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Heliosphere 2265

Band 23

„Das Helix-Mosaik“


von Andreas Suchanek

Die neue HYPERION

Was bisher geschah

 

Ende des Jahres 2266 hat Imperator Björn Sjöberg seine Macht als Diktator gefestigt und die Solare Union in ein Schreckensregime verwandelt, das Solare Imperium.

Auf der NOVA-Station kommt es am 8. Mai 2267 endlich zur lang ersehnten Wahl eines Staatsoberhaupts für die neu gegründete Solare Republik, die aus der Rebellion gegen den machthungrigen Imperator hervorging.

Trotz zahlreicher Attacken von Sjöberg - ein Virus, angreifende Flottenverbände, und schließlich die Dunkle Welle – kann sich der neue galaktische Staat behaupten, obgleich auf einem fragilen Fundament.

Die HYPERION ist nach ihrem Ausflug in die Zukunft des Jahres 2317 in die Gegenwart zurückgekehrt. Im letzten Moment entging die Besatzung gemeinsam mit dem Volk der Aaril und 24 Raumschiffen rebellierender Imperiums-Offiziere der Vernichtung. Das gesamte System der Element-Aliens wurde mit all seinen Bewohnern in die Gegenwart versetzt. Das Wissen um die wahren Absichten von Richard Meridian könnte die letzte Phase seines Jahrhundertplans nun verhindern.

Der Interlink-Kreuzer fliegt durch einen Phasenraum-Tunnel zurück ins Alzir-System, wo bisher jeder von der Zerstörung der HYPERION ausging. Beinahe kommt es zur Konfrontation, da man in den einfliegenden Raumschiffen eine Flotte des Imperiums vermutet. Das Missverständnis kann jedoch im letzten Augenblick aufgeklärt werden.

So kehrt Captain Cross wieder zurück zu Kirby, Lukas Akoskin trifft auf seinen in Gefangenschaft sitzenden Bruder und Noriko Ishida auf ihre Familie. Lieutenant Commander Tess Kensington muss allerdings erkennen, dass ihr Geliebter - John Kartess - nicht mehr im Alzir-System weilt; er hat sich auf die Suche nach dem Ketaria-Bund gemacht und geht weiterhin vom Tod seiner Gefährtin aus.

Um Richard Meridian aufzuhalten, soll ein kurzzeitiger Pakt mit dem Imperium geschlossen werden. Doch der Informationsaustausch gerät zum Debakel. Die Außenministerin der Republik stirbt und Captain Jayden Cross wird lebensgefährlich verletzt. Da die Zeit drängt, wird das Schiff zu den Kybernetikern geschickt. An Bord sind der verwundete Cross und der mit einem Virus infizierte Alpha 365.

Cassandra Bennet soll die verschlüsselte Kristallspeicherplatte mit dem alten Datenmaterial des Imperiums dechiffrieren und die Identität der übrigen Genschlüsselträger, die Richard Meridian für die Durchführung seines Plans benötigt, endlich offen legen.

Niemand ahnt, dass Sarah McCall bereits ganz eigene Pläne schmiedet, um ihren ehemaligen Kollegen, Richard Meridian aufzuhalten. Denn stirbt nur ein einziger Schlüsselträger - so die Vermutung - scheitert der gesamte Jahrhundertplan ...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“

(Aristoteles)

 

 

 

 

 

 

Prolog

 

IL HYPERION, Aussichtsdeck, 02. September 2267, 22:51 Uhr

 

Er warf einen Blick auf die dünne Folie, die auf seinem Handrücken klebte. Auf dem Display des Hand-Coms wurde ein Countdown angezeigt, der langsam auf Null herunterzählte.

Es war selten, dass er den Übergang mit ansehen konnte, und obwohl die HYPERION bereits seit fast zwei Jahren im Dienst war, versammelten sich doch jedes Mal zahlreiche Offiziere hier auf dem Aussichtsdeck, um den Moment mitzuerleben. Der Anblick blieb etwas Besonderes.

