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Neid

Das Gefühl im Hinterhalt

Keine Regung ist rätselhafter als der Neid: seit jeher ringen die Menschen mit jener Todsünde, die uns begehren lässt, was uns nicht gehört. Die uns antreibt, wenn wir nachlassen. Und die wir überall enttarnen, nur nicht bei uns selbst. Ein schwieriges Terrain für Forscher - die der gelben Emotion trotzdem auf der Spur sind

von Jens Schröder

Das gelbe Monster – wir haben es tatsächlich angelockt.“ Professor Andrew Oswald scheint noch immer ein wenig schockiert zu sein, wenn er von seinem Experiment erzählt.

Aber der Ökonom an der britischen University of Warwick ist auch begeistert: „Das Ungetüm ist uns mitten durchs Labor stolziert und hat eine Menge Geld vernichtet – mehr als wir alle ahnten.“

Gemeinsam mit einem Kollegen hat er nichts Geringeres ins Licht der Wissenschaft gezerrt als die dunkle Seite der menschlichen Seele. Und das mit einem harmlosen Glücksspiel am Computer, bei dem alle Kandidaten Geld gewinnen – wenn auch unterschiedlich viel.

Die Regeln: Vier Teilnehmer treten gemeinsam an und sind durch Sichtblenden voneinander getrennt; von ihren Mitspielern erfahren sie nichts. Außer: wie viel die gewinnen. Dann darf jeder sein Geld nehmen und nach Hause gehen.

Oder er kann vorher noch schnell den Gewinn der Mitspieler verringern. Per Mausklick. Anonym. Aber gegen einen kleinen Einsatz: 25 Pence muss jeder von seinem eigenen Gewinn abzwacken, wenn er auf dem Konto eines anderen ein einziges Pfund löschen will.

„Zwei Drittel der Kandidaten haben sich an dieser Kapitalvernichtung beteiligt – und dabei die Hälfte aller Gewinne zerstört“, erzählt Oswald. Immerhin waren hinterher einige der Probanden von ihrem eigenen Verhalten irritiert. „Warum haben wir uns gegenseitig nicht einfach in Ruhe gelassen?“, fragte sich einer der Teilnehmer verwirrt.

Die Antwort: weil es offenbar der menschlichen Natur widerstrebt. Attackiert wurden vornehmlich die Konten jener Kandidaten, die beim Glücksspiel überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatten. Denn von einem anderen übertroffen zu werden macht anscheinend neidisch.

Neid. Ein allerorten verpöntes Gefühl. Eine Emotion im Hinterhalt, ein Gemisch aus Wut, Angst, Verlangen und Traurigkeit in ewiger Lauerstellung.

Eine psychobiologische Reaktion unseres limbischen Systems auf einen Vergleich mit einem anderen Menschen, der zu unseren Ungunsten ausgefallen ist: weil der andere ein schnelleres Auto, ein volleres Konto, einen flacheren Bauch oder ein leichteres Schicksal hat.

Weil er mehr kann, mehr gilt oder mehr darf. Gesünder, klüger oder schöner ist als wir. Oder gesündere, klügere, schönere Kinder hat.

Und weil wir annehmen, dass er aus diesen Vorteilen eine Befriedigung zieht, die uns selbst verwehrt bleibt.

Plausibel ist das nicht. Doch wer neidet, denkt nicht logisch. Und argwöhnt unbewusst hinter der eigenen Geringerwertigkeit ein Komplott des anderen.

Seine hinterhältige Macht bezieht der Neid nicht zuletzt aus seiner Ächtung. Deshalb versteckt, wer neidet, das oft sogar vor sich selbst – gesteht es sich gar nicht ein: Wer von Neid getrieben handelt, sabotiert, verleumdet und denunziert vielmehr aus dem Verborgenen.

Denn der Neid gilt als hässliche Krankheit des Gemüts, mit der viele Menschen zu kämpfen haben – und zwar immer die anderen.