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Vierter Band des Monolith-Zyklus

 

Der Silbermann

 

von Marc A. Herren

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Kleines Who is Who

 

 

Asphimin – der Ara ist 3000 Punkte wert

Amelia Marcos – die Funkerin muss kämpfen

Atlan – der Lordadmiral der USO zwischen Sirenen, Würmern und Krachten

Enz – ein Diener verrät seinen Herrn und muss bezahlen

Calipher-SIM – der Roboter erforscht sich selbst

Gortan Kolln – der Kommandant der MORPHEUS bringt die Rettung

Iasana Weiland – die Geisel der Silberherren schwebt in höchster Gefahr

Magor – ein kleiner Mann kann der großen Versuchung nicht widerstehen

Manja’Re – eine Frau entwickelt eigene Interessen

Melter a Dorin – die Marsianerin sieht, wie es in Santjun aussieht

Naileth Simmers – die Kommandantin der IMASO bangt und handelt

Nera – die junge Frau schenkt Santjun einen Augenblick des Vergessens

Onjar Marik – selbst in Gefangenschaft spielt das Ekel seine Trümpfe aus

Poltor – der alte Rebell ergreift die neue Chance

Rahin Ta – seine Jagd nach Punkten endet schmerzhaft

Ramit Claudrin – der Epsaler wird ein Gefangener der Zeit

Santjun – der Risikoagent der USO verwandelt sich

Thalia Lacroix – eine schöne Frau hofft vergebens

Torben Santorin – der Ortungsoffizier jagt die Silberherren

Wynona Clues – der Erste Offizier der MORPHEUS erinnert sich an Atlans Vergangenheit

 

 

Für meine Eltern aus Liebe, für die Möslis in ewiger Freundschaft und für Hans Kneifel, ohne den ich weder auf Atlans noch auf Perrys Spuren gewandelt wäre.

Teil 1

 

Prolog

 

 

Ein neuer Tag brach an.

Magor ordnete die weichen Kissen und setzte sich auf den prunkvoll ausstaffierten Stuhl. Seine linke Hand legte sich auf die Lehne, in der die Schaltelemente eingelassen waren. Die Finger umschlossen den Steuerknüppel, zogen ihn leicht zurück. Mit einem sanften Ruck hob der Schwebestuhl vom Boden ab.

Wie an jedem Morgen stieg ein Gefühl der Erhabenheit im Herrscher Magorias auf. Aufzusteigen, bis in die Höhe der Panoramafenster, und den ersten Blick auf das noch im Dämmerschlaf liegende Magoria zu werfen; von allen Privilegien, die ihm zustanden, war dies das Einzige, was er wirklich genoss.

Er sah auf die tief unter ihm liegenden Krochten und fühlte, wie ihn die Empfindung der Macht durchdrang. Dies war sein Reich, seine Herrschaft.

In einigen Häusern brannte Licht. Ein Gefährt des Sicherheitsdienstes rollte durch die Gasse. Bald würden die Bewohner der innersten Krochten ihren Beschäftigungen nachgehen. Die Wissenschaftler, Logistiker und Strategen, die von ihrem Status profitierten und ihm die Macht über Magoria sicherten.

In den äußeren Krochten geschah das Gegenteil. Das Gesindel und der Abschaum zogen sich in ihre Häuser und Baracken zurück. Außer den ganz Verzweifelten, die ebenfalls den Tag dazu nutzen mussten, um zu überleben. Vielleicht ein paar Punkte zu sammeln, in der verrückten Hoffnung, ihre persönliche Situation damit zu verbessern.

Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem überlegenen Lächeln. Alle Bewohner Magorias hatten eines gemeinsam: Sie waren nur Rädchen in einer gigantischen Maschinerie. Ob sie sich nun der Tyaheel-Forschung widmeten, einen SiDi-Posten führten oder für ihren Punktesaldo jemanden tranquilierten: Sie alle arbeiteten für ihn – Magor.

Sanft drückte er den Steuerknüppel zur Seite und der Stuhl schwebte langsam an der Fensterfront entlang. In etwa zwanzig Minuten würde er den Kreis vollendet haben und wieder an derselben Stelle vorbeischweben. Im Verlauf des Tages kam er so auf etwa dreißig Kreise. Dreißig mal 360 Grad Rundumsicht auf sein Reich. Dreißig mal Magoria.

In diesem Moment kletterte die Sonne über die fernen Berggipfel des Taljur-Gebirges und tauchte den Thronsaal in gleißendes Licht. Magor schloss die Augen und seufzte. Die Erhabenheit dieses Augenblicks durchdrang ihn, elektrisierte jede Zelle seines Körpers.

1.
Wesenloses Grauen: Er

 

 

Er schwebte im konturlosen, dunklen Nichts.

Verzweifelt versuchte er, seinen Körper zu erfassen, ihn zu spüren, doch da war nichts. Dies war kein Traum, das wusste er genau. Und doch – oder vielleicht genau deswegen – blieb die Situation beängstigend und verwirrend zugleich.

Unfassbar.

Ja genau! Dies beschrieb den Zustand am besten. Doch was nützte es ihm, einen schwammigen Begriff für eine nicht exakt zu beschreibende Situation gefunden zu haben? Nur deswegen veränderte sie sich noch lange nicht.

Gedankenspiele.

Der Griff nach dem Strohhalm, der ihn vor dem Ertrinken in diesem wesenlosen Einerlei bewahren sollte.

Längst hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Ob er sich seit Tagen oder Wochen hier aufhielt – er konnte es nicht sagen. Vielleicht waren es aber auch nur Minuten oder gar Sekunden, die bis ins Unendliche gestreckt wurden und so für ihn zu einer nicht erfassbaren Ewigkeit wurden.

Er war allein mit sich und seinen Gedanken.

Aber: Wie manifestierten sich seine Gedanken, wenn er die Körperlichkeit verloren hatte? Was genau war er?

Er hatte sich stets in völliger Nüchternheit betrachtet. Sein Körper definierte sich aus einer beträchtlichen Menge Wasser, weiteren Materialien und einem gut funktionierenden Zusammenspiel von chemischen und elektrischen Effekten, die ihm gestatteten zu leben und zu denken. Er konnte nicht verstehen, dass es Leute gab, die von einer unsterblichen Seele sprachen. Hatten sie Angst davor, zu sterben und einfach in den Abgründen zwischen den Zeiten zu verwehen, als hätte es sie nie gegeben?

Allerdings: Befand er sich nicht genau dort? In einem Raum, der nur deshalb existierte, weil er ihn … wahrnahm?

Verdammt.

Er driftete ab. Seine Gedanken hetzten umher. Sprangen auf Laufbänder, die sie mal hierhin, mal dorthin trugen. Stets auf der Suche nach dem neuen Gedankenstrang. Weil es den Zustand des Nicht-Denkens nicht gab.

Er erinnerte sich an einen Sonntagnachmittag, als er noch ein kleiner Junge war. Sein Onkel hatte ihn gefragt, woran er gerade denken würde.

An nichts, hatte er geantwortet.

Niemand kann an nichts denken, hatte sein Onkel daraufhin geantwortet.

Das hatte ihn verblüfft und zum Nachdenken gebracht. Schließlich hatte er seinem Onkel Recht geben müssen.

Niemand konnte bewusst nichts denken.

Auch jetzt nicht.

