Cover

vorsatz01.jpg
vorsatz02.jpg
titel.jpg
Über den Autor
Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS, SURVIVOR DOGS und BRAVELANDS.
Impressum
Dieses Buch ist erhältlich als:
ISBN 978-3-407-74772-3 Print (Taschenbuch)
ISBN 978-3-407-81188-2 Print (Hardcover)
ISBN 978-3-407-74515-6 E-Book (EPUB)
© 2018 Gulliver
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Werderstraße 10, 69469 Weinheim
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2011 Working Partners Limited
Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
Warriors, Omen of the Stars, The forgotten Warrior,
bei HarperCollins Children’s Books, New York
Übersetzung: Friederike Levin
Lektorat: Susanne Härtel
Umschlaggestaltung/Artwork: © Johannes Wiebel, punchdesign, München
Landkarte: © Gary Chalk
Wort-Bild-Marke Warrior Cats: © Hauptmann & Kompanie, München
Gesamtherstellung: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza
Printed in Germany
1 2 3 4 5 22 21 20 19 18
Weitere Informationen zu unseren Autor_innen und Titeln
finden Sie unter: www.beltz.de
Besonderen Dank an Cherith Baldry
WARRIOR CATS
Staffel I
In die Wildnis (Bd. 1)
Feuer und Eis (Bd. 2)
Geheimnis des Waldes (Bd. 3)
Vor dem Sturm (Bd. 4)
Gefährliche Spuren (Bd. 5)
Stunde der Finsternis (Bd. 6)
Staffel II – Die neue Prophezeiung
Mitternacht (Bd. 1)
Mondschein (Bd. 2)
Morgenröte (Bd. 3)
Sternenglanz (Bd. 4)
Dämmerung (Bd. 5)
Sonnenuntergang (Bd. 6)
Staffel III – Die Macht der drei
Der geheime Blick (Bd. 1)
Fluss der Finsternis (Bd. 2)
Verbannt (Bd. 3)
Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)
Lange Schatten (Bd. 5)
Sonnenaufgang (Bd. 6)
Staffel IV – Zeichen der Sterne
Der vierte Schüler (Bd. 1)
Fernes Echo (Bd. 2)
Stimmen der Nacht (Bd. 3)
Spur des Mondes (Bd. 4)
Der verschollene Krieger (Bd. 5)
Die letzte Hoffnung (Bd. 6)
Staffel V – Der Ursprung der Clans
Der Sonnenpfad (Bd. 1)
Donnerschlag (Bd. 2)
Der erste Kampf (Bd. 3)
Der Leuchtende Stern (Bd. 4)
Der geteilte Wald (Bd. 5)
Der Sternenpfad (Bd. 6)
Staffel VI – Vision von Schatten
Die Mission des Schülers (Bd. 1)
Donner und Schatten (Bd. 2)
Zerrisene Wolken (Bd. 3)
Dunkelste Nacht (Bd. 4)
Special Adventure
Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans
Blausterns Prophezeiung
Streifensterns Bestimmung
Gelbzahns Geheimnis
Riesensterns Rache
Brombeersterns Aufstieg
Mottenflugs Vision
Habichtschwinges Reise
Short Adventure
Wolkensterns Reise
Distelblatts Geschichte
Nebelsterns Omen
Taubenflugs Schicksal
Die Welt der Clans
Das Gesetz der Krieger
Die letzten Geheimnisse
Alle Abenteuer auch als Printausgaben bei Beltz & Gelberg
www.warriorcats.de

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

DONNERCLAN  
donnerclan.jpg
Anführer
FEUERSTERN – attraktiver Kater mit rotem Fell
Zweiter
Anführer
BROMBEERKRALLE – dunkelbraun getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
Heiler
HÄHERFEDER – grau getigerter, blinder Kater mit blauen Augen
Krieger
(Kater und Kätzinnen ohne Junge)
 
GRAUSTREIF – langhaariger, grauer Kater
 
BORKENPELZ – dunkelbraun getigerter Kater
 
SANDSTURM – kleine, gelbbraune Kätzin mit grünen Augen
 
FARNPELZ – goldbraun getigerter Kater
 
AMPFERSCHWEIF – schildpattfarbene Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen
 
WOLKENSCHWEIF – langhaariger, weißer Kater mit leuchtend blauen Augen
 
LICHTHERZ – weiße Kätzin mit goldbraunen Flecken und vernarbtem Gesicht
 
MILLIE – silbern getigerte Kätzin
 
DORNENKRALLE – goldbraun getigerter Kater
 
EICHHORNSCHWEIF – dunkelrote Kätzin mit grünen Augen
 
BLATTSEE – hellbraun gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen und weißen Pfoten; ehemalige Heilerin
 
SPINNENBEIN – langgliedriger, schwarzer Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
BIRKENFALL – hellbraun gestreifter Kater
 
WEISSFLUG – weiße Kätzin mit grünen Augen
 
BEERENNASE – sandfarbener Kater
 
HASELSCHWEIF – kleine, grau-weiße Kätzin
 
MAUSBART – grau-weißer Kater
 
RUSSHERZ – grau getigerte Kätzin
 
LÖWENGLUT – goldgelb getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
FUCHSSPRUNG – fuchsbraun getigerter Kater
 
EISWOLKE – weiße Kätzin
 
UNKENFUSS – schwarz-weißer Kater
 
ROSENBLATT – dunkelcremefarbene Kätzin
 
WURZELLICHT – dunkelbraune Kätzin
 
BLUMENFALL – schildpattfarben-weiße Kätzin
 
HUMMELSTREIF – sehr hellgrauer Kater mit schwarzen Streifen
 
TAUBENFLUG – hellgraue Kätzin mit blauen Augen
 
EFEUSEE – silberweiße Tigerkätzin mit dunkelblauen Augen
 
DISTELBLATT – schwarze Kätzin mit grünen Augen
Königinnen
(Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen)
 
RAUCHFELL – hellgraue Kätzin mit dunkleren Flecken und grünen Augen
 
MINKA – Kätzin mit langem, cremefarbenem Fell vom Pferdeort
 
MOHNFROST – schildpattfarbene Kätzin; Mutter von Kirschjunges und Maulwurfjunges
Älteste
(ehemalige Krieger und Königinnen, jetzt im Ruhestand)
 
MAUSEFELL – kleine, schwarzbraune Kätzin
 
CHARLY – kräftiger Tigerkater mit grauer Schnauze; ehemaliger Einzelläufer
SCHATTENCLAN  
schattenclan.jpg
Anführer
SCHWARZSTERN – großer, weißer Kater mit riesigen, pechschwarzen Pfoten
Zweiter
Anführer
ESCHENKRALLE – goldbrauner Kater
Heiler
KLEINWOLKE – sehr kleiner, getigerter Kater
Krieger
PILZKRALLE – dunkelbrauner Kater
 
APFELFELL – braun gescheckte Kätzin
 
RATTENNARBE – brauner Kater mit langer Narbe am Rücken
 
BERNSTEINPELZ – schildpattfarbene Kätzin mit grünen Augen
 
FLECKENPELZ – dunkelgrauer Kater
 
ROTWEIDE – braun und rostrot gescheckter Kater
 
TIGERHERZ – dunkelbraun getigerter Kater
 
LICHTFELL – cremefarbene Kätzin
 
KIEFERNNASE – schwarze Kätzin
 
ILTISKRALLE – sandfarben und grauer Kater
 
STARENFLUG – roter Kater
Königinnen
KNOTENPELZ – getigerte Kätzin mit langem Fell, das nach allen Seiten absteht
 
