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John Jackson Miller

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Knight Errant – Jägerin der Sith

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

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Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Star Wars™ Knight Errant«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung Mai 2012

bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München.

Copyright © 2011 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved. Used under authorization.

Translation Copyright © 2012 by Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: © Isabelle Hirtz, München

Cover Art Copyright © 2011 by Lucasfilm Ltd.

Cover illustration by John Van Fleet

Redaktion: Marc Winter

HS · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN 978-3-641-08364-9

www.blanvalet.de

Für Meredith,

unerschrocken und weise.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Prolog

Mit jedem Strich seines Stiftes erfuhr der alte Sullustaner mehr über den Schöpfer des Universums.

Für einen Menschen war Lord Daiman vergleichsweise jung. Und dennoch stieß Gub Tengo wieder und wieder auf seine Spuren, als er sich durch den Stapel zerknüllter Flimsiplastbögen arbeitete. Transportrechnungen, Konstruktionspläne, Restaurantbelege … Gub konnte die Worte nicht lesen, doch manchmal verrieten ihm die Bilder, was sie besagten. Alle waren auf eine Zeit datiert, lange bevor Daiman auf Darkknell an die Macht kam – manchmal Jahrhunderte davor. Und doch ließen alle irgendwie den Aufstieg seiner Lordschaft vorherahnen.

Gub hielt es für eine erstaunliche Sache, die dünnen, vom Alter zusammengeklebten Acrylbögen durchzusehen. Dokumente über so banale Dinge – und doch waren sie alle Teil der Schöpfung: Daimans Schöpfung. Gub schüttelte die Glühleuchte, die man ihm gegeben hatte, und hielt sie näher an den Text. Ja, da waren die prophetischen Symbole schon wieder, verborgen. Gubs Aufgabe bestand darin, sie für alle offensichtlich zu machen.

Im Stillen dankte er Daiman dafür. Mit sechzig hatte Gub Glück, in irgendeiner Form zu Diensten sein zu können – besonders, nachdem er während Lord Chagras’ Herrschaft beim Zusammenbruch eines Lagertanks die Kontrolle über seine Beine verloren hatte. Eigentlich hätte das das Ende seiner Nützlichkeit sein müssen. Doch Jahre zuvor hatte Gub in einer Biowaffenfabrik gearbeitet, wo er Gift in Sporen injizierte. Von dieser akribischen Tätigkeit war es nur ein kleiner Schritt zur Benutzung eines chemischen Griffels – und ein solches Talent war auf Daimans Hauptwelt stets von Nutzen.

Als Daiman an die Macht kam, hatte er befohlen, die Aurebesh-Buchstaben, die seinen Namen bildeten, so zu ändern, dass sie seinen prägenden Einfluss auf die Existenz widerspiegelten. Den Buchstaben wurden zwei fahnenähnliche Striche hinzugefügt, und das nicht nur, wenn diese in Zukunft niedergeschrieben wurden, sondern auch überall dort, wo sie bislang aufgetaucht waren. Und geändert war eigentlich auch nicht das richtige Wort, denn – wie Daiman es ausgedrückt hatte – die »neuen« Buchstaben hatte es schon immer gegeben. Einfache Organische konnten sie nur schlicht nicht sehen. Sie jetzt gemeinhin sichtbar zu machen war kein Ändern – es war eine Offenbarung.

Bei der großen Mehrheit der geschriebenen Worte in Daimans Domäne, die allesamt elektronisch gespeichert waren, ließ sich die Veränderung innerhalb von Sekunden vornehmen. Doch für Schilder und Etiketten war persönlicher Einsatz erforderlich – was ebenso für die relativ wenigen physikalischen Dokumente galt, die die Kultur hervorgebracht hatte. Aus diesem Grund hatte man Grub und Tausenden anderen Handwerkern wie ihm auf Darkknell und anderswo die Aufgabe erteilt, die Buchstaben zu »offenbaren«, die schon immer da gewesen waren.

Möglicherweise wäre es leichter gewesen, das frühere Material einfach zu zerstören. Die meisten Flimsiplastbögen lösten sich in Wasser rasch auf. Doch Gub wusste, dass das nicht der springende Punkt war. Falls das Universum, wie Daimans Sith-Adepten sagten, fünfundzwanzig Jahre zuvor mit Daimans Geburt geschaffen worden war, mussten alle »älteren« Materialien ebenfalls von ihm geschaffen worden sein – einschließlich dieser Werbeanzeige. Falls ein ramponiertes Blatt mit Abbildungen von Schuhen die Zeichen von Daiman barg, dann handelte es sich nicht um Reklame, sondern um ein heiliges Artefakt. Es zu zerstören, wäre ein Sakrileg, würdig des Großen Feindes.

Daimans Signatur fand sich überall in der Galaxis – sogar am Himmel über ihnen. Die Seiten aus der Vergangenheit waren bloß ein weiteres Zeichen dieser Allgegenwart. Sie mussten ein Teil des großen Ganzen sein.

Als sich Gub auf das Werbeschreiben konzentrierte, entdeckte er einen der Buchstaben, die er suchte, in der Bildunterschrift für ein Paar grauer Stiefel. Ein weiteres Aurek. Gub seufzte und rieb den elektrostatischen Griffel gegen sein Knie, um ihn aufzuladen. Er war sich der Bedeutung seiner Arbeit bewusst, und dennoch war er der lästigen Vokale müde. Die hinzugefügten Fahnen – sein Vorgesetzter nannte sie Unterschnitte –, die den heiligen Buchstaben Aurek-da bildeten, wiesen vom Buchstaben aus nach links und stießen nahezu jedes Mal an das benachbarte Zeichen. Doch wenn Daiman nicht wollte, dass die Buchstaben zusammenliefen, dann musste auch Gub sein Bestes tun, um dafür zu sorgen, dass die transformierten, »offenbarten« Lettern dies ebenfalls nicht taten.

Wenn es um Schöpfungsfragen ging, war Ordentlichkeit alles, was zählte.

So saß der alte Sullustaner in seiner winzigen Wohnung im Iridium-Viertel, sein Tag eine einzige Geduldsprobe aus Dorn-das und Enth-das, die sich häufig bis spät in die Nacht erstreckte, so wie heute auch. Gub fragte sich selten, was mit den Tausenden Bögen bearbeiteten Flimsiplasts passierte, die er im Laufe der Jahre zurückgegeben hatte. Er nahm an, dass diese Dokumente dorthin zurückgebracht wurden, wo man sie gefunden hatte, auch wenn ihm die Flecken und der Geruch einiger verrieten, dass sie wohl auf Mülldeponien gelegen und darauf gewartet hatten, in den nächstbesten Stern geschossen zu werden. Wer behielt im Auge, was wohin zurückgebracht werden musste? Was musste das für eine Aufgabe sein? Gub konnte sich nicht einmal einen Begriff davon machen.

