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Über den Autor
Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS und SURVIVOR DOGS.
Impressum
Dieses Buch ist erhältlich als:
ISBN 978-3-407-74839-3 Print (Taschenbuch)
ISBN 978-3-407-81172-1 Print (Hardcover)
ISBN 978-3-407-74476-0 E-Book (EPUB)
© 2017 Gulliver
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Werderstraße 10, 69469 Weinheim
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2011 Working Partners Limited
Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel Warriors,
Super Special, Crookedstar’s Promise bei HarperCollins
Children’s Books, New York
Übersetzung: Klaus Weimann
Lektorat: Susanne Härtel
Umschlaggestaltung/Artwork: Johannes Wiebel, punchdesign, München
Wort-Bild-Marke Warrior Cats: Hauptmann & Kompanie, München
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
Weitere Informationen zu unseren Autoren und Titeln finden Sie unter: www.beltz.de
Besonderen Dank an Kate Cary
Staffel I
In die Wildnis (Bd. 1)
Feuer und Eis (Bd. 2)
Geheimnis des Waldes (Bd. 3)
Vor dem Sturm (Bd. 4)
Gefährliche Spuren (Bd. 5)
Stunde der Finsternis (Bd. 6)
Staffel II – Die neue Prophezeiung
Mitternacht (Bd. 1)
Mondschein (Bd. 2)
Morgenröte (Bd. 3)
Sternenglanz (Bd. 4)
Dämmerung (Bd. 5)
Sonnenuntergang (Bd. 6)
Staffel III – Die Macht der drei
Der geheime Blick (Bd. 1)
Fluss der Finsternis (Bd. 2)
Verbannt (Bd. 3)
Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)
Lange Schatten (Bd. 5)
Sonnenaufgang (Bd. 6)
Staffel IV – Zeichen der Sterne
Der vierte Schüler (Bd. 1)
Fernes Echo (Bd. 2)
Stimmen der Nacht (Bd. 3)
Spur des Mondes (Bd. 4)
Der verschollene Krieger (Bd. 5)
Die letzte Hoffnung (Bd. 6)
Staffel V – Der Ursprung der Clans
Der Sonnenpfad (Bd. 1)
Donnerschlag (Bd. 2)
Der erste Kampf (Bd. 3)
Der Leuchtende Stern (Bd. 4)
Der geteilte Wald (Bd. 5)
Der Sternenpfad (Bd. 6)
Special Adventure
Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans
Blausterns Prophezeiung
Streifensterns Bestimmung
Gelbzahns Geheimnis
Riesensterns Rache
Short Adventure
Wolkensterns Reise
Distelblatts Geschichte
Die Welt der Clans
Das Gesetz der Krieger
Alle Abenteuer auch als Printausgaben bei Beltz & Gelberg
www.warriorcats.de
DIE HIERARCHIE DER KATZEN
FLUSSCLAN  
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Anführer
JUBELSTERN – grauer Kater mit dichtem Fell
Zweiter
Anführer
MUSCHELHERZ – grau gefleckter Kater
Heiler
BROMBEERBLÜTE – hübsche, weiße Kätzin mit schwarzen Tupfen und blauen Augen
Krieger
(Kater und Kätzinnen ohne Junge)
 
WELLENKRALLE – schwarz-silbern gestreifter Kater
 
BAUMPELZ – brauner Kater; Mentor von Weisspfote
 
SCHMUTZFELL – langhaariger, hellbrauner Kater
 
EULENPELZ – braun-weißer Kater
 
OTTERSPRUNG – weiß-goldene Kätzin
 
ZEDERNPELZ – braun gestreifter Kater, stämmig und mit kurzem Schwanz
 
LILIENHALM – hellgraue Kätzin
 
GLANZHIMMEL – gelenkige, weiß-rotbraune Kätzin
 
HECHTZAHN – magerer, braun gestreifter Kater mit vorstehenden Reißzähnen
 
SEEGLANZ – hübsche, grau-weiße Kätzin mit langen Haaren
 
SCHIMMERPELZ – nachtschwarze Kätzin mit glänzendem Fell
 
REHSCHWEIF – hellbraune Kätzin mit blauen Augen; Mentorin von Weichpfote
Schüler
(über sechs Monde alt, in der Ausbildung zum Krieger)
 
WEICHPFOTE – kleine, geschmeidige Kätzin mit getupftem Fell
 
WEISSPFOTE – reinweißer Kater mit gestreiftem Schwanz
Königinnen
Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen)
 
ECHODUNST – graue Kätzin mit weißen Fellspitzen; Mutter von Feldjunges, Käferjunges und Blütenjunges
 
REGENBLÜTE – hellgraue Kätzin; Mutter von Sturmjunges
Älteste
ehemalige Krieger und Königinnen, jetzt im Ruhestand)
 
FORELLENKRALLE – grau gestreifter Kater
 
STRUBBELBART – langhaariger, gestreifter Kater mit dichtem, struppigem Fell
 
VOGELSANG – grau-weiß gestreifte Kätzin mit braunroten Flecken um die Schnauze
DONNERCLAN  
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Anführer
KIEFERNSTERN – rotbrauner Kater mit grünen Augen
Zweiter
Anführer
ABENDSONNE – leuchtend feuerfarbener Kater mit gelben Augen
Heiler
GÄNSEFEDER – gefleckter, grauer Kater mit hellblauen Augen; Mentor von FEDERBART
Krieger
STURMSCHWEIF – blaugrauer Kater mit blauen Augen
 
VIPERNZAHN – braun gefleckter und gestreifter Kater
 
BERNSTEINFLECK – hellgrau gescheckter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
KLEINOHR – grauer Kater mit sehr kleinen Ohren und bernsteinfarbenen Augen
 
DROSSELPELZ – sandgrauer Kater mit weißem Brustfleck und hellgrünen Augen
 
WINDFLUG – grau gestreifter Kater mit hellgrünen Augen
 
FLECKENSCHWEIF – hell gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen
 
FRISCHBRISE – weiße, gefleckte Kätzin mit gelben Augen
 
MONDBLÜTE – silbergraue Kätzin mit dunklen Streifen an den Flanken
 
MOHNRÖTE – langhaarige, dunkelrote Kätzin mit buschigem Schwanz
Schüler
FEDERBART – silberner Kater mit bernsteinfarbenen Augen und langen Schnurrhaaren
 
Blaupfote – blaugraue Kätzin mit einer Spur Silber um die Schnauze
 
Schneepfote – weiße Kätzin mit blauen Augen
 
Rosenpfote – hellbraune Kätzin
 
Heckenpfote – weiße Kätzin mit schildpattfarbenen Flecken
 
Stachelpfote – grau-weißer Kater
Ältester
NUSCHELFUSS – brauner Kater mit bernsteinfarbenen Augen
SCHATTENCLAN  
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Anführer
ZEDERNSTERN – dunkelgrauer Kater mit weißem Bauch
Zweiter
Anführer
STEINZAHN – grau gestreifter Kater mit langen Zähnen
Heilerin
SALBEIBART – weiße Kätzin mit langen Schnurrhaaren
Krieger
FETZENPELZ – großer, dunkelbraun gestreifter Kater
 
FUCHSHERZ – hellorange Kätzin
 
KRÄHENSCHWEIF – schwarz gestreifte Kätzin
 
ERZAUGE – grau gescheckter Kater mit schwarzen Streifen und dickem Streifen über einem Auge
 