Verdammt!, dachte er wütend. Nichts, nicht, nicht, nichts! Das Gedankenkarussell drehte sich immer schneller. Verzweifelt versuchte er, gegenzusteuern. Wahllos setzten sich in seinem Denken frühere Episoden zusammen und vermischten sich mit Geschichten, von denen er gelesen, die er in einem Trivideo gesehen oder aus Erzählungen anderer aufgeschnappt hatte. Angst beherrschte mehr und mehr sein Denken.

Man kann vor allem davonlaufen, aber nicht vor seinen eigenen Gedanken! Irgendjemand hatte ihm dies einmal gesagt.

Verflucht! Was, wenn dieser Zustand nie mehr enden wollte? Was, wenn er dazu verdammt war, ewig im Nichts zu schweben, alleine mit seinen Gedanken, respektive reduziert auf seine Gedanken!

Was würde in diesem Fall geschehen? Würde er mit der Zeit einfach verrückt werden? Sich dem Irrsinn hingeben, weil ein Geist es nicht ertragen konnte, ewig zu denken?

Im realen Leben gab es den wunderbaren Mechanismus des Schlafens. Der Geist spannte für ein Weilchen aus und bot dem Unterbewusstsein die Gelegenheit, den ganzen Müll zu sortieren und abzutragen, der sich während der Wachphase angehäuft hatte.

Wenn er tatsächlich in dieser endlosen Gedankenschlange gefangen war, dann würde ihm dieses wohltuende Auf-Null-Stellen nicht gegönnt sein. Nie mehr.

Hatten diese unsäglichen Proklamierer einer unsterblichen Seele am Ende gar recht? Existierte dieses höhere, sphärenhafte Ich? Und wie stand es mit dem Ort, vor dem die selbsternannten religiösen Obrigkeiten stets gewarnt hatten; die ewige Verdammnis? Handelte es sich dabei um diesen Ort, und war er demzufolge nichts anderes als ein Verdammter, der für seine Sünden büßen musste?

Die Hölle … Definierte sie sich nicht durch das Feuer, sondern durch das Gegenteil aller Elemente: die vollkommene Leere? Das Nichts?

Nein!, schrie er in Gedanken. Ich muss mir selbst treu bleiben! Ich darf mich nicht in eine Sackgasse manövrieren, aus der ich nicht wieder hinausfinde, ohne meiner Seele – meinem Geist! – Schaden zuzufügen.

Er musste sich auf etwas anderes konzentrieren. Etwas Schönes, Situationsneutrales.

Die Umrisse eines Frauenkörpers schälten sich aus dem Dunkel. Sie waren nicht übertrieben weiblich, sondern – wie er fand – genau richtig. Groß, schlank, langbeinig, das fingerlange blonde Haar leicht gewellt. Wunderbar kontrastierend dazu der eher dunkle Teint und die strahlend schönen, grün-braunen Augen.

Sie sah ihn besorgt an.

Er hatte ihr nie gesagt, wie gut dieser Blick ihm getan hatte, wie dankbar er ihr stets gewesen war. Nicht Mitleid hatte in ihren wunderbaren Augen gestanden, sondern ehrliche Anteilnahme. Und manchmal – doch in diesem Punkt konnte er sich auch täuschen – manchmal sogar noch ein wenig mehr.

Naileth, dachte er. Weshalb bist du nicht bei mir? Das finale Nichts würde in deinem Beisein einen Großteil seines Schreckens verlieren.

Er stutzte. Etwas hatte sich verändert.

Eine Ahnung entstand, breitete sich aus, nahm Gestalt an. Seine Gestalt! Langsam schien er zurückzukehren in die Körperlichkeit.

Es tat gut, sich wieder dort zu fühlen, wohin er gehörte – in seinen Kopf, in den Bauch, in die Hände und Füße. Gleichzeitig spürte er, wie Schmerz und Qual seinen Körper malträtierten. Der kalte und lähmende Einfluss war zurückgekehrt, wollte sich an seiner Lebensenergie laben und ihn töten.

Er stöhnte.

In einer entsetzlich langen und mühevollen Bewegung drehte er seinen Kopf und warf einen Blick auf das Chronometer an seinem Handgelenk.

Die Anzeige schien am 24. April 3112 um 21:16 Uhr eingefroren zu sein. Wie dies möglich sein konnte, entzog sich seinen Kenntnissen. Ein Chronometer hörte nicht »einfach so« auf zu laufen. Entweder fehlte es ihm an Energie, oder ein irgendwie gearteter Einfluss von außen hatte das empfindliche Innenleben in Mitleidenschaft gezogen. Doch in diesen Fällen würde sich das Gerät entweder völlig ausschalten, oder Fehlermeldungen generieren. In diesem Fall traf weder das eine noch das andere zu. Das verdammte Chronometer lief einfach nicht weiter.

Etwas traf ihn mit unvergleichlicher Wucht. Wie ein Spielball wurde er fortgeschleudert. Wenigstens nahm er dies so an. Ihm fehlten schlicht die Bezugspunkte, um wirklich sicher zu sein, ob er sich tatsächlich bewegte oder sich den Stoß nur eingebildet hatte.

Ihm fehlten – Moment mal!

Das Nichts hatte sich verändert. Es war nicht mehr konturlos und leer. Ganz im Gegenteil: Plötzlich vermittelte sich ihm der Eindruck von räumlicher Tiefe. In weiter Ferne schälte sich eine dunkelrot wabernde Musterung heraus. Wie ein fragiles Netz erschien sie ihm, verschmolzenen Seifenblasen gleich.

Ein Schaum aus leuchtenden Quallen.

Sein Geist weigerte sich zu begreifen, was er da sah.

Alles ging rasend schnell.

Die Zeit erwachte, griff mit ihren dünnen, Funken treibenden Fingern nach ihm und reihte ihn wieder ein in ihren Strom.

Eine nebelhafte Öffnung erschien. Er driftete darauf zu und sie verschluckte ihn. Im nächsten Augenblick fand er sich zurück in der Dimension, in die er gehörte.

Er schrie.

Entsetzliche Kälte beherrschte seinen Körper, klirrender Schmerz. Er war in die Wirklichkeit zurückgekehrt. Doch das Grauen endete damit noch lange nicht.

Er war wieder er.

Santjun. Risiko-Spezialist der USO. Auf Gedeih und Verderb an den unsterblichen Arkoniden Atlan gekettet.

Seine persönliche Hölle hatte eben erst begonnen.

2.
Ankunft: Atlan

 

 

Blaues Wabern erwartete mich.

Wie ein Verdurstender, der nach mehreren Tagen Fußmarsch endlich zu einer Oase findet, stolperte ich durch die von silberfarbenen Gewächsen umrahmte Pforte.

Sofort prasselten tausend verschiedene Reize wie ein Bombardement wütender Fäuste auf mich ein, überfluteten meine Sinne, drohten mich zusammenbrechen zu lassen.

Alles verzehrende Schmerzen fraßen sich durch meine Nervenbahnen. Davon überlagert und doch eindeutig zuzuordnen, fühlte ich die charakteristische Todesstrahlung des Monolithen.

Konzentriere dich!, kam der scharfe Befehl des Extrasinns. Analysiere die Situation. Handle!