Doch das spielte auch keine Rolle, solange er seinen Teil zur göttlichen Offenbarung beitrug. Das Einzige, was ihn bei seiner Arbeit beschäftigte, war, seine Quote zu erfüllen und einen passiv-aggressiven Kontrolleur zufriedenzustellen. Seine wahren Sorgen hingegen galten dem schwindenden Nahrungsvorrat, mit dem sie zu dritt auskommen mussten, und seiner elternlosen Enkeltochter Tan im Besonderen, die im Raum nebenan schlief, ohne dass irgendwer zu sagen vermochte, wie wohl ihre Zukunft aussah.

In zunehmendem Maße sorgte er sich zudem um die Pflegekraft, die er für sie engagiert hatte. Unvernünftig, ungestüm – und, ohne dass er es ahnte, in diesem Moment auf der anderen Seite der Stadt damit beschäftigt, die ultimative Vernichtung von Lord Daiman herbeizuführen, dem Erschaffer von Alphabeten und Schöpfer des Universums.

Teil 1

Das Daimanat

1. Kapitel

Im Sith-Raum ist jeder ein Sklave. Narsk hielt diese Aussage mit Blick auf eine Gruppe, zu deren Kredo nicht zuletzt eine Zeile darüber gehörte, dass ihre »Ketten zerbersten« werden, für reichlich sonderbar. Immerhin waren sie stets sorgsam darauf bedacht, für alle anderen jede Menge Ketten intakt zu lassen.

Dennoch waren einige Leute mehr Sklaven als andere. Es zahlte sich aus, etwas Besonderes darzustellen, in etwas gut zu sein. Dann war das Leben weniger unerfreulich. Und was die wirklich Besonderen betraf? Die durften sich ihren Meister immerhin aussuchen – nicht, dass die Optionen diesbezüglich übermäßig verheißungsvoll waren.

Narsk Ka’hanes eigene Besonderheit hatte ihn nach Darkknell geführt, den Herrschaftssitz von Daiman, dem selbsternannten Sith-Lord und Möchtegern-Gott. Zunächst hatte Narsk mithilfe eines Tarnanzugs in den Höhlen von Verdanth Reiffledermäuse gesammelt, und was er jetzt tat, unterschied sich davon nicht sonderlich. Gewiss, der Bothaner konnte sich nicht vorstellen, dass sich zu Hause irgendjemand kopfüber an einem Seil ins Ventilationssystem eines Hochsicherheitsturms hinabließ – doch andererseits konnte auch nicht jeder etwas Besonderes sein.

Was jetzt anders war, war der Tarnanzug. Die Sith, die in dieser Region Krieg führten, hatten sich in den letzten paar Jahrzehnten nicht allzu sehr darauf konzentriert, die Tarntechnologie weiterzuentwickeln – sie hatten bloß immer größere Explosionen im Sinn. Narsk konnte das nur recht sein. Der eng am Körper anliegende Anzug, den er trug, war das Neuste einer republikanischen Produktlinie, die im Grumani-Sektor vollkommen unbekannt war. Er vermochte nicht zu sagen, wie sein Lieferant an ein Cyricept-Personentarnsystem vom Typ VI herangekommen war – oder auch nur, ob die vorherigen fünf Varianten etwas taugten. Narsk wusste bloß, dass er es bei einem Auftrag noch nie so mühelos derart weit gebracht hatte.

Das war schon fast eine Schande, wenn man all die Vorbereitungen bedachte, die er getroffen hatte. Er war bereits Wochen zuvor nach Xakrea gekommen, Darkknells Verwaltungssitz, um seine Tarnidentität zu etablieren. Das Ziel zu lokalisieren war nicht weiter schwierig. Die schiefe Pyramide, die umgangssprachlich der Schwarze Hauer genannt wurde, war vom Großteil der Stadt aus sichtbar. Er hatte die Verkehrsmuster rings um das obsidianschwarze Gebäude sorgsam studiert und sich die Schichtwechsel der Wachen eingeprägt, die die wenigen Zugänge sicherten. Innerhalb eines Monats hatte er jeden Weg in und aus dem kolossalen Bauwerk mit all seinen Geheimnissen ausgekundschaftet. Dann war er geradewegs hineinspaziert.

Narsk war der Ansicht, dass das Typ-VI-System für das Spionagehandwerk so bedeutend sein konnte, wie es der Hyperantrieb für Weltraumreisen gewesen war. In der Haut des Anzugs arbeiteten auf Molekularebene elektronische Störkörper, die elektromagnetische Wellen um den Träger herum krümmten und beugten. Töne, Licht, Kom-Signale – der Typ VI entwich ihnen allen. Und Cyricept hatte an alles gedacht. Ein Atemfilter passte die ausgeatmete Luft der Raumtemperatur und der umgebenden Luftfeuchtigkeit an. Spezielle Sichtgläser erlaubten es Narsk hinauszusehen, ungeachtet des Umstands, dass kein Licht an seine Augen drang. Sie hatten sogar an eine gleichermaßen getarnte Tasche für Gegenstände gedacht, die man mit sich führte. Wenn Narsk auch nicht vollkommen unsichtbar war, erforderte es doch ein aufmerksames Auge, um ihn zu entdecken, besonders im Dunkeln.

Allerdings hatte Narsk festgestellt, dass Aufmerksamkeit eine Gabe war, die »Lord Daiman, der Schöpfer von allem« seinen Wachen nicht geschenkt hatte. Wie auch andernorts hatten die Anhänger des absonderlichen Herrschers bedrohlich wirkende Gestalten um sich geschart und sie schlichtweg etwas zu »elegant« gewandet. Es gab keinen Schläger, der nicht lächerlich aussah, wenn man ihn in eine vergoldete Rüstung und einen burgunderroten Rock steckte. Ein bedauernswerter Gamorreaner auf der anderen Seite der Stadt – dessen gedrungener, schwerfälliger grüner Leib besonders mit seiner Aufmachung zu kämpfen hatte –, sah aus, als würde er gleich anfangen zu heulen.

Und so hatte Narsk seinen Nadler und die Extramunition, die er bei jedem Ausflug zum Forschungszentrum bei sich gehabt hatte, nie gebraucht. Der Typ VI hatte ihn zur Tür gebracht, doch die Wachen persönlich hatten sie für ihn geöffnet, um ihn mit reinzulassen, wenn sie selbst hineingingen. »Wenn deine Aufgabe darin besteht, dafür zu sorgen, dass irgendetwas niemals geschieht«, hatte er einst jemanden sagen hören, »dann erkennst du es irgendwann selbst nicht mehr, wenn es tatsächlich passiert.« Mittlerweile, bei seiner dreizehnten und letzten Expedition ins Innere, war Narsk ebenfalls zu dieser Überzeugung gelangt. Viele der Geheimnisse des Schwarzen Hauers – offiziell als die Daimanat-Dynamiktesteinrichtung (Darkknell) bekannt – ruhten behaglich im Speicher des Datapads in seiner Tasche.

Lord Odion würde zufrieden sein.