HOLUNDERBLÜTE – dunkelgrau-weiße Kätzin
WINDCLAN  
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Anführerin
HEIDESTERN – hellgraue Kätzin mit rosa schimmerndem Fell und blauen Augen
Zweiter
Anführer
SCHILFFEDER – hellbraun gestreifter Kater
Heiler
HABICHTHERZ – gefleckter, dunkelbrauner Kater mit gelben Augen
Krieger
MORGENSTREIF – hellgoldene Kätzin mit cremefarbenen Streifen
 
Riesenschweif – schwarz-weißer Kater mit langem Schwanz
Ältester
WEISSBEERE – kleiner, reinweißer Kater
KATZEN AUSSERHALB DER CLANS
FLECK – dicker, orangefarbener Kater; lebt auf einem Hof jenseits des WindClan-Territoriums
MIZZI – schwarze Kätzin mit grünen Augen; Mutter von Ruß, Nebel, Pfiff und Elster
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PROLOG
Wind schüttelte die Zweige der Weiden und riss das Schilf aus der Erde.
»Jubelstern!«
Dicke Sturmwolken jagten über den nachtdunklen Himmel. Regen prasselte auf die dicht gewebten Baue, in denen die FlussClan-Krieger geschlafen hatten.
»Jubelstern!«
Der FlussClan-Anführer legte die Ohren flach an, als er den entsetzten Schrei seiner Gefährtin hörte. Er grub die Krallen in den Schlamm und stemmte sich gegen den Strom. Der Fluss hatte die Uferböschung durchbrochen und strömte ins Lager. Der Anführer drehte den Kopf und suchte die Schatten ab.
»Jubelstern!«, kreischte Echodunst erneut. Ihr Schrei wurde gedämpft von dem Jungen, das sie im Maul trug. Ein weiteres klammerte sich an ihren Rücken. Sie blickte verzweifelt einem Nest aus Zweigen nach, das auf dem Flutwasser wirbelnd davonglitt. Ein kleines Junges versuchte, sich daran festzuhalten, doch die ineinander verflochtenen Zweige fielen zusammen wie lose Blätter.
Jubelstern stürzte hinter dem Nest her und packte das Junge gerade noch, bevor es im Wasser verschwand. Er warf seinen Sohn eiligst Baumpelz zu, der hinter einem anderen Nest herjagte. »Bring Feldjunges zum Bau der Ältesten!« Der braune Kater übernahm das triefende Fellbündel und sprang in großen Sätzen zum höheren Teil des Lagers, wo das steigende Wasser den Bau der Ältesten noch nicht erreicht hatte.
»Folge ihm!«, befahl Jubelstern Echodunst. Sie nickte mit vor Angst geweiteten Augen, ihr langes, durchnässtes Fell klebte ihr am Körper.
Jubelstern suchte mit den Augen das Lager ab. Glänzende Pelze schossen wie verängstigte Fische durch die Dunkelheit. Eine geschmeidige, weiß-rotbraune Kätzin klammerte sich an die Überreste des Kriegerbaus und versuchte, die auseinanderfallenden Wände mit den Krallen zusammenzuhalten. Ein stämmiger, gestreifter Kater mühte sich, die schäumende Rinne abzusperren, wo mehrere Nester hinaus in den Fluss glitten.
Der Himmel wurde von dem blendenden Weiß eines Blitzes erhellt. Donner krachte und der Wind frischte auf. Erneut flutete ein Wasserschwall durch das Lager.
»Muschelherz!«, rief Jubelstern seinem Stellvertreter zu. »Was meinst du?«
Ein dunkel gefleckter Kater blickte von einem Birkenstumpf zwischen dem Schilf flussaufwärts und rief zurück: »Das Wasser steigt schnell, Jubelstern! Der Bau der Ältesten wird nicht mehr lange sicher sein.«
Jubelstern peitschte mit dem Schwanz. »Wir müssen das Lager verlassen!«
»Nein!« Die weiß-rotbraune Kätzin ließ ihren Bau los und wandte sich zu dem Anführer des FlussClans.
»Wir müssen es, Glanzhimmel!«, drängte Jubelstern.
»Aber wir können doch nicht alles aufgeben, was unsere Vorfahren für uns gebaut haben!«
»Wir können es wiederaufbauen!«, fuhr Jubelstern sie an.
»Es wird nicht dasselbe sein!« Glanzhimmel machte einen Satz in die Fluten und schlug ihre Krallen in ein dahintreibendes Nest.
Muschelherz sprang von dem Baumstumpf herab und watete auf seine Clan-Gefährtin zu. »Zusammen können wir alles wiederaufbauen«, beharrte er. »Aber wenn Katzen ertrinken, weil sie versucht haben, irgendwelche Zweige zu retten, hilft uns das auch nicht.«
Widerstrebend ließ Glanzhimmel das Nest los und sah zu, wie es wirbelnd in das Schilf schoss, dann sprang sie hinauf zum höher gelegenen Teil des Lagers.
Schwarzes, blubberndes Wasser wogte um den Rand des Ältestenbaus herum und die miteinander verflochtenen Weidenzweige schwankten in der Flut. Jubelstern raste den Hang hinauf und rüttelte mit den Pfoten an dem Bau. »Kommt raus!«
Echodunst glitt durch den Eingang, die drei Jungen folgten ihr wie halb ertrunkene Mäuse. Sie blickte ihren Gefährten ängstlich an. »Wohin sollen wir denn gehen?«
»In höheres Gelände.« Jubelstern deutete mit einem Schwanzschnippen den Hügel hinauf, wo die Uferböschung eine Reihe von Bäumen und Büschen erreichte.
Ein Ältester mit verfilztem Fell drängte sich aus dem Bau. »Ich habe noch nie ein solches Unwetter erlebt.«
Eine grau-weiß gestreifte Kätzin trat hinter ihm heraus. »Wo sollen wir hin?«, krächzte sie.
Der Kater strich ihr mit dem Schwanz über den Rücken. »Weiter hinauf ins Land, Vogelsang, wo wir sicher sind.«
Vogelsang riss die Augen auf. »Weg vom Fluss?«
»Nur für kurze Zeit«, versprach Jubelstern. »Kommt, alle!«
»Wartet!« Muschelherz blieb auf halber Höhe stehen und blickte über die Schulter zurück. »Wo ist Regenblüte?«
»Hier bin ich!« Eine hellgraue Königin bahnte sich vorsichtig einen Weg durch das strudelnde Wasser. Sie erwartete Junge und ihr Bauch war bereits stark angeschwollen.
»Geht’s dir gut?«, fragte er und beschnupperte sie.
»Es wird mir gut gehen, sobald ich trockene Pfoten habe«, stöhnte sie atemlos. Regen strömte in Rinnsalen von ihrem Fell.
Eine kleine, weiße Kätzin glitt um die Königin herum, ihre Augen funkelten. »Sie hat Wehen.«
Muschelherz kniff die Augen zusammen. »Kommen die Jungen, Brombeerblüte?«
»Ich weiß es noch nicht«, miaute die Heilerin.
Regenblüte blickte den Zweiten Anführer des FlussClans an. »Geh und hilf Jubelstern. Ich schaffe das schon.«
Muschelherz blinzelte ihr zu, dann wandte er sich ab. »Wellenkralle?«
»Hier!« Ein schwarz-silbern gestreifter Kater bog die Schilfhalme neben dem Bau der Ältesten auseinander, durch den seine Clan-Kameraden strömten, um sich einen Weg zu höherem Gelände zu suchen.
»Achte darauf, dass alle Katzen sofort hinauf zu den Bäumen gehen.«
Wellenkralle nickte dem Zweiten Anführer zu und schob einen grauhaarigen Ältesten weiter, der sich weigerte, das Schilf zu verlassen.
