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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Epilog

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2702

 

Das positronische Phantom

 

Perry Rhodan in den lunaren Katakomben – er erfährt beunruhigende Neuigkeiten

 

Marc A. Herren

 

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine aufregende, wechselvolle Geschichte erlebt: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – haben nicht nur seit Jahrtausenden die eigene Galaxis erkundet, sie sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen – und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das nach alter Zeitrechnung dem Anfang des sechsten Jahrtausends entspricht, gehört die Erde zur Liga Freier Terraner. Tausende von Sonnensystemen, auf deren Welten Menschen siedeln, haben sich zu diesem Sternenstaat zusammengeschlossen.

Doch ausgerechnet der Mond, der nächste Himmelskörper, ist den Terranern fremd geworden. Seit einigen Jahren hat er sich in ein abweisendes Feld gehüllt, seine Oberfläche ist merkwürdig verunstaltet. Wer zu ihm vordringen möchte, riskiert sein Leben.

Perry Rhodan weiß, dass die neuen Herrscher des Mondes, die Onryonen, eine Bedrohung für die Erde darstellen. Bei einer gefährlichen Mondmission begegnet er einem unerwarteten Phänomen. Es handelt sich dabei um DAS POSITRONISCHE PHANTOM ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Ein Unsterblicher wird gejagt.

Pri Sipiera – Die Anführerin des Lunaren Widerstands berichtet von der Verwandlung des Mondes.

Shanda Sarmotte – Die Mutantin versucht die Gedanken einer Tochter zu lesen.

Fionn Kemeny – Der Wissenschaftler bewegt sich durch unbekanntes Terrain.

Pazuzu – Der Dschinn muss ein Opfer bringen.

1.

21. Juni 1514 NGZ

 

Pri Sipiera.

Das war also der Kopf des Lunaren Widerstands.

Ein Hauch der Vergessenheit umwehte sie.

Die kleine, drahtige Frau sah ihn an. Der Blick wirkte prüfend, aber nicht unfreundlich.

»Ich hätte nicht gedacht, dass ich dir tatsächlich einmal gegenüberstehen würde«, sagte Pri Sipiera. Ihre Stimme klang klar wie ein Morgen – und ebenso kühl. »Von dem bisschen Bart und dem Rest lasse ich mich nicht täuschen.«

Die Gesichtserkennung von Rhodans SERUN-Positronik schätzte die Frau auf fünfzig bis siebzig Jahre, gab aber keine eindeutige Zuordnung einer in der Datenbank gespeicherten Person aus. Kein Wunder – die Anführerin des Widerstandes musste während der Zeit des Transports geboren worden sein.

Er ging auf Sipiera zu, streckte die rechte Hand aus. Ohne zu zögern, griff sie zu. Ihr Händedruck war sicher und fest – und ein wenig klamm. Die Aufregung. Die meisten menschlichen Hände, die Rhodan schüttelte, waren kalt.

Der Blick der kleinen Frau glitt an ihm vorbei. »Oh«, stieß sie aus. »Und Toufec hast du ebenfalls mitgebracht.«

Der ehemalige Karawanenräuber deutete eine Verbeugung an. »Zu deinen Diensten, Pri Sipiera. Erstaunlich, dass du mich so schnell erkannt hast.«

»Unsere Wissenschaftler und Analysten haben sich intensiv mit den Ereignissen vor dem Transfer befasst«, sagte sie. »Dank NATHAN kennen wir die Namen aller Lebewesen, die in die Anomalie versetzt worden waren. Auf der Suche nach Antworten haben wir alle Steine umgedreht. Delorians Rolle wurde intensiv beleuchtet – und selbstverständlich auch deine, Toufec.«

Rhodan beobachtete, wie Sipiera zuerst Toufec die Hand schüttelte und anschließend Fionn Kemenys Gesundheitszustand überprüfte. Über ihr Multikom-Armband forderte sie einen Mediker samt Medoroboter an.