Lieutenant Michael Larik lächelte.

Der Countdown erreichte die Null, das Display blinkte.

Ein Wabern schien durch den Weltraum rings um das erste Interlink-Raumschiff der Menschheit zu gehen. Das Schiff hatte die minimale Geschwindigkeit von 0,45 LG erreicht, ab der ein Wechseln in den Interlinkflug möglich war. Der Pike-Antrieb, der für die Beschleunigung bei Sublichtgeschwindigkeit zuständig war, wurde deaktiviert, das Interlink-Aggregat sprang an. Der Melnikow-Schild hielt die physikalischen Bedingungen innerhalb des Raumschiffes aufrecht, gleichzeitig wurde die Blase errichtet, die die Higgs-Boson-Teilchen neutralisierte. Damit wurde die Masse der HYPERION aufgehoben, das Schiff den normalen Gesetzen der Raumzeit entzogen; ein Vielfaches der Lichtgeschwindigkeit war möglich.

Während Michael die Möglichkeiten, die sich aus der Technologie ergaben, immer wieder faszinierten, freute er sich gleichzeitig über die pure Schönheit des Moments.

Aufgrund der enormen Geschwindigkeit falteten sich die Raumdimensionen zu einem engen Tunnel zusammen. Die sichtbaren Sternbilder wurden verzerrt dargestellt. Die HYPERION stellte den Mittelpunkt des Tunnels dar, in den von beiden Seiten Licht einströmte. Dadurch änderte sich die Farbe der Sterne. Jene vor dem Schiff unterlagen einer Blau-, die dahinter einer Rotverschiebung. Es wirkte, als hätte jemand zu beiden Seiten des Kreuzers eingefärbte Meteoriten in eine Atmosphäre eintauchen lassen.

Dann verschwanden die Farbtöne und die Sterne wurden zu dünnen Streifen, die an der HYPERION vorbeisausten. Sie befanden sich im Interlink, auf direktem Weg zu den Kybernetikern.

Beinahe wäre ich nicht mehr dabei gewesen.

Versonnen starrte er weiter ins All. Der Mordanschlag auf ihn war fast geglückt. Die beiden Agenten der I.S.P. hatten ihn aus einer Luftschleuse der NOVA-Station geworfen und noch heute, Tage später, glaubte er die eisige Kälte des Weltalls auf seiner Haut zu spüren. Der Einsatz des Translokators war seine Rettung gewesen. Die Schläferagenten der I.S.P. wurden von Marines in einem Gefecht gestellt, worauf sie ihre Killchips aktivierten und sich so das Leben nahmen, um der Gefangenschaft zu entgehen.

Aufgrund der Ereignisse hatte die Präsidentin entschieden, dass er auf der HYPERION am sichersten war.

„Ein schöner Anblick, nicht wahr?“, erklang eine Stimme.

Michael riss sich widerwillig von den Sternen los. „Das ist es.“

Es war Sarah McCall, die lächelnd auf ihn zutrat. In ihren Augen glaubte er, ein Abbild der Gestirne zu erkennen.

Die ehemalige Kommunikationsoffizierin der HYPERION wirkte äußerlich ganz und gar nicht wie eine uralte Zeitreisende, die mehr als ein Jahrhundert auf dem Buckel hatte. Ihr Körper zeichnete sich schlank unter dem hautengen Overall ab, das fein geschnittene hübsche Gesicht verlieh ihr etwas Unschuldiges und die braunen Locken waren nach der neuesten Mode frisiert. Ein Geruch nach Orange und Zimt stieg ihm in die Nase.

„Warum stehen Sie hier alleine herum?“, fragte McCall. „Sollten Sie nicht feiern, noch am Leben zu sein?“

„Das werde ich tun, sobald wir Meridian erledigt haben“, sagte er.

