[1]

[2]Barbara Budrich • Nike Roos
Geld kann jeder

[3]Barbara Budrich
Nike Roos

Geld kann jeder

Unternehmensfinanzen
für Klein- und
Kleinstunternehmen,
FreiberuflerInnen und
Selbstständige

Verlag Barbara Budrich
Opladen • Berlin • Toronto 2015

[5]Inhalt

Gebrauchsanleitung und ein paar Worte der Warnung

Kapitel 0: So ein bescheuertes Buch!

Kapitel 1: Treffen bei Barbara

1.  Der Businessplan: Erste Schritte für Selbstständige, kleine und Kleinstunternehmen

2.  Controlling-Instrumente aus der Buchhaltung – Liquiditätsplanung und Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA)

3.  Instrumente des Controllings aus dem Unternehmen

4.  Steuern

5.  Mitarbeiter

6.  Der „Pimp-Factor“

7.  Das Kontenmodell

8.  Das hätten wir!

Interview mit Steven Wilkinson

Kapitel 2: Treffen bei Nike

1.  „Lass das mal ganz schnell sein!“ oder: Warum wir wählen können, was wir glauben

2.  Psychosomatische Ausweichbewegungen und die Suche nach finanzieller Erleuchtung

Interview mit Stefan Landsiedel

3.  Negative Glaubenssätze umwandeln

4.  Wie es nun weitergeht mit Dir und dem Geld

Nachwort

Literatur

Glossar

[6][7]Gebrauchsanleitung und ein paar Worte der Warnung

„Kann“ jeder Geld? Wir meinen: Ja! Damit wollen wir nicht behaupten, dass wir mit dem Thema Unternehmensfinanzen in irgendeiner Form fertig sind. Wir haben es nicht „geschafft“! Wir sind noch mittendrin – und mit viel Spaß und Engagement dabei.

Dieses Buch haben wir geschrieben, weil wir es gern gelesen hätten. Damals, als wir uns selbstständig gemacht haben. Dies ist ein Buch für alle, die sich selbstständig machen wollen oder mit einem kleinen Unternehmen, als Selbstständige oder Freiberufler unterwegs sind. Ein Buch für Dich.

Dieses Buch hat uns gefehlt. Aber wir haben im Vorfeld viele Bücher gelesen und einige davon fanden wir so anregend und auf den Punkt geschrieben, dass wir kurze – oder auch längere – Zusammenfassungen dazu in unser Buch mit aufgenommen haben. Freilich empfehlen wir Dir auch die Lektüre dieser Werke.

In dieses Buch sind hunderte Seiten Fachbücher, zig Stunden Hörbücher, zahllose Trainings, Coachings, Beratungsgespräche und Workshops eingegangen. Das war für uns beide enorm wichtig: Ich (Barbara) habe lange Jahre gesagt bekommen, dass ich nicht in der Lage sei, mit Geld umzugehen – jedenfalls nicht eigenverantwortlich als Unternehmerin. Nike wusste schon von Kindesbeinen an, dass sie „Zahlen nicht kann“. Beide haben wir lernen dürfen, dass diese ganze Nebelmaschinerie um das geheimnisvolle, riskante Finanzwesen maßlos übertrieben ist. Letztlich kann jeder lernen, wie das geht, das mit den Unternehmensfinanzen. Wir sind die lebenden Beweise dafür.

[8]Du findest hier eine Menge: Im ersten Teil lernst Du das Formale. Im zweiten Teil nimmt Nike Dich mit auf eine Reise durch die Emotionen. Denn Finanzen – auch Unternehmensfinanzen – sind nicht allein eine Angelegenheit der reinen Vernunft (so es die denn gibt), sondern ein hochemotionales Thema. Deine Emotionen gut zu pflegen, ist ebenso wichtig, wie Deinen Liquiditätsstatus regelmäßig zu bearbeiten. Aber da sagt Nike gleich noch was zu.

Wie gesagt, wir sind (noch) keine Milliardärinnen. Wir sind auf dem Weg. Und wir versprechen nix, aber auch wirklich gar nichts. Oder doch: Das Einzige, was wir Dir versprechen können, ist, dass es Arbeit ist, die Dinge im Blick zu behalten. Keine Hexerei, aber Arbeit. Und wie so viele Dinge, die umso interessanter werden, je intensiver man sich damit auseinandersetzt, so kann es viel Spaß machen, sich mit Unternehmensfinanzen zu befassen. Aber nur, wenn Du es auch tust. Wenn Du es nicht tust, dann macht’s auch keinen Spaß!