EFEUSCHWEIF – Kätzin mit schildpattfarbenem und schwarz-weißem Fell
Älteste
ZEDERNHERZ – dunkelgrauer Kater
 
MOHNBLÜTE – langbeinige, hellbraun gescheckte Kätzin
WINDCLAN  
windclan.jpg
Anführer
KURZSTERN – braun gescheckter Kater
Zweite
Anführerin
ASCHENFUSS – graue Kätzin
Heiler
FALKENFLUG – grau gescheckter Kater
Krieger
KRÄHENFEDER – rauchgrauer, fast schwarzer Kater mit blauen Augen
 
EULENBART – hellbraun getigerter Kater
 
BARTNASE – hellbrauner Kater
 
HELLSCHWEIF – kleine, weiße Kätzin
 
NACHTWOLKE – schwarze Kätzin
 
RENNPELZ – roter Kater mit weißen Pfoten
 
HASENSPRUNG – braun-weißer Kater
 
HEIDESCHWEIF – hellbraune Tigerkätzin mit hellblauen Augen; Mentorin von WICKENPFOTE
 
WINDPELZ – schwarzer Kater mit bernsteinfarbenen Augen; Mentor von BROCKENPFOTE
 
GRASBART – hellbraun getigerter Kater
 
SCHWALBENSCHWEIF – dunkelgraue Kätzin
 
SONNENSTRAHL – schildpattfarbene Kätzin mit weißer Blesse
Älteste
SPINNENFUSS – dunkelgrau getigerter Kater
 
FETZOHR – getigerter Kater
FLUSSCLAN  
flussclan.jpg
Anführerin
NEBELSTERN – graue Kätzin mit blauen Augen
Zweiter
Anführer
SCHILFBART – schwarzer Kater; Mentor von HÖHLENPFOTE
Heilerin
MOTTENFLÜGEL – schöne, golden gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen; Mentorin von MAULBEERGLANZ
Krieger
LACHSBACH – hellgrau getigerte Kätzin
 
MINZFELL – hellgrau getigerter Kater
 
EISFLÜGEL – weiße Kätzin mit blauen Augen
 
FISCHFLOSSE – dunkelgraue Kätzin; Mentorin von ALGENPFOTE
 
KIESELFUSS – grau gescheckter Kater
 
FLITZSCHWEIF – hellbraun getigerter Kater
 
MALVENNASE – hellbraun getigerter Kater
 
DROSSELFLUG – schildpattfarben-weißer Kater
 
KÄFERBART – braun-weiß getigerter Kater
 
BLÜTENFELL – grau-weiße Kätzin
 
WIESENFELL – hellbrauner Kater
Königinnen
DÄMMERFELL – braun getigerte Kätzin
 
MOOSPELZ – schildpattfarbene Kätzin mit blauen Augen
Älteste
TUPFENNASE – grau getupfte Kätzin
 