„Glauben Sie mir, die gesamte Menschheit wird dann anstoßen.“ Sie verzog das Gesicht abschätzig. „Er ist verantwortlich für den Tod aller, die ich liebe.“

Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, doch schließlich wandte sie den Blick ab, und schloss einen Moment die Augen.

Tröstend legte Michael ihr die Hand auf die Schulter. „Tut mir leid.“ Jeder kannte die Geschichte von Anika Magnus alias Sarah McCall, deren altes Leben durch Richard Meridian ausgelöscht worden war. Genau wie das unzähliger anderer. „Am Ende wird er scheitern.“

Sie blickte lächelnd zu ihm auf. „Danke.“ Plötzlich war sie irgendwie näher an ihn herangerückt. „Es bedeutet mir viel, dass Sie das sagen.“

Die tiefbraunen Augen, der betörende Geruch; Michael konnte kaum noch klar denken.

Was auch immer du tust, vertraue niemals Sarah McCall, hallte die Stimme von Lukas in seinem Geist wider. Sie lächelt dir ins Gesicht und lädt gleichzeitig hinter ihrem Rücken den Pulser, um eine Partikelsalve zwischen deine Augen zu schießen.

Michael schüttelte den Kopf. Die Zeit als Assassine hatte den Freund paranoid werden lassen. Sicher, auch Michael hatte die wahre Natur von McCall schon gesehen. Trotzdem blieb sie für ihn im Inneren doch stets ein Mensch, der unglaublich viel verloren hatte. Genau wie er.

„Was halten Sie davon, wenn wir gemeinsam auf das Erholungsdeck gehen und feiern?“ Sie hakte sich bei ihm unter. „Ich akzeptiere übrigens kein ‚Nein‘.“

„Na schön“, sagte Michael lachend. „Immerhin beginnt meine Freischicht gerade und ein oder zwei Drinks können nicht schaden. Allerdings verzichten wir besser auf Rentalianisches Ale.“

Sie lächelte ihm verheißungsvoll zu. „Wir finden schon etwas. Glaub mir, ich bin Spezialistin, wenn es um Spaß ohne Nebenwirkungen geht.“ Ein Zwinkern folgte. „Nenn mich Sarah.“

Gemeinsam verließen sie das Aussichtsdeck.

 

*

 

IL HYPERION, Krankenstation, 03. September 2267, 09:30 Uhr

 

Wieder und wieder traf ihn die glänzende Stiefelspitze des E.C.s in die Seite. Jayden keuchte vor Schmerz. Jeder Atemzug fühlte sich an, als bohre jemand einen spitzen Holzstock in seine Lunge. Durch die zugeschwollenen Augen konnte er kaum noch etwas sehen, nur Sjöbergs feixendes Gesicht schwebte inmitten des roten Nebels, der sein Gesichtsfeld immer weiter einengte.

„Ich denke, wir überlassen es der guten Captain Belflair, die Leiche der Außenministerin und Ihren toten Körper, Cross, hier abzuholen. Das wird ein Schock.“ Er seufzte gespielt auf. „Was halten Sie von folgendem Funkspruch: ‚Wir danken der Republik für das konstruktive Gespräch und bitten darum, es als Zeichen für den künftigen Umgang miteinander anzusehen.‘“ Er lachte höhnisch. „Shaw wird in ihre Tischplatte beißen und Belflair wird gleich den nächsten Psychologen in den Wahnsinn treiben.“

Ein weiterer Fausthieb verwandelte sein Gesicht in eine breiige Masse aus Schmerzen.

Endlich erreichte die Agonie den Punkt, an dem der menschliche Geist nicht länger dazu in der Lage war, die körperliche Pein zu ertragen ...

... und schaltete ab.

 

Jayden öffnete die Augen. Für einen Augenblick spürte er das Echo des Schmerzes, sein Körper verkrampfte.