Mein zweites Ich. Ebenso nervtötend wie wertvoll in dieser Situation, in der das eigene Bewusstsein nicht mehr in geordneten Bahnen denken und entscheiden konnte. Wie Pfeiler ragten die Anweisungen des Extrasinns aus dem Chaos optischer, physischer und psychischer Reize. Ich streckte beide Arme nach ihnen aus.

Die Kampfroboter! Sie müssten den Übergang unbeschadet überstanden haben.

Mit schwerer Zunge befahl ich über den Helmfunk Calipher-SIM und den beiden anderen Kampfrobotern, uns abzuschirmen. Trotz meiner undeutlichen Aussprache kam der Befehl an. Durch einen Tränenschleier sah ich, wie die drei silbrig glänzenden Maschinen ausschwärmten und sich um uns in Dreiecksformation aufstellten.

Der Helmempfänger übertrug ein mehrkehliges Stöhnen. Meine Leute hatten noch stärker als ich mit den Nachwirkungen des Übergangs und der Reizüberflutung zu kämpfen, die in der Empfangsstation herrschte.

Die Terranerin Amelia Marcos, vor kurzem noch Funkoffizier der abgestürzten IMASO, stützte sich erst würgend auf die Knie ab, bevor sie kraftlos zu Boden sank. Ramit Claudrin, der mit Bärenkräften ausgestattete Epsaler, wehrte sich erfolglos gegen den Zusammenbruch und riss im Fallen Major Simmers und Oberleutnant Santorin mit sich. Der Boden erzitterte, als der zentnerschwere Claudrin aufschlug.

Das war nicht Claudrin!, vernahm ich das Wispern des Extrasinns.

Tatsächlich. Das Beben setzte sich fort. Der gesamte Monolith schien sich zu schütteln – wie ein Hund, der lästiges Ungeziefer loswerden wollte.

Ich blinzelte, versuchte durch den Tränenschleier vor meinen Augen etwas zu erkennen. Sanft arbeitende Luftdüsen rückten dem Sekret zu Leibe. Dennoch blieb es unmöglich, durch das stechend blaue Licht Details der Umgebung auszumachen.

Ein schwarzer Schatten schob sich neben mich. In seinen Händen hielt er – ebenso wie ich – einen schweren Kombistrahler der USO.

Santjun.

Er war der Einzige aus unserer Einsatzgruppe, der sich noch auf den Beinen halten konnte. Trotz des schlechten körperlichen Zustandes, in dem er sich befand. Durch das Visier seines Helmes erkannte ich, dass auch er seine Grenzen überschritten hatte. Der Schweiß lief ihm in Strömen über die Stirn, und seine Augen zuckten unstet und nervös. Langsam hob er die Arme mit dem Strahler.

Etwas blitzte auf. Es knisterte leise, als der Schutzschirm des vordersten Roboters aufleuchtete.

In einer synchronen Bewegung ruckten die Waffenarme der drei Roboter hoch. Mehrere Thermoschüsse lösten sich von ihren Abstrahlmündungen, vereinigten sich an einem Punkt in stechendem Blau. Ein Schutzschirm blähte sich flirrend auf, bevor er verpuffte. Der nächste Energiestrahl erledigte den Rest.

Eine humanoide, gelbliche Fackel flackerte auf. Die Außenmikrofone übertrugen den kurzen, grässlichen Todesschrei des Verbrennenden. Sekundenlang stand er da, als wolle er den Elementen und seinem Schicksal trotzen. Dann fiel er in sich zusammen, die Flammen erstarben. Das Blau floss zurück, eroberte wieder den Raum, der ihm kurzzeitig abhanden gekommen war.

»Selbständig … sichern!«, ordnete ich keuchend an.

Aufglimmende Grünwerte in meinem Helmdisplay zeigten an, dass die GLADIATOREN den Befehl verstanden hatten. Selbst Calipher-SIM sandte mir den Impuls. Das skurrile Kunstbewusstsein, das sich im Chassis eines unserer durchschlagkräftigsten Kampfroboter in alter Frische manifestiert hatte, war immer wieder für Überraschungen gut.

Die Akte Calipher-SIM werden wir zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren, Kristallprinz, sagte der Extrasinn.

»Wie geht es Ihnen, Santjun?«, fragte ich.

»Bestens«, zischte er.

»Fein.« Der USO-Spezialist war bereits wieder zu Scherzen aufgelegt. Ich konnte davon ausgehen, dass er mir zumindest in den nächsten Minuten mit einem Großteil seiner Einsatzkraft zur Verfügung stehen würde. Der Rest des Teams lag um uns verteilt am Boden. Keiner hatte es mehr als drei Schritte von der Pforte weg geschafft, bevor die Schutzmechanismen ihrer Körper gegriffen und sie bewusstlos hatten werden lassen.

Die Fokussierung auf Teilaspekte der Situation half mir. Schrittweise gelangte ich wieder in den Vollbesitz meiner geistigen Kräfte. Die gefühlte Ewigkeit, die der Übergang gedauert hatte, war für meinen Geist ein unvergleichliches Martyrium gewesen – trotz des Extrasinns. Einmal mehr bewunderte ich Santjun für seine Standhaftigkeit. Er musste denselben kosmischen Einblick erhalten haben wie ich.

Wir philosophieren später darüber, in welche Sphären wir da vorgestoßen sind, bemerkte der Logiksektor. Doch nun wäre es angebracht, wenn sich der Herr Lordadmiral auf das Hier und Jetzt konzentrieren würde. Ein Angreifer kommt selten alleine!

Ich atmete mehrere Male tief durch, ohne dass sich mein Geist dadurch signifikant geklärt hätte. Per Sprachbefehl ließ ich mir die Körperwerte der Teammitglieder in mein Helmdisplay projizieren. Sie zeigten allesamt eine deutliche Schwächung auf. Die Medoeinheiten der Anzüge hatten bereits Gegenmaßnahmen ergriffen und ihren Trägern kreislaufstabilisierende Mittel verabreicht.

Meine Augen blieben an einer Zahlenreihe hängen. Santjuns Anzug lieferte die interessantesten Daten. Seine Pulsfrequenz lag vergleichsweise niedrig. Als Widerspruch dazu wurde eine Testosteronkonzentration angegeben, der die Normalwerte um das Achtzigfache überstieg.

Irrelevant!, drang der Extrasinn in meine Gedankengänge. Achte auf deine Umgebung!

»Situationsanalyse!«, murmelte ich. »Optische Umgebungsdarstellung unter Normallichtbedingungen!«

Lange, mehrheitlich glatte Wände schälten sich aus dem flackernden Blau.

Der zentrale Hohlraum!, dachte ich. Das Bild wurde von einem flimmernden Gespinst aus Gelbtönen überlagert. Eine Fehlfunktion der Anzugpositronik?

Eher deine überreizten Netzhäute, flüsterte der Logiksektor. Konzentriere dich auf die angezeigten Werte!

Wie ein Roboter folgte ich den Anweisungen meines anderen Ichs. Der zentrale Hohlraum des Monolithen glich denjenigen, die wir bereits auf Thanaton, Zartiryt und Lumbagoo erforscht hatten – mit einem signifikanten Unterschied. Ich überprüfte die Umgebung in verschiedenen Optik-Modi, doch das Ergebnis war eindeutig.

Keine Bunkeranlage!, dachte ich.

Und damit keinerlei lemurische Einrichtungen, ergänzte der Extrasinn.