»Ich kann nicht ohne Abendwasser gehen!« Der Älteste grub die Krallen in die nasse Erde. »Sie ist los, um sich zu erleichtern, bevor das Lager überschwemmt wurde, und ist noch nicht zurückgekommen.«
»Wir werden sie schon finden!«, rief ihm Wellenkralle durch den Wind zu. Er warf einen Blick auf seinen Anführer, der auf dem Hang angehalten hatte und mit weit aufgerissenen Augen auf sein verwüstetes Lager starrte. »Kannst du sie sehen?«
Jubelstern schüttelte den Kopf. »Ich werde mich vergewissern, dass die Wohnhöhlen leer sind!« Damit sprang er zurück zur Kinderstube, streckte den Kopf durch den Eingang und schnüffelte.
Der Bau war verlassen. Als Nächstes kontrollierte er den Schülerbau und dann die Überreste der Kriegerschlafplätze. Es roch nur nach aufgeweichtem Schilf. Er sah sich im Lager um und musste sich anstrengen, um sein Gleichgewicht zu halten, so stark zerrte das Wasser an ihm. Dann überquerte er halb laufend, halb schwimmend die Lichtung und folgte seinem Clan.
»Sind alle hier?«, fragte er, als er seine Clan-Gefährten eingeholt hatte.
Wellenkralle schaute sorgenvoll drein. »Immer noch keine Spur von Abendwasser.«
Glanzhimmel trat vor. »Ich laufe zurück und suche sie.«
Jubelstern nickte. »Die Übrigen von euch gehen weiter zu den Bäumen.«
Während Glanzhimmel den Hang hinabsprang, stöhnte Regenblüte plötzlich auf.
Wellenherz erstarrte. »Regenblüte?«
Die Königin kauerte sich hin, das Gesicht schmerzverzerrt.
Brombeerblüte hockte sich neben sie und hob dann den Kopf. »Die Jungen kommen«, verkündete sie.
»Gleich jetzt?«, fragte Muschelherz.
»Sie werden nicht warten, bis das Unwetter vorbei ist«, erwiderte Brombeerblüte. »Wir müssen sie an einen sicheren Ort bringen.«
»Hinein in die Bäume«, schlug Muschelherz vor. »Das Wasser steigt auf keinen Fall so weit hinauf.«
»Das dauert zu lange.« Brombeerblüte blickte hoch zu einem ausladenden Ast einer alten Eiche, der tief über ihnen hing. »Kannst du sie da hinaufschaffen?«
Muschelherz blinzelte. »Wenn es sein muss, dann kann ich das.« Er packte Regenblütes Nackenfell und zerrte sie zu dem dicken Stamm, wobei er sie halb führte, halb zog. »Hinauf mit dir!«
Regenblüte schaute nach oben und stöhnte erneut. Sie öffnete das Maul, als wollte sie protestieren, dann zogen sich ihre Flanken zusammen und erneut durchfuhr sie ein Krampf. Sie sah klein und jämmerlich aus mit ihrem triefnassen Fell.
»Komm schon!«, miaute Brombeerblüte energisch. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Regenblüte grub die Krallen in die Rinde, Muschelherz schob sie von hinten. Keuchend zog sich die Königin hoch, bis sie eine Kuhle im Stamm erreichte, wo der tief hängende Ast heraustrat.
Brombeerblüte huschte geschmeidig wie ein Eichhörnchen den Stamm hinauf und glitt an Muschelherz vorbei. Sie schaute sich die Vertiefung an, wo Ast und Stamm sich trafen, und nickte. »Das wird reichen.« Dann wandte sie sich an Muschelherz. »Kannst du mir Kräuter aus meinem Bau holen?«
Muschelherz nickte. »Ich werd’s versuchen.«
»Sei vorsichtig!«, keuchte Regenblüte, aber Muschelherz war bereits von dem Ast auf den glitschigen Boden darunter gesprungen und raste zurück zum überfluteten Lager.
Brombeerblüte entfernte feuchte Blätter zwischen Ast und Stamm. »Schau, da ist genügend Raum, wo du dich hinlegen kannst.« Sie schob Regenblüte in die Vertiefung und kauerte sich auf die tropfende Rinde neben sie.
»Passiert ihm auch nichts?«, flüsterte Regenblüte. Sie starrte in die Dunkelheit, wo Muschelherz verschwunden war.
»Er kann schon auf sich aufpassen«, beruhigte sie Brombeerblüte. Ihr Fell, nass bis auf die Haut, war in Büscheln zusammengeklebt. Sie war erst drei Monde die Heilerin des FlussClans, seit sich ihr Mentor Milchpelz dem SternenClan angeschlossen hatte. Dies war das erste Mal, dass sie allein mit einem Notfall zu tun hatte.
Regenblüte schauderte, als eine erneute Schmerzenswelle ihren Bauch erfasste. Brombeerblüte holte tief Luft, verdrängte das Heulen des Windes und das Grollen des Donners. Sie legte die Vorderpfoten sanft auf Regenblütes Flanke, als ein weiterer Krampf die Königin packte.
Brombeerblüte blickte suchend über das Schilfmeer weit unter ihr. Kein Anzeichen von Muschelherz. »Hier.« Sie brach einen Zweig mit den Zähnen ab und legte ihn neben Regenblütes Wange. »Beiß fest darauf, wenn die Schmerzen kommen.«
»Ist das alles, was du hast?«, miaute Regenblüte.
»Es ist alles, was du brauchst«, erwiderte Brombeerblüte. »Seit den alten Clans haben Königinnen Junge bekommen. Es ist das Natürlichste von der Welt.«
Regenblüte stöhnte und biss auf den Stock. Ihr Körper bebte und ihre Krallen zerrissen die Rinde. Muschelherz kam auf den Ast geklettert. »Tut mir leid«, keuchte er. Sein Fell war klatschnass. »Ich musste zu deinem Bau schwimmen. Es ist mir auch gelungen, hineinzukommen, aber alle deine Kräuter sind weggeschwemmt worden.«
Brombeerblüte schloss die Augen, als sie daran dachte, wie viele Monde es sie gekostet hatte, den Vorrat anzulegen. Bevor sie antworten konnte, miaute Regenblüte laut auf, und der Stock knirschte zwischen ihren Zähnen.
Das erste Junge kam.
Brombeerblüte beugte sich rechtzeitig hinab und sah ein Junges auf die raue Rinde herausgleiten. Sie leckte es und reichte das winzige, strampelnde Bündel weiter an seinen Vater. »Lass es nicht fallen«, ermahnte sie ihn.
»Alles in Ordnung?«, rief Glanzhimmel vom Fuß des Baums herauf. Wasser schwappte um ihre Pfoten, die Flut hatte den Baum erreicht.
»Ein Junges ist geboren und noch eines ist unterwegs«, erklärte Brombeerblüte.
Muschelherz blickte hinab und hielt mit einer Vorderpfote das sich windende Junge. »Habt ihr Abendwasser gefunden?«
»Keine Spur von ihr«, antwortete Glanzhimmel niedergeschlagen.
Muschelherz peitschte mit dem Schwanz. »Geh zu den anderen. Wir sind hier sicher. Und kommt zu uns zurück, wenn sich das Wasser verzogen hat.«
Der Stock, auf den Regenblüte gebissen hatte, zersplitterte, als das zweite Junge herausglitt. Brombeerblüte fing es mit den Zähnen auf und legte es Regenblüte an den Bauch.