Narsk wusste, dass das nicht immer eine gute Sache war: Daimans älterer Bruder bezog den größten Nervenkitzel aus Tod und Zerstörung. Der ganze leidige Krieg schmeckte nach einer psychologischen Studie. Daiman war der verzogene Bengel, der glaubte, das einzige Lebewesen im Universum zu sein, das zählte; Odion war der neidische Bruder, der auf seinen Verlust an Einzigartigkeit reagierte, indem er den Laufstall demolierte. So, wie Daiman glaubte, alles erschaffen zu haben, war Odion der Ansicht, es sei sein Schicksal, alles zu zerstören. Die Hälfte von Odions Anhängern gehörten einem Totenkult an und umschwirrten sein finsteres Licht in der Hoffnung, dass es sich für sie am Ende auszahlen würde, in seinen Diensten zu stehen. Selbst ralltiirische Glühmilben waren weniger lebensmüde.

Glücklicherweise brauchte Narsk ihre Ansichten nicht zu teilen, um von ihnen Aufträge anzunehmen. Jedenfalls nicht viele davon.

Als er eine Gabelung im Ventilationssystem erreichte, spürte Narsk, wie das gesamte Gebäude um ihn herum keuchte. Eisige Luft pfiff vorbei, um die Anlage für den heutigen großen Test zu kühlen. Der Typ VI reagierte und passte sich der Umgebungstemperatur an, während er gleichzeitig irgendwie verhinderte, dass sich auf der Oberfläche des Anzugs Frost bildete. Narsk fand, dass die republikanischen Entwickler gute Arbeit geleistet hatten. Zu schade, dass sie nicht auch vernünftig kämpfen können – oder zumindest nicht den Anschein erwecken.

Narsk löste das Kabel und ließ sich behutsam auf die Abdeckung der Ventilationsöffnung sinken. Das Haupttestzentrum unter ihm war der einzige wichtige Raum der Anlage, den er bislang noch nicht betreten hatte, und wenn auch nur, weil seine Beute bislang noch nicht hierhergebracht worden war. Doch da war sie, ihre metallische Masse durch die eisigen Dielen unter seinen Füßen gerade so eben sichtbar.

Konvergenz.

Im Zuge von Daimans Konflikt mit Odion waren die großen Schlachtschiffe, die einst die Schlachten der Sith gegen die Republik beherrschten, größtenteils aus dem Spiel herausgehalten worden. Keiner der Brüder hatte eine klare Vorstellung davon, wie viele große Schiffe der jeweils andere besaß, und während Odion sein Glück mit Freuden in einem großen Gefecht auf die Probe gestellt hätte, weigerte sich Daiman, ihm diesen Gefallen zu tun. Die Folge davon war eine Reihe von Angriffen und Gegenangriffen gewesen, bei denen der Schlüssel zum Erfolg häufig weniger die Menge an Feuerkraft war, sondern mehr die Fähigkeit, rasch verschiedene Arten von Einheiten einzusetzen. Das Schlachtfeld war ständiger Veränderung unterworfen.

Die Konvergenz-Angriffsmaschine warf zugunsten einer von Daimans kurzlebigen Ideen Tausende Jahre Militärwissenschaft über Bord, um ein Schiff zu erschaffen, das für jede erdenkliche Situation geeignet war. Genau wie Narsks Tarnanzug, sollte die Konvergenz zu allem imstande sein. Doppelt so groß wie ein Sternenjäger, fungierte das Schiff als kleiner Truppentransporter, in der Lage, acht bis zehn Krieger durch den Hyperraum zu transportieren. Außerdem war das Schiff mit Waffensystemen ausgestattet, die es ihm erlaubten, die Rolle eines Jägers oder Bombers zu übernehmen, je nachdem, was die Lage erforderte. Daiman sah eine Zeit voraus, in der ihm Millionen dieser Maschinen zu seinem rechtmäßigen Platz verhelfen würden, dazu, die Galaxis zu beherrschen.

Daimans Ingenieure hatten hingegen bloß einen niemals endenden Alptraum vorhergesehen – und bislang waren ihre Vorahnungen, die sie lediglich untereinander teilten, weitestgehend wahr geworden. Als er in die Kammer hinabspähte, verstand Narsk auch, warum. An einen riesigen Testarm war die hässlichste Vorrichtung montiert, die er je gesehen hatte. Die Konvergenz war der hundert Tonnen schwere Ausdruck der Launen eines einzelnen Mannes, wankelmütig und von inneren Konflikten zerrissen.

Daiman hatte verlangt, dass das Vehikel der dreirumpfigen, pfeilartigen Ästhetik seiner Sternenjäger treu blieb, doch letztlich waren Flügel und Farbgebung so ziemlich das Einzige, das das trächtige Ungetüm mit diesen geschmeidigen Schiffen gemein hatte. Die Designer hatten den vorderen Bereich mit einem massigen Passagierabteil versehen, das trotz allem noch immer alles andere als bequem war: Es gab Platz für neun Passagiere, aber nur, wenn sechs davon den ganzen Flug über standen. Die Triebwerke, die bei zwei früheren Gelegenheiten vergrößert worden waren, wirkten trotz allem überdimensioniert. Es gab eine Raketenbatterie, die auf nichts Spezielles ausgerichtet war, und an der Unterseite verlief eine gewaltige Gondel, als letztes Überbleibsel eines früheren Vorhabens, das Schiff für den Einsatz an Land in ein Raupenfahrzeug zu verwandeln. Narsk stellte sich vor, dass sie die Räder noch immer irgendwo im Gebäude aufbewahrten, in der Erwartung, dass Daiman seine Meinung in Kürze ohnehin wieder änderte.

Endlose Ingenieursarbeit für einen endlosen Krieg. Narsk fand, dass das Ganze wie etwas wirkte, das ein Kind entwerfen würde. Doch ungeachtet all dessen gab es dennoch etwas, das es wert war, gestohlen zu werden. Denn trotz all ihrer Schwierigkeiten war es Daimans Ingenieuren geglückt, dem Schiff einige gewinnbringende Neuerungen zu verschaffen. Einiges von der Arbeit, die in das Verbundgemisch der Außenhülle investiert worden war, hatte Früchte getragen, und die Energieeffizienz der Turbolaser war höher als bei allen anderen Schiffen im Sektor.

Nützliche Fakten, besonders für seinen Auftraggeber. Ganz gleich, wie selbsternannt er auch sein mochte, war Lord Odion ein geschickter Nachahmer, wenn es um Technologie ging. Man hatte Narsk damit beauftragt, die Geheimnisse der Konvergenz zu lüften. Mit etwas Glück würde Odions riesige schwebende Fabrik, der Dorn, in Kürze bessere Waffensysteme auf Basis dieser Ideen produzieren.