SPRINGSCHWEIF – goldbraun-weißer Kater
KATZEN AUSSERHALB DER CLANS
SOL – braun- und schildpattfarbener Kater mit langem Fell und blassgelben Augen
katzen.jpg
PROLOG
Brombeergestrüpp raschelte am Waldrand, als eine Katze ins Freie trat. Wachsame Augen huschten von einer Seite zur anderen, dann schritt die Katze über einen breiten Wiesenstreifen auf einen Waldgürtel in der Ferne zu. Die strahlende Sonne der Blattfrische schien auf eine Landschaft aus Feldern und Hecken herab. Zweibeinerbaue drängten sich neben einem Donnerweg.
Für die frühe Blattfrische war es heiß, und die Katze schnippte verärgert mit den Ohren, weil Fliegen um sie herumsurrten. Unter den Bäumen wird es kühler sein, dachte der Reisende und blieb kurz stehen, um die müden Pfoten zu lockern. Und jetzt ist es auch nicht mehr weit. Gleich hinter der Hügelkette …
Aber bevor die Katze den einladenden Schatten des Waldes erreichte, sprang laut fauchend eine zweite Katze unter einer Hecke hervor: ein schlanker, muskulöser Kater mit grauem Pelz und einem zerfetzten Ohr.
»Was hast du hier zu suchen?«, wollte der Kater wissen. »Wenn du dich ausruhen willst, dann sieh dich nach einem anderen Platz um. Hier wohne ich. Und die Beute in dieser Gegend gehört mir auch.«
Die fremde Katze blieb stehen und musterte den Kater aus schmalen Augen von oben bis unten. »Du wohnst hier? Willst du damit sagen, dass du in dieser Hecke lebst?«
»Nein, ich komme von dem Bauernhof da drüben.« Der Kater deutete mit dem Schwanz auf einen großen Zweibeinerbau, der die Hecke nur ein wenig überragte. »Und ich mag keine Fremden. Mach, dass du weiterkommst, sonst helfe ich nach.« Er fletschte die Zähne und ließ die Krallen ausfahren, sein struppiges, wolkengraues Fell sträubte sich vor Zorn.
Der Reisende zuckte zurück. Es ist schon eine Weile her, dass ich meine Kampftechniken eingesetzt habe … Aber von diesem räudigen Fellbündel lasse ich mir keine Angst einjagen. »Ich bin nur auf der Durchreise. Ich werde mich nicht an deiner kostbaren Beute vergreifen.«
Die Hofkatze schnaubte verächtlich und legte den Kopf schief. »Bist du eine der Katzen vom See?«
Ein misstrauischer Ton lag in der Stimme des Reisenden. »Warum fragst du?«
»Weil hier schon einige entlanggelaufen sind«, antwortete der graue Kater. »Aber sie haben mich nicht bemerkt. Dafür habe ich gesorgt. Und ich habe sie von den Bergen sprechen hören.« Er rollte mit den Augen. »Wer würde so weit laufen wollen? Finden sie da, wo sie wohnen, nicht genug zu essen?«
»Vielleicht suchen sie gar nichts zu essen.« Ein ironischer Unterton lag in der Stimme der ersten Katze. »Es gibt auch noch andere Dinge im Leben, musst du wissen.«
Die Hofkatze setzte sich und kratzte sich mit einer Hinterpfote am Ohr. »Und was sollte das sein?«, miaute er verächtlich. »Zu den Sternen hochstarren und sich vorstellen, dass die Ahnen auf dich runterblicken?« Da sich der Reisende zu wundern schien, fuhr er fort: »Ich habe viele Geschichten darüber gehört, was da hinter den Hügeln geschieht. Solange sie mich in Ruhe lassen, ist es mir gleich, was diese Katzen anstellen. Von mir aus …«
»Na klar«, unterbrach ihn der Reisende, schob sich an der Hofkatze vorbei und tappte weiter. »Solange sie dir keine Beute stehlen.«
Der graue Kater sprang auf die Pfoten und folgte ihm. »Du gehörst auch zu ihnen, oder?«, fragte er, als er ihn eingeholt hatte. »Irgendwo hab ich dich doch schon mal gesehen.«
»Kann schon sein.« Die Schnurrhaare der fremden Katze zuckten. »Ist aber schon lange her.«
»Wo bist du gewesen?« Die Hofkatze war neugierig. »Hast du dich verlaufen?«
»Oh nein.« Der Fremde hörte sich etwas belustigt an. »Ich weiß immer, wo ich bin.«
Der Hofkater blieb zurück, beobachtete die Katze, die auf die Bäume zulief. Dann schüttelte er den Kopf, sprang zum Bauernhof zurück und verschwand mit einem Schwanzschnippen unter der Hecke.
Der Reisende erreichte den Waldrand und sah sich nach einer geeigneten Stelle für ein Nest um, aber seine Pfoten kribbelten vor Ungeduld und irgendwie sagte ihm keine Kuhle oder Spalte zwischen den Baumwurzeln so richtig zu. Eine Maus trippelte unter einem Busch hervor, knabberte heruntergefallene Grassamen. In Erinnerung an längst vergessene Lektionen duckte sich der Reisende, sprang und tötete die Maus mit einem schnellen Schlag. Aber so ganz ohne Leben sah der schlaffe Körper unappetitlich aus. Die Katze ließ die Beute liegen und scharrte ein paar Pfoten Erde darüber.
Die Dämmerung brach herein, als sich der Reisende wieder in Bewegung setzte, jetzt rascher durch die spärlichen Bäume und den Hügel hinauf.
Es ist lange her. Ob die Katzen, an die ich mich besonders gut erinnern kann, wohl noch da sind?
Im schwindenden Tageslicht ließ er den Wald hinter sich und lief über hartes Moosgras weiter bis zum Kamm des Hügels. Unten spiegelte sich die scharlachrote Sonne im See und färbte das Wasser rot wie Blut. Über seinem Kopf schimmerten die ersten SternenClan-Krieger am Himmel.
Der Reisende nahm einen tiefen Atemzug. Ich bin zurück. Meine Rache kann beginnen.
katzen.jpg
1. KAPITEL
Beim Aufwachen verschwand Häherfeders Traum in der Dunkelheit und er gähnte ausgiebig. Sein ganzer Körper fühlte sich schwer an. Er setzte sich auf in seinem Nest und kam sich vor, als würde er von unsichtbaren Efeuranken wieder zu Boden gezerrt. Für die späte Blattfrische war die Luft ungewöhnlich heiß, erfüllt von Beutedüften und üppig grünem Pflanzenwuchs. Lärm drang durch den Brombeervorhang, der den Heilerbau vom restlichen Felsenkessel abschirmte: Pfotenschritte und das aufgeregte Murmeln vieler Katzen, die sich für die ersten Patrouillen des Tages versammelten.
Häherfeder konnte die Erregung seiner Clan-Gefährten nicht teilen. Obwohl ein Mond vergangen war, seit er mit ihnen vom Besuch bei den Stammeskatzen zurückgekehrt war, fühlte er sich innerlich kalt und leer. Sein Kopf war erfüllt von Bildern aus den Bergen, endlosen schneebedeckten Gipfeln, die sich bis zum Horizont erstreckten, scharfen Zacken vor dem eisblauen Himmel. Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, als das Bild einer weißen Katze vor seinem geistigen Auge erschien. Mit ihren grünen Augen warf sie ihm einen langen, traurigen Blick zu, dann wandte sie sich ab und tappte auf dem Bergkamm über einem tosenden Wasserfall davon.
Häherfeder schüttelte den Kopf. Was ist bloß los mit mir? Das alles war vor langer, langer Zeit. Mein Leben hat sich stets hier bei den Clans abgespielt. Warum schmerzt dieser Verlust immer noch so sehr?
»Hallo, Häherfeder.« Wurzellichts Stimme klang gedämpft und hohl, weshalb Häherfeder annahm, dass sie den Kopf in den Felsspalt gesteckt haben musste, wo er seine Kräuter aufbewahrte. »Endlich bist du aufgewacht.«