Die Bunker waren dreißig Meter große, dreigeschossige Würfelklötze, die von den Lemurern in den zentralen Hohlräumen der Monolithen errichtet worden waren. In ihnen befanden sich die Steuerungsanlagen, mit denen die Vertreter der Ersten Menschheit auf verschiedene Funktionen der Monolithen zugegriffen hatten.

Mit einiger Verzögerung wurden die restlichen Daten der Situationsanalyse eingeblendet. Mit 1,08 Gravos lag die Schwerkraft ungefähr auf Terra-Niveau. Die Umgebungstemperatur wurde mit minus achtunddreißig Grad Celsius angegeben. Das Gasgemisch bestand vorwiegend aus Stickstoff und Chlorgas und einer wilden Mischung weiterer Gase.

Wir würden bis auf Weiteres auf unsere Anzüge angewiesen sein – jedenfalls solange wir nicht auf Einrichtungen von Sauerstoffatmern stießen. Ob die Silberherren auch diesem Planeten ebenfalls einen Stützpunkt betrieben, mussten wir erst in Erfahrung bringen.

»Analyse auf den gesamten Monolithen ausweiten!«, befahl ich.

Die bisherigen Werte verschwanden. Mit brennenden Augen wartete ich auf die Ergebnisse der erweiterten Situationsanalyse. Drei Atemzüge lang geschah gar nichts. Dann rollten mehrere Zahlenreihen durch das Display. Auf den ersten Blick erkannte ich, dass sie keinen Sinn ergaben. Distanzangaben veränderten sich laufend und die Umgebungsanalyse zeigte Ergebnisse, die allen Naturgesetzen widersprachen.

»Selbstanalyse der Orterfunktionen!«, ordnete ich an, obwohl ich bereits ahnte, wie das Ergebnis ausfallen würde.

»Alle Systeme arbeiten korrekt«, hörte ich die Anzugpositronik sagen. »Sie liefern aber widersprüchliche Ergebnisse. Selbstanalyse wiederholen?«

Die Ortung des Anzuges wird durch die Hyperstrahlung des Monolithen beeinträchtigt, wisperte der Extrasinn überflüssigerweise.

»Nein«, sagte ich. »Systemanalyse einstellen, Ortungsbereich auf maximal zweihundert Meter beschränken. Bei widersprüchlichen Ergebnissen nur Mittelwerte kommunizieren.«

»Wir müssen hier weg!«, ächzte Santjun. »Lange kann ich mich nicht mehr auf den Beinen halten.«

»Sie haben recht, Major«, sagte ich. »Nehmen Sie den bewusstlosen Claudrin und die Kommandantin in Fernsteuerung. Wir werden den Monolithen verlassen. Ich kümmere mich um die anderen beiden und bilde mit Calipher-SIM und einem der GLADIATOR-Roboter die Vorhut. Sie folgen uns mit dem zweiten GLADIATOR auf mein Zeichen, spätestens jedoch in zehn Minuten, falls der Funkkontakt abbrechen sollte. Halten Sie so lange durch, Major?«

»Kein Problem, Sir!«, kam es unverzüglich von dem USO-Spezialisten. Seine Stimme klang hart und klar. Die Anstrengung darin war dennoch unüberhörbar.

»Gut. Überprüfen Sie in der Zwischenzeit die Überreste des Angreifers!«

»Verstanden.«

In schneller Folge gab ich die Anweisungen zur Kopplung meines Anzuges an diejenigen von Amelia Marcos und Torben Santurin. Calipher-SIM, der unsere Unterhaltung mitverfolgt hatte, gab mir mit einem bestätigenden Impuls zu verstehen, dass er meine Anweisung registriert habe. Da ich mit weiteren Angreifern rechnete, positionierte ich die beiden Roboter zwanzig Meter vor uns. Sie würden bei einem Angriff mit der ihnen eigenen Schnelligkeit reagieren – solange ihre Ortungssysteme durch die Strahlung des Monolithen nicht zu stark beeinträchtigt wurden.

Ein Umstand, der sehr schnell eintreffen könnte!, warnte mich der Logiksektor.

»Los!«, befahl ich.

Wir setzten uns in Bewegung. Um nicht im ungünstigsten Moment von einem Ausfall meines Flugaggregats betroffen zu sein, verzichtete ich vorerst auf dessen Einsatz. Noch konnte ich nicht abschätzen, auf welche Komponenten unserer Technik sich die Strahlung des Monolithen besonders negativ auswirkte. Nach wenigen Schritten erzitterte der Boden heftig wie bei einem massiven Erdbeben.

Dieser Monolith ist in einem deutlich anderen Zustand als diejenigen von Lumbagoo, Zartiryt und Thanaton!, stellte der Extrasinn fest.

Er erscheint mir aufgeladener, tödlicher; bereit, seine unbändigen Energien freizugeben!, bestätigte ich gedanklich, während wir uns Schritt für Schritt auf die Stelle zu bewegten, an der sich meiner Erfahrung zufolge der Ausgang aus dieser Halle befinden sollte.

Etwas emotionell ausgedrückt, aber nicht unzutreffend, meinte der Extrasinn mit leichter Belustigung in der mentalen Stimme.

Die Erdstöße wurden stärker, verschwanden ein paar Herzschläge lang, um dann mit neuer Intensität wieder einzusetzen. Meine Arme erschlafften. Ich ließ den schweren Kombistrahler sinken, ohne ihn jedoch in das Holster zu stecken. Auch wenn ich frühestens beim Hallenausgang mit Gegenwehr rechnete, konnte ich es mir trotz meiner angeschlagenen Physis nicht erlauben, nachlässig zu werden.

Während ich heftig atmend einen Fuß vor den anderen setzte und versuchte, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, wurde mir wieder einmal mit aller Eindringlichkeit bewusst, wie klein und unbedeutend Akteure wie ich im Angesicht dieser kosmischen Dimensionen doch waren.

Die Verlorenen hatten die Monolithen vor etwa eineinhalb Millionen Jahren erbaut. Unter welchen Umständen dies genau geschehen war, konnten wir bisher noch nicht vollständig nachvollziehen. Noch gaben die uralten Bauwerke Fragen auf, deren Antworten tief in grauer Vorzeit verborgen lagen.

Nicht nur die Beweggründe der Verlorenen blieben rätselhaft, sondern auch diejenigen der Lemurer, der Ersten Menschheit. Sie hatten vor 50.000 Jahren die Monolithen erforscht und für ihre Zwecke benutzt. Die Steueranlagen in den Bunkern, die wir in den ersten drei Monolithen vorgefunden hatten, belegten dies eindeutig. Dazu kam der lemurische Wächterroboter Calipher, dessen Speicherinhalte Iasana Weiland auf eine unserer GLADIATOR-Einheiten übertragen hatte.

Rätselhaft blieben ebenfalls die besonderen Effekte auf das Leben, die von den Monolithen ausgingen: Während das Silbermetall – ähnlich einem Zellaktivator – lebensverlängernd wirkte, brachte die geheimnisvolle Todesstrahlung alles Leben um, das sich in der Nähe zum Monolithen befand. Egal, ob es sich um Menschen, Tiere oder Pflanzen handelte. Sie starben innerhalb weniger Stunden an Zellvertrocknung, wie ich diesen Vorgang nannte.