Dank Daimans abrupter Entscheidung, das Schiff zusätzlich zu allem anderen auch noch mit Funktionen zur Eindämmung von Ausschreitungen zu versehen, konnte Narsk den Großteil der Daten ohne große Mühe stehlen. Jetzt war er zurück, um sich auch noch das letzte bisschen zu holen: das Energieschild-Paket. Im Laufe der vergangenen Woche hatten Daimans Wissenschaftler die Schilde Schallwellen, Elektroemissionen und glühender Hitze ausgesetzt, um die Programme des Schiffs bei Bedarf anzupassen. Auf diesen Test, der dazu gedacht war, die Schutzschildleistung in der Atmosphäre einzuschätzen, hatte Narsk gewartet. Der Konvergenz-Prototyp war an einem großen, rotierenden Arm angebracht worden, wie bei einer gewaltigen Zentrifuge, dazu entworfen, das Verhalten der Schilde bei Sublichtgeschwindigkeit zu simulieren. Bei Schiffen, die weniger Geheimniskrämerei unterworfen waren, wurden diese Art von Tests in der Luft durchgeführt – doch Narsk nahm an, dass die Forscher wahrscheinlich Angst hatten, dass das Ding ohnehin niemals fliegen würde. Er war froh, dass man ihm nicht befohlen hatte, das Schiff selbst zu entwenden!

Ein Summer ertönte. Der gewaltige Ring setzte sich in Bewegung, um die Masse der Konvergenz träge im Kreis herumzuziehen. Narsks Aufmerksamkeit war auf eine Stelle weiter unten gerichtet, näher am Mittelpunkt der Vorrichtung. Die Zuschauer, die das Geschehen draußen an den Monitoren verfolgten, hatten keinen Blickkontakt zu dem riesigen Motor oder zu seiner Umgebung.

Narsk hievte sich über die Kante und passte seinen Sprung zeitlich so ab, dass er auf dem gewaltigen Arm selbst landete. Nachdem er einen Moment lang Metall berührt hatte, rutschte er von dem rotierenden Balken geschmeidig nach hinten, auf den Boden weiter unten zu. Sofort legte er sich flach auf den Bauch und presste sein pelziges Gesicht gegen den geriffelten Bodenbelag der Testkammer. Die Distanz zwischen dem Boden und der sofortigen Enthauptung betrug weniger als einen Meter.

Nur ein weiterer Arbeitstag im Auftrag der Sith, dachte Narsk, während er das Visier seiner Maske justierte, um der plötzlichen, schwirrenden Dunkelheit Rechnung zu tragen. Nachdem er sich neu orientiert hatte, schob er sich auf das Motorgehäuse in der Mitte des Raums zu. Dort, an der reglosen Basis der Anlage, befand sich das, was er zu finden erwartet hatte: eine aktive Kontrolltafel, die eigentlich nur benutzt werden sollte, wenn die Zentrifuge nicht in Bewegung war.

Narsk studierte den Bildschirm. Darauf waren Telemetriedaten des Tests zu sehen, die durch ein isoliertes Kabel zum zentralen Knotenpunkt flossen, das an der Gesamtlänge des riesigen Rotationsarms entlang zur Konvergenz führte. Während Narsk die Informationskaskaden über den Schirm strömen sah, griff er in die Tasche, um sein Datapad hervorzuholen, das direkt obenauf lag. Nachdem er eine einfache Verbindung hergestellt hatte, begann er, die Ergebnisse von diesem und jedem vorherigen Schutzschildtest des Prototyps herunterzuladen. Das Ganze war das reinste Kinderspiel. Es half zudem, den seltsamen Odioniten zu kennen, der verdeckt in den Reihen von Daimans Technikern arbeitete.

Die sind alle seltsam, dachte Narsk. Aber wen kümmert das schon?

Als der Download abgeschlossen war, musterte er mit zusammengekniffenen Augen den Bildschirm und investierte kostbare Extrazeit, um sicherzugehen, dass er das sah, was er sehen sollte. Das daimanitische Alphabet zu entschlüsseln half ihm dabei jedoch auch nicht weiter. Was für ein Mist …

Wieder ein Summen, kaum hörbar, dazu gedacht, ihn darüber zu informieren, dass der Prototyp jetzt seine Maximalgeschwindigkeit erreicht hatte. In Kürze würde die Konvergenz mit ihrem langwierigen Bremsmanöver beginnen. Er musste verschwinden. Aber zuerst musste er noch sein Abschiedsgeschenk deponieren, im Austausch für all die Informationen, die er gestohlen hatte. Narsk griff behutsam in seine Tasche und holte die Fracht hervor, die er mit sich herumschleppte: Baradium-Sprengsätze. Auf Darkknell waren sie in letzter Zeit immer teurer geworden, was Narsk dazu gezwungen hatte, seine eigenen hierher zu schmuggeln – nicht unbedingt eine angenehme Erfahrung angesichts der Empfindlichkeit des Sprengstoffs. Schon einige wenige Ladungen, angebracht an der Basis der Zentrifuge, würden genügen, um einen Teil des Testzentrums zu zerstören und auch den Prototypen zu vernichten, sobald Narsk die Bombe mittels Fernzünder zur Explosion brachte. Er ging davon aus, dass es eine ziemlich hübsche Detonation geben würde, doch dann würde er bereits zu weit weg sein, um sie mitanzusehen.

Narsk war schon auf dem Weg nach draußen und schlich durch eine schmale Rinne, die bei Tests mit Wasser als Ablauf Verwendung fand. Zu glatt und zu vertikal, um als Zugang ins Forschungszentrum zu dienen, war die Rinne dennoch ein bemerkenswert praktischer Weg hinaus. Als Narsk in die Dunkelheit schlüpfte, lächelte er. Er war nie näher als zwanzig Meter an die Konvergenz herangekommen – und doch hatte er alles, was er brauchte, um seine eigene Version des Schiffs zu bauen. Was konnte man sich mehr wünschen?

Als Lord Chagras’ Widerstand gebrochen war, hatte sich der junge Daiman beeilt, Darkknell unter seine Knute zu zwingen. Warum er das getan hatte, daran bestanden kaum Zweifel. Die Ästhetik des Planeten trug mehr dazu bei, seine Vision von Göttlichkeit zu vermitteln, als eine ganze Armee von Statuen seiner selbst – obgleich er die ebenfalls besaß. Knel’char I, die Hauptsonne des Planeten, versorgte die Bewohner mit einer dürftigen Helligkeit, die Wissenschaftler zu der Sorge veranlasst hatte, die Sonne könne ihren Wasserstoffkern jederzeit abstoßen. Doch die beiden jüngeren, helleren Sterne, die einander in einer äußeren Umlaufbahn langsam umkreisten, waren die wahre Attraktion. Mit gerade genügend Masse, um eine Fusion zu unterstützen, waren Knel’char II und III zu weit entfernt, um Darkknells Orbit zu destabilisieren oder sogar das Wetter zu beeinflussen. Doch von irgendwo auf dem Planeten aus waren sie stets zu sehen, bei Tag und bei Nacht.

Die Sonnen beobachteten Darkknell – im wahrsten Sinne des Wortes, meinten Bewohner. Denn die azur- und goldfarbenen Kugeln ähnelten nichts mehr als den unterschiedlichen Augen Daimans höchstselbst! Und so behielt der sogenannte Schöpfer von allem seine furchtsamen Untertanen vom Firmament aus stets im Blick, um sicherzustellen, dass unter seiner Knute niemals die Saat des Hochverrats aufkeimen würde.