Es ist wichtig, dass Du Dich intensiv mit Deinen Finanzen befasst. Wir sind der festen Überzeugung, dass auch Du das lernen und (noch) besser werden kannst. Wir möchten Dir aber auch raten, Dich mit den richtigen Menschen zu umgeben. Bei der Wahl Deiner Berater kannst Du gar nicht umsichtig genug sein. Klug ist dabei gut – zu clever kann aber auch böse enden, vor allem mit Blick auf Steuertricks (unser Rat: Finger weg!) und „die tolle Investition, die Dich ganz schnell reich macht“ (unser Rat: Finger weg!). Übrigens halten wir auch nichts von Spielchen, die die besten Konditionen herausquetschen sollen – ob jetzt aus Mitarbeitern, Partnern oder Lieferanten.

Wir haben dieses Buch testlesen lassen. Wir danken Katrin Frische, Kris Hauf, Benita Königbauer, Peter Musseleck und Susanne Schaller für Eure prompte, pünktliche und vor allem hilfreiche Rückmeldung! Kris und Benita haben uns gleich noch eigene Texte zur Verfügung gestellt – auch dafür vielen Dank! Diese werden ergänzt durch Interviews mit Stephan Landsiedel und Steven Wilkinson sowie durch[9] einen Kommentar von Stefan Feißel (ja, der Vorname war unbedingte Voraussetzung, um zum Interview zugelassen zu werden).

Ulrike Weingärtner hat uns zum einen als Lektorin unterstützt, aber auch dieses wundervolle Layout erarbeitet. Nicht zuletzt konnten wir auch ihre hilfreichen Kommentare mit einbauen: Sie war die erste, die mit unserem Buch direkt arbeiten und es anwenden konnte.

Ein Hinweis noch auf unseren im Deutschen eher ungewöhnlichen Umgang mit der männlichen und weiblichen Form: Wir wechseln. Mal sind es Unternehmerinnen, mal Kunden. Mal sind es Steuerberater, mal Rednerinnen. Für uns macht es so oder so keinen Unterschied. Wenn es aus unserer Sicht wichtig ist oder es uns gerade in den Sinn kommt, dann nennen wir beide Formen. Vielleicht gibt es ja auch im Deutschen mal eine Form, die wirklich beide meint – Männer und Frauen – und nicht die männliche Form ist. So wie es das im Schwedischen gibt. All unsere Testleser waren irritiert durch unseren willkürlichen Formengebrauch. So wichtig ist es nicht: Lies einfach darüber hinweg. Wir sprechen immer von großartigen Menschen!

Auf unserer Seite geld-kann-jeder.de findest Du Informationen zu uns, zu unseren Angeboten und Veranstaltungen. Und: Wir freuen uns darauf, von Dir zu hören! Schreib uns an: nike@roosige-zeiten.de und barbara.budrich@budrich.de.

Jetzt wünschen wir Dir viel Spaß mit unserem Buch und viel Erfolg mit Deinem Unternehmertum!

Barbara & Nike im Frühjahr 2015

 

[10][11]Suze Orman: Die fünf Gesetze des Geldes

Suze Orman ist eine US-amerikanische Autorin, Fernseh-Moderatorin, Finanzberaterin und Motivationstrainerin. In den USA ist ihr Name untrennbar mit dem Thema Geld verknüpft. Sie hat zahlreiche Bücher verfasst, die meisten gibt es nur auf Englisch.

Die folgenden fünf Gesetze des Geldes formuliert Orman in ihrem Buch „The Laws of Money: 5 Timeless Secrets to Get Out and Stay Out of Financial Trouble: Keep What You Have and Create What You Deserve“. Sie hat dieses Buch mit Blick auf Privatfinanzen verfasst. Wir finden aber, die ‚fünf Gesetze’ passen auch sinngemäß auf Unternehmensfinanzen.