Das größte Geheimnis stellte jedoch das Transmittersystem dar, mit dem wir von Lumbagoo hierher gesprungen waren. Das Bild der blasenähnlichen, roten Strukturen wollte mir nicht mehr aus dem Kopf.

Ein Hauch der Unendlichkeit, dachte ich. Haben wir in diesem Moment das Multiversum gesehen?

Romantisch verklärter Narr!, kam es prompt vom Logiksektor. Für diese Theorie fehlt jede wissenschaftliche Grundlage.

Ein besonders heftiger Stoß ließ mich stolpern. Ein Blick auf die Nahortung sagte mir, dass die Intensität der Strahlung weiter zugenommen hatte. Ich beorderte die Roboter auf zehn Meter heran, damit ich sie nicht im ungeeignetsten Moment aus der Funkverbindung verlieren würde.

Die Echtfarben-Korrektur der Umgebungsanzeige auf dem Helmdisplay fiel aus. Das penetrante Blau brannte sich wieder in meine Netzhäute. Ich fluchte und beschleunigte meine Schritte.

Vergiss nicht, dass du durch das Betreten des Monolithen von Thanaton alles ausgelöst hast. Du bist wahrlich ein kosmischer Akteur, Kristallprinz, bemerkte der Extrasinn mit beißendem Spott, um nach einer Kunstpause zu ergänzen: Oder doch eher der Zauberlehrling, der die Kräfte nicht mehr kontrollieren kann, die er herbeigerufen hat?

Ich biss die Zähne zusammen, während ich stur voranschritt.

 

 

Calipher-SIM

 

Der GLADIATOR-Kampfroboter des Typs TKR 3000-R4, der mit den Bewusstseinsinhalten des uralten lemurischen Wächterroboters ausgestattet war, rechnete.

Er verstand sich als integraler Bestandteil dieses Unternehmens, das von Lordadmiral Atlan angeführt wurde. Atlans Ziele deckten sich mit den seinen. Calipher-SIM war sich aber bewusst, dass er auf viele Informationen nicht zugreifen konnte, die in seinen Speichern vorhanden waren.

Er musste sich dementsprechend blind auf die Pläne des unsterblichen Arkoniden verlassen. Selbst wenn Atlan mit einem sogenannten Logiksektor ausgestattet war, der seine Handlungen reflektierte, so war er wie alle intelligenten Lebewesen ein Werkzeug seiner Instinkte und Emotionen. Auf Dauer konnte dieser Umstand dazu führen, dass ihre Ziele die Deckungsgleichheit verloren.

Da dies jedoch nur eine Annahme aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrechnungen war, musste Calipher-SIM dringend mehr Daten erhalten.

Er berechnete, dass der Anteil der Informationen, die seine derzeitige Persönlichkeit ausmachten, nur gerade zwölf Prozent der Daten waren, die Leutnant Weiland von seinem ursprünglichen Körper auf den GLADIATOR-Roboter übertragen hatte.

Die restlichen achtundachtzig Prozent lagen als Dateifragmente brach. Korrupte Daten, die einzeln analysiert, zugeordnet, rekonstruiert und anschließend wieder in der korrekten Reihenfolge und Struktur zusammengesetzt werden mussten.

Eine Arbeit, für die er mindestens siebzig Stunden benötigen würde. Vorausgesetzt, dass er ständig mindestens achtzig Prozent seiner Rechenleistung dafür verwenden konnte. Den gegenwärtigen Einsatz würde dies nicht beeinträchtigen.

Calipher-SIM wusste, dass er Atlan und die anderen nicht über sein Vorhaben informieren durfte – trotz seiner loyalen Haltung ihnen gegenüber. Solange er noch nicht wusste, was er nicht mehr wusste, musste er seine Absichten geheim halten.

Calipher-SIM rechnete.

3.
Vor dem Monolithen: Atlan

 

 

Meine Augen tränten vor Aufregung. Calipher-SIM und der Kampfroboter hatten den Ausgang der Halle erreicht und sicherten ihn ab.

Ich blieb stehen. Die Werte, die von der siganesischen Mikropositronik angezeigt wurden, blieben nichts sagend. Bevor ich dazu kam, bei Calipher-SIM einen Lagebericht anzufordern, sandte er mir einen Funkimpuls, der mir anzeigte, dass keine unmittelbare Gefahr bestand.

Ein qualvolles Stöhnen erklang über den Helmfunk. Mittels Sprachbefehl ließ ich mir die Körperwerte meiner Begleiter im Display einblenden. Amelia Marcos war bereits aufgewacht und nach der Herzfrequenz zu urteilen, würde Torben Santorin, der ehemalige Cheforter der IMASO, ihr in Kürze folgen.

»Hören Sie mich, Oberleutnant Marcos?« Ich zwang mich, meine Stimme möglichst ruhig und sicher wirken zu lassen.

Die 63-jährige Terranerin flüsterte mir etwas zu, doch ich konnte ihre Worte nicht verstehen. Einen Moment lang dachte ich, sie spreche in einem fremden Idiom, verwarf den Gedanken aber sogleich wieder. Amelia Marcos war durch den Übergang und die Strahlung des Monolithen an die Grenze ihrer körperlichen Leistungskraft gelangt. Sogar ich mit meinem Zellaktivator konnte mich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Und Santjun …

Lass uns dies später erörtern, sagte der Extrasinn.

Ich beugte ich mich über Marcos’ schwebenden Anzug und suchte durch das Visier ihren Blick. Das sternförmige Muttermal unter ihrem rechten Auge stach durch die blau reflektierende Scheibe des Helmvisiers.

Ich brachte ein Lächeln zustande. »Amelia, ich bringe Sie hier heraus. Versuchen Sie sich, so gut es geht, zu entspannen.«

Die Terranerin schloss kurz ihre dunklen Augen zum Zeichen, dass sie mich verstanden hatte.

Der dunkelhäutige Torben Santorin war nun ebenfalls aufgewacht. Seine von Natur aus strahlend blauen Augen wirkten in diesem Licht wie glühende Howalgoniumkristalle.

Auch mit ihm wechselte ich einige Worte. Mir war bewusst, dass ich nicht mehr viel Zeit verlieren durfte. Zum einen mussten meine Begleiter so schnell wie möglich aus dem tödlichen Wirkungsbereich des Monolithen verschwinden und zum anderen hatten die vor uns flüchtenden Silberherren nur einen minimalen Vorsprung gehabt; als sie sich auf Lumbagoo dem Transportsystem der Monolithen anvertraut hatten. Wenn wir sie wirklich aufhalten wollten, bevor sie ihr Wissen über die Funktionsweise der Monolithen weiterleiten konnten, mussten wir ihnen auf den Fersen bleiben und in einem taktisch klugen Moment zuschlagen.

Dass wir sie nicht bewusstlos vor der Pforte vorgefunden hatten, zeigte einmal mehr auf, dass das Silbermetall nicht nur das Leben zu verlängern schien, sondern seine Träger auch vor den fremdartigen Wirkungen der Monolithen beschützen konnte – wie es auch bei Santjun der Fall war.

Unwillkürlich stieg die Sorge um Leutnant Iasana Weiland in mir hoch, die von den Silberherren als Geisel genommen worden war. Sie trug weder Silbermetall noch Zellaktivator und war dem Todeseinfluss schutzlos ausgesetzt. Ich hoffte, dass Marik, seines Zeichens Anführer der Silberherren und von Santjun mehrmals als »Ekel« bezeichnet, sie respektvoller behandelte, als dies bei dem Risiko-Spezialisten der Fall gewesen war.