Es sei denn, der Planet zeigt zufällig in die andere Richtung. Narsk, der vom Dach der Luftgleiterfabrik neben dem Testzentrum aus in die Höhe schaute, gluckste. Sekunden zuvor waren die »Augen« über dem Schwarzen Hauer aufgestiegen, als Vorbote der nahenden Morgendämmerung – womit eine Hälfte der Bewohner vor jedwedem Sternenglotzer sicher waren. Natürlich spielten die astronomischen Einzelheiten keine Rolle. Die Leute im Grumani-Sektor lebten schon so lange unter der Herrschaft der Sith, dass sie alles glaubten. Narsk hatte immer angenommen, dass Daiman die Iris seiner Augen so verändert hatte, dass sie zu den Sternen passten, doch Odion hatte geschworen, dass diese beunruhigenden Augen natürlich waren.

Ob das nun die Wahrheit war oder nicht, es war in jedem Fall eine gute Masche. Durch den umweltverschmutzten Dunst der Hauptstadt gefiltert, stellten die Sterne ein faszinierendes Spektakel dar. Und falls zu jener Zeit des Jahres jemand zu kichern wagte, wenn die Umlaufbahnen der Sterne es so aussehen ließen, als würde ihr Schöpfer schielen – nun, genau für diese Fälle waren Daimans Korrektoren vorgesehen.

Narsk zog die Maske von den haarigen, spitzen Ohren und war dankbar dafür, dass jetzt keine Korrektoren hier waren. Der Typ-VI-Anzug hatte ihm gute Dienste erwiesen, aber selbst Cyricept würde ihn nicht vor einer großen Zahl von Leuten abschirmen, die mittels der dunklen Seite der Macht nach ihm suchten. Zwar kannte Narsk mentale Rituale, um sich bedeckt zu halten, doch er war ziemlich damit beschäftigt gewesen, in das Testzentrum hinein- und wieder hinauszugelangen. Es war gut, dass Daiman die meisten der Korrektoren im Vorfeld irgendeines neuen Vorhabens gegen Odion ins Hauptquartier zurückbeordert hatte. Narsk fragte sich nicht sonderlich, was Daiman dieses Mal im Schilde führen mochte. Das Himmelssanktum fiel nicht in seinen Aufgabenbereich.

Narsk zog die Handschuhe aus und legte sie zusammen mit Brille und Maske in seine Tasche, gleich neben den Fernzünder. Er würde mit dem Auslösen der Sprengsätze warten, bis er an Bord des abhebenden Raumfrachters war. Die Reisegenehmigung für seine Tarnidentität hatte er sich bereits besorgt. Er fuhr sich mit lohfarbenen Klauen durch das verfilzte Gesichtsfell. Trotz des Kühlsystems im Anzug war er schweißgebadet. Er atmete tief durch. Zu viele Ausflüge an dunkle Orte. Es war gut, mit Darkknell fertig zu sein.

Als er sich einen Weg zu der Seite des Daches bahnte, wo er seine Kleidung versteckt hatte, dachte Narsk darüber nach, was der soeben zum Abschluss gebrachte Auftrag konkret für ihn bedeutete. In vielen Sith-Territorien war Geld nicht von Bedeutung. In Odions Reich existierten nicht einmal Tauschwährungen. Ebenso war Besitz in einer Region, deren Grenzen unbeständig und in denen die Sicherheit nie wirklich gewährleistet war, schwierig anzuhäufen.

Nein, im Sith-Raum wurden Leute an ihren Möglichkeiten gemessen. Nach dem kleinen Maß an Freiheit, das man ihnen zugestand – und nach der Mobilität, die sie haben würden, wenn die Dinge den Bach runtergingen. Es genügte nicht, sich einen halbwegs friedfertigen Despoten zu suchen und ihn nach besten Kräften zu hätscheln. Sith-Lords gingen so schnell unter wie sie aufstiegen. Der einzige Weg zu überleben bestand darin, für viele Sith gleichzeitig von Nutzen zu sein. Dank dieses Meisterstücks würde Narsks Reputation wachsen – eine Reputation, die dafür sorgen würde, dass der Bothaner nicht in Ketten endete, ganz gleich, was kam.

Er fand, dass das das Beste war, worauf irgendwer, der im Sith-Raum lebte, hoffen konnte – oder es überhaupt wollen würde.

»Du hast etwas, das ich haben will«, ertönte hinter ihm eine leise Frauenstimme.

Eine Korrektorin!

Narsk wankte nach vorn, während er hörte, wie hinter ihm summend ein Lichtschwert zum Leben erwachte. Es musste eine Korrektorin sein – sonst waren keine von Daimans Wachen mit Lichtschwertern bewaffnet. Doch Narsk hielt sich nicht damit auf, sich selbst davon zu überzeugen. Er hechtete bereits über die Seite des Dachs und ließ sich runter auf den Sims fallen, der längs um die Fabrik herum verlief. Gepolsterte Stiefel landeten auf Durastahl, als er auch schon das Gleichgewicht wiedererlangte und in einen überstürzten Sprint verfiel.

Seine Verfolgerin blieb über ihm, lief geschwind an der Dachkante entlang. Narsk fürchtete, dass sein Tempo nicht genügen würde, besonders angesichts des Umstands, dass seine Beine bereits von den Anstrengungen im Testzentrum schmerzten. Er fummelte in seiner Tasche herum, die ihm gegen den Arm schlug, während er rannte. Er griff hinein – und tastete hastig darin umher. Der Nadler war … wo?

Ganz unten in der Tasche, verdammt noch mal!

Er hatte keine Zeit, danach zu suchen, nicht mit dem Ende des Simses vor und näher kommenden Schritten über sich. Weitere Gebäude der Anlage erstreckten sich in die Ferne und führten weiter vom Schwarzen Hauer weg. Narsk sprang die paar Meter rüber zum Gesims des nächsten Gebäudes. Vom Dach aus, auf dem sich die Korrektorin befand, würde der Sprung wesentlich weiter sein, doch Narsk verschwendete keinen Gedanken an die irrige Hoffnung, dass seine Verfolgerin aufgeben würde.

Und tatsächlich: Als er hastig einen Blick hinter sich riskierte, entdeckte er eine schattige, zweibeinige Gestalt, die durch die Luft segelte, um die Distanz zwischen den Bauwerken mühelos zu überbrücken. Narsk ging durch den Kopf, dass nur eine Sith mit Machtfähigkeiten zu einem solchen Sprung in der Lage war. Und genau das waren die Korrektoren, Eliteoffiziere, die den Auftrag hatten, jene Elemente der Schöpfung instand zu setzen, die Daiman nicht gefielen. Narsk wollte lieber nicht wissen, wie genau der Korrekturprozess aussah.

