sie durch die erhöhte Lichtempfindlichkeit auch schneller geblendet sind und daher in kontrastreichen Hell- Dunkel-Situationen Schwierigkeiten haben, sich schnell zu adaptieren.

Pferde sind deshalb noch keine nachtaktiven Tiere, sind aber in der freien Wildbahn in der Morgen- und Abenddämmerung besonders rege.

DIE WAHRNEHMUNG VON SCHWINGUNGEN

Es wird allgemein angenommen, dass Pferde durch die Tasthaare am Maul und die Hufe Schwingungsenergie aufnehmen. Da sie über geeignete, schnell adaptierende Mechanorezeptoren verfügen, spüren sie Erdbeben und Erdbewegungen, die für uns Menschen nicht fühlbar sind.

Pferde können auch besser als wir Menschen zwischen Geräuschen unterschiedlicher Lautstärke unterscheiden.

Der menschliche Hörbereich liegt zwischen 20 Hz und circa 20 kHz. Pferde hören Geräusche zwischen 60 Hz und circa 33,5 kHz. Sie hören also auch sehr hohe Töne im Ultraschallbereich und reagieren auf Töne, die aus einer Entfernung von bis zu 4 400 Metern erklingen. Über die Ohren nehmen sie die niedrigen Frequenzen, die wir hören, nicht auf, diese nehmen sie aber unter Umständen in den Hufen wahr.

Am besten hört das Pferd im Bereich zwischen 2 und 5 kHz. In diesen Bereich fallen die meisten Lautäußerungen des Pferdes und des Menschen.

Auf ein unbekanntes Geräusch hin kann man beim Pferd eine je nach Interesse abgestufte Reaktion feststellen. Zuerst wendet es der Geräuschquelle ein Ohr zu, dann beide, danach dreht es den Kopf in die Richtung und schließlich den gesamten Körper. So sind die Ohren des Pferdes nicht nur unabhängig und in alle Richtungen flexible Geräuschwahrnehmer, sondern haben aufgrund ihrer Beweglichkeit über die lange Entwicklungsgeschichte auch vielfältige kommunikative Funktionen erhalten, die in ihrer Aussagekraft sowohl für Artgenossen als auch Menschen sehr aufschlussreich sein können.

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(Foto: www.fotolia.com/SybilleMohn)

Angenehme Berührungen – auch die von uns erzeugten – regen die Ausschüttung von Wohlfühlhormonen an.

RIECHEN, SCHMECKEN UND FÜHLEN

Da der Geruchssinn des Menschen vergleichsweise schwach ausgeprägt ist, neigen wir dazu, seine Bedeutung zu unterschätzen. Doch auch mit unserem recht begrenzten Geruchssinn können wir feststellen, wie „geschmacklos“ das Essen wird, wenn wir einen Schnupfen haben. Bei Pferden liegt über der hinteren Nasenhöhle das Siebbeinlabyrinth, ein vielfach gefalteter Bereich, der durch seine komplexe Struktur ein Vielfaches der Riechleistung erlaubt, die uns Menschen möglich ist. Aufgrund ihrer empfindlichen Nasen ist davon auszugehen, dass Pferde ungern in Anhänger einsteigen, die für sie eine olfaktorische Zumutung darstellen. Hierzu gehören mit Sicherheit Hänger, in denen Schweine oder Benzin transportiert werden und unter Umständen auch ganz neue Hänger, deren Plastik- oder Kunststoffteile noch ausdünsten.

Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass bestimmte Gerüche bei Pferden, genauso wie bei Menschen, die dazugehörigen Erinnerungen wachrufen können.

Obwohl die Haut kein Einzelorgan zur sinnlichen Erfahrung eines bestimmten Umweltmerkmals ist, ist sie ein höchst wichtiges sensorisches Gebilde. Das Pferd ist an verschiedenen Körperteilen unterschiedlich empfindlich, die Sensibilität hängt von der Dicke des Fells, der Haut und der Anzahl der Rezeptoren in der Haut ab. Spezielle Rezeptoren reagieren auf Hitze, Kälte, Berührung, Druck, Vibration und Schmerz. Die Tasthaare am Maul und die langen Haare um die Augen herum sind besonders empfindlich. Auch der Hals, Widerrist, die Schultern, der Kronrand und die Flanken sind mit besonders vielen reizempfindlichen Nerven ausgestattet.