„Geben Sie sich einen Moment Zeit, Captain“, erklang die Stimme von Doktor Petrova. „Es ist alles gut. Sie befinden sich auf der Krankenstation der HYPERION und sind wieder vollständig genesen.“

Er nutzte die Worte als Anker, atmete langsam ein und aus. Jayden lag in einem medizinischen Notfalltank. An seinem Rücken spürte er noch die klebrige Nässe der Nährflüssigkeit, die soeben abgepumpt wurde. Weiches Licht umspielte die Gesichter der Personen, die auf ihn herab sahen; Chefärztin Doktor Irina Petrova, Bordpsychologe Janis Tauser und seine I.O., Commander Noriko Ishida.

Jayden wollte etwas sagen, doch es war lediglich ein Krächzen, das aus seiner Kehle drang; sein Rachen fühlte sich an wie Schmirgelpapier. Jeder Muskel schien überlastet. Als die frische Luft der Krankenstation seine Haut berührte, reagierte diese sensibel und sandte leichte Schmerzwellen durch den Körper.

Doktor Petrova wirkte stets professionell, aber die Sorge in ihrem Blick sprach Bände. Nicht minder ängstlich schaute Janis drein, kaum ungewöhnlich für den alten Freund.

„Man kann Sie wirklich nicht für eine Mission alleine lassen“, sagte Ishida grinsend. Gleichzeitig taxierte sie ihn mit wachen Augen.

„Sjöberg“, keuchte Jayden. Die Erinnerung kam wie eine Flutwelle und pumpte Adrenalin in seinen Körper. „Larik ist in Gefahr.“

Ein Warnicon auf der Glassäule neben Petrova leuchtete auf. Besorgt runzelte sie die Stirn. „Beruhigen Sie sich, Captain.“

„Der Anschlag auf den Lieutenant konnte verhindert werden“, sagte Ishida mit ruhiger Stimme. „Alles ist in Ordnung. Wir befinden uns auf dem Weg zu den Kybernetikern.“

Langsam klärten sich seine Gedanken.

Coraline! „Meine Cousine?“ Er klang noch immer rau, aber immerhin konnte man ihn verstehen.

Der Ausdruck auf dem Gesicht von Petrova sprach Bände. Noriko schüttelte den Kopf, ihre Miene ein einziges Es-tut-mir-Leid.

Jayden setzte sich auf. Er war nackt, sein gesamter Körper mit einem dünnen Film aus schmieriger Nährflüssigkeit bedeckt. Zitternd kam er in die Höhe.

Sein Kreislauf protestierte, der Raum begann sich zu drehen.

Ishida und Janis halfen ihm aus dem Tank, Petrova reichte ein Handtuch. Die Dusche zur Reinigung war nur wenige Schritte entfernt; das Wasser mit Nanolösstoff angereichert. Es würde die Rückstände der Nährflüssigkeit entfernen. Trotzdem musste Jayden sich erst auf einen Stuhl setzen, den seine I.O. herbeizog.

„Es tut mir leid wegen Coraline“, sagte Janis. „Jansen hätte dich gerne auf der NOVA-Station behalten, aber Bennet wird sich durch die Daten auf deinem Kommandochip am schnellsten über alles informieren können.“

Jayden lachte auf. „Ich hätte es nicht anders gewollt.“

„Meine fachliche Meinung ...“

Er unterbrach den Freund. „Die will ich jetzt ausnahmsweise mal nicht hören. Doktor Petrova“, er war der Chefärztin einen fragenden Blick zu, „gibt es einen medizinischen Grund, warum ich mein Kommando nicht antreten kann?“

Sie schüttelte den Kopf. „Wir konnten alle körperlichen Schäden heilen. Eine detaillierte Liste liegt in Ihrem persönlichen Speicher.“

„Wie sieht es aus psychologischer Sicht aus?“

„Solange du dich für ein Evaluationsgespräch zur Verfügung stellst und nicht den großen unnahbaren Kommandanten spielst, erhebe ich keine Einwände“, sagte Janis. „Aber die Zustimmung erfolgt unter Vorbehalt.“

„Irgendwelche anderslautenden Befehle von der Admiralität?“, fragte Jayden Ishida.