1.  Gesetz: Geld entsteht aus der Wahrheit, Lügen zerstören es.

Wer über seine Verhältnisse lebt und „mehr Schein als Sein“ praktiziert, beraubt sich nach Suze Ormans Einschätzung der Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Anstatt mit „Geld, das man nicht hat, Dinge zu kaufen, die man nicht braucht, um Menschen damit zu beeindrucken, die man nicht mag“, sollte man echte Freundschaften pflegen: Menschen sind wichtiger als Geld! Das ist Suzes unumstrittene Grundvoraussetzung für ein gelingendes Leben.

2.  Gesetz: Schau auf das, was Du jetzt hast, und weine nicht dem hinterher, was Du einst hattest.

Erfolg - im Leben also auch mit Finanzen - ist nur dann möglich, wenn Du den Status guo, die Gegenwart als Ausgangspunkt nimmst. Sitzt Du da und weinst dem hinterher, was Du einst hattest oder hättest gehabt haben können, wenn Du es nur anders gemacht hättest, dann beraubst Du Dich der einzig möglichen Ausgangsposition, die Du jetzt hast: Du beraubst Dich der Gegenwart!

3.  Gesetz: Tu das, was für Dich richtig ist, und erst dann das, was für Dein Geld richtig ist.

Die eigenen Überzeugungen, auch das eigene Gefühl für das „richtige“ Investment sind wichtiger als das, was möglicherweise aus finanzieller Sicht „richtig“ ist. Es ist wichtig, dass das Geld nicht die Macht über das eigene Leben ergreift: Geld soll Deinem guten Leben dienen und nicht umgekehrt! Suze vertritt die Überzeugung, dass es sich in der eigenen Vermögenssituation positiv niederschlägt, wenn Du den eigenen Werten und Überzeugungen treu bleibst: Geld wirkt wie ein Spiegel, sagt sie.

[12]4.  Gesetz: Investiere in bekannte Bedürfnisse, bevor Du in Unbekanntes investierst.

Bevor Du daran gehen kannst, ein großes Vermögen aufzubauen, ist es wichtig, die eigenen Grundbedürfnisse abzusichern. Du solltest zunächst die aktuellen Notwendigkeiten - wie Essen, Wohnen, Kleidung etc. - bezahlen, aber auch Dein eigenes Alter absichern, bevor Du daran gehen kannst, Geld in Luxusgüter und das große Vermögen zu stecken.

5.  Gesetz: Denke immer daran: Geld hat nur die Macht, die Du ihm zugestehst!

Suze betont, dass Geld an und für sich keinerlei Macht hat. Was auch immer Du selbst mit Geld tust oder nicht tust, ob Du es sinnvoll sparst und investierst oder in überflüssiges Zeug steckst, ob Du damit Stiftungen aufbaust und Spenden tätigst oder ob Du versuchst, Freunde zu kaufen - jeder hat selbst die Kontrolle über das eigene Geld. Und sie betont die Prioritäten: Erst kommen die Menschen, dann das Geld und ganz am Schluss die Dinge.

[13]Kapitel 0: So ein bescheuertes Buch!

Nein, nicht dieses hier! Sondern das, das ich in der Schule gelesen habe.

Es war im Deutschunterricht, siebte Klasse, glaube ich. Wir hatten eine Lektüre gelesen: „Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach“. Ehrlich – ein grauenhaftes Buch. Nicht, weil es so schlecht geschrieben wäre. Sondern weil es so trist und trostlos ist wie ein kalter, regnerischer Novembermorgen im Herbst 1820 in Kombach. Da spielt das Buch, und es handelt davon, dass ein paar bitterarme Bauern eine Kutsche überfallen und so an einen wahren Schatz kommen. Am Ende können sie mit dem Geld nicht umgehen und werden alle enthauptet. Naja, einer entkommt.

Ich habe das Buch verabscheut, weil es so traurig war. Egal, was die Figuren auch taten: Der Armut, der Hoffnungslosigkeit konnten sie nicht entrinnen. Als wir die Lektüre im Unterricht besprachen, tat ich dann auch lauthals meine Meinung kund (ja, so bin ich).

„Herr Dr. Bäcker-Hubertsen, ganz ehrlich – ich finde, das ist ein Scheiß-Buch!“

Diese fundiert argumentierte Kritik kam beim Lehrer nicht wirklich gut an. Wir bekamen alle Sippenhaft: Also eine Hausaufgabe, die besagte: Schreibe ein alternatives Ende für das Buch, wenn es Dir so wenig gefällt.