Calipher-SIM meldete immer noch Grünwerte. Ich wandte mich um, hob den Strahler und ging mit schnellen Schritten auf die beiden Kampfmaschinen zu. Die Anzüge der beiden ehemaligen Besatzungsmitglieder der IMASO schwebten mir nach. Noch funktionierten sie einwandfrei, wie mir schien. Ich hoffte, dass dies so blieb. Wenn wir die Geschwächten tragen mussten, würde uns das wiederum langsamer machen.

»Konntest du verlässliche Ortungsergebnisse erzielen?«, sagte ich zu Calipher-SIM, den ich an dem lemurischen Emblem erkannte, das er sich am oberen rechten Rand seines Brustpanzers aufgemalt hatte.

Der Roboter verneinte. »Ich bin untröstlich, Erhabener! Alle Ortungsgeräte auf Hyperbasis zeigen keine auch nur annähernd korrekten Werte. Die zuverlässigste Wahrscheinlichkeit liefert die optische Wahrnehmung.«

»Was liegt vor uns?«

»Ein verwinkelter Korridor von zwei Metern Breite, dessen Verlauf ich nicht klar erkennen kann, den Hochrechnungen zufolge, sollte er aber nach außen führen. Mein äußerlich gleicher Kollege und ich werden aber die Kopfantennen einfahren müssen, wenn wir uns nichts brechen wollen in den engen Gängen!«

Calipher-SIM, wie er leibte und rechnete.

»Danke«, sagte ich. »Folgt dem Gang mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Sekunde und gebt Alarm, sobald ihr irgendetwas Ungewöhnliches bemerkt.«

»Irgendetwas?«, fragte Calipher-SIM.

»Irgendetwas«, bestätigte ich.

Irgendwie etwas vage, kommentierte mein Extrasinn spöttisch.

Überflüssige Aussage!, gab ich mit einem scharfen mentalen Impuls zurück.

Du bist nicht fokussiert, antwortete mein zweites Ich schonungslos. Du handelst zu langsam, die Anweisungen sind zu schwammig. Kannst du mit diesem Hinweis etwas anfangen?

Ich seufzte und gab den beiden Maschinen den Befehl zum Aufbruch. Als sie bei der ersten Gangbiegung angelangt waren, folgte ich ihnen. Mit einem kurzen Blick über die Schulter überzeugte ich mich, dass der Anzug meine beiden Begleiter immer noch im Schlepptau hatte.

Nach rechts führte ein Seitengang, dessen Ende ich nicht erkennen konnte. Nach etwa fünfzig Schritten stießen wir wieder auf eine Abzweigung, diesmal nach links. Calipher-SIM zögerte bei der Richtungswahl keinen Moment. Nur dank meines fotografischen Gedächtnisses konnte ich erkennen, dass wir uns kontinuierlich von der Pforte entfernten. Dazu kam, dass sich langsam grünlich-silberne Farbtöne in das nervtötende blaue Wabern mischten. Es waren die Wände aus dem Silbermetall der Monolithen, die heller und heller wurden. Dies entsprach unseren Beobachtungen in den anderen Monolithen, die das Umgebungslicht bis zu einem bestimmten Grad hatte durchscheinen lassen.

Vom Korridor führten mehrere der auch aus den anderen Monolithen bekannten Kriechgänge weg. Diese durchmaßen aber nur einen knappen Meter und konnten für die beiden Roboter zur Falle werden, weshalb sich ihr Gebrauch von vornherein ausschloss.

Meine Augen klebten abwechslungsweise an den vorausgeschickten Robotern und den immer noch verrückt spielenden Daten in meinem Helmdisplay.

»Sir!«, hörte ich plötzlich die schwache Stimme von Amelia Marcos. »Da sind Zeichnungen an den Wänden!«

Sofort ließ ich die Roboter stoppen. Als ich sicher war, dass sie meinem Befehl gefolgt waren und sich nicht weiter fortbewegten, wandte ich mich der Terranerin zu. Sie hatte ihren Kopf auf die linke Seite gelegt und betrachtete die Wand.

Ich kniff die Augen zusammen und ging zu der angezeigten Stelle. Tatsächlich waren in der Höhe ihres Gesichts kleine Zeichnungen angebracht. Ich beugte mich hinab, um sie besser erkennen zu können. Es handelte sich um eine Art Bildergeschichte, die mich spontan an Höhlenmalereien oder die Zeichnungen in den altägyptischen Pyramiden erinnerte. Die Darstellungen waren in Form von Flachreliefs in das Silbermetall eingetrieben worden.

Ich ging ein Stück zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren, bis ich beim Anfang – oder Ende – der Bildergeschichte angelangt war. Es waren zwei Wesen zu sehen, die ich unzweifelhaft als Verlorene identifizierte und die vor einer unbekannten Gefahr zu fliehen schienen. Die schattenrissartigen Bilder wirkten auf eine unbestimmte Weise eingefroren und veränderten sich je nach Blickwinkel geringfügig.

»Aufzeichnung!«, befahl ich meiner Anzugpositronik.

Ein kleines rotes Signal leuchtete in meinem Helmdisplay auf und ich folgte gebückt der Bildergeschichte, bis sie wieder abbrach.

»Aufzeichnung stoppen!« Stöhnend richtete ich mich wieder auf. »Gut gemacht, Oberleutnant Marcos«, lobte ich die Terranerin. »Wir werden die Bilder später auswerten. Wir müssen jetzt weiter!«

Ich gab den Robotern den Befehl, ihren Weg fortzusetzen. Über Funk vernahm ich die unregelmäßigen Atemzüge von Marcos und Santorin. Ich beschleunigte meine Schritte und wies auch meine Vorhut an, sich schneller zu bewegen.

Der Korridor öffnete sich mehrmals zu beeindruckenden Galerien, in denen Konglomerate aus einer Abwandlung des Hüllenmaterials verwachsene Maschinen bildeten, deren Funktionen sich uns jedoch nicht erschlossen.

Nach etwa zehn Minuten Marsch gelangten wir in eine Halle, die in Spitzbögen zusammenlief. Das grünliche Licht hatte zuletzt mehr und mehr an Kraft gewonnen – ein untrügliches Indiz dafür, dass wir den äußersten Bereich des Monoliths erreicht hatten.

Ich blickte mich um. Mehrere etwa hüfthohe Wände unterteilten die Halle optisch in einzelne Sektoren. In den Boden war eine Vielzahl von mondsichelförmigen Mulden eingelassen. Ich nahm an, dass sie den Erbauern als Sitzgelegenheiten gedient hatten. Soviel wir bisher über die Größe und Physiognomie der Verlorenen herausgefunden hatten, passten sie ziemlich genau. Alles in allem wirkte der Raum wie ein Arbeitsbereich, in dem einstmals Dutzende von Verlorenen irgendwelchen Tätigkeiten nachgegangen waren.