Sofort fasste Regenblüte es mit den Pfoten, leckte es, bis sein Fell strubbelig war und es maunzte. »Es ist ein Kater«, schnurrte sie.
»Dieses auch.« Sanft legte Muschelherz das winzige Junge neben seinen Bruder. Ihm versagte die Stimme. »Sie sind wunderbar«, flüsterte er.
Regenblüte schnurrte, als Muschelherz seine Wange gegen die ihre rieb. »Ich nenne dieses Eichenjunges nach der Eiche, die uns vor der Flut geschützt hat«, schnurrte sie, »und dieses hier Sturmjunges nach dem Sturm, der uns hierhergetrieben hat.«
»Jungen, die in einem solchen Unwetter geboren werden, ist es bestimmt, große Krieger zu werden«, murmelte Muschelherz. Voller Stolz blickte er seine Königin an. »Wie schade, dass nicht beide Anführer des FlussClans werden können.«
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1. KAPITEL
Sturmjunges rutschte langsam weiter hinauf auf dem glatten Ast. Feldjunges’ Herausforderung klang in seinen Ohren nach. Ich wette, du fällst runter, bevor du ganz oben bist!
Er fuhr die Krallen aus und grub sie in die gefrorene Rinde. Von hier oben konnte er weit flussabwärts bis zur Biegung des Flusses sehen. Dahinter erkannte er gerade noch die ersten Trittsteine. Und auf dem anderen Ufer die Sonnenfelsen! Ihre steilen Flanken warfen Schatten auf das Wasser und der glatte, bereifte Steingipfel funkelte. Sturmjunges plusterte sein Fell auf. Er war weiter gekommen als jedes andere Junge im Clan! Sie hatten nie über den Schilfrand hinausgeschaut.
»Sei vorsichtig!«, rief Eichenjunges von der Lagerlichtung.
»Sei still, Eichenjunges! Ich bin ein Krieger!« Sturmjunges blickte hinab, vorbei an den dicken, mausbraunen Rohrkolben in den dichten Schilfwald, der hinaus in den eisigen Fluss ragte. Zwischen den Stängeln flitzten mit blitzenden Schuppen Elritzen umher.
Konnte er mit einer Pfote das dünne Eis brechen und sie herausfischen? Er presste seinen hellbraunen Bauch auf die Rinde, schlang die Hinterbeine um den dünnen Ast und streckte die Vorderpfoten zu den winzigen Fischen hinab. Zitternd vor Enttäuschung spürte er, wie seine Krallen kaum die Spitzen der Schilfkolben berührten. Ich bin in einem Unwetter geboren! Eines Tages werde ich Clan-Anführer sein! Sturmjunges streckte sich weiter und bebte vor Anstrengung.
»Was machst du denn da?«, schrie Eichenjunges.
»Lass ihn doch!« Sturmjunges hörte, wie Regenblüte Eichenjunges zum Schweigen brachte, wobei ein Schnurren in ihrer Kehle aufstieg. »Dein Bruder hat schon den Mut eines Kriegers.«
Sturmjunges klammerte sich fester an den Ast. Ich werde es schaffen. Ich bin stärker als der SternenClan.
»Pass auf!«, quiekte Eichenjunges.
Ein Windstoß zerrte an Sturmjunges’ Fell, schwarz-weiße Federn schlugen gegen seine Ohren.
Eine Elster!
Klauen fuhren über seinen Rücken.
Froschdreck und Fischdarm! Sturmjunges’ Krallen wurden aus der Rinde gezerrt. Er stürzte in das Schilf und krachte durch das dünne Eis. Das eiskalte Wasser nahm ihm den Atem. Die Elritzen schossen davon, als er im Wasser um sich schlug.
Wo ist das Ufer? Flusswasser schwappte ihm ins Maul. Es schmeckte nach Stein und Wasserpflanzen. Er spuckte und versuchte zu schwimmen, aber die steifen Schilfhalme behinderten ihn. SternenClan, hilf mir! Panische Angst überkam ihn, während er sich abmühte, die Schnauze über Wasser zu halten.
Plötzlich teilten sich die Stängel neben ihm und Strubbelbart schoss hindurch.
»Ich schaff das schon!« Wieder strömte Sturmjunges Wasser ins Maul und hustend sank er unter das Eis.
Zähne packten sein Nackenfell.
»Typisch für Junge!«
Sturmjunges hörte Strubbelbarts gedämpftes Knurren, als der Älteste ihn herauszog.
Vor Kälte zitternd, drückte Sturmjunges die Pfoten gegen den Bauch, winselte vor Verlegenheit, als Strubbelbart sich durch das Schilf schob und ihn auf der Uferböschung neben seine Mutter legte.
»Ein hübscher Sprung!«, neckte ihn Feldjunges.
»Wie ein Eisvogel«, fügte Käferjunges hinzu. »Vielleicht sollte Jubelstern deinen Namen in Vogelhirn ändern.«
Sturmjunges knurrte die beiden Jungen an, die sich um ihn drängten. Sie waren schon einen Mond älter als er und ragten bedrohlich wie Krähen über ihm auf.
Echodunst lief mit aufgeplustertem Fell besorgt hinter ihnen auf und ab. »Ärgert ihn nicht, ihr beiden.«
Blütenjunges schob sich an ihren Brüdern vorbei. »Ich habe ihn nicht geärgert!« Die hübsche, schildpattfarbene Kätzin hielt die Nase in die Luft. »Ich finde, es war mutig von ihm, dass er es versucht hat!«
Schnurrend leckte Regenblüte Sturmjunges’ Ohren. »Halt nächstes Mal den Ast fester.«
Sturmjunges wand sich unter ihrer Liebkosung. »Keine Sorge, das mach ich schon.«
Während Strubbelbart das Wasser aus seinem langen Fell schüttelte, eilte Vogelsang den Abhang vom Ältestenbau herab. »Du wirst dich erkälten!«, schimpfte sie.
Strubbelbart blinzelte seine grau-weiß gestreifte Gefährtin an. »Hätte ich ihn ertrinken lassen sollen?«
»Einer von den Kriegern hätte ihn schon gerettet«, erwiderte Vogelsang.
Strubbelbart zuckte mit den Schultern. »Die sind beschäftigt.«
Regenblüte schnurrte. »Ich glaube, Sturmjunges hätte auch allein herausgefunden. Er ist ein kräftiger, kleiner Kater, nicht wahr?«
Sturmjunges spürte, wie sein Fell unter dem warmen Lob seiner Mutter glühte. Er blinzelte und sah sich auf der Lichtung um. Dies also war das Zuhause des FlussClans, des großartigsten Clans von allen. Er hatte es vor der Flut noch nicht gesehen. Daher war er mehr vertraut mit dem glatten, braunen Schlamm, der den Boden und das überall herumliegende umgeknickte Schilf bedeckte, als mit den dicht geflochtenen Wänden und dem offenen Gelände. Baumpelz und Zedernpelz trugen Bündel von frisch gepflückten, trockenen Schilfhalmen über die Lichtung zu Weichpfote und Weißpfote, die sie in den beschädigten Schülerbau einflochten. Weiter entfernt am Flussufer sammelten Muschelherz und Ottersprung noch mehr Stängel. Rehschweif half Brombeerblüte, den letzten schlammigen Unrat aus dem Heilerbau zu entsorgen. Eulenpelz und Seeglanz zogen Gestrüpp und Rindenstücke, die zwischen das Schilf geschwemmt worden waren, auf die Lichtung.