„Keine, Captain. Wenn keine medizinischen Gründe dagegen sprechen, sind Sie nach wie vor der Kommandant.“

Er erhob sich erneut. Der Schwindel setzte zwar wieder ein, doch mit deutlich verminderter Intensität. Langsam ging er zu der Duschkabine, neben der Unterwäsche und seine Uniform bereitlagen.

Auf dem Weg ballte er in stillem Hass die Fäuste. Das Gesicht von Coraline tauchte vor seinem inneren Auge auf. Sjöberg war verantwortlich für den Tod seines Vaters, seines Bruders und seiner Cousine.

Lautlos schwor er sich, den Imperator dafür zahlen zu lassen. Richard Meridian mochte das akute Problem sein, doch danach würde nichts mehr zwischen Jayden und Sjöberg stehen.

Ich werde es sein, der dich erledigt, du mieses Schwein.

Der Gedanke gab ihm Kraft.

 

*

 

„Störe ich?“, fragte Ishida.

Sie musste sich auf der Kommandobrücke gerade genug Zeit genommen haben, um die wichtigsten Prüfindikatoren der einzelnen Stationen abzufragen, und war dann direkt zu ihm in den Bereitschaftsraum gekommen.

„Keineswegs, Commander“, sagte Jayden. Er bedeutete ihr, Platz zu nehmen. „Bevor wir das System der Kybernetiker erreichen, will ich die neuesten Daten durchgehen. Da Sie einen Vorsprung hatten, sind Sie vermutlich schon informiert.“

Das Schott rastete ein, Ishida sank in den Besuchersessel. „Das bin ich, Captain. Warum denken Sie, bin ich sonst hier?“

„Um zu sehen, ob es mir gut geht.“

Sie lachte. „Auch um zu sehen, ob es Ihnen gut geht, das stimmt.“

„Keine Sorge“, sagte er, „ich werde Sjöberg dafür bezahlen lassen, aber momentan ist es meine Aufgabe, das große Ganze im Auge zu behalten. Wir müssen Meridian aufhalten.“

Ishida schlug die Beine übereinander. Sie wirkte souverän, kompetent und ... frisch. Die Rückkehr in die Heimat hatte seiner I.O. einen regelrechten Energieschub verpasst. „In Ordnung. Falls Sie irgendwann in der Zukunft reden möchten ...“

„Sie sind die Erste, versprochen.“

„Gut“, sagte sie.

Jayden aktivierte die Holosphäre über das Interface auf seinem Touch-Desk.

In einem Regen aus Photonen materialisierten Sterne und Planeten. Das 320 Lichtjahre von Terra entfernte Acrux-System, war ein beeindruckendes Mehrfachsternensystem. Bei Alpha 1 Crucis handelte es sich um einen Doppelstern, er bestand also aus zwei einander eng umkreisenden Sonnen, die der Spektralklasse B0.5 IV angehörten. Alpha 2 Crucis loderte dagegen einsam vor sich hin, zählte zur Klasse B1 V.

In der habitablen Zone des Sonnensystems gab es insgesamt neun Planeten, die allesamt besiedelt worden waren. CORE I lag exakt in der Mitte dieser Reihe von Koloniewelten und damit gleichzeitig in ihrem Zentrum. Die Kybernetiker hatten darauf bestanden, dass die Welten nicht, wie bei anderen Systemen üblich, von den Sonnen beginnend nach außen hin aufsteigend nummeriert wurden. Stattdessen war das in der Reihenfolge der Besiedlung geschehen.