Eigentlich ja keine dumme Idee, nur: Ich hatte keine Lust. Und machte meine Hausaufgabe einfach nicht.

Wobei – eigentlich hätte ich es wissen müssen. Wenn ich damals, mit 13, gewusst hätte, was ich 30 Jahre später weiß, hätte ich das einfach wissen müssen: Als die Hausaufgaben abgefragt wurden, kam ich natürlich dran. Schließlich[14] hatte ich ja angefangen: „Nike, Du fandest das Buch ja so schlimm. Wie lautet denn Dein alternatives Ende? Lies es mal allen vor.“

Schweißausbruch. Ich schlug mein Heft auf, um Zeit zu schinden. Blätterte darin herum. Ich sah meine Notizen zur Lektüre. Und eine Zeichnung. Darunter stand in großer, grafischer Schrift, die an Graffiti erinnern sollte: „Scheiß-Buch“.

Und dann fing ich an zu erzählen.

Ich erzählte, was ich besser gefunden hätte. Ich ließ die Bauern miteinander reden. Ich ließ sie klüger handeln. Ließ sie Pläne schmieden. Ich machte sie weniger neidisch, weniger eitel, weniger eigennützig. In meiner Geschichte schenkte ich ihnen mehr Weitblick, Achtsamkeit und Demut. Ich gab ihnen ihre Würde zurück.

Und ich gab ihnen Finanzkompetenz. Ich ließ sie lernen, klug mit ihrem plötzlichen Reichtum umzugehen. Ihn einzuteilen, geschickt zu verteilen und im Auge zu behalten.

In meiner Geschichte gelang es ihnen, das Schicksal auszutricksen. Es war eine tolle Geschichte.

(Natürlich achtete ich immer darauf, ins Heft zu schauen, ab und zu die Seiten umzublättern und manchmal so zu tun, als könnte ich ein geschriebenes Wort nicht sofort entziffern, damit der Pauker nix merkt.)

Als ich fertig war, war es ganz still im Klassenzimmer. Ob Herr Dr. Bäcker-Hubertsen gemerkt hat, dass ich meine Hausaufgaben nicht hatte? Naja, darum geht es ja hier nicht. Worum es geht, ist das, was Steven Wilkinson „Financial Literacy“ nennt: also die Fähigkeit, mit Geld umzugehen.

Denen von uns, die diese Finanzkompetenz nicht mit der Muttermilch eingesaugt haben, fällt das oft schwer. Wir erzählen uns selbst, wir könnten keine Zahlen, könnten nicht gut rechnen, hätten kein Händchen dafür. Wir lassen Geld auf Sparkonten versauern oder verstauen es, in Socken gestopft, in der Wohnung, wo wir es dann nicht wiederfinden. Wir finden Steuerberater und Buchhalter, damit wir uns bloß nicht mit dem leidigen Thema befassen müssen. Gute [15]Steuerberater und Buchhalter sind Gold wert, keine Frage. Doch das Thema ist zu wichtig, als dass wir die Kontrolle darüber komplett abgeben dürften. Das Geld, das durch unsere Unternehmen fließt, ist unsere Lebensenergie.

Und es ist eigentlich ganz einfach! Allerdings nur, wenn die Emotionen stimmen. Der formale Teil – Barbaras Teil – ist das Wissen. Kein Hexenwerk. Und Wissen hilft nur, wenn Du danach tatsächlich ins Tun kommst. Wenn Du die flüsternden Stimmen und die verqueren Emotionen in Bezug auf Geld in den Griff bekommst. Darum geht es im zweiten Teil. Wenn Dir das gelingt, steht Deinem „plötzlichen Reichtum“ nichts mehr im Wege. Fast wie bei meinen armen Bauern.

Na gut – Weitblick, Achtsamkeit und ein paar andere Sachen gehören auch noch dazu. Aber darüber reden wir dann in einem anderen Buch, einverstanden?