Ein ganzer Mond war vergangen seit der stürmischen Nacht, in der Sturmjunges und Eichenjunges geboren worden waren, aber das Lager zeigte immer noch Spuren der Überschwemmung. Glücklicherweise hatte der Bau der Ältesten standgehalten und brauchte nur hier und da ein wenig ausgebessert zu werden. Und die Kinderstube, eine festgefügte Kugel aus Weidenzweigen und Schilf, hatte man flussabwärts eingeklemmt zwischen zwei Trittsteinen gefunden. Es war einfach gewesen, sie ins Lager zurückzuziehen und zwischen den dichten Riedgrasbüschen zu befestigen. Mit ein paar Flicken war der Bau wiederhergestellt, wenn er auch innen noch feucht vom Wasser war. Regenblüte stopfte vor dem Schlafengehen immer frisches Moos in ihr Nest, trotzdem war Sturmjunges’ Fell jeden Morgen klamm.
Der Rest des Lagers war schwerer zu reparieren. Es hatte einen halben Mond gebraucht, um den umgestürzten Baum zum Rand der Lichtung zu rollen, wo der alte Kriegerbau gestanden hatte. Erst nachdem sie die angebrochenen Äste und die beschädigte Rinde entfernt hatten, konnten sie neue Baue an den dicken Stamm flechten. Bis dahin schliefen die FlussClan-Krieger dort, wo immer sie etwas Schutz finden konnten, bauten sich ihre Nester in den Riedgrasmauern, die das Lager umgaben, oder in den Winkeln und Spalten des umgestürzten Baums. Keine Katze konnte sich erinnern, wie es war, sich warm zu fühlen. Die Blattfrische mochte sich in frühen Knospen und Vogelzwitschern zeigen, aber der Frost der Blattleere hielt die Uferböschungen des Flusses jede Nacht fest im Griff.
Auch Jubelstern hatte trotz der Kälte im Freien geschlafen. Er bestand darauf, dass sein Bau als letzter wiedererrichtet wurde. »Wenn mein Clan in Sicherheit ist, dann werde ich tief schlafen, aber nicht vorher«, hatte er gelobt.
Eichenjunges wand sich um Sturmjunges herum und sog das Wasser aus dem grau gestreiften Fell seines Bruders in seinen eigenen farnfarbenen Pelz. »Ich habe dir doch gesagt, sei vorsichtig.«
»Ich wäre nicht gefallen, wenn sich diese Elster nicht auf mich gestürzt hätte«, knurrte Sturmjunges mit klappernden Zähnen. Die Kälte schien nun bis zu seinen Knochen durchgedrungen zu sein.
»Du wärst nicht runtergefallen, wenn du auf der Lichtung geblieben wärst.« Ein tiefes Miauen ertönte hinter ihnen.
Sturmjunges wirbelte herum.
Jubelstern starrte auf ihn hinab, sein dichtes, graues Fell war aufgeplustert, um der Kälte zu trotzen. Belustigt leuchteten die gelben Augen des FlussClan-Anführers. »Muschelherz!« Er rief seinen Stellvertreter, ohne die Augen von Sturmjunges zu nehmen.
Muschelherz kam aus den Binsen geglitten. Sein nasses Fell klebte an seinem kräftigen Körper. »Alles in Ordnung?«, fragte er Sturmjunges.
»Dein Junges wird ein mutiger Krieger werden«, miaute Jubelstern. »Sofern er nicht ertrinkt, bevor er sein Training aufgenommen hat.«
Muschelherz zuckte mit dem Schwanz, als Jubelstern fortfuhr: »Wir sollten eine Patrouille losschicken und diese Elster fangen. Sie glaubt langsam, das Territorium des FlussClans gehöre ihr.«
Muschelherz neigte den Kopf. »Sollen wir sie vertreiben oder fangen?«
Jubelstern rümpfte die Nase. »Wir fangen sie lieber«, knurrte er ohne Begeisterung. Wenige Katzen im FlussClan mochten Vögel auf dem Frischbeutehaufen. »Wir müssen alles essen, was wir finden können.« Die Flut hatte so viele Fische getötet, sie gegen die Felsen geschleudert oder sie an Land stranden lassen, dass Beute aus dem Fluss rar geworden war.
»Ich stelle eine Patrouille zusammen«, miaute der Zweite Anführer Muschelherz.
»Warte, bis Wellenkralles Patrouille zurück ist«, befahl Jubelstern. Mit so viel Arbeit, die im Lager noch zu verrichten war, schickte Jubelstern selten mehr als eine Patrouille zur gleichen Zeit aus dem Lager.
»Ich hoffe, sie haben dieses Mal etwas Essbares gefangen«, murmelte Strubbelbart.
»Ganz sicher«, miaute Vogelsang. »Die Flut liegt einen Mond zurück. Inzwischen müsste es doch wieder Fische geben.«
Echodunst wandte sich ihnen zu. »Wenn wir nur die angeschwemmten Fische vergraben und so aufbewahrt hätten, wie es der DonnerClan mit seiner Beute in der Blattleere macht.«
Jubelstern schüttelte den Kopf. »Fisch hält sich nicht wie Waldbeute. Unsere Krieger werden die Kraft des SternenClans benötigen, um den von der Flut angerichteten Schaden zu reparieren und gleichzeitig den Frischbeutehaufen immer aufzustocken.«
Sturmjunges streckte den Schwanz aus. »Dann lass uns doch beim Wiederaufbau helfen.«
Feldjunges eilte voraus, sein graues Fell war vor Aufregung gesträubt. »Oh ja, bitte!«
»Wir werden auch wirklich nützlich sein!« Blütenjunges plusterte ihr schildpattfarbenes Fell auf.
Echodunst legte den Schwanz um ihre Jungen und zog sie weg. »Seid doch nicht froschhirnig. Ihr geratet nur allen anderen zwischen die Pfoten.«
Sturmjunges zupfte am Boden. »Nein, tun wir nicht!«
Jubelstern zuckte mit den Schnurrhaaren. »Ich werde ein solch aufrichtiges Hilfsangebot nicht ablehnen, Echodunst. Solange sie im Lager bleiben, sehe ich kein Problem. Wir werden also eine Jungenpatrouille haben!«
Sturmjunges reckte die Brust, als er sich Schulter an Schulter mit Eichenjunges, Käferjunges, Feldjunges und Blütenjunges aufstellte. »Prima! Was sollen wir tun?«
Jubelstern dachte einen Augenblick lang nach. »Wenn ihr das Schilf, das Ottersprung sammelt, zu Weichpfote und Weißpfote bringt, dann sind Baumpelz und Zedernpelz frei und können sich der Jagdpatrouille von Muschelherz anschließen.«
»Kommt mit!« Sturmjunges preschte zum Ufer, wo Ottersprung Schilfhalme an Land zog.
»Vorsichtig!« Zedernpelz bildete mit den Pfoten gerade einen neuen Haufen, als Sturmjunges direkt neben ihm anhielt. »Stoß sie nicht wieder in den Fluss!«
»Natürlich nicht!« Sturmjunges grub die Zähne in einen Stängel und zog ihn über die Lichtung zu dem halb fertigen Bau der Schüler.
»Sieh mal einer an.« Weißpfote unterbrach das Verflechten der Halme auf dem Dach und blickte hinab. »Wir haben neue Freiwillige.«
»Ist das ein ganzer Schilfhalm?« Weichpfote blickte aus dem aus Weidenzweigen geflochtenen Rahmen heraus und ihr gestreifter Schwanz zitterte. »Mit solcher Hilfe werden wir im Pfotenumdrehen fertig.«
»Ich kann noch mehr tragen«, prahlte Sturmjunges mit geschwollener Brust. Er ließ den Stängel fallen, wandte sich um und prallte dabei beinahe mit Käferjunges zusammen.
