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Inhalt

Künstliche Intelligenz: Freund oder Feind?

Von Christian Schwägerl

Zusatzinfos

Bilderkennung: Auch Rechner machen Fehler

Tiefes Lernen: Wie Computer die Welt begreifen

Soziale Roboter: Mein Freund, die Maschine

Interview: »Maschinen müssen schnell unsere Werte lernen«

Lektüretipps

Künstliche Intelligenz: Freund oder Feind?

Bald wird es Maschinen geben, die intelligenter sind als wir. Sie beginnen bereits, unsere Welt zu begreifen. sie erkennen Bilder. sie interpretieren komplexe Daten. Sie sind sogar in der Lage, selbstständig zu lernen, auch aus eigenen Fehlern. Und ihre Fortschritte sind spektakulär. Müssen wir uns fürchten?

Von Christian Schwägerl

I. Ein Menschenbild für die Maschinen

März 2023, Charité, Berlin. Die Frau ist nachts mit brennenden Schmerzen in der Brust aufgewacht. Nun steht ihre Wartenummer auf einem blau leuchtenden Armband, das ihr die Schwester in der Notaufnahme umgelegt hat: 122. Doch schon eine Viertelstunde später leuchtet das mit etlichen Sensoren bestückte Armband rot auf: Die automatische Gesundheitssoftware hat einen drastischen Anstieg in der Herzinfarktgefahr für die Frau erkannt – und ihre Nummer von 122 auf 1 verändert. Die Software greift auch auf Daten der Deckenkamera zurück, die minimale Veränderungen im Gesichtsausdruck der Patientin erkannt hat. Zwei Pfleger eilen mit einer Trage zu ihr, eine Ärztin ruft: „Schnell, zu mir!“

Intelligente Maschinen zu bauen, die sehen, verstehen, selbstständig entscheiden, die so schlau sind wie Menschen oder gar schlauer – davon träumen Wissenschaftler schon lange. Aber bis vor wenigen Jahren kamen sie dem Ziel einer künstlichen Intelligenz kaum näher. Ja, 1997 siegte der IBM-Supercomputer „Deep Blue“ über den Schachweltmeister Garri Kasparow. Doch mehr als Schachspielen vermochte das Ding nicht. 99,99 Prozent unserer Lebenswelt blieben ihm ein Rätsel.

„Deep Blue“ wäre nicht in der Lage gewesen, die Möbel im Saal zu beschreiben oder gar die Stimmungen der beteiligten Menschen zu benennen. Wäre Kasparow mit einem Lachanfall vom Stuhl gefallen, der Rechner hätte stumpf den nächsten Spielzug errechnet.

Die Welt ist kein Schachbrett. Unsere soziale Wirklichkeit besteht aus einem Geflecht von Beziehungen, Gefühlen, Überraschungen, Anblicken, Gerüchen. Intelligent zu sein bedeutet auch, aus diesem Durcheinander Sinn zu gewinnen, um schnell handeln zu können. Und Hintersinn, etwa um Gefahren zu beurteilen.

Dazu werden Maschinen nie in der Lage sein, prophezeite 2003 Marvin Minsky vom Massachusetts Institute of Technology, einer der Pioniere der künstlichen Intelligenz. Die Idee solch schlauer Maschinen sei „hirntot“. Computer seien allenfalls zu stupiden Tätigkeiten wie automatischen Flugbuchungen in der Lage: „Kein Rechner wird es schaffen, sich in einem Raum umzusehen und dann zu sagen, was sich dort befindet.“

Doch Minsky lag falsch. Was nicht funktionierte, war der alte Ansatz, Computern Wissen fest einzuprogrammieren. Gerade als Minsky kapitulierte, trat eine neue Generation von Forschern an: mit Methoden, die es Rechnern erlauben, aktiv zu lernen, sich des Gelernten zu erinnern und es in neuen Situationen anzuwenden. Jetzt werden die Früchte ihrer Arbeit reif.