Häherfeder antwortete mit einem Brummen. Wurzellicht war sein nächstes Problem. Er konnte nicht vergessen, was ihm Löwenglut nach seiner Rückkehr aus den Bergen berichtet hatte: Wurzellicht war wegen ihrer gelähmten Hinterläufe, die sie in den Felsenkessel bannten, so deprimiert gewesen, dass sie ihren Bruder Hummelstreif überredet hatte, sie in den Wald zu schleppen, um nach Kräutern zu suchen.
»Ein Hund ist dort frei herumgelaufen«, hatte ihm Löwenglut erzählt. »Selbst eine Katze mit vier gesunden Beinen hätte ihm nur schwer entkommen können. Unkenfuß und ich mussten ihn weglocken, sonst hätte er Wurzellicht in Stücke gerissen.«
»Mäusehirn!«, hatte Häherfeder geschimpft. »Wie konnte sie sich so in Gefahr bringen?«
»Weil sie fest davon überzeugt ist, dass sie niemandem nützt«, erklärte Löwenglut. »Kannst du ihr nicht mehr zu tun geben? Rußherz und ich haben ihr versprochen, dass wir eine echte Aufgabe im Clan für sie finden.«
»Wie konntet ihr so etwas tun, ohne vorher mit mir zu reden?«, warf Häherfeder ein. »Erwartest du etwa von mir, dass ich sie zu meiner Schülerin mache? Das habe ich nämlich ganz bestimmt nicht vor!«
»So habe ich das nicht gemeint«, miaute Löwenglut und seine Schwanzspitze zuckte verärgert. »Aber du könntest doch ein paar interessantere Aufgaben für sie finden, oder?«
Zögernd hatte sich Häherfeder auf den Vorschlag seines Bruders eingelassen. Er musste zugeben, dass Wurzellicht schnell lernte. Gezwungenermaßen lebte sie schon so lange im Heilerbau, dass sie bereits eine Menge aufgeschnappt hatte.
Eigentlich stellt sie sich gar nicht so dumm an, gestand er sich ein. Ihre Pfoten sind schnell und geschickt, wenn sie die Kräuter sortiert, und wenn sie welke Blätter im Teich einweicht, bleiben alle heil.
»Häherfeder?« Wurzellichts Stimme riss Häherfeder aus seinen Gedanken. Er hörte sie herumwuseln, dann ertönte ihre Stimme deutlicher; anscheinend hatte sie den Kopf aus der Spalte gezogen. »Alles in Ordnung mit dir? Du hast dich die ganze Nacht hin und her gewälzt.«
»Mir geht’s gut«, brummelte Häherfeder, der seinen quälenden Träumen nicht länger nachhängen wollte.
»Es ist kaum noch Ringelblume da«, fuhr Wurzellicht fort. »Wir haben viel für Taubenflug und ihre Wunden verbraucht, mit denen sie aus den Bergen zurückgekommen ist. Soll ich Lichtherz bitten, Nachschub zu sammeln?«
»Nein, das mache ich selbst«, erklärte Häherfeder missmutig.
»Gut.« Wurzellicht war anzuhören, dass sie sich die Laune nicht verderben lassen wollte. »Dann sortiere ich jetzt weiter Kräuter. Ach so, eins noch …«
Häherfeder hörte, wie sich die junge Kätzin über den Boden zu seinem Nest schleppte und ihm etwas hinschob. »Würdest du das wegwerfen, wenn du am Schmutzplatz vorbeikommst?«, fragte sie. »Es hat ganz hinten im Kräuterlager gesteckt.«
Häherfeder reckte den Hals, bis seine Nase einen mit Blattresten übersäten Fellfetzen berührte. Er schnupperte daran und erkannte den leichten Duft.
»Wer wohl einen alten Fellrest zwischen den Kräutern aufhebt?«, fuhr Wurzellicht fort. »Der muss da schon ewig rumliegen. Ich kenne weder den Geruch noch die Farbe.«
Häherfeder antwortete nicht sofort. Er atmete den Duft seiner verschwundenen Schwester ein, überwältigt von der Sehnsucht nach jener Zeit, in der er mit Distelblatt und Löwenglut zusammen gespielt und trainiert hatten. Das war, bevor sie von der Prophezeiung erfuhren und dass sie von Eichhornschweif und Blattsee belogen worden waren.
Ich weiß nicht, wie Distelblatts Fell ins Kräuterlager gekommen ist, aber ich hätte es damals, als ich es gefunden habe, gleich wegwerfen sollen, damit es von keiner anderen Katze entdeckt wird.
»Ich wüsste gern, wo das Fell herkommt«, miaute Wurzellicht. »Vielleicht war eine Katze von einem fremden Clan hier drin, um Kräuter zu stehlen.« Sie unterdrückte ein amüsiertes Schnurren. »Oder ein Junges hat es gefunden und versteckt.«
»Woher soll ich das wissen?«, blaffte Häherfeder verärgert, weil er aus seinen Erinnerungen gerissen worden war. »Deine Fantasie geht mit dir durch.«
Er drehte sich um, damit Wurzellicht nicht sehen konnte, was er tat, und versteckte den Pelzfetzen tief unter dem Moos in seinem Nest, dann erhob er sich auf die Pfoten. »Ich mache mich jetzt auf die Suche nach Ringelblumen«, miaute er und verließ den Bau.
Er war erst wenige Schritte über die Lichtung gelaufen, als ihm der Geruch von Hummelstreif entgegenströmte, der angesprungen kam. »Ich wollte gerade zu dir«, platzte Hummelstreif heraus. »Ich mache mir Sorgen um Taubenflug.«
»Warum? Was ist denn los? Ihre Kratzer sind doch verheilt, oder?«
»Das ist es nicht. Sie hat immer wieder schlimme Träume – gestern Nacht schon wieder. Sie ist schreiend aufgewacht und hat etwas von riesigen Vögeln und Schnee gemurmelt.«
Häherfeder konnte sich nur mühsam beherrschen. Natürlich war es schlimm gewesen, als sie mitansehen musste, wie Sturz von einem Adler verschleppt worden ist. Aber da muss Taubenflug eben durch.
»Woher weißt du das?«, fragte er Hummelstreif.
»Direkt über meinem Nest im Kriegerbau ist ein Leck«, antwortete der junge Kater. »Und einen anderen Platz gibt es dort nicht, also bin ich für ein paar Nächte zu Taubenflug und Efeusee in den Schülerbau umgezogen. Und Taubenflug hat jede Nacht diese entsetzlichen Träume. Gibt es denn keine Kräuter, mit denen du ihr helfen kannst?«
Hummelstreifs tiefe Besorgnis rollte in Wellen auf Häherfeder zu. »Erinnerungen kann man nicht mit Kräutern auslöschen«, miaute er. »Man muss einfach lernen, mit ihnen zu leben.« Müssen wir das nicht alle?
»Aber …«, hob Hummelstreif an.
Brombeerkralles Stimme schallte über die Lichtung und schnitt ihm das Wort ab. »He, Hummelstreif! Warum bist du nicht bei der Jagdpatrouille? Ampferschweif wartet schon.«
»Komme schon!«, rief Hummelstreif zurück. »Mach’s gut, Häherfeder!« Er sprang davon.
Häherfeder lief Richtung Schülerbau, wo Taubenflug und Efeusee schliefen, seit es im Kriegerbau zu voll geworden war. Doch dann blieb er stehen, als er merkte, dass Brombeerkralle schon vor ihm dort angekommen war.
»Efeusee, Taubenflug, aufwachen!«, jaulte der Zweite DonnerClan-Anführer zum Eingang hinein. »Ihr habt schon wieder verschlafen.«
Häherfeder hörte gedämpften Protest und einige Herzschläge später taumelten die beiden ins Freie.
»Wie seht ihr denn aus?«, miaute Brombeerkralle mit verärgerter Stimme. »Solche ungepflegten Pelze habe ich noch nie gesehen! Habt ihr die ganze Nacht gejagt?«
Häherfeder konnte sie zwar nicht sehen, aber seine zuckende Nase witterte ihr staubiges, zerzaustes Fell. Außerdem konnte er spüren, dass sich die beiden Katzen fürchteten. Er wusste genau, warum sie nicht gut schliefen. Von Taubenflugs schlechten Träumen hatte ihm Hummelstreif gerade erzählt, und Efeusee besuchte den Wald der Finsternis, wo sie mit den Katzen trainierte, die der SternenClan verstoßen hatte.