Zwischen den Planeten waren wie bei jedem Sonnensystem ab einem bestimmten Entwicklungsstadium Raumstationen und -werften, Habitate und Schürfstationen zu erkennen.

„Vermutlich hat sich seit unserem letzten Besuch eine Menge verändert“, sagte Jayden. „Ich würde liebend gerne ein paar Kiesel durch das System schicken, um aktuelle Aufklärungsdaten zu besitzen.“

„Das wird den Kybernetikern kaum gefallen“, sagte Ishida. „Auch wenn die HYPERION dank der Technologie aus der Zukunft jetzt deutlich leistungsfähiger ist, dürfen wir nicht vergessen, dass Cassandra Bennet die dortige Gesellschaft seit Generationen formt. Deren Technologieniveau liegt nach wie vor über allem, was wir erreichen können.“

Jayden nickte. „Das mag sein, aber ich bin sicher, dass der Vorsprung schmilzt. Leider trifft das auch auf das Imperium zu. Meridian hat vor seinem Zwist mit Sjöberg zweifellos hier und da Dinge in Bewegung gebracht. Die HYPERION selbst ist eine seiner Konstruktionen und der Interlink-Antrieb sein Verdienst. Die Kybernetiker werden nicht ewig Widerstand leisten können.“

„Bisher scheinen sie sich zu behaupten“, sagte Ishida. „Allerdings müssen wir mit einkalkulieren, dass das Acrux-System belagert wird. Die Aufklärungsdaten, die der Geheimdienst durch McCalls in der Imperiumstechnologie verteilten Kuckuckseier erhalten hat, machen das sehr deutlich. Die HYPERION kann also nicht außerhalb des Systems in den Normalraum zurückkehren, sonst werden wir umgehend beschossen.“

„Gleichzeitig können wir aber nicht im Interlink einfliegen“, sagte Jayden, während er sinnierend auf das Hologramm starrte. „Die haben Störer, die unsere Interlink-Blase destabilisieren können. Die Folgen wären aller Wahrscheinlichkeit nach fatal.“

Ishida beugte sich vor und berührte den größeren Doppelstern des Systems, der daraufhin herangezoomt wurde. „Wir könnten über die Tote Zone einfliegen. Allerdings fürchte ich, dass eine Frau wie Cassandra Bennet auch das mit einkalkuliert hat.“

„Natürlich habe ich das“, erklang eine Stimme.

Jayden zuckte zusammen, als direkt neben ihm das Abbild der orakelhaften Frau erschien. „Sie ist hier“, sagte er an Ishida gewandt, da nur er sie sehen konnte. „Genau genommen ist der neurale Teil von ihr hier, den sie in meinen Chip gespeist hat.“

„Schön, dann hat sie hoffentlich eine Lösung.“

„Die habe ich in der Tat, Captain“, sagte Cassandra. Das Abbild flackerte. „Und Sie sollten sich besser beeilen. Sjöbergs Attacke auf Ihren Körper hat einen Teil des Chips beschädigt. Hören Sie mir jetzt ganz genau zu.“

 

*

 

Arctica-System, Arctica II, 05. September 2265, 08:01 Uhr

 

Ein Schneesturm tobte. Weit über ihm, auf einem gewölbten Display auf der Innenseite der Kuppel, wurde die Windgeschwindigkeit angezeigt: 194 km/h.

John Kartess schüttelte den Kopf. Das war ein Brocken. Auf Terra gab es dank ausgefeilter Wetterkontrollsysteme nur noch selten echte Stürme. Was hier auf Arctica soeben losbrach, war ein waschechter Orkan, der Massen aus Schnee und Eis aufwirbelte.

Die Menschen um ihn herum waren nicht beeindruckt. Gelassen strömten sie durch die öffentliche Kuppel, stiegen in die Magnetschwebe-Waggons oder nahmen einen der für Fußgänger gedachten Verbindungstunnel zu einer anderen Einheit.

John ließ sich von der Masse treiben.