»Ortung!«, meldete Calipher-SIM, der in der Mitte der Halle stehen geblieben war. »Wir haben es bald geschafft, Träger des Lichts! Nur noch eine dicke Wand trennt uns von der Außenwelt! Doch wir müssen vorsichtig sein. Ich orte starke Energieentladungen, die auf den Einsatz schwerer Strahlgeschütze schließen lassen. Im Moment messe ich verwaschene Triebwerksemissionen von mehreren startenden Gleitern an.«

»Ortest du Fremde in unserer unmittelbaren Nähe?«

»Keine, Erhabener!«

»Wie können wir den Monolithen verlassen?«

»Der Verbindungsgang in die Schleusenhalle befindet sich gleich dort drüben!«

Damit zeigte er mit seinem rechten Arm auf ein unscheinbares Tor am anderen Ende der Halle.

»Gut. Dann nehmen wir sie mal in Augenschein«, sagte ich.

»Warten Sie auf mich!«, drang Santjuns von Geräuschen überlagerte Stimme durch den Helmfunk.

Ich drehte mich um und sah, wie der Risiko-Spezialist durch den Gang gestolpert kam. Vor ihm der GLADIATOR und die beiden ungleich geformten Kampfanzüge, in denen der Epsaler Claudrin und die auf der Kolonialwelt Gäa im System von DeKamps Stern geborene Kommandantin Naileth Simmers steckten.

Santjun schien am Ende seiner Kräfte zu sein. Seine Schritte wirkten unsicher und fahrig. Zweimal knickte er in den Knien leicht ein, versuchte dies aber gleich wieder zu überspielen. Der von Passa stammende Mann war eine ausgesprochene Führernatur, ein Macher, der es gewohnt war, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Er ordnete sich zwar in die USO-Hierarchie ein, doch er ließ unverhohlen erkennen, dass er sich zutraute, hochkomplexe Einsätze auch in Eigenregie zu planen und durchzuführen.

»Halten Sie durch, Major?«, fragte ich ihn, als er die letzten Schritte auf mich zuwankte.

»Es … es geht schon bedeutend besser«, sagte er mit kehliger Stimme. »Je weiter ich mich von der Pforte entferne, desto stärker fühle ich mich. Major Simmers und Claudrin sind wieder zu sich gekommen.«

Ich sah ihm prüfend in die Augen. Tatsächlich schien er zu erstarken, als ob er mit Lebenskraft aufgetankt würde. Dennoch zeigte sein Gesicht deutliche Spuren des körperlichen Zerfalls. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Die Haut wirkte gräulich verfärbt, tiefe Furchen hatten sich darin eingegraben.

Nicht die Pforte ist dafür verantwortlich, wisperte der Extrasinn. Es ist die Nähe zu deinem Zellaktivator. Ihr seid auf eine für mich noch nicht schlüssig zu erklärende Weise miteinander verkoppelt.

Eine Vitalenergiekopplung, sozusagen, dachte ich.

Damit das Kind einen Namen hat, ja, antwortete der Extrasinn.

Vitalenergie, Lebensenergie. Das sind doch nur Worte. Letztlich weiß keiner, worum es sich wirklich handelt.

Verliere dich nicht in philosophischen Erörterungen, abgedankter Imperator eines Sternenreichs, murrte mein Logiksektor. Wichtig ist momentan deine Wechselwirkung mit Santjun.

Eine Kopplung, die dafür verantwortlich ist, dass mein Zellaktivator Santjun einerseits Lebensenergie absaugt, sie ihm aber auch wieder zur Verfügung stellt, wenn er nahe genug ist?

Womit der Effekt, aber noch nicht seine Ursache erklärt wäre.

Unwillkürlich stiegen Schuldgefühle in mir hoch. Ich war es gewesen, der auf Thanaton den Monolithen aktiviert und damit meinen Zellaktivator veranlasst hatte, auf geheimnisvolle Weise diesen Austausch von Vitalenergie in Gang zu setzen. Und der damit unsere Schicksale untrennbar miteinander verknüpft hatte.

Vergisst du nicht irgendetwas? Wie steht es mit den Aktivitäten vor dem Monolithen?

Ich durchschaute das Spiel meines Extrasinnes. Er war wie ich zum Ergebnis gekommen, dass wir nicht genügend Anhaltspunkte darüber besaßen, mit wem oder was wir es vor dem Monolithen zu tun hatten. Offenbar war den Silberherren draußen von unbekannter Seite ein heißer Empfang geboten worden. Trotz der gewaltigen Feuerkraft unserer drei – wenn ich Calipher-SIM einschloss – GLADIATOR-Kampfroboter, durften wir uns nicht leichtfertig zwischen die Fronten einer Auseinandersetzung begeben. Selbst wenn sich Iasana Weiland als Geisel der Silberherren in einer gefährlicher Situation befand. Ich würde alles daran setzen, sie zu befreien. Doch ein solches Unternehmen erforderte einsatzfähige Mitstreiter und genügend durchschlagkräftige Utensilien.

Aus diesem Grund trieb mich der Extrasinn nicht dazu an, so schnell wie möglich aus dem Monolithen zu stürmen. Er wollte mich aber auf Trab halten – geistig wie körperlich. Noch hatte ich den Übergang zu verarbeiten. Sobald dies bewältigt war, würde mich der Extrasinn wieder an einer längeren Leine laufen lassen.

Sei dir da nicht zu sicher, kommentierte mein anderes Ich ungerührt.

»Wir sehen nach, was draußen geschieht!«, gab ich durch.

Wir durchquerten die Halle. Das Tor zum Verbindungsgang war halb geöffnet. Als wir hindurch traten, sahen wir erstmals direktes Licht des noch unbekannten Planeten. Offenbar war die Schleusenkammer zerstört worden.

»Wir lassen unsere Begleiter in der Bewachung eines der GLADIATOREN hier zurück«, raunte ich. »Sie, ich, Calipher-SIM und der zweite GLADIATOR werden vorausgehen.«

Mit ein paar erklärenden und ermutigenden Worten legten wir unsere Gefährten auf den Boden des Ganges, der wie der Rest des Monolithen aus dem fremdartigen Silbermetall bestand.

Ich blickte Santjun an. »Bereit, Major?«

»Bereit!«

»Sie nehmen die linke Seite, ich die rechte.«

»Verstanden. Überkreuztes Vorgehen beim Ausgang?«

»Ja«, bestätigte ich. »Los jetzt!«

Santjun und ich eilten zum Ende des Verbindungsganges. Die Schleuse selbst war offenbar schon vor längerer Zeit zerstört worden. In der würfelförmigen, etwa zehn Meter großen Kammer lagen die Trümmerstücke des Tores und weitere Gegenstände, die wahrscheinlich einstmals eine fremde Technik beherbergt hatten, nun aber dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen waren.

An die Wände gepresst, näherten wir uns der Öffnung. Die beiden zweieinhalb Meter hohen Roboter ließ ich etwas Abstand halten. Im Verteidigungsfall würden sie blitzschnell wieder in unserer Nähe sein.

Calipher-SIM ortete unaufhörlich und sendete mir die Ergebnisse gerafft an meine Anzugpositronik. Mittlerweile waren keine Triebwerks-, oder sonstigen Energieemissionen mehr erkennbar. Doch das hieß nicht, dass die Lage vor dem Monolithen gefahrlos war. Der Monolith spie nach wie vor seine unberechenbaren Energien aus, die unsere Instrumente empfindlich störten.

Santjun und ich drückten uns mit dem Rücken an die Seiten des zerstörten Schleusentors. Synchron hoben wir unsere Kombistrahler. Ich machte mich bereit, die linke Seite abzudecken, während sich Santjun auf die rechte Seite konzentrieren würde. Ich ging leicht in die Knie, damit wir uns nicht gegenseitig behinderten.