Der neue Sims verlief ein kleines Stück geradeaus, bevor es um die Gebäudeecke ging. Narsk rutschte, als er um die Ecke bog. Auf dieser Seite war der Vorsprung schmaler: Bloß ein halber Meter bewahrte ihn vor einem Sturz in die sechs Stockwerke tiefer gelegene Gasse. Der Bothaner wurde trotzdem nicht langsamer, auch wenn jeder Schritt sein Schicksal auf die Probe stellte. Er wusste, dass die Stiefel des Tarnanzugs für derlei nicht gemacht waren – doch seine Straßenkleidung oben vom Dach zu holen kam nicht infrage. Er brauchte einfach nur Zeit, um es zu einer Stelle zu schaffen, wo er die Maske und die Sichtbrille des Anzugs anlegen und das Tarnsystem wieder hochfahren konnte.

Narsk warf erneut einen Blick zurück. Seine Angreiferin war eine humanoide Frau, ungefähr von seiner Größe und mit seinem Gewicht. Das war allerdings kein nennenswerter Grund für Erleichterung. Falls es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kam, würde er gegen keinen Sith-Adepten bestehen, ganz gleich, wie groß oder klein er war. Bei einem größeren Verfolger wäre er vielleicht zumindest imstande gewesen, seine Gewandtheit zu seinem Vorteil zu nutzen, doch diese Korrektorin hielt Sprung um Sprung mit ihm mit.

Wenigstens war ihr Lichtschwert nicht zu entdecken. Er hatte es zwar gehört, aber gesehen hatte er es nicht. Narsk vermutete, dass sie das Ding ausgeschaltet hatte, sobald sie die Verfolgung aufnahm. Er war verwirrt.

Warum ist keine Verstärkung eingetroffen? Warum ertönen keine Alarmsirenen?

Narsk hatte sich gerade diese Fragen gestellt, als vor ihm die Rettung auftauchte. Sie schien direkt durch das Oberlicht des kleineren Gebäudes weiter unten. Das war die Lösung – wenn er es nur irgendwie bis dort hinunter schaffte. Ohne zu zögern hechtete er von dem Sims, rollte den Körper zu einer kleinen Kugel zusammen und wappnete sich für den Aufprall. Der Typ VI war kein Panzeranzug, doch während er in die Tiefe fiel, hoffte er, dass er ihm dennoch einen gewissen Schutz gegen die glänzende Membran weiter unten gewähren würde, die förmlich auf ihn zuzuschießen schien.

Ka-rach! Spröde Transparistahlsplitter explodierten unter ihm, als er durch das Oberlicht stürzte, boten weniger Widerstand, als er erwartet hatte. Von dem Permabetonboden konnte man das allerdings nicht behaupten. Jegliche Hoffnung auf eine kontrollierte Landung fand ein jähes Ende, als Narsk auf der Oberfläche aufschlug … und ein Dutzend Meter weiterschlidderte, durch eine Pfütze aus goldener Schmiere, bevor er schließlich gegen eine Wand krachte.

Narsk rollte sich auseinander, blinzelte den Schmerz fort und schaute sich um. Der Ort war genau das, was er erwartet hatte. An Flaschenzugketten baumelten die Rahmen neuer Düsenschlitten, die hin- und herschwangen, während sie sich ihren Weg durch eine Farbdusche bahnten. Die ganze Halle stank nach dem beißenden Lack, der in dunstigen Schleiern in der Luft waberte. Narsk sah arbeitende Droiden, die so mit Farbe bedeckt waren, dass sie sich kaum zu bewegen vermochten. Offenbar gab es tatsächlich einen Ort im Daimanat, der selbst für Lord Daimans Sklaven zu giftig war!

Narsk bemühte sich aufzustehen. Wo war die Korrektorin? Nicht über ihm, stellte er fest. Außerdem war sie nicht wie die Korrektoren gekleidet gewesen, die er in der Öffentlichkeit gesehen hatte. Hatte Daiman möglicherweise eine neue Art von Geheimpolizei? Warum folgte sie ihm nicht nach unten?

Hat sie Angst davor, sich schmutzig zu machen?

Ein müßiger, törichter Gedanke – und einer, für den er sogleich den Preis zahlen musste, als er auf dem schmierigen Farbabfluss ausrutschte und mit dem Kinn auf den Boden krachte. Jetzt hatte er das Zeug in seinem Fell: Noch mehr von diesem verdammten Gold, das Daiman so gern an allem sah.

Als Narsk sich aufrappelte, wurde ihm klar, dass der Schmodder ebenfalls einen Gutteil des Tarnanzugs bedeckte. Es hatte keinen Sinn, ihn zu aktivieren. Er musste erst komplett gereinigt werden, bevor man damit wieder irgendwen zum Narren halten konnte. Doch er hatte keine andere Wahl gehabt. Er reckte den Hals und suchte die Dachsparren nach dem Grund dafür ab, dass er hierhergekommen war.

Da war es, hoch oben in den Sparren: Vom Ende einer Kette hing ein komplett montierter Düsenschlitten, glitzernd und getrocknet. Narsk bewegte sich vorsichtiger als zuvor, als er auf dem Weg zur Leiter eines Gerüsts an einem Lastenheberdroiden vorbeikam. Nachdem er abermals nach oben geschaut hatte – noch immer keine Korrektorin zu sehen –, kletterte er bis zur obersten Sprosse und wartete darauf, dass das Förderband den Düsenschlitten an ihm vorbeitransportierte.

Ein kurzer Sprung – doch weil Narsk im Dreck oben auf der Leiter ausrutschte, verpasste er sein Ziel beinahe. Er grapschte panisch um sich, und schließlich gelang es ihm, den Ellbogen um das schaukelnde Fahrwerk zu haken und die Hände zu verschränken, um sich auf den Sitz hochzuhieven.

Sicher auf dem Fahrzeug sitzend, riss Narsk die Schutzhülle vom Kontrollbildschirm. Ja, der Düsenschlitten würde funktionieren, doch im Tank war kaum genug Treibstoff, um ihn bis zur Stadtgrenze von Xakrea zu schaffen. Aber eigentlich spielte das keine Rolle. Mittlerweile hatte die Korrektorin garantiert Verstärkung angefordert. Entweder schaffte Narsk es, sich in den nächsten paar Minuten in Sicherheit zu bringen, oder er hätte überhaupt keine Chance mehr dazu. Als er die Tasche aufmachte, fand er den Nadler. Er lag gleich oben auf seinen anderen Habseligkeiten, einfach zu finden. Narsk seufzte. Na, großartig! Er regulierte die Einstellungen der handgefertigten Waffe so, dass sie säuregefüllte Pfeile verschoss, zielte auf den Flaschenzug über sich und feuerte.

Sekunden später tauchten Arbeiter mit trüben Augen aus der Personaltransporter-Montagehalle auf und schauten nach oben, um einen goldenen Schemen zu sehen, der durch ein offenes Fenster im vierten Stock schoss. Narsk presste den Körper dicht gegen das Fahrgestell des Düsenschlittens. Die Kette, die noch immer an dem Fahrzeug hing, peitschte hinter dem Flitzer umher wie der Schwanz eines Mosgoths und schlug gegen ein benachbartes Gebäude, als er in die Hauptstraße einbog.

Keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Narsk ließ zu, dass der Zugwind den Schmierfilm in seiner Lunge ersetzte. Bis zu diesem Augenblick hatte er Xakreas Luft noch nie als frisch empfunden. Weiter vorn erstreckte sich die Handwerkerstraße, die in Richtung von Klein-Duros und tausend anderen Orten führte, wo er untertauchen konnte. Das Einzige hinter ihm war der Schwarze Hauer, dessen Umrisse von den Zwillingssternen am Firmament erhellt wurden. Als er die Korrektorin nicht entdeckte, wandte er die Aufmerksamkeit wieder der Straße vor sich zu.

Stattdessen hätte er lieber nach oben schauen sollen.

Die Frau hechtete aus enormer Höhe von einer Himmelsbrücke, die die Durchfahrt überquerte. Als er sie in die Tiefe stürzen sah, die Arme weit ausgestreckt, gab Narsk instinktiv Gas. Ein abruptes Tschunk ließ den Düsenschlitten rucken, als es hinter ihm einen Aufprall gab, sodass er beinahe abrutschte. Narsk packte eine der Lenkstangen mit beiden Händen und zwang den Düsenschlitten aus der Kurve, um zurück ins offene Gelände zu schießen.

Narsk schaute hinter sich. Einen Moment lang hatte er geglaubt, sie sei auf dem Fahrzeug gelandet, doch von ihr war keine Spur zu sehen. Vielleicht hatte sie nach dem Sitz gegriffen, ihn aber verfehlt und war in ihr Verderben gestürzt. Wird auch allmählich Zeit, dass mal jemand anderes in die Bredouille gerät, dachte er. Bloß, dass der Flitzer noch immer wild hin und her schwankte. Irgendetwas störte die Steuerung. Narsk sah sich von Neuem um …

… und entdeckte sie hinten unter sich: Sie klammerte sich ans Ende der sechs Meter langen Kette, die noch immer an dem Speeder hing. Eine Schlaufe der Kette hatte sie um ihren Arm geschlungen und benutzte sie jetzt wie ein Spannseil. Im verschwommenen Schein der Straßenlichter weit unter ihnen konnte Narsk sehen, wie sie langsam auf ihn zukletterte.

Die Sith und ihre Ketten!

»Jetzt reicht’s aber!« Als er den Nadler fand, stemmte Narsk die Knie gegen das Fahrwerk des Düsenschlittens und ließ die Lenkstangen los. Mit einer Hand am Chassis, streckte Narsk den anderen Arm hinter sich und eröffnete das Feuer. Pfeile schossen durch die Abgasspur, die seine blinde Passagierin knapp verfehlten, da diese ihren Körper geschickt verdrehte, um den Geschossen zu entgehen. Die Projektile verschwanden auf der Straße weit unter ihnen außer Sicht.

Narsk fluchte. Ein Nadler war die falsche Waffe – aber er konnte ja schlecht mit einem Blaster auf Spionagemission gehen. Als er das Einstellrad studierte, fand er etwas, das er sich zunutze machen konnte. Die Impulswellenpfeile würden wenige Sekunden, nachdem sie den Lauf verlassen hatten, explodieren und den Großteil der Druckwelle in ihre Richtung schicken. Sie war jetzt schon fast wieder hinten auf dem Heck des Düsenschlittens und langte nach einem Haltegriff. Narsk legte die Waffe erneut an, stützte sich ab …

… und riss überrascht die Augen auf, als seine Verfolgerin in der Dunkelheit verschwand. Verwirrt blinzelte Narsk einen Moment lang – bloß, um selbst durch die Luft zu segeln, als die Bugnase des Düsenschlittens gegen ein unnachgiebiges Metallhindernis prallte: eine weitere Himmelsbrücke! Die Unterseite des Flitzers krachte gegen die äußere Brüstung, was das gesamte Vehikel kopfüber kippen ließ. Vor Narsks Augen drehten sich Firmament und Brücke in einem fort um sich selbst, bevor sie zu quälender Finsternis verschmolzen.

Sie war tatsächlich ein Mensch. Als Narsk wieder zu sich kam, sah er, wie die Frau – erhellt vom brennenden Wrack des Düsenschlittens – die breite Himmelsbrücke überquerte und auf ihn zukam. Eine junge Erwachsene, mit dunklem Teint und kurzgeschorenem schwarzem Haar, von dem ein paar widerspenstige Strähnen im Wind flatterten. Dank des braunen Arbeiterhemds und der dunklen Leinenhose verschmolz sie mit der Nacht – und im Gegensatz zu Narsk schien die Landung ihr nicht im Geringsten zugesetzt zu haben. Als er sich mühevoll auf die Knie aufrappelte, wurde ihm bewusst, dass sie vorhin gar nicht versucht hatte, auf den Düsenschlitten zu klettern. Vielmehr hatte sie die Brücke weiter vorne gesehen und sich darauf vorbereitet, sicher dort zu landen.

Jetzt marschierte sie mit großen Schritten selbstbewusst auf ihn zu. Sie wirkte entschlossen und hielt ihr deaktiviertes Lichtschwert in der Hand. Als Narsk krampfhaft versuchte aufzustehen, fiel er auf sein haariges Gesicht. Das rechte Bein war verstaucht, vielleicht gebrochen – und der Nadler war fort.

Narsk wand sich vor Panik, als er das vertraute Summen über sich vernahm. Er krallte sich in den Straßenbelag, verzweifelt bemüht, den Augenblick zu vermeiden, den er so häufig hinausgezögert hatte. Das war stets eine Gefahr gewesen, das Risiko, das es mit sich brachte, besonders zu sein. All diese Aufträge, von denen jeder einzelne genauso hätte enden können wie jetzt, mit dem Aufblitzen eines blutroten …

Grün. Grün!

Narsks Augen weiteten sich. Das Lichtschwert war grün.

»Jedi?« Narsk rollte sich herum und sah der Frau in die Augen – haselnussbraun. Sie war groß, wachsam, fokussiert – aber jenseits jeden Irrsinns.

Eine Jedi. Er konnte sein Glück kaum fassen. Eine Jedi? Hier?

Er hatte von einer Jedi gehört, die kürzlich im Sith-Raum für gewaltige Probleme gesorgt hatte. Von der, die es gewagt hatte, Odion während dieser Sache auf Chelloa die Stirn zu bieten – und Daiman unlängst zu Wutanfällen verleitet hatte. Narsk war noch nie einem Jedi begegnet, doch er kannte ihren Ruf – und hier auf Darkknell wäre er von niemand anderem lieber entdeckt worden.

»Du bist das«, begann er. »Nicht wahr? Du bist Kerra Holt

Die Frau antwortete nicht. Kniend filzte sie ihn. Da sich Narsk nicht in der Position befand, sich dem zu widersetzen, nahm er ihr Gesicht stattdessen näher in Augenschein. Ja, es passte zu den Bildern, die er gesehen hatte. Er leckte sich über die spitzen Zähne. Er wusste, was zu tun war.