[16][17]Kapitel 1: Treffen bei Barbara

Mein Büro ist nichts Besonderes: rund 140 qm verteilt auf fünf Räume im ersten Stock eines Flachbaus mit einem großen Flur im Erdgeschoss, in dem unser Pack- und Ablagetisch steht sowie ein großer Aktenschrank mit Hängeregistratur. In den fünf Räumen sind insgesamt zehn Arbeitsplätze untergebracht. In meinem Zimmer mit knapp 20 qm gibt es an zwei Wänden Einbauschränke aus den 1950er Jahren, die hoch und tief genug sind, um DIN A4-Ordner unterzubringen. Der Raum ist funktional eingerichtet, ein großer Benjamini und ein Bonsai leisten mir Gesellschaft.

Wir sind mehr als zehn Leute in meinem Unternehmen; nicht alle sind in Vollzeit beschäftigt, sodass ein bis zwei Arbeitsplätze von mehr als einer Person genutzt werden, zumal wir auch immer wieder für zwei bis drei Monate am Stück wechselnde Praktikantinnen beherbergen.

Die Gehälter in der Buchbranche sind nicht eben üppig. Insgesamt habe ich gelegentlich den Eindruck, wir wären in einem Not-for-Profit-Bereich tätig und „Subsistenzwirtschaft“ – von der Hand in den Mund – würde ganz gut beschreiben, was wir wirtschaftlich erreichen.

Dazu kommen gelegentliche Liquiditätsengpässe und das Gefühl, die wirtschaftliche Situation des Betriebs nicht jederzeit unter Kontrolle zu haben. Und ach, oh Wunder: Wenn ich mal richtig die Ohren aufsperre und mit anderen Unternehmern ins Gespräch komme, dann ist das bei vielen ähnlich. Bei zahlreichen ist es so, dass sie zwar Zeiten haben, in denen sie Rücklagen aufbauen können – aber dann kommen auch wieder Zeiten, in denen diese Rücklagen dahinschmelzen. Das Witzige ist: Mir sind lediglich vier [18]Unternehmer in meinem direkten Umfeld bekannt, die behaupten, finanziell völlig frei und ohne Sorgen zu sein.

Ich kenne ein Unternehmen, das die ersten 20 Jahre seines Bestehens eher unbeständig lief und keine Rücklagen aufbauen konnte. Nach weiteren zehn Jahren der wirtschaftlichen Stabilität und gar Prosperität ist es dem Unternehmer gelungen, das Unternehmen für gutes Geld zu verkaufen.

Sind das Rechtfertigungen, die ich heranziehe, um zu entschuldigen, dass ich nach zehn Jahren Unternehmertum noch immer keine Millionärin bin? Eher nicht. Die Statistiken zeigen ja so allerhand:

Also, zurück zu mir und der Unzufriedenheit mit meinen Kompetenzen im Bereich der Unternehmensfinanzen.

Lange Zeit begleitete mich der Glaube, dass ich einfach nicht in der Lage sei, ein Unternehmen zu führen oder zumindest nicht den Finanzteil desselben. Unternehmensfinanzen: Wie das schon klingt! Ein Buch mit sieben Siegeln auf einer unerreichbaren von Nebelschwaden umwaberten Bergspitze – unerreichbar: jedenfalls für mich.

Immer wieder war ich von Freundinnen und Freunden und auch von Verwandten darin bestärkt worden: Ich müsse mir für mein Unternehmen jemanden suchen, der mit Geld umgehen könne – denn ich könne das sicherlich nicht. Woher mögen diese Menschen das gewusst haben? Bis auf meine Verwandtschaft hatte keiner meiner selbsternannten Berater eigene unternehmerische Erfahrung. Und wie es um meine unternehmerische Finanz-Kompetenz bestellt sein möge, wusste nicht einer – auch niemand aus der Familie.

Dann machte ich mich auf die Suche nach Fachliteratur. Ich quälte mich durch Lehrbücher für das Studium der Betriebswirtschaftslehre. Ich sichtete die Controlling-Literatur. Ich las alles zum Thema Unternehmensfinanzen, Risikoanalyse, Bilanzanalyse, Kapitalflussrechnung, was mir vor die Nase kam. Und das Bild mit der Unternehmensfinanz hoch oben auf dem Gipfel wurde noch deutlicher, denn es erschien mir unmöglich, all das Erlesene auf mein unternehmerisches Schaffen anzuwenden.