Wenn sie mir bloß mehr darüber erzählen würde, was dort passiert, dachte Häherfeder. Aber nein – sie sagt bloß, dass sie es mich wissen lassen wird, wenn irgendetwas Wichtiges geschieht.
»Vielleicht sollte ich sie in meinem Bau untersuchen«, schlug er Brombeerkralle vor, wobei er auf eine Gelegenheit hoffte, vertrauliche Informationen aus den beiden herauszubekommen. »Vielleicht sind sie krank …«
Häherfeder sprach nicht weiter, als er merkte, dass ihm keine Katze zuhörte. Leichte Pfotenschritte kündigten Weißflug an.
»Brombeerkralle, du darfst ihnen nicht böse sein!«, miaute sie. »Sie müssen so schwer arbeiten, weil wir doch gerade keine Schüler haben.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Ich werde ihnen heute bei ihren Aufgaben helfen.«
»Du wirst bei einer Grenzpatrouille gebraucht«, erklärte Brombeerkralle.
»Und meine Töchter brauchen mich hier«, antwortete Weißflug bestimmt. »Bei der Grenzpatrouille kann mich eine andere Katze vertreten.«
Brombeerkralle schnaubte missbilligend. »Also gut«, brummelte er und stolzierte davon.
»So, jetzt bringt eure Pelze in Ordnung«, miaute Weißflug und schrubbte Efeusee geschäftig mit der Zunge zwischen den Ohren.
»Lass das!«, protestierte Efeusee. »Ich bin doch kein Junges mehr!«
»Für mich wirst du immer ein Junges bleiben«, erklärte ihr Weißflug und wandte sich mit ebenso energischer Zunge Taubenflug zu, die wütend zurücksprang. »Ich bin eine Kriegerin! Ich kann mich allein putzen!«
»Dann tu es auch. Wir müssen Moospolster für die Ältesten sammeln«, setzte Weißflug hinzu, während sich ihre Töchter eilig die Pelze glätteten. »Und, beim SternenClan, passt bloß auf, dass keine Dornen in Charlys Nest landen, sonst müssen wir uns seine endlosen Tiraden anhören. Auf geht’s!«
Sie scheuchte sie zum Lagerausgang, aber bevor sie beim Dornentunnel ankamen, tauchte Feuerstern mit der Morgenpatrouille auf. Die Gerüche seiner Clan-Gefährten überfluteten Häherfeders Nase. Brombeerkralle kam ihnen über die Lichtung entgegengesprungen, gleich dahinter Borkenpelz, Wolkenschweif und Lichtherz. Fuchssprung hob beim Frischbeutehaufen den Kopf, zwischen seinen Zähnen baumelte eine Maus. Dann kam Beerennase mit wichtiger Miene angetrabt, Eichhornschweif und Blattsee folgten ihm etwas langsamer.
Maulwurfjunges und Kirschjunges schossen aus der Kinderstube, hoppelten auf die Lichtung hinaus und stürzten sich auf Beerennases Pfoten, worauf er stolperte.
»Vorsicht!«, miaute er sanft, fand sein Gleichgewicht wieder und legte den Schwanz um seine beiden aufgeregten Jungen.
Beerennase kann eine echte Nervensäge sein, überlegte Häherfeder. Wie kommt es, dass er ein so nachsichtiger Vater ist?
»Plant der SchattenClan einen Angriff?«, piepste Maulwurfjunges. »Dürfen wir kämpfen gehen?«
»Ich hab eine Spitzentechnik gelernt!«, rief Kirschjunges, sprang auf ein Blatt und zerfetzte es mit ihren winzigen Krallen.
»Ihr geht natürlich nicht kämpfen!« Keuchend hatte Mohnfrost ihre Jungen eingeholt. »Ihr seid ja noch nicht einmal Schüler!«
Brombeerkralle wich den Jungen aus und blieb vor Feuerstern stehen. »Gibt es Neuigkeiten?«, fragte er.
»Nein, alles ist ruhig«, hörte Häherfeder seinen Anführer antworten. »Anscheinend leben alle Clans friedlich nebeneinander.«
»So ist es«, bestätigte Dornenkralle. Der getigerte Kater hatte hinter Feuerstern das Lager betreten. »Alles deutet darauf hin, dass sich WindClan und SchattenClan nur der Grenze genähert haben, wenn sie ihre Geruchsmarkierungen erneuern mussten.«
»Das sind gute Nachrichten!«, rief Lichtherz aus.
Häherfeder war sich da nicht so sicher. Er wusste, dass die Clans wegen der tiefen Zerwürfnisse zwischen den SternenClan-Kriegern unter sich blieben. Die Ahnen hatten jede Katze gewarnt, sich von fremden Clans fernzuhalten, niemandem außer den eigenen Clan-Gefährten zu trauen und sich auf etwas Entsetzliches vorzubereiten, das wie eine Gewitterwolke am Horizont immer näher rückte.
Die drei Katzen, die in der Prophezeiung erwähnt werden, gehören jedenfalls zum DonnerClan, dachte Häherfeder. Drei werden es sein, Blut von deinem Blut. Sie halten die Macht der Sterne in ihren Pfoten. Ich, Löwenglut und Taubenflug, wir sind alle beim selben Clan. Das muss uns alle doch sicherer machen, oder nicht?
Er ließ die Krallen spielen. Seine Pfoten fühlten sich nach der schlaflosen Nacht nicht besonders kräftig an, aber bis zu der Stelle über dem Felsenkessel, wo die Ringelblumen wuchsen, würden sie ihn schon tragen. Er musste an eine weitere Prophezeiung denken, die er vor einem knappen halben Mond beim Stamm der ewigen Jagd gehört hatte. Plötzlich fand sich Häherfeder auf dem finsteren, windigen Berggipfel wieder, umringt von toten Katzen, die ihre glühenden Augen auf ihn richteten. Noch einmal glaubte er das Flüstern einer endlosen Reihe von Steinsagern zu hören.
Das Ende der Sterne rückt näher. Drei müssen vier werden, um die ewige Finsternis zu besiegen.
Häherfeder erwachte aus seiner Trance und wurde sich der Geräusche und Gerüche des DonnerClan-Lagers wieder bewusst.
Wie sollen wir die vierte Katze erkennen? Wir hatten schon genug Schwierigkeiten, die ersten drei zu finden. Und diese neue Prophezeiung verrät uns nicht, ob sie auch mit Feuerstern verwandt ist. Häherfeder unterdrückte ein verzweifeltes Fauchen. Es könnte jede Katze aus den Clans sein!
katzen.jpg
2. KAPITEL
Efeusee folgte Weißflug bis zu einem kleinen Bach, nicht weit vom Lager entfernt, dort blieben sie stehen. Die Bäume waren dicht belaubt und das hohe, üppige Gras der Blattgrüne kühlte Efeusees müde Pfoten. Dem SternenClan sei Dank! Sie atmete erleichtert auf. Jedes Haar in meinem Pelz tut weh.
In der vergangenen Nacht hatte sie eine anstrengende Trainingsstunde mit Sonnenstrahl und Rotweide hinter sich gebracht. Habichtfrost hatte Aufsicht geführt und nicht nachgelassen, bis alle drei Katzen von den Krallen ihrer Gegner gezeichnet waren. Jetzt fühlte sich Efeusees Körper wie eine einzige riesige Wunde an und nach einem wohlgezielten Schlag hörte sie auf einem Ohr nichts als lautes Pfeifen.
Ein Seitenblick auf ihre Schwester sagte Efeusee, dass sie genauso erschöpft war wie sie. Häherfeder hätte Taubenflug niemals mit in die Berge nehmen dürfen, dachte sie wütend. Nicht auszudenken, wenn der Adler sie fortgetragen hätte, wo sie für den Clan doch so wichtig ist!
»Ruhen wir uns ein bisschen aus«, schlug Weißflug jetzt mitfühlend vor. »Trinkt etwas und putzt euch gründlich.«
Efeusee hörte die Besorgnis in der Stimme ihrer Mutter. Ich weiß, dass sie sich Sorgen um uns macht, auch wenn sie behauptet, sie wolle uns nur bei unseren Pflichten helfen.
»Nein, lass nur, wir fühlen uns großartig«, miaute Taubenflug, straffte ihre Schultern und hob den Kopf, in dem Bemühen, hellwach auszusehen. »Lass uns weitergehen. Nicht weit von hier gibt es gutes Moos.«