Eine Stimulierung der Haut erlaubt nicht nur Information über die spezielle sensorische Modalität, sie kann auch einen Erregungszustand eines Individuums verändern. Sanftes Streicheln, besonders am Widerrist und am Mähnenkamm, verlangsamt den Herzschlag und sorgt dafür, dass körpereigene, beruhigende Substanzen ausgeschüttet werden. Ein Grund, warum befreundete Pferde gern gegenseitig Fellpflege betreiben und wichtig für uns, die wir dem Pferd das Einsteigen in den Hänger so angenehm wie möglich gestalten möchten.

Allgemein kann man festhalten, dass die Bedeutung, die Berührungen für die Kommunikation mit dem Pferd haben, nicht unterschätzt werden sollte, leider aber weitgehend wissenschaftlich unerforschtes Terrain ist.

So erlebt Ihr Pferd den Transport

Fast jedes Pferd wird im Laufe seines Lebens einmal transportiert. Es kann nicht genug betont werden, welche immense Vertrauensleistung es für uns erbringt, wenn es in den Hänger steigt. Dafür gibt es vielfältige Gründe: Für die meisten Pferde sind die Hänger, in denen sie transportiert werden sollen, gerade groß genug. Erst langsam, aber sicher wird dem Trend zu größeren Pferden mit dem Trend zu größeren Anhängern Folge geleistet. Aber viele Pferde stehen eng zwischen der vorderen und hinteren Stange gequetscht. Im Fall einer scharfen Bremsung durch das Zugfahrzeug, müssen sie blitzschnell reagieren, um einen Kopfstoß gegen die vordere Hängerwand zu verhindern, sofern sie ihm durch Verlagerung der Balance auf die Hinterbeine überhaupt ausweichen können.

Des Weiteren sind der optische Überblick und demzufolge die Kontrolle des Umfelds und der möglichen Reaktionen darauf in der Enge und Dunkelheit des Anhängers behindert. Das Pferd gibt seine Möglichkeit zur Kontrolle der Situation und jeglicher Fluchtmöglichkeit beim Einsteigen in den Hänger ab. Und das, obwohl es nicht weiß, wo die Reise hingehen wird und wie lange sie dauert. Nicht umsonst haben viele importierte Pferde ein Verladeproblem, weil sie den weiten Weg, den sie im Hänger zugebracht haben, oft schwerlich vergessen können und verständlicherweise kein Bedürfnis haben, wieder tagelang in ihm zuzubringen. Aber natürlich können auch diese Pferde wieder Vertrauen bekommen und lernen, dass nicht jede Fahrt zu einer solchen Geduldsprobe oder gar Strapaze ausarten muss.

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(Foto: Holger Schupp)

Der Idealfall: Das Verladen wird von Kindesbeinen an als Normalität etabliert.

Je nach Hängermodell kann die Fahrt mehr oder weniger laut und ungemütlich ausfallen. Hänger, die einen Planenaufsatz haben, sind durch den Fahrtwind und wenn sie an Ästen vorbeischeuern besonders laut und dies kann als sehr beängstigend empfunden werden. Ferner gibt es in puncto Bodenbeschaffenheit und Fahrwerk große Unterschiede, die von jedem Pferd wieder ganz unterschiedlich empfunden werden. Auch ein Artgenosse kann als beruhigend, neutral oder als zusätzlicher Stress empfunden werden. Und natürlich spielt die generelle Geräuschkulisse eine Rolle.

Man kann beschaulich über Land fahren oder im Gegensatz dazu in einem Autobahntunnel im Stau stehen, in dem LKW Luft ablassen, gehupt wird und die Abgasemissionen das Pferd und sein Wohlbefinden zusätzlich beeinflussen. Wählen Sie die ersten Fahrtrouten so, dass Staus, Tunnel und serpentinenartige Straßen umgangen werden. Je entspannter Ihr Pferd die Fahrt erlebt und assoziiert, desto lieber wird es beim nächsten Mal einsteigen.