»Pass doch auf!«, miaute das schwarze Junge und stolperte über seinen Schilfhalm.
»Tut mir leid!« Sturmjunges raste zurück zum Schilfgürtel, vorbei an Feldjunges, der drei Stängel zwischen die Zähne geklemmt hatte. »Ich bringe das nächste Mal vier!«, rief er ihm über die Schulter zu. Er spitzte die Ohren, als er Pfotentritte auf der sumpfigen Erde vor dem Eingangstunnel hörte. Eine Katze raste auf das Lager zu. Sturmjunges blieb stehen und blinzelte. Die Riedgrasmauer des Lagers raschelte und Wellenkralle betrat die Lichtung.
»Irgendwelche Beute?«, rief Vogelsang.
Wellenkralle schüttelte den Kopf und seine silbernen Flanken bebten. »Die Sonnenfelsen!«, keuchte er. »Der DonnerClan hat die Sonnenfelsen eingenommen!«
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2. KAPITEL
»Der DonnerClan!« Sturmjunges preschte zu dem umgestürzten Baum, kletterte auf den Stamm und schob sich wieder auf dem vereisten Ast entlang, der über den Fluss ragte. »Diese Schlangenherzen!« Er konnte die mageren Gestalten von DonnerClan-Kriegern wie Ratten über die großen, grauen Felsen schwärmen sehen, die trotz der gierigen Forderungen des DonnerClans immer dem FlussClan gehört hatten.
»Wie können sie es wagen!«
Sturmjunges hörte das Knurren seines Vaters, drehte sich um und sah Muschelherz den Stamm der uralten Weide hinaufspringen und auf einem der niedrigen Äste, der sich über das Wasser erstreckte, entlangbalancieren. Der Zweite Anführer des FlussClans lugte zwischen den herabhängenden Zweigen hindurch. »Ich kann’s nicht fassen! Kiefernstern liegt ausgestreckt in der Sonne, als wäre es sein Territorium!«
Sturmjunges sah einen kräftigen, fuchsroten Kater, der sich auf den Felsen rekelte. An seinem Bauch glitzerte das weiche Fell, wo es über den bereiften Stein gestrichen war.
Wellenkralle, dessen schwarz-silbernes Fell zu allen Seiten wie Stacheln abstand, stakste über die Lichtung. »Sie müssen glauben, wir hätten unsere Zähne und Krallen verloren!«
Das Riedgras rauschte, als Schmutzfell und Glanzhimmel ins Lager gerast kamen. Hechtzahn folgte ihnen, sein gestreiftes Fell war gesträubt, ein fetter Karpfen war zwischen seinen langen Vorderzähnen aufgespießt. Er ließ den Fisch fallen und starrte Jubelstern an. »Wer wird die Kampftruppe anführen?«
Sturmjunges peitschte mit dem Schwanz. Warum war er noch kein Schüler? Dann könnte er zusammen mit seinen Clan-Kameraden die räudigen DonnerClan-Katzen vom Territorium des FlussClans vertreiben.
»Was ist los?« Forellenkralle trottete steifbeinig aus dem Ältestenbau. Sein grau gestreiftes Fell war noch vom Schlaf zerzaust.
»DonnerClan-Krieger sind auf den Sonnenfelsen!«, rief Sturmjunges von seinem Ausguck herab.
Jubelstern richtete seinen Blick auf ihn. »Komm da runter, Sturmjunges«, knurrte er. »Das ist nicht der Moment für Spiele.«
»Ich spiele nicht!«, widersprach Sturmjunges. Aber er kroch auf dem Ast zurück und sprang vom Stamm herab.
Auch Muschelherz kletterte von der Weide und stellte sich Jubelstern gegenüber. »Lassen wir diese Eichhörnchenjäger einfach dort bleiben?«
Wellenkralle knurrte. »Sie müssten wissen, dass wir sie sehen können.«
»Was bedeutet, dass sie vorbereitet sind, wenn wir angreifen.« Forellenkralle kam den Hang hinabgetrottet. »Wie können wir einen Kampf gewinnen, auf den sie besser vorbereitet sind als wir?« Er schüttelte seinen verfilzten Kopf. »Haben wir noch nicht genug verloren?«
Sturmjunges fragte sich, ob der alte Kater wohl gerade an Abendwasser dachte. Er hatte gehört, wie Regenblüte Echodunst erzählte, dass sie den Leichnam der Kätzin nach der Überflutung nirgendwo gefunden hatten. »Diesmal werden wir gewinnen!«, miaute er.
»Sei still, Sturmjunges!« Muschelherz warf den Kopf herum.
Baumpelz überquerte die Lichtung, seine Augen waren dunkel. »Wir könnten auch verlieren.«
Zedernpelz ging zu Forellenkralle und legte den Schwanz mitfühlend über die Schulter des alten Katers. »Die Sonnenfelsen sind immer schwer zu verteidigen gewesen.«
Sturmjunges spannte die Muskeln an. »Das ist kein Grund, sie dem DonnerClan zu überlassen!« Er machte einen Schritt zurück, als Muschelherz auf ihn zuging.
»Du bist zu jung für dieses Gespräch«, ermahnte ihn der Zweite Anführer des FlussClans mit gedämpfter Stimme.
Regenblüte schob mit dem Schwanz Sturmjunges beiseite. »Psst, mein Kleiner. Du hast das mutige Herz eines Kriegers so wie jede andere Katze. Du kommst auch noch an die Reihe.«
Darauf kannst du wetten! Sturmjunges schloss den Mund und zog die Krallen ein. Eines Tages bin ich Anführer, und dann entscheide ich, wann wir in den Kampf ziehen.
»Au!«
Er spürte einen Schwanz unter seinen Pfoten, drehte sich um und sah, dass Eichenjunges ihn anfunkelte.
»Das ist mein Schwanz, in den du deine Krallen schlägst!«
»Tut mir leid!« Schuldbewusst hüpfte Sturmjunges vom Schwanz seines Bruders. »Wir müssen diese Eichhörnchenjäger dafür bestrafen, dass sie unser Territorium stehlen, richtig?«
Eichenjunges antwortete nicht. Er beobachtete Brombeerblüte. Die Heilerin war aus ihrem Bau zwischen dem Riedgras geglitten.
»Glaubst du, wir sollten kämpfen, Brombeerblüte?«, fragte Jubelstern.
Brombeerblüte schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt. Ich könnte zurzeit keine Kampfwunden behandeln. Die Flut hat meine Heilkräuter mitgerissen, und mein Vorratslager wird leer bleiben, bis die Blattfrische neue Pflanzen hervorbringt. Ich kann nur die einfachsten Hilfsmittel benutzen.«
»Und wir sind halb verhungert«, fügte Forellenkralle hinzu.
Sturmjunges blinzelte. Er hatte nie Hunger gelitten. Regenblüte hatte genügend Milch für ihn und Eichenjunges. Er betrachtete seine Clan-Kameraden genau und sah zum ersten Mal, wie dünn sie waren. Fast so mager wie die DonnerClan-Katzen.
Jubelstern seufzte. »Ich will keinen Kampf beginnen, den wir sehr wahrscheinlich verlieren. Und ich will keine Krieger mit Wunden, die nicht geheilt werden können.«
Wellenkralle peitschte mit dem Schwanz. »Dann lassen wir also zu, dass sie sich einfach so viel Territorium holen, wie sie wollen?«
»Sie wollen nur die Sonnenfelsen«, stellte Echodunst klar. »Sie würden nie versuchen, den Fluss zu überqueren.«