»Ihr fühlt euch beide alles andere als großartig«, widersprach Weißflug, zögerte kurz und setzte dann hinzu: »Ich weiß, dass euch etwas bedrückt. Ich werde euch nicht drängen, mir zu sagen, was es ist, wenn ihr das nicht wollt. Aber vergesst nicht, dass ich eure Mutter bin. Was ihr mir auch erzählt, nichts kann mich erschüttern, denn ich werde euch immer lieben.«
Efeusee zuckte mit den Ohren. Ich wette, ich könnte dir das Gegenteil beweisen.
Aber sie schwieg, freute sich, dass sie im tiefen, kühlen Gras sitzen und sich entspannen durfte, während ihr Weißflug mit langen, rhythmischen Zungenstrichen half, das Fell zu glätten. Nach ihren Besuchen im Wald der Finsternis, wo sie keiner Katze trauen konnte und immer auf der Hut sein musste, fühlte es sich gut an, umsorgt zu werden.
»Ich habe gestern Nacht schlecht geträumt«, gestand Taubenflug und reckte den Hals, um ein verfilztes Fellbüschel an der Schulter zu entwirren. »In meinem Traum war ich wieder in den Bergen. Sturz wurde von einem Adler fortgetragen.«
»Du musst versuchen, nicht mehr daran zu denken«, miaute Weißflug sanft, wandte sich Taubenflug zu und half ihr den Fellknoten zu lösen. »Du weißt doch, dass es am See keine Adler gibt.«
Und falls doch, dachte Efeusee, würde Taubenflug sie früher hören als jede andere Katze.
Weißflug ließ von Taubenflug ab, erhob sich auf die Pfoten und streckte sich ausgiebig. Efeusee stand ebenfalls auf, dann sah sie, dass Taubenflug immer noch am Bach saß, den Kopf schüttelte und sich mit der Pfote ans Ohr tippte, als ob etwas darin stecken geblieben wäre.
Mit einem Seitenblick auf Weißflug, die den Kopf abgewandt hatte, beugte sich Efeusee zu ihrer Schwester und flüsterte ihr leise ins Ohr: »Ist was? Funktionieren deine Sinne immer noch nicht richtig?«
»Nein … Ich kann nach wie vor nicht richtig hören!« Taubenflugs blaue Augen schauten besorgt. »Dich und Weißflug und alles um uns herum kann ich zwar verstehen, aber mehr bekomme ich nicht mit. Alles andere ist bloß Lärm und Geschrei und heulender Wind.«
Efeusee berührte ihre Schwester mit der Nase an der Schulter. »Das kommt sicher von den vielen Eindrücken aus den Bergen«, miaute sie. »Du hast gesagt, dass es hinter dem Kamm über dem WindClan viel lauter war. Bestimmt wird das bald besser.«
»Darauf hoffe ich schon die ganze Zeit«, flüsterte Taubenflug. »Aber es geht jetzt schon einen ganzen Mond lang so. Ich komme mir so nutzlos vor.«
»Ach was!« Efeusee schüttelte den Kopf. »Das darfst du gar nicht erst denken!«
Taubenflug seufzte. »Aber ich fühle mich wie taub.«
»Nein, du bist nur normal«, versicherte ihr Efeusee. »Du …«
Sie brach ab, als sich Weißflug umdrehte. »Wir sollten uns in Bewegung setzen!«, rief sie. »Wir müssen das Moos sammeln und dann will ich noch ein bisschen für die Ältesten jagen.«
Sie sprang davon in Richtung See. Efeusee wechselte einen Blick mit Taubenflug, dann folgten beide. Als sie bei der knorrigen Eiche mit den dicht bemoosten Wurzeln angekommen waren, sah Efeusee, dass sich in der Nähe zwischen den Bäumen etwas bewegte. Ihr Nackenfell sträubte sich. Sie straffte die Muskeln, bereit, einen möglichen Eindringling anzugreifen, entspannte sich dann aber, als sie erkannte, dass es Häherfeder war. Sie wunderte sich immer wieder, wie sicher sich die blinde Heiler-Katze durchs Unterholz bewegte.
Weißflug war stehen geblieben und spähte zwischen den Bäumen zu Häherfeder hinüber. »Er sollte nicht allein hier rumlaufen«, miaute sie leise. »Efeusee, geh und sieh nach, ob er Hilfe braucht.«
Efeusee zögerte. Sie wollte nicht mit Häherfeder allein sein, denn er wartete nur auf eine Gelegenheit, sie über den Wald der Finsternis auszufragen.
»Geh schon!« Weißflug deutete mit einem Schwanzschnippen auf Häherfeder. »Er mag ein bisschen launisch sein, er ist aber sicher trotzdem froh, wenn du ihm hilfst.«
Und Igel lernen fliegen! Efeusee tappte hinter der Heiler-Katze her.
»Viel Glück!«, flüsterte Taubenflug ihr nach.
Efeusee beschleunigte ihre Schritte, folgte Häherfeders schlanker Gestalt um einen Nesselfleck herum. »Hallo«, miaute sie, als sie ihn eingeholt hatte. »Weißflug hat mich geschickt. Ich soll dich fragen, ob du Hilfe brauchst.«
Häherfeder zuckte mit einem Ohr, als wäre eine Fliege darauf gelandet. »Nein«, antwortete er schlicht.
Großartig! Dann kann ich wieder Moos sammeln gehen! Aber Efeusee wusste genau, dass sie bei Weißflug damit niemals durchkommen würde. »Dann lass mich wenigstens ein bisschen neben dir herlaufen«, drängte sie. »Sonst werde ich bloß gleich wieder zu dir zurückgeschickt.«
Häherfeder schnaubte. »Also gut. Aber denk gar nicht erst dran, mich zu führen. Ich habe mich schon in diesem Wald zurechtgefunden, als du noch nicht mal geboren warst. Ich will bloß oben über dem Felsenkessel ein paar Ringelblumen sammeln«, ergänzte er. »Es gibt ein paar gute Stellen an der Böschung über der Felswand, wo die Bäume nicht so dicht stehen und die Sonne bis zum Boden durchdringt.«
Efeusee wunderte sich, dass die Heiler-Katze eine Stelle so gut beschreiben konnte, die sie nie gesehen hatte. Sie tappte neben ihm über raues Gelände um die Klippe herum, wo Steine aus der Erde aufragten und sich Wurzeln über den Boden schlängelten, wie gemacht, um darüber zu stolpern. Bald hatten sie den Rand erreicht und Efeusee blickte in den Kessel hinab. Schaudernd erinnerte sie sich an ihre Vision von Blut und kämpfenden Katzen, und erneut fragte sie sich, ob das ein Omen der Zerstörung ihres Clans gewesen war.
Häherfeder entfernte sich wieder von der Klippe und folgte einem steileren Pfad durch dichtes Brombeergestrüpp. Efeusee musste sich tief unter den Ranken hindurchducken, die über den Pfad wuchsen. Damit war sie so sehr beschäftigt, dass sie Häherfeder beinahe von hinten gerammt hätte, der angewidert fauchend stehen geblieben war.
Die Heiler-Katze hatte sich in einer Brombeerranke verfangen. Efeusee streckte eine Pfote aus und wollte den Zweig wegzerren, entschied sich aber dann dagegen. Wenn ich ihm jetzt helfe, kriege ich seine Krallen zu spüren, und die sind schlimmer als Brombeerranken!
Leise vor sich hin brummelnd, hob Häherfeder eine Pfote und schlug damit ungeschickt nach der Ranke. Nach einer Weile hatte er sich befreit und kroch weiter, ein getigertes Fellbüschel blieb bei den Dornen zurück. Als die nächste Ranke mit ihren Dornen an seiner Flanke hängen blieb, riss er sich los, ohne anzuhalten.
Efeusee war froh, als sie das Gestrüpp hinter sich ließen und auf eine kleine Lichtung traten. Sie lockerte ihre Muskeln, die heiße Sonne sickerte durch ihr Fell und von dem intensiven Duft nach Kaninchen lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
»Hier ist die Stelle«, miaute Häherfeder, »aber bei dem Kaninchengestank kann ich die Ringelblumen nicht riechen.«