Den schweren Kombistrahler mit beiden Händen haltend, spreizte ich drei Finger ab. Santjun sah mein Zeichen und nickte. Nach und nach legte ich meine Finger wieder an den Griff der Waffe.

Drei – zwei – eins.

Santjun und ich wirbelten herum. Vor uns lag ein Schlachtfeld. In kurzer Folge nahmen wir alle möglichen Ziele ins Visier: einen rauchenden Shift, zwei am Boden liegende, humanoide Körper, zwei glühende Kampfroboter. Rauch- und Dampfschwaden drifteten gemächlich durch das ansonsten erstarrte Bild und verliehen ihm etwas Geisterhaftes.

»Ich überprüfe die beiden Gestalten!«

Bevor ich etwas erwidern konnte, presste sich Santjun an mir vorbei und hastete auf die beiden Körper zu.

Seine übersteigerte Eigeninitiative kehrt zurück – das ist nicht nur ein gutes Zeichen, flüsterte der Extrasinn.

Ich ließ meinen Blick über die Ebene schweifen, die sich vor mir ausdehnte. Trostlos, war das Wort, das mir als erstes in den Sinn kam. Über der braunen, fast konturlosen Landschaft wölbte sich ein schlierig grüner Himmel, durch den träge Wolkenfetzen trieben. Mehrere, nicht allzu weit entfernte Gebirgszüge waren im dichten Dunst nur undeutlich erahnbar. Weit und breit gab es keine irgendwie gearteten Anzeichen einer Zivilisation.

Mit der Helmoptik zoomte ich den Horizont herbei, doch die vor etwa zehn Minuten georteten Gleiter waren nirgends sichtbar.

Ich trat ins Freie. Der Boden war überraschend weich. Eine glänzende, braune Moosschicht bedeckte ihn. Der stattgefundene Kampf hatte tiefe Spuren darin hinterlassen.

»Calipher-SIM, kannst du die Richtung rekonstruieren, in der sich die Gleiter entfernt haben?«

»Ausgezeichnete Idee«, antwortete der lemurische Roboter. Er stakste auf seinen langen, dünnen Beinen in die Ebene hinein. Die vierzehigen Füße versanken fast im Boden. »Wegen der schwierigen Ortungssituation muss ich von mehreren Punkten aus Messungen vornehmen«, ließ er verlauten.

Nachdenklich blickte ich ihm nach. Es sah grotesk aus, wie der humanoide Roboter wie ein verstörtes Huhn in der Gegend herum stelzte, stehen blieb und seinen Oberkörper mehrmals um 360 Grad drehte, um seine Umgebungssensoren nach allen Seiten ausrichten zu können.

Durch die Ereignisse der letzten Stunden und Tage hatte ich ein festes Vertrauen in den Roboter entwickelt. Schon der echte Calipher hatte uns wertvolle Dienste geleistet. Der uralte Wächterroboter, den wir im Monolithen von Zartiryt gefunden hatten, hatte sich schließlich sogar für unsere Zwecke geopfert.

Nachdem sein kopiertes Bewusstsein durch Iasana Weiland auf eine unserer GLADIATOR-Einheiten übertragen worden war, hatte sich sehr schnell herausgestellt, dass damit nicht nur Caliphers Fähigkeiten, sondern eben auch seine Skurrilität zurückgekehrt waren.

Das Vorbild der GLADIATOREN war ursprünglich vom arkonidischen Imperium entwickelt worden. In ihrer hünenhaften humanoiden Gestalt sollten sie zum einen den Gegner durch ihre bloße Erscheinung beeindrucken, und zum anderen konnte dank ihren beiden Beinen auf die Energie fressenden Flugaggregate verzichtet werden. Rhodans Terraner hatten die Kampfroboter übernommen und weiter entwickelt. Das war vor mehr als tausend Jahren gewesen. Der Typ TKR 3000-R4, den wir gegenwärtig in der United Stars Organisation verwendeten, war nochmals mit zahlreichen Neuerungen ausgestattet worden, unter anderem einem Antigravaggregat und Prallschirmprojektoren. Seine fünffingrigen Hände verfügten über Desintegrator, Paralysator und Doppel-Thermostrahler.

»Tot«, unterbrach Santjuns Stimme meine unnützen Gedankengänge. Der Risiko-Spezialist der USO beugte sich über eine der Leichen und studierte sie eingehend. Dabei stützte er sich mit den Händen auf seinen Knien ab. Selbst auf die Entfernung von zehn Meter sah ich, dass er am ganzen Leib zitterte.

»Wie geht es Ihnen, Major?«, fragte ich besorgt.

Er blickte kurz auf, sah in meine Richtung. »Ich bin einsatzbereit.«

»Gut.«

Ich stapfte zum Gleiterwrack. Blaue Flammen züngelten aus dem Antriebsblock. Die Kanzel war durch den konzentrierten Beschuss aus mehreren Strahlwaffen geschmolzen. Falls sich zu diesem Zeitpunkt jemand darin aufgehalten hatte, hatte er nur innerhalb eines zusätzlichen, mit Schutzschirmen ausgestatteten Kampfanzuges Überlebenschancen gehabt. Ich wandte mich um und betrachtete nachdenklich die Spuren, die der Kampf hinterlassen hatte.

»Es handelt sich bei beiden um Silberherren!«, berichtete Santjun.

Dies hätte ich ihm auch von meiner Position aus sagen können. Die Stelle, an der sie sich befanden, und die Art, wie sie dalagen, erzählten eine eindeutige Geschichte.

Strahlbahnen hatten den Boden teilweise verdampft, verbrannt oder zu glasigen Adern zusammenschmelzen lassen. Die Schussabgabe war von zwei verschiedenen Stellen aus erfolgt: Einmal direkt vom Eingang zum Monolithen und einmal von dem nun völlig zerstörten Gleiter aus.

Unzweifelhaft hatte jemand den Monolithen bewacht, der nicht auf der Seite der Silberherren stand, und ihnen einen heißen Empfang bereitet.

Eine wichtige Erkenntnis für uns!, merkte der Extrasinn an.

Es sind keine dauerhaften Befestigungen sichtbar. Die Bewachung musste spontan aufgebaut worden sein, als der Monolith seine Aktivitäten aufgenommen hat, dachte ich. Entweder handelte es sich um Einheimische oder um die Besatzung eines gelandeten Raumschiffs.

Dagegen sprechen die Gleiter, die sich vom Monolithen entfernt haben, entgegnete der Logiksektor. Wenn ein Raumschiff im Spiel gewesen wäre, erschiene es logischer, wenn es entweder direkt beim Monolithen gelandet wäre oder ein Beiboot entsandt hätte.

Falls es Einheimische waren, so haben sie das gewaltige Bauwerk bisher komplett ignoriert. Es gibt keinerlei Anzeichen irgendwelcher religiöser, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Aktivitäten.

Narr!, warf mein Extrasinn ein. Das Gebäude ist riesig, du hast erst gerade einen kleinen Ausschnitt davon gesehen. Viel zu wenig, um solch umfassende Aussagen treffen zu können!

Wir werden es herausfinden, gab ich indigniert zurück.

»Ich sehe nach unseren Begleitern, Major.«