Die Anführerin des Widerstandes schien sich sehr schnell an die Anwesenheit von ihm und Toufec gewöhnt zu haben. Ein Markenzeichen von Personen, die im Untergrund lebten: Sie mussten ständig auf der Hut, ständig bereit sein, auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Jedes Nachlassen, jede Nachlässigkeit konnte das gesamte System in Gefahr bringen. Der Istzustand galt nur so lange, bis sich die nächste Veränderung einstellte. Ein Festhalten gab es nicht – nur die aktuelle Situation.

Rhodan sah sich um. Das Widerstandszentrum war karger eingerichtet, als er dies erwartet hatte. Ein paar Tische mit Sitzgelegenheiten, zwei pultartige Arbeitsstationen mit Analysegeräten, eine Werkbank, auf der ein kegelförmiger Roboter in seine Einzelteile zerlegt verteilt war.

An den Wänden hingen mehrere Folienbildschirme, die in erster Linie den Copernicus-Krater mit Luna City zeigten.

Rhodan kniff die Augen zusammen und ging auf den breitesten der Bildschirme zu.

Größtenteils waren Rhodan die Strukturen seit Jahrtausenden bekannt: das Sörgel-Reservoir in den nördlichen Kratergipfeln, der Moon River, der sich mehrmals verästelte und den großen Lake Huckleberry speiste. Das Luna-Rathaus Darwinium, das Clark G. Flipper Building, das elefantenartige Hotel Lunafant, zu dem sie von Loolon geführt worden waren.

Daneben gab es unzählige Strukturen, die auf Rhodan fremd und unharmonisch wirkten. Das Technogeflecht hatte sich nicht nur über die äußere Kraterkuppel ausgebreitet, auch im Innern von Luna City traten Technoadern aus dem Mondboden, hatten Gebäude und Monumente überwuchert wie Pilz- oder Efeugewächse, hingen die mächtigen Technogirlanden vom Kuppeldach herunter.

Pri Sipiera trat neben ihn. »Es muss seltsam für dich sein, Luna so verändert zu sehen.«

Rhodan machte eine abwägende Kopfbewegung. »Es ist immer etwas Besonderes, mit Veränderungen konfrontiert zu werden. Im Fall von Luna ziehe ich es aber vor, endlich klare Informationen zu gewinnen. Die Ungewissheit hat der Menschheit an den Nerven gezehrt. Der grüne, kränklich erscheinende Mond hat auf Terra zu einem Massenexodus geführt.«

»Ich weiß«, sagte Pri Sipiera. »Ich habe in den vergangenen Tagen Zugriff auf größere Datenpakete zum Thema LFT und Terra gehabt.«

»Ihr habt das LFT-Informationssystem angezapft?«, fragte Rhodan.

Sipiera schüttelte den Kopf. »Dank der sich überstürzenden Ereignisse haben es unsere Hacker geschafft, unbemerkt eine kleine Datenschleuse in einem der onryonischen Systeme zu installieren.«

»Ist diese Datenschleuse noch aktiv?«

Die Widerständlerin nickte. »Allerdings handelt es sich nicht um das Hauptsystem. Die Datenlage ist daher sehr übersichtlich. Meine Spezialisten schätzen, dass es sich bei diesem System um ein Back-up handelt, das eilig ausgelagert worden war. Das Eindringen eures Schiffes scheint die Onryonen zumindest nervös gemacht zu haben.«

Rhodan blickte in Sipieras Gesicht. Er wünschte sich, Shanda Sarmotte wäre bei ihm, um die Angaben der Anführerin zu überprüfen.

Aus dem Bauch heraus vertraute er Pri Sipiera, und zum Zeichen dafür entfernte er die Maske, mit der ihn Pazuzu für flüchtige Beobachter unkenntlich gemacht hatte.