Efeusee lief über die Lichtung und hielt nach den Pflanzen Ausschau. Außer abgeknabberten Stängeln und verstreuten Blättern, die bereits in der Sonne vertrockneten, war nichts zu entdecken.
»Oh nein!«, fauchte sie.
»Was ist los?«, erkundigte sich Häherfeder.
»Hier gibt es keine Ringelblumen mehr«, erklärte ihm Efeusee. »Jemand hat sie alle aufgefressen. Das müssen die Kaninchen gewesen sein – hier liegen überall ihre Köttel herum.«
Häherfeder näherte sich bereits den zerstörten Pflanzen, stieß seine Nase tief in die Überreste und schnupperte an den festen, dunklen Kötteln. »Was für eine Katastrophe!«, schimpfte er. »Ich habe versucht, beim Zweibeinernest zusammen mit den anderen Kräutern auch Ringelblumen zu ziehen, aber sie wachsen nur hier in der Sonne.«
Efeusee lief immer noch suchend über die Lichtung, fand aber keine Pflanzen, die von den Kaninchen verschont worden waren. Doch plötzlich schwebte der kräftige, süße Duft der Ringelblumen über ihrem Kopf. Verwundert blieb sie stehen.
Das riecht, als gäbe es hier eine Menge davon. Warum sehe ich sie nicht?
Efeusee prüfte mit offenem Maul die Luft und folgte dem Duft. Er führte sie zu einer Buche am Rand der Lichtung, wo der Geruch von den Ästen herabströmte.
»Pflanzen, die auf einem Baum wachsen?«, murmelte sie. »Das ist doch mäusehirnig!«
Trotzdem konnte Efeusee nicht leugnen, was ihre Nase ihr sagte. Immer noch verwundert, kletterte sie den Baum bis zum untersten Ast hinauf. Fest klammerte sie sich mit den Krallen an die Rinde, hockte da und starrte in eine kleine Kuhle zwischen Ast und Stamm. Regenwasser hatte sich dort gesammelt und darin steckten etliche Ringelblumen mit den Wurzeln im Wasser und waren so ganz frisch geblieben.
»Häherfeder!«, rief sie aufgeregt. »Ich habe Ringelblumen gefunden!«
Häherfeder drehte den Kopf und schien nicht zu wissen, woher ihre Stimme kam, dann sprang er zum Fuß des Baumes. »Da oben sind Pflanzen?« Seine Stimme war streng vor Ärger. »Wenn das ein Witz sein soll, dann …«
»Das ist kein Witz«, versicherte ihm Efeusee und beschrieb die Kuhle mit dem Wasser und den sorgsam arrangierten Pflanzen. »Ich werfe sie zu dir runter.«
»So etwas Verrücktes habe ich noch nie gehört«, fuhr Häherfeder fort, während Efeusee eine Pflanze nach der anderen aufnahm und hinabfallen ließ. »Beim SternenClan, wie sind die bloß da raufgekommen?«
»Vielleicht haben die Kaninchen sie hochgeschleppt, um sie für später aufzuheben?«, überlegte Efeusee.
»Hast du schon mal ein Kaninchen auf einen Baum klettern sehen?«, fragte Häherfeder vorwurfsvoll und schob die Stängel mit seinen Pfoten zu einem Haufen zusammen. »Eichhörnchen horten Nüsse«, ergänzte er nachdenklich. »Vielleicht ist das hier eines ihrer Lager.«
Seit wann fressen Eichhörnchen Ringelblumen? Efeusee wagte nicht, die Frage laut zu stellen. »Das ist wirklich seltsam«, miaute sie, ließ die letzte Pflanze fallen und kletterte vom Baum herunter.
Häherfeder teilte die Ringelblumen in zwei Bündel, sodass er und Efeusee je eines zum Lager tragen konnten. Dann tappte er über die Lichtung und schnupperte ein letztes Mal an den zerstörten Pflanzen. »Wir müssen uns etwas ausdenken, wie wir die Pflanzen schützen können, damit sie nachwachsen«, nuschelte er mit vollem Maul.
Efeusee fragte sich, wie sie das machen sollten. Einen Dornenwall um den Flecken herum zu errichten, wäre eine große Aufgabe und würde die Kaninchen wohl kaum abschrecken. Brombeergestrüpp war für Kaninchen im Wald kein Hindernis.
»Vielleicht könnten wir Fuchsgeruch herbringen«, schlug sie vor. »Der würde die Kaninchen verscheuchen.«
»Wie soll das denn gehen?«, fragte Häherfeder in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, dass er die Idee mäusehirnig fand.
Efeusee dachte eine Weile nach. »Wir könnten Fuchsdung nehmen … Es wäre eklig, ihn hierherzuschaffen, könnte aber klappen.«
»Und wo willst du den hernehmen?«, miaute Häherfeder. »Willst du dich vor einem Fuchs aufbauen und ihn bitten, sein Geschäft vor dir zu machen? Wird wohl kaum funktionieren.«
Efeusee rollte mit den Augen. Auch wenn Häherfeder unsere Heiler-Katze ist, kann er manchmal ein ziemliches Mäusehirn sein. »Alten Fuchsdung«, antwortete sie. »Du glaubst doch nicht etwa, ich würde in einen Fuchsbau kriechen, um frisches Zeug zu kriegen?« Den letzten Teil murmelte sie vor sich hin. Mit Häherfeder zu streiten, hatte keinen Sinn – irgendwie behielt er immer das letzte Wort.
Aber Häherfeder nickte. »Vielleicht hast du recht. Kannst du das genauer durchdenken, sobald wir die Pflanzen ins Lager gebracht haben?«
Efeusee seufzte. Großartig, dachte sie, während sie hinter Häherfeder den Pfad zurücklief. Warum kann ich meine große Klappe nicht halten?
Im Felsenkessel begleitete Efeusee Häherfeder zum Heilerbau, wo sie die Ringelblumen ablegten.
»Ihr habt etwas gefunden!«, jubelte Wurzellicht, schleppte sich durch den Bau und steckte ihre Nase zwischen die aromatischen Stängel. »Ich sortiere sie sofort und räum sie weg.«
»Danke, Efeusee.« Häherfeder nickte ihr kurz zu. »Du kannst dich jetzt um die Sache mit dem Fuchsdung kümmern.«
Mit angewidertem Naserümpfen tappte Efeusee auf die Lichtung zurück und blickte sich um. Sie wusste, dass sie noch einen Krieger überreden musste, der sie begleiten sollte. Nach Fuchsdung zu suchen, schloss die Möglichkeit ein, einem Fuchs zu begegnen, und sie wusste, dass sie sich Ärger einhandeln würde, wenn sie das Risiko allein einging. Die erste Katze, die ihr über den Weg lief, war Blumenfall, die aus dem Dornentunnel ins Lager gesprungen kam und eine Wühlmaus auf den Frischbeutehaufen fallen ließ.
»Hallo, Blumenfall«, miaute Efeusee und lief ihr entgegen. »Würdest du mitkommen und Fuchsdung suchen?«
Blumenfall starrte sie an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. Und das kann ich ihr kaum verdenken, dachte Efeusee missmutig. »Damit sich die Kaninchen nicht wieder an Häherfeders Ringelblumen vergreifen«, erklärte sie.
»Ich … tut mir leid, Efeusee, ich kann nicht«, antwortete Blumenfall nach kurzem Zögern. »Ich habe versprochen, Charly und Mausefell mit ihren Zecken zu helfen.« Sie eilte davon Richtung Ältestenbau.
Ach wirklich! Und warum hast du keine Mäusegalle gesammelt, wenn du Zecken wegmachen willst?
Anfangs dachte sie, Blumenfall hätte nur eine Ausrede gesucht, um einer unangenehmen und möglicherweise gefährlichen Aufgabe zu entkommen. Aber so ist sie normalerweise gar nicht … Nein, sie geht mir immer noch aus dem Weg, weil wir uns im Wald der Finsternis begegnet sind. Vielleicht merkt sie allmählich, wie schrecklich es da ist, und will deshalb nicht mit mir reden.
Erschrocken fuhr sie herum, als sich von hinten die Pfotenschritte einer anderen Katze näherten. Birkenfall, ihr Vater, kam angetrabt und ließ ein Eichhörnchen auf den Frischbeutehaufen fallen.
»Wie kannst du mich nur so erschrecken!«, keuchte sie.