In den ersten ein, zwei Jahren meiner Selbstständigkeit saß ich vor meinen zahlreichen Excel-Tabellen und versuchte, aus meinen eigenen Zahlen Gemeinkosten zu extrahieren, um bei der Deckungsbeitragsrechnung die Deckung 2 zu ermitteln. Ich versuchte mich an Analysen und Projektionen und starrte wieder und wieder auf die Zahlen. Sie sprachen nicht mit mir.

[20]Schließlich fand ich ein Buch, das sich genau auf das Wirtschaften im Wissenschaftsverlag bezog. Mittlerweile war ich schon ein paar Jahre dabei und hatte einige Mitarbeiterinnen. Erleichtert konnte ich nun wenigstens feststellen, dass der Pro-Kopf-Umsatz dem Branchenmittel entsprach und dass die Personalkosten im richtigen Verhältnis zum Umsatz wie auch zu den Gesamtkosten standen. Doch noch immer hatte ich das Bild mit diesem Gipfel vor Augen und war überzeugt, dass mir diese unternehmerische Finanz-Kompetenz schlicht nicht gegeben war.

Dann begann ich stärker zu netzwerken. Zunächst in meiner Branche, dann vermehrt mit Selbstständigen, Freiberuflerinnen und Unternehmern aus kleineren Unternehmen aus nahezu allen Wirtschaftsbereichen. Ich begann zu verstehen, dass die Literatur, mit der ich mich anfänglich befasst hatte, auf den großen Mittelstand und vor allem auf Konzerne ausgerichtet war. Dass meine Probleme in der Anwendung der erläuterten Tools nicht an meiner Beschränktheit lagen, sondern an der Beschränktheit der Tools: Sie waren einfach viel zu groß, viel zu kompliziert gedacht für meine paar Zahlen.

Schließlich bekam ich von diversen Seiten aus meinen Unternehmernetzwerken das „Große Geheimnis“ der Unternehmensfinanzen zu hören: Damit ein Unternehmen gut läuft, müssen die Einnahmen höher sein als die Ausgaben. Das klang nun gar nicht nach diesem unerreichbaren Kompetenz-Gipfel.

Ich haderte noch ein, zwei Jahre mit dieser Aussage. Wozu, bitte schön, gibt es EBITDA und Bilanzen, ROIs, Cashflow-Quotienten und Pläne zur Liquiditätsgestaltung, wenn ich nur darauf achten muss, dass ich mehr einnehme, als ich ausgebe?

Nun aber weiß ich es: Unternehmensfinanzen für Selbstständige, kleine und Kleinstunternehmen sind vom Grunde her einfach. Es genügen wenige Kennzahlen, um den Überblick über die aktuelle Situation zu behalten und die zukünftige Entwicklung einigermaßen einschätzen zu können. Ich[21] sage: einigermaßen, denn wie die Zukunft aussehen wird, weiß man natürlich nie. Und es ist in einer weiteren Hinsicht ganz einfach: Wenn kein Geld da ist, gibt es nichts zu gestalten!

Dies ist nun also der Ausgangspunkt für unsere gemeinsame Beschäftigung und Entmystifizierung von Unternehmensfinanzen. Ich würde mit meiner nun in zehn Jahren gereiften Unternehmensfinanz-Kompetenz nicht als Controller in einen Konzern einsteigen wollen – das wäre sicherlich anmaßend und vieles kenne ich nicht oder eben nur aus meiner ganz spezifischen Perspektive. Das Schöne ist: Ich brauche es auch nicht, jedenfalls nicht für mein aktuelles Unternehmen. Sollte mich das Unternehmenswachstum in bislang ungeahnte Größenordnungen führen, dann werde ich gute Controller anheuern. Allerdings wirklich nur dann, wenn das nötig ist. Denn noch komme ich gut allein zurecht.

Dessen ungeachtet kann ich nicht mit gleicher Leichtigkeit wie so einige Beraterinnen behaupten, dass der, sagen wir, „formale“ Aspekt der Unternehmensfinanzen irrelevant sei, dass Du Dich damit nicht zu befassen brauchst, weil das Geld von allein kommt, wenn Du nur Deiner Leidenschaft folgst und das tust, was Du liebst. Du musst kein Einstein sein, um Deine Finanzen im Blick zu behalten. Doch die Grundrechenarten solltest Du schon beherrschen – oder zumindest wissen, wie Du sie am Rechner einsetzen kannst.