Wie verhindert man, dass das Pferd freudig einsteigt?

Die Weichen für erfolgreiches Verladen werden unter Umständen schon sehr früh gelegt, wenn es mit der Mutterstute in der Fohlenrosse zum Hengst geht. Genauso verhält es sich für die verschiedenen Gründe, die Pferde davon abhalten, vertrauensvoll oder sogar gelassen in den Hänger zu steigen.

Wenn Pferde durch unsachgemäßes Handling oder unangenehme Erfahrungen generell wenig Vertrauen zum Menschen haben, sind sie schwieriger davon zu überzeugen, auf den Hänger zu gehen. Eine gute Kinderstube und eine sorgfältige, liebevoll-konsequente Erziehung erhalten das Urvertrauen des Pferdes und bilden damit eine gute Basis für weitere erfolgreiche Lernerfahrungen.

Manche Pferde werden als Jungtiere in Hänger hineingetrieben, zuweilen sogar mithilfe von Schmerzandrohung oder reeller Schmerzerfahrung, wodurch die Aktivierung von Stresshormonen im jugendlichen Pferdekörper ausgelöst wird. So können schon früh auf den Hänger bezogene Angst- oder sogar Panikreaktionen im neuronalen Netzwerk des Pferdegedächtnisses festgeschrieben werden.

Wenn der allererste Transport zur Klinik unter Umständen mit Schmerzerfahrungen bei der Hin- oder Rückfahrt durch zum Beispiel Kastration oder Kolik verknüpft ist, kann sich dies ebenfalls äußerst negativ auf die weitere Verladefähigkeit des Pferdes auswirken.

Auch habe ich es schon erlebt, dass ich Pferde mit viel Aufwand und Training wieder verladefromm trainiert habe, die Besitzer ihnen dann aber durch schnelles und gefühlloses Fahren die Lust aufs Einsteigen wieder genommen haben. Wenn man geradeaus auf der Autobahn unterwegs ist, werden viele Pferde sicher nicht empfindlich dafür sein, ob man 90 oder 100 km/h fährt, aber über holprige Strecken zu rasen oder in Kurven fast ins Schleudern zu geraten, wirkt auf Pferde, die sich nicht im Hänger abstützen können, sondern mit ihrem hohen Körperschwerpunkt auf den vier hohen Beinen hilflos herumschwanken, nicht vertrauensfördernd. Auch plötzliche oder heftige Bremsmanöver, bei denen das Pferd schnell reagieren muss, damit es nicht mit dem Kopf an die Hängerwand schlägt, sind wenig geeignet, Freude am Fahren zu vermitteln.

Es kann auch traumatisierend für ein Pferd sein, bei der ersten Fahrt von zu Hause weg, die Mutter und/oder Freunde und Artgenossen zu verlieren. Gerade in solchen Situationen werden (junge) Pferde oft sediert, irgendwie verladen und finden sich dann „benebelt“ auf dem Hänger wieder, in einer Situation, in der sie oft allein und nicht mehr Herr ihrer Sinne sind, und in der ihr Körper nicht wie gewohnt gehorcht oder reagiert.

Eine sehr typische Situation, wie Menschen ihr Pferd zunehmend verladescheu trainieren, ist, wenn der Mensch mit Nervosität und/oder Gereiztheit reagiert, sobald das Pferd nicht sofort willig einsteigt. Die von mir erstmalig in meinem Buch „Das Lernverhalten der Pferde“ beschriebene Stimmungsübertragung zwischen Mensch und Pferd kann dafür sorgen, dass das Pferd nervös und ängstlich wird und die Nervosität seines Besitzers als Zeichen dafür deutet, dass der Hänger kein guter Ort ist und es daher keine gute Idee ist, in ihn einzusteigen, darin zu bleiben und sich gar darin herumfahren zu lassen. Gut gemeinte Tipps und Tricks zum Verladen von herumstehenden Stallkollegen, Turnierteilnehmern oder sonstigen bemühten Personen setzen den Besitzer oftmals noch mehr unter Druck, was das Pferd mit gesteigerter Nervosität und dementsprechendem Unwillen quittiert. Der Aspekt der Stimmungsübertragung wird, auch wenn er mittlerweile allgemein als bekannt gilt, vielfach unterschätzt und in seiner enormen Wichtigkeit für das Pferd nicht ernst genug genommen. Bisher ist es so, dass den allermeisten Besitzern die wichtige mentale Voraussetzung fehlt, um trotz hohen Drucks von außen dem Pferd gegenüber ruhig, gelassen, fair und souverän zu bleiben.