Birkenfall zuckte mit den Ohren. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so leicht zu erschrecken bist, Efeusee.«
Efeusee fand diese Aussage ziemlich seltsam, hatte aber keine Zeit, darüber nachzudenken. »Ich muss Fuchsdung suchen, um Häherfeders Pflanzen vor den Kaninchen zu schützen«, miaute sie. »Würdest du mit mir kommen?«
»Kein Problem.« Birkenfall leckte sich kurz das Brustfell und sprang mit Efeusee zum Dornentunnel.
Im Wald übernahm Efeusee die Führung zur DonnerClan-Grenze und dem Wald hinter den Clan-Territorien. »Das dürfte der einzige Ort sein, wo noch Füchse leben«, erklärte sie. »Die Clans haben sie ziemlich erfolgreich verjagt.«
Birkenfall nickte. »Vor drei Nächten habe ich dir zugesehen«, miaute er nach einer kurzen Pause, »wie du mit Habichtfrost im Wald der Finsternis trainiert hast.«
Efeusee blieb stehen und starrte ihren Vater entsetzt an. Sie hoffte nur, dass er nicht hörte, wie laut ihr Herz klopfte. Für sie war schwer vorstellbar, dass DonnerClan-Katzen sich Tigerstern und den anderen Kriegern der Finsternis anschlossen, und wenn es sich um ihre eigene Familie handelte, schon gar nicht. Kann ich meinen eigenen Clan-Gefährten noch trauen? Außer Löwenglut, Taubenflug und Häherfeder könnten sie alle in den Wald der Finsternis gehen!
»Das war bei meinem ersten Besuch«, fuhr Birkenfall fort. »Ich habe dich zwischen den Bäumen erspäht.«
»Ich habe dich nicht bemerkt«, antwortete Efeusee, wobei sie versuchte, sich ihr Missfallen nicht anmerken zu lassen.
Birkenfalls Augen funkelten belustigt. »Nein, irgendwie warst du wohl zu beschäftigt.«
»Von dem, was ich dort lerne, kann ich manches gut gebrauchen«, miaute Efeusee vorsichtig.
Ihr Vater nickte, sein belustigter Blick wurde ernst. »Sie trainieren dort wirklich gut mit uns. So können wir den Clan stärken«, miaute er. »Bisher hatte ich gedacht, ich wäre so gut, dass ich nichts mehr lernen könnte, aber jetzt weiß ich, dass es immer Wege gibt, im Kampf für meinen Clan noch schlagkräftiger zu werden.«
Efeusee wollte nicht länger über den Wald der Finsternis reden. »Lässt sich vielleicht auch gegen Füchse einsetzen«, erklärte sie abschließend. »Riechst du schon was?«
Einen Moment lang musterte Birkenfall seine Tochter eindringlich und Efeusee kribbelte der Pelz unter seinem Bernsteinblick. Dann hob er den Kopf und prüfte mit offenem Maul die Luft. »Nein«, miaute er. »Wir müssen näher an die Grenze.«
Als Efeusee mit Birkenfall die Duftmarkierungen der DonnerClan-Grenze überquerte und den unbekannten Wald betrat, fühlte sie sich noch unbehaglicher. Der Boden war hier holprig, in den Löchern lag feuchtes, modriges Laub und zwischen den Grasbüscheln guckten Steine heraus. Die Bäume standen dichter, ausladende Äste nahmen ihnen das Licht. Fest davon überzeugt, dass sie beobachtet wurde, fröstelte Efeusee und wirbelte herum, konnte aber nirgendwo im Unterholz oder in den Zweigen über sich Augen leuchten sehen.
»Fuchs!«, rief Birkenfall mit zufriedener Stimme. »Und gar nicht weit weg, würde ich sagen. Hier entlang.«
Efeusee folgte ihm um eine Gruppe von Farnen herum. Sie fühlte sich nach wie vor beobachtet und spähte immer wieder über die Schulter hinter sich, aber ihre Blicke in die Schatten waren vergebens.
»Autsch!« Entsetzt jaulte sie auf. Brombeerranken umschlangen sie, Dornen verhakten sich in ihrem Pelz. Ein paar Herzschläge lang zappelte sie wild, sah Füchse vor ihrem geistigen Auge nur darauf warten, dass sie aufgab und zur leichten Beute wurde.
»Halt doch still«, meldete sich Birkenfalls Stimme an ihrer Seite. »Wirklich, Efeusee, du hast wie ein Junges auf seinem ersten Ausflug aus dem Lager dauernd hinter dich geschaut. Hast du das Brombeergestrüpp vor dir denn nicht gesehen?«
»Doch, natürlich«, brummelte Efeusee. »Ich bin bloß so zum Spaß reingelaufen.« Dann fuhr sie mit lauter Stimme fort: »Hilf mir raus, Birkenfall. Ich will hier nicht hängen bleiben, bis ein Fuchs vorbeikommt.«
Ihr Vater machte sich daran, die dornigen Zweige von ihr wegzuzerren, und bald konnte sich Efeusee allein herauswinden. An den Ranken hingen einige silberweiße Fellbüschel.
»Sieht aus, als hätte es geschneit«, miaute Birkenfall mit einem amüsierten Schnauben. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Alles gut, danke.«
»Dann lass uns weitergehen und, beim SternenClan, pass diesmal auf, wo du deine Pfoten hinsetzt.«
Efeusee folgte ihm verstimmt. Er redet mit mir, als hätte ich keine Ahnung. Anscheinend hat er vergessen, dass ich kein Junges mehr bin.
Im Gestrüpp entdeckte Efeusee ein dunkles Loch zwischen einigen Felsbrocken, fast verborgen von dichten Farnwedeln. Der Fuchsgeruch war sehr intensiv.
»Da ist der Bau.« Birkenfall deutete mit einem Schwanzschnippen darauf.
»Aber der Geruch ist schal«, ergänzte Efeusee eifrig, um zu zeigen, wie gut sie Gerüche beurteilen konnte. »Ich glaube nicht, dass der Fuchs jetzt da ist.«
Birkenfall nickte. »Stimmt. Dann lass uns Dung suchen und verschwinden, bevor er wiederauftaucht.«
Durch den Gestank näherte sich Efeusee widerstrebend einem Dunghaufen in der Nähe des Eingangs zum Bau. Sie packte einen Stock und rollte ein Ende in der Losung, bis sie ihn gründlich damit beschmiert hatte.
»Heiliger SternenClan, wie das stinkt!«, rief Birkenfall aus. »Wieso machen wir das bloß?«
»Wenn du verletzt bist, wirst du froh sein, dass wir Ringelblumen haben«, erklärte Efeusee mit zusammengebissenen Zähnen.
Birkenfall verdrehte die Augen. »Gibt es denn keine einfachere Möglichkeit?«
Mit dem Stock fest zwischen den Zähnen, überhörte Efeusee die Frage und trat den Rückweg zur DonnerClan-Grenze an. Zu ihrer Erleichterung fühlte sie sich nicht mehr beobachtet, sobald sie sicher in ihr Territorium zurückgekehrt waren.
Ob das der Fuchs war, der uns beobachtet hat? Aber warum hat er dann nicht angegriffen?
Der Stock war nicht einfach zu tragen, aber Efeusee und Birkenfall wechselten sich ab und schafften so den Transport bis zur Lichtung über dem Lager, wo die Ringelblumen wuchsen. Mit dem dungbestrichenen Ende markierte Efeusee im Gras einen Kreis um die abgebissenen Stängel herum.
»Das gefällt den Kaninchen bestimmt nicht«, miaute Birkenfall zufrieden.
Efeusee ließ den Stock fallen. Ein besorgter Gedanke meldete sich mit spitzer Kralle. »Hoffentlich haben wir das richtig gemacht. Was ist, wenn andere Füchse den Geruch hier entdecken? Halten sie das hier dann für ihr Territorium?«
»Wenn sie das tun, sind sie mäusehirnig«, erklärte Birkenfall unbekümmert. »Aber wir sollten die Patrouillen über diese Maßnahme informieren, sonst kommen sie mit Berichten über eine Fuchsinvasion zurück.«
Efeusee nickte. »Ich suche nach Brombeerkralle und erkläre es ihm.« Hoffentlich war das wirklich eine gute Idee. Ihre Bedenken stachen wie ein Dorn in der Pfote.