Einfache Rechnungen ermöglichen es Dir, mit einigen wenigen Instrumenten dafür zu sorgen, dass die Dinge im Lot bleiben. Du installierst mit den Instrumenten, die ich Dir im Folgenden vorstelle, ein Frühwarnsystem und baust Dir Rücklagen auf. Das Ziel ist, dass Du Dich jederzeit mit Deinen Zahlen befassen kannst und verstehst, welche Geschichte sie Dir zu erzählen versuchen.

Millionär wirst Du damit vielleicht auch – oder auch nicht. Damit kommen wir noch rasch zu einem weiteren Punkt: Was wir hier nicht leisten können. Die Bestseller nach dem Motto „In vierzehn Tagen reich und glücklich“ versprechen Zielerreichungen, die sich mir entziehen. Und[22] zwar sowohl mir persönlich als auch dem Erfahrungsraum meines Umfelds. Ich habe zahlreiche Unternehmerbiografien gelesen und kenne erfolgreiche Unternehmer. Es sind auch Millionäre darunter, sogar der ein oder andere Milliardär. Als Quintessenz kann ich sagen: „Über Nacht“ ist niemandem aus meinem Bekanntenkreis Reichtum „passiert“. Selbst diejenigen, die in vergleichsweise jungen Jahren an größere Vermögen gekommen sind, mussten über Jahre sehr hart dafür arbeiten. Mal hat einer Glück mit seiner Branche gehabt, mal hat eine andere genau im passenden Moment verkauft. Die richtigen Entscheidungen können den Weg zu finanzieller Unabhängigkeit rasant beschleunigen. Schade nur, dass oft erst im Nachhinein klar wird, ob die Entscheidung richtig war oder nicht … Ich will damit nicht sagen, dass Erfolg allein vom Glück abhängt. Aber Glück ist eine wichtige Zutat. Dem Glück kannst Du nachhelfen – mit Fleiß, Gewissenhaftigkeit, Umsicht, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und weiteren Eigenschaften. Obwohl es auch faule, schlampige, rücksichtslose, unzuverlässige und verlogene Zeitgenossen zu Ruhm, Reichtum und Ehre bringen. Will sagen: Es ist nicht der Stein der Weisen, den wir hier in Worte gefasst haben. Es gibt keine geheime Zutat. Das meiste ist Arbeit.

Napoleon Hill: Denke nach und werde reich

Napoleon Hill ist einer der Urväter der Finanzkompetenz. Als einer der ersten hatte er die Idee, Millionäre (angeblich waren es 500!) zu befragen, um Muster in ihren Verhaltensweisen herauszufiltern. Daraus entstand das Standardwerk „Denke nach und werde reich“, das 1937 erschien. Obwohl der Titel sich auf Reichtum fokussiert, ist die hinter dem Buch stehende Philosophie weitergehend. Hill betont, dass sie dazu dienen kann, aufjedem Feld erfolgreich zu sein.

Grundthema ist, wieder einmal, die Macht der Gedanken und Gewohnheiten.

Hill beschreibt in seinem Buch 13 Prinzipien, die Menschen anwenden können, um erfolgreich zu sein. Er geht davon aus, dass ein Individuum, das einen starken Willen, Glauben und Ausdauer mitbringt, fast alles schaffen kann, indem es negative und blockierende Gedanken löscht und sich auf seine großen Ziele fokussiert.

Spannend ist das Buch für alle, die wissen möchten, auf weichen Prinzipien die Erkenntnisse von Bodo Schäfer, Robert Kiyosaki und anderen beruhen, und die diese Prinzipien tiefergehend ergründen möchten.

[23]Bevor wir uns intensiver mit den Instrumenten aus dem Buchhaltungsbereich befassen, schauen wir uns gemeinsam den Businessplan an. Auch der Businessplan wird von einem Teil der Berater- und Trainerzunft belächelt und als überflüssig vom Tisch gewischt. Das kannst Du halten, wie Du magst. Ich erzähle Dir, wozu Du ihn brauchen kannst. Und Du entscheidest, ob Du ihn einsetzen möchtest.