»Ich bin auf deiner Seite«, meinte Narsk. »Ich will Daiman auch vernichten.«

Ohne auf ihn zu achten, tastete sie den Tarnanzug ab. Narsk war erstaunt – offenbar genauso wie sie –, dass der Typ VI keine Risse abbekommen hatte, auch wenn sich zu den goldenen Klecksen darauf jetzt auch noch Straßensplitt gesellt hatte. Sie trat mit Narsks Tasche beiseite und fand darin das Datapad. Während ihre Augen den Bildschirm studierten, sagte sie: »Du arbeitest für Lord Odion.«

Narsk war überrascht. Ihre Stimme war leise und rau, kaum mehr als ein Flüstern. »Odion?«, erwiderte er. »Wie kommst du denn darauf? Vielleicht bin ich ja auch ein Revolutionär.«

»Auf Darkknell gibt es keine Revolutionäre«, erwiderte sie. Ihre Stimme wurde lauter, als sie das Datapad ausschaltete. »Und selbst, wenn es welche gäbe, würden sie keine Militärgeheimnisse stehlen.« Sie hielt das Datapad so, dass Narsk es sehen konnte, warf das Gerät beiläufig in die Luft und teilte es mit einem plötzlichen Hieb des Lichtschwerts in zwei Hälften.

Narsk schluckte. Die ganze Arbeit!

»Die ganze Arbeit für Odion«, sagte sie, seine Gedanken erahnend.

»Ja«, entgegnete er. Ihm wurde klar, dass es keinen Sinn hatte, es weiter zu leugnen. Da konnte er ihr ebenso gut auch die Wahrheit sagen. »Ich habe für Odion gearbeitet. Aber ich bin kein Odionit. Es war bloß ein Job.«

»Das macht es noch schlimmer«, meinte Kerra und blickte auf ihn hinab. »Du bist ein Wegbereiter.« Sie spie das Wort beinahe aus, was Narsk zusammenzucken ließ. Dann riss sie seine Tasche vom Boden und trat zurück.

Narsk zwang sich aufzustehen, so schmerzhaft das auch war. »Na schön«, sagte er und räusperte sich. »Du hast dafür gesorgt, dass Odion diese Informationen vorenthalten bleiben. Aber viel wichtiger ist, dass auch Daiman diese Informationen nicht nutzen kann – und das Kriegsschiff, das er gerade bauen lässt. Gemeinsam könnten wir dafür sorgen. Schau her, ich zeige dir …«

Narsk ging auf sie und seine Tasche zu, woraufhin sie das Lichtschwert zwischen ihnen hob. »Ich arbeite nicht mit Sith zusammen«, stellte sie klar.

»Ich sagte dir bereits, dass ich kein Sith bin.« Er deutete auf die Tasche. »Schau hinein! Dann wirst du es sehen.«

Die Frau deaktivierte ihre Waffe und griff in die Tasche. Als er sah, dass sie den Fernzünder als das erkannte, was er war, ließ Narsk ein breites Lächeln aufblitzen. »Siehst du? Wir haben die Chance, Daiman einen entscheidenden Schlag zu versetzen.« Er schickte sich an, die Hand nach dem Fernzünder auszustrecken. »Und alles, worum ich dich bitte, ist, dass du mir die Zeit gibst, um zu …«

»Nein.« Mit einer einzigen, fließenden Bewegung schaute die Frau zur Handwerkerstraße zurück, richtete den Zünder in diese Richtung und drückte auf den Knopf.

Vom anderen Ende der Gasse gingen ein Blitz und ein Grollen aus. Zwei Kilometer entfernt schien sich die dunkle Außenhülle des Schwarzen Hauers für einen Sekundenbruchteil anzuheben, bevor sie nach außen explodierte. Metallsplitter lösten sich vom Bauwerk, schwirrten davon. Dem Donner folgte Feuer, mehr als genug Krach und blendende Helligkeit, um ganz Xakrea aufzuwecken.

Narsk hielt sich entsetzt eine ramponierte Hand vor die lange Schnauze. Sie müssen die Zentrifuge wieder hochgefahren haben, dachte er. Voll bewaffnet und betankt wäre die Konvergenz in einer nach außen schießenden Spirale explodiert. Bevor er die Sprengsätze platziert hatte, war ihm diese Möglichkeit bewusst gewesen. Doch eigentlich hatte er geplant, längst an Bord eines Raumfrachters zu sein, der Darkknell den Rücken kehrt, bevor er auf den Knopf drückt … und nicht, dass er dann zusammen mit einer Jedi wie ein Idiot gaffend auf einer Himmelsbrücke steht.

»Du Närrin!«, rief Narsk. »Ist dir klar, was du da gerade getan hast?«

Die Frau betrachtete die Feuersbrunst mit gewisser Befriedigung. »Ja.«

Narsk sackte in sich zusammen. Der Schmerz im Bein war vergessen. Er schaute zu den Dachterrassen zu beiden Seiten der Himmelsbrücke hinüber. Noch war die Obrigkeit nicht hier, doch das würde sich bald ändern. Dennoch schien die Jedi vollkommen mit sich zufrieden.

Törichtes Weib, dachte Narsk. Kein Wunder, dass die Sith die Jedi aus dem Äußeren Rand gejagt haben. Er blaffte sie an: »War’s das jetzt? Sind wir hier fertig?«

»Nein«, meinte sie, aktivierte ihr Lichtschwert und winkte damit in seine Richtung. »Ausziehen!«

Die Frau schob den zusammengefalteten Typ-VI-Tarnanzug sorgfältig in Narsks Tasche – auch wenn weder die Tasche noch der Anzug sonderlich sauber waren, von Farbe beschmiert und noch dazu danach stinkend. »Du hast dieses Ding wirklich ziemlich eingesaut«, sagte sie. »Geht dieses Zeug wieder ab?«

»Keine Ahnung«, knurrte Narsk. Der Anzug scherte ihn nicht mehr. Die tatsächlichen Ordnungshüter waren jetzt unterwegs und kreischten in ihren Luftgleitern auf den Hexenkessel zu, in den sich das Testzentrum verwandelt hatte. Und hier war er: Nackt bis auf die Unterhose kauerte er in einem schattigen Bereich des Platzes in einem Müllcontainer. Die junge Frau hatte ihn hierhermarschieren lassen, ihm den Tarnanzug abgenommen und seine Handgelenke gefesselt. Das war nicht unbedingt der Ort, an dem er sein wollte, während die Sith auf dem Weg hierher waren.

»Wie kannst du das nur tun? Du weißt, was die mit mir machen, wenn sie mich erwischen!« Als er sah, dass sie sich anschickte, den Deckel des Containers zu schließen, wurde Narsk noch verzweifelter. »Das kannst du nicht machen! Ihr Jedi seid doch angeblich so verdammt rechtschaffen und anständig! Und du bist eine Jedi!«

Die Frau hielt inne. »Ich weiß gar nicht, worüber du dich aufregst«, meinte Kerra Holt plötzlich verschnupft. »Schließlich verriegle ich den Container ja nicht.«

Der Deckel krachte über ihm zu.