Rhodan war sich bewusst, dass er zu vieles noch nicht wusste. Es gab Widersprüche, die er klären musste, bevor er Sipiera und ihren Leuten volles Vertrauen schenken konnte. NATHANS Rolle beispielsweise.

Aus diesem Grund hielt er es auch für besser, die Anwesenheit von Sarmotte zuerst für sich zu behalten. Die Informationsextraktorin könnte zu einem späteren Zeitpunkt für sie äußerst wichtig werden. Bis dahin hoffte er, dass Sarmotte zusammen mit der komatösen Widerständlerin Quinta Weienater in ihrem Versteck im Coelestinischen Bahnhof in Sicherheit war – und blieb.

Rhodan deutete auf die Tische und Arbeitsstationen. »Verzeih mir die Anmerkung, Pri. Aber der Raum wirkt auf mich nicht gerade wie das Nervenzentrum einer schlagkräftigen Organisation. Eher ... improvisiert.«

Sipiera hob die rechte Augenbraue. »Ich schätze deine Ehrlichkeit, Perry. Tatsächlich unterhalten wir mehrere Widerstandszentren, von denen aus wir operieren. Ich will, dass der Widerstand dynamisch bleibt. So sollte gewährleistet sein, dass eine Nebenzentrale zeitverlustfrei übernehmen kann, falls das – wie du sagst – ›Nervenzentrum‹ ausgehoben werden sollte.« Sie runzelte die Stirn und fügte hinzu: »Einen Umstand, den wir natürlich unter allen Umständen verhindern wollen.«

»Das spricht für euch«, sagte Rhodan anerkennend. »Seit wann gibt es den Widerstand?«

»Ein genaues Gründungsdatum gibt es nicht. Die Anfänge waren fließend. Es begann irgendwann im Jahr 1514 damit, dass besorgte Wissenschaftler und Verwalter Agenten und private Ermittler damit beauftragten, die seltsamen Aktivitäten der onryonischen Siedler zu überprüfen. Je größer das Geheimnis um die Fremden wurde, desto klarer haben sich die Untergrundstrukturen gebildet, bis daraus schließlich der Widerstand hervorging.«

»1514«, sagte Toufec gedehnt, der neben sie getreten war. »Auf Terra schreibt man dieses Jahr gerade jetzt.«

Sipiera blickte ihn mit einer Mischung aus Faszination und Betroffenheit an. »Ich weiß«, sagte sie dann. »Wir haben dies erst durch die onryonischen Informationen erfahren. Es widerstrebt mir zu akzeptieren, dass wir beim Transfer achtundfünfzig Jahre zu viel absolviert haben sollen. Verlorene Zeit.«

»Es ist wie immer eine Frage der Perspektive«, sagte Toufec. »Tatsächlich hat Luna fast sechs Jahrzehnte gewonnen.«

»Wie es scheint, haben in erster Linie die Onryonen diese Zeit gewonnen«, sagte Rhodan nachdenklich. »Immerhin scheinen sie dadurch erst in der Lage gewesen zu sein, Lunas Angesicht grundlegend zu verändern.«

Die Widerständlerin nickte heftig. »So sehe ich das auch.«

Die Tür öffnete sich, und eine füllige Frau in grüner Kleidung trat ein. In ihrem Schlepptau folgte ein kugelförmiger Roboter mit einem halben Dutzend Tentakeln.

»Ist das der Verletzte?«, fragte sie, während sie schnurstracks auf den am Boden liegenden Kemeny zuging.

»Ja, Thora«, antwortete Pri Sipiera.

Rhodan spürte, wie sich sein Magen kurz zusammenzog. Thora war schon lange kein rein arkonidischer Name mehr. Besonders bei lunageborenen Mädchen erfreute er sich ungebrochener Beliebtheit.

Das lag in erster Linie daran, dass die Kommandantin der AETRON, mit der die phantastische Entwicklung seit Rhodans erstem Mondflug begonnen hatte