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Über die Dörfer

Von Katja Trippel

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Demografie: Das Land schrumpft

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Über die Dörfer

Stirbt sie oder stirbt sie nicht, die deutsche Provinz? Die Prognosen sind schlecht, aber das sind sie schon seit Jahrzehnten, und doch fanden GEO-Reporter auf einer Reise über Land kräftige, zukunftsfrohe Dörfer. Und kämpferische. Überall trafen sie auch auf existenzielle Fragen: Sollten wir schwache Regionen um jeden Preis beleben? Oder sie aufgeben und menschenleere Naturparadiese schaffen?

Von Katja Trippel

Das soll ein Dorf sein? Nicht eine Milchkuh lebt mehr in Bockholte, es kräht kein Hahn. Katzen schnurren auf Fenstersimsen, statt Mäuse aus Scheunen zu jagen. Die wurden längst abgerissen, nur ein Bauernhof blieb im Dorfkern. Tagsüber ist es still. Kein Laden, kein Arzt, kein Café zieht Menschen an. Rentner schnippeln an ihren Hecken und beäugen jedes vorbeifahrende Auto. Selbst die Kirche öffnet nur noch sporadisch, das Wirtshaus, vor dem die Bauern früher auf dem Rückweg vom Feld ihre Traktoren parkten, immerhin am Wochenende.

Dörfer waren einst stolz auf ihre Eigenständigkeit, Bockholte im Emsland ist stolz, am Leben zu sein, und zwar in voller Pracht: 622 Einwohner, gut ein Viertel mehr als vor 20 Jahren, Tendenz steigend – und das in Zeiten, in denen alle Welt vom „Sterben der Dörfer“ spricht. In Bockholte sind die Klinkerhäuser großzügig, die Buchsbäumchen davor in Herzform frisiert, aus Gemüse- sind Ziergärten geworden.

Die Landwirtschaft, die jahrhundertelang das Leben in Bockholte wie in allen Dörfern geprägt hat, ist weitestgehend aus dem Ortskern verschwunden. Elf Landwirte mästen außerhalb Zehntausende Ferkel, Hühner, Puten in Hightech-Ställen mit Entlüftungsrohren auf dem Dach. Das Wort „Massentierhaltung“ nimmt indes kein Dorfbewohner in den Mund. Wenn überhaupt sticheln sie: Wer nicht einmal sein eigenes Stroh fürs Futter einbringt, sei kein echter Bauer mehr. Um den Ort herum wächst Mais, meterhoch, bis zum Horizont.