So passiert es, dass Besitzer durch ihre eigene Nervosität, Angst, Hilflosigkeit und/oder Aggressivität und Frustration ein verladeunwilliges Pferd zu einem echten und ausgewachsenen Verladeproblempferd trainieren, auch wenn dies natürlich niemals ihre Absicht war oder ist. Pferde als assoziative Lerner haben keine Chance, Situationen im Nachhinein rational neu zu bewerten, so wie wir Menschen es können.

Wenn man es schafft, das Pferd mittels Gewalteinwirkung, also massivem Druck durch Besen, Gerten, Longen, aufgespießte Rundballen, Steine werfen, Hunde hetzen und so weiter in den Hänger zu bekommen, hat man mittels eines unangenehmen Reizes zwar sein Ziel erreicht, aber gleichzeitig eine kräftige Assoziation zwischen dem Hänger und großer Angst in Kombination mit Schmerzerfahrung im Pferdegehirn kreiert. Der Stress von außen als das geringere Übel in dieser Situation hat dafür gesorgt, dass das Pferd in den Hänger sprang. Der Druck wird aber nun unweigerlich mit der Verladeprozedur in Verbindung gebracht, egal, ob er aktuell noch ausgeübt wird oder nicht. Um also dem gefürchteten Druck zu entgehen, wird das Pferd aus pferdelogischer Sicht nur bis zu dem Punkt gehen, wo der Stress ausgelöst oder am stärksten ausgeübt wurde. Diese Reaktion aus der Erinnerung heraus lässt viele Menschen fest an die Sturheit ihres Pferdes glauben. Es wird nicht realisiert, dass sie selbst oder auch vorherige Besitzer dem Pferd diese starke, konditionierte Angst antrainiert haben. Wenn durch ein ein- oder mehrmaliges brutales oder mit Schmerzen verbundenes Verladen die Angst neurologisch tief im Pferdegehirn verankert ist, ist es ungleich schwerer, wenn auch machbar, diese konditionierte Angst zu überschreiben. Es ist leichter, eine diffuse Furcht vor Neuem oder mangelndes Vertrauen zum Menschen allgemein neurologisch zu überschreiben.

Aus dem Reich der Legenden: Die verbreitetsten Irrtümer

Manche Menschen greifen lieber zu Tipps und Tricks und jedem Strohhalm, um das Pferd wieder zum „Funktionieren“ zu bringen, anstatt ein Problem durchdacht und effizient lösen zu wollen. Dies ist auch ein Grund, warum sich Pferdeflüsterer großer Beliebtheit erfreuen, sie „reparieren“ Pferde für Besitzer, die weiterhin ihre Hände in den Schoss legen und lieber dabei zusehen, wie sich die Probleme erledigen. „Erzaubern“ Sie sich lieber selbst ein verladefrommes Pferd und schmunzeln Sie über die gut gemeinten, aber wenig zielführenden Ideen, die Ihnen zugetragen werden. Hier eine Auflistung der beliebtesten Tipps, die nicht wirklich funktionieren oder sogar richtig gefährlich sind.

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(Foto: Holger Schupp)

Wunsch und Wirklichkeit – Kein Pferd kann sich selbst trainieren, verladefromm zu werden. Selbst wenn es im Hänger frisst, bedeutet dies nicht, dass es verladefromm ist.

MAN STELLT DEN HÄNGER AUF DIE WEIDE UND FÜTTERT DARIN