Hechtzahn knurrte. »An den Sonnenfelsen gibt es Beute, Waldbeute, die den Mangel an Fisch ausgleichen könnte.« Er stieß den Karpfen an, der vor seinen Pfoten lag. »Dieser Fang hat mich den ganzen Vormittag gekostet.«
Echodunst neigte den Kopf. »Aber es ist doch fast Blattfrische. Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir mehr Beute, als wir brauchen können. Und jetzt würde ich lieber Hunger leiden, als einen weiteren Clan-Kameraden zu verlieren.« Sie schaute zu Forellenkralle hinüber.
Hechtzahn grub die Krallen in die Erde. »Wollen wir die Sonnenfelsen ohne ein Wort aufgeben?«
»Nein.« Jubelstern überquerte die Lichtung, sprang auf den niedrigen Ast des Weidenbaums und blickte zu den Sonnenfelsen. »Wellenkralle, Muschelherz.« Sein Schwanz fuhr über die Rinde. »Nehmt Ottersprung und Glanzhimmel mit zu den Sonnenfelsen. Kämpft nicht. Sagt Kiefernstern und seinem Clan, dass sie heute die Sonnenfelsen haben können. Aber warnt sie: Die Felsen gehören dem FlussClan und wir werden sie auf jeden Fall verteidigen.«
»Keine Sorge. Diese Schlangenherzen werden das schon verstehen!« Muschelherz’ Krallen verspritzten weiche Erde, als er zum Tunneleingang raste und Wellenkralle, Glanzhimmel und Ottersprung hinter ihm herflitzten.
»Schnell!« Während seine Clan-Kameraden ängstlich murmelnde Gruppen bildeten, zischte Sturmjunges seinem Bruder ins Ohr und schoss hinüber zu dem umgestürzten Baum. Er kraxelte über den Stamm und blickte über die Schulter zurück.
Eichenjunges folgte ihm. »Wohin gehen wir?«
»Zuschauen.«
»Wobei?«
»Wir schauen zu, wie Muschelherz Kiefernstern ausschimpft!« Sturmjunges kletterte den Ast entlang. »Grab deine Krallen ein«, warnte er seinen Bruder. »Es ist glatt.«
Der Ast wurde so dünn, dass er sich unter seinem Gewicht nach unten bog. Sturmjunges hielt an und bückte sich, damit Eichenjunges über seine Schulter blicken konnte. Nur vier DonnerClan-Krieger waren auf den Sonnenfelsen geblieben. Kiefernstern lag noch auf dem glatten, flachen Felsen und streckte seinen Bauch in die schwache Sonne der Blattleere. Neben ihm saß ein leuchtend feuerfarbener Kater. Er hatte die Augen geschlossen und den Schwanz über die Pfoten gelegt.
»Das muss Abendsonne sein, der Zweite Anführer«, flüsterte Eichenjunges. »Feldjunges hat gesagt, dass er ein rotes Fell hat.«
Zwei geschmeidige Krieger liefen neben dem Anführer und seinem Stellvertreter hin und her, ein blaugrauer und ein gefleckter Kater. Ihre Augen waren weit geöffnet, die Ohren gespitzt. Plötzlich blieb der Gefleckte stehen und starrte auf den Fluss.
Sturmjunges folgte seinem Blick. Muschelherz schwamm auf die Sonnenfelsen zu. Wasser spritzte auf, als Wellenkralle, Glanzhimmel und Ottersprung hinter ihm in den Fluss sprangen. Auf den Sonnenfelsen hatte sich das Rückenfell des blaugrauen Katers aufgestellt. Er schoss zum Rand der Felsen und bleckte die Zähne, den Blick fest auf die FlussClan-Patrouille gerichtet.
Kiefernstern sprang auf die Pfoten, direkt hinter ihm Abendsonne. Die vier DonnerClan-Krieger stellten sich nebeneinander auf den Kamm der Felsen, während sich Muschelherz tropfend aus dem Wasser zog. In zwei Sätzen sprang der Zweite FlussClan-Anführer die glatte Klippenwand hinauf. Abendsonne krümmte den Rücken und fauchte, als Muschelherz näher kam. Kiefernstern verengte die Augen zu Schlitzen.
Sturmjunges spürte, wie sich Eichenjunges hinter ihm anspannte.
»Werden sie kämpfen?«, hauchte Eichenjunges.
»Warte ab.« Sturmjunges’ Pfoten zitterten vor Aufregung, als auch Wellenkralle zu den Sonnenfelsen hinaufsprang und Glanzhimmel und Ottersprung ihm folgten.
Sturmjunges spitzte die Ohren.
»Ihr befindet euch auf FlussClan-Territorium«, knurrte Muschelherz.
Abendsonne machte einen Schritt auf ihn zu. »Dann zwing uns, zu gehen.«
Muschelherz schnippte mit dem Schwanz. »Noch lohnt sich ein Kampf nicht«, miaute er. Er schaute zurück auf das FlussClan-Lager, das durch die blattlosen Bäume deutlich zu sehen war. »Aber wir werden aufpassen. Ihr solltet ebenfalls aufpassen, denn das hier ist unser Land und wir werden es verteidigen.«
Der feuerfarbene Kater kräuselte die Nase. »Aber nicht heute?«
Wellenkralle schoss mit flach angelegten Ohren auf ihn zu. »Wenn es zu einem Kampf kommt«, fauchte er dem roten Kater ins Gesicht, »werde ich der Erste sein, der dich in Fetzen reißt.«
»Wellenkralle!« Muschelherz rief den Krieger zurück und blickte Kiefernstern in die zusammengekniffenen Augen. »Wir überlassen euch die Sonnenfelsen. Nehmt jede Beute, die ihr hier findet. Der FlussClan braucht keine Mäuse. Aber wir werden uns die Felsen zurückholen, wenn wir sie zurückhaben wollen.«
Sturmjunges konnte das Herz seines Bruders hämmern fühlen. »Räudige Mäusefresser«, murmelte er. »Genießt die Sonnenfelsen, so lange ihr könnt.«
Muschelherz sprang zum Flussufer hinab und wartete, bis neben ihm Wellenkralle, Ottersprung und Glanzhimmel ins Wasser setzten. Noch einmal blickte er hinauf zur Felswand, bevor er seinen Clan-Gefährten folgte.
»Pass auf!« Bei Eichenjunges’ Schrei zuckte Sturmjunges zusammen. »Die Elster kommt zurück!«
Sturmjunges schaute hoch und sah ein Aufblitzen von schwarz-weißen Federn vor dem grauen Himmel. »Halt mich fest!«, befahl er.
Eichenjunges grub die Krallen in sein Fell, und Sturmjunges erhob sich auf die Hinterbeine, schlug mit den Vorderpfoten auf die Elster ein, als sie auf der Höhe des Astes schwebte. Von Eichenjunges festgehalten, schlug Sturmjunges immer wieder zu, bis er spürte, dass seine Krallen durch die Federn schnitten und ins Fleisch trafen.
Die Elster krächzte und wirbelte davon, während Sturmjunges sich wieder auf alle vier Pfoten fallen ließ.
Eichenjunges ließ ihn los und betrachtete ihn bewundernd. »Guter Zug!«
»Danke, dass du mich festgehalten hast.« Sturmjunges betrachtete die blutigen Federn in seinen Krallen. »Ich glaube, die Elster wird eine Weile nicht wiederkommen.« Triumphierend blinzelte er seinen Bruder an. »Wir werden die besten Krieger sein, die der FlussClan je gesehen hat.«
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3. KAPITEL
Sturmjunges reckte sich in seinem Nest und fühlte, wie sich die Muskeln unter seinem glänzenden Fell bewegten. In dieser Ecke der Kinderstube reichte er fast von einer Wand zur anderen. Der Sonnenschein des frühen Morgens sickerte durch das Dach und ließ die Binsenwände rot aufglühen. In den drei Monden, seit der DonnerClan die Sonnenfelsen gestohlen hatte, war die Sonne heißer geworden und stand höher am Himmel. Frisches Gras drängte sich durch das alte Binsenbett und die Riedgrasbüsche rochen süß und frisch.
»Wach auf!«, wisperte Sturmjunges Eichenjunges ins Ohr.
Regenblüte rührte sich verschlafen und legte den Schwanz über Sturmjunges’ Bauch. »Schlaf wieder ein, kleiner Krieger«, schnurrte sie. »Es ist noch früh.«
Sturmjunges schüttelte ihren warmen, weichen Schwanz ab und setzte sich auf. Er stieß Eichenjunges mit der Pfote an.
»Was ist los?«, knurrte der mit fest geschlossenen Augen.
»Lass uns auf Erkundung gehen.«
»Aber bleibt im Lager«, murmelte Regenblüte verschlafen.
»Natürlich«, versprach Sturmjunges und stupste Eichenjunges erneut an.
Der verbarg die Nase unter einer Pfote. »Schläfst du denn niemals?«
»Wir haben die ganze Nacht geschlafen. Die Morgenpatrouille ist schon vor einer Ewigkeit ausgerückt.«
In Echodunsts Nest kam Käferjunges verschlafen auf die Pfoten. Sein schwarzes Fell stand zerzaust in alle Richtungen ab.
Feldjunges öffnete die Augen. »Ja, stimmt, ich habe Hunger.«
Blütenjunges war bereits auf und wusch sich. »Die Jagdpatrouille bringt sicher etwas für uns mit.« Sie beugte sich vor, um Käferjunges über den Kopf zu lecken und ihm das aufgerichtete Haar zwischen den Ohren glatt zu streichen. Echodunst rollte sich auf die Seite und begann, leise zu schnarchen.
Sturmjunges sprang aus seinem Nest und streckte sich. »Wir fangen unsere eigene Beute.«
Eichenjunges setzte sich auf. »Wirklich?«
Regenblüte hob den Kopf. »Ich hoffe, du bringst deinen Bruder nicht wieder in Schwierigkeiten, Sturmjunges.«
»Warum gibst du mir die Schuld?« Gestern hatten sie es bis zu den Trittsteinen geschafft, bevor sie von einem sehr verärgerten Schmutzfell entdeckt und zum Lager zurückgeführt worden waren. »Es ist nicht meine Schuld, dass Eichenjunges der Patrouille gefolgt ist.«
»Er ist nicht der Patrouille gefolgt«, erinnerte ihn Regenblüte. »Er ist dir gefolgt.«
»Mir?«
Sturmjunges blinzelte sie unschuldig an und sie schnippte mit dem Schwanz an sein Ohr. »Ich habe Glück, so ein mutiges, hübsches Junges zu haben.« Sie legte das Kinn auf ihre Pfoten.
»Ich bin auch mutig.« Eichenjunges sprang aus dem Nest und lief zum Ausgang.
»Warte auf mich!« Sturmjunges holte ihn ein und glitt an ihm vorbei aus der Kinderstube.
Die Lichtung war schon warm und hell, obwohl die Sonne kaum höher stand als die alte Weide. Jubelstern und Muschelherz saßen neben dem umgestürzten Baum und hatten die Köpfe gesenkt, während sie sich unterhielten. Forellenkralle, Vogelsang und Strubbelbart sonnten sich auf der glatten Erde vor dem Bau der Ältesten. Baumpelz und Ottersprung waren mit gespitzten Ohren und zuckenden Schwänzen am Flussufer im Schilf. Offenbar hofften sie, im flachen Wasser zwischen den Stängeln eine Elritze zu finden.
Brombeerblüte breitete schlaffe Blätter in der Sonne aus. Ihre schneeweißen Pfoten waren grün von Pflanzensaft.
»Wofür sind die?« Sturmjunges überquerte die Lichtung und schnüffelte an den Blättern. Er rümpfte die Nase, sie rochen sauer.
»Das sind Huflattichblätter«, erklärte ihm Brombeerblüte. »Sie helfen gut bei Husten.«
Sturmjunges berührte ein Blatt mit der Vorderpfote. »Wie?«
»Du musst sie kauen, um den Saft herauszubekommen.« Brombeerblüte glättete ein anderes Blatt auf der warmen Erde. »Dann schluckst du den Saft runter und spuckst das Blatt aus.«
Eichenjunges kam angerannt und blieb neben ihnen stehen. »Wo sind die Blätter her?«
»Ich habe sie neben den Wasserfällen gepflückt«, miaute Brombeerblüte.
»Können wir mitkommen, wenn du noch mehr pflückst?«, fragte Sturmjunges hoffnungsvoll.
Brombeerblüte zuckte mit den Schnurrhaaren. »Vielleicht in zwei Monden, wenn ihr ›Pfoten‹ seid.«
»Ich bin sicher, Jubelstern lässt uns auch jetzt gehen, wenn er weiß, dass du dabei bist«, bettelte Sturmjunges.
Brombeerblüte blickte zum FlussClan-Anführer hinüber. »Warum gehst du nicht und fragst ihn?«
Sturmjunges schaute mürrisch drein. »Vielleicht später.« Er hatte Jubelstern schon früher gefragt, ob sie das Lager verlassen dürften, einmal, ob sie Muschelherz bei der Jagd helfen könnten, zweimal, ob sie Wellenkralles Patrouille folgen dürften, aber die Antwort war immer dieselbe: »Wartet, bis ihr Schüler seid.«
Sturmjunges starrte neidisch auf den Schülerbau und prüfte die Luft. Kein warmer Schlafgeruch wehte von dort herüber. Weichpfote und Weißpfote mussten schon mit der Morgenpatrouille weggegangen sein. »Die Fellkugeln haben Glück«, murmelte er.
Eichenjunges hob die Schnauze. »Ich dachte, wir gehen auf die Jagd.«
»Tun wir auch«, entgegnete Sturmjunges.
»Wo?« Eichenjunges blickte über das Lager. »Ins Riedgras?«
Sturmjunges plusterte sein Fell auf. »Ich will mehr als Schmetterlinge fangen!«
»Wir könnten mit Ottersprung und Baumpelz Elritzen jagen«, schlug Eichenjunges vor.
Sturmjunges rollte mit den Augen. »Elritzen?«
»Was ist schlecht an Elritzen?«
»Willst du wirklich im Lager bleiben?«
»Wir müssen.«
»Ach, komm schon!« Sturmjunges stieß seinen Bruder mit dem Kopf an. »Wir stehlen uns raus und jagen wie richtige Krieger.«
»Und wenn wir wieder geschnappt werden?« Eichenjunges dämpfte die Stimme. »Jubelstern hat gesagt, wenn wir wieder Schwierigkeiten machen, lässt er uns einen Mond länger warten, bis wir unsere Schülernamen bekommen.«
»Das hat er doch nicht so gemeint!«, erwiderte Sturmjunges verächtlich. »Der FlussClan braucht Krieger. Jubelstern ist kein Froschhirn. Je eher wir draußen sind und patrouillieren und kämpfen, desto besser ist es für den Clan.« Er peitschte mit dem Schwanz. »Wenn ich Anführer bin, lasse ich die Jungen das Lager verlassen, wann sie es wollen.«
Sturmstern. Was für ein großartiger Name!
»He!« Eichenjunges stieß ihn mit einer Pfote an. »Regenblüte sagt, ich bin als Erster geboren, also werde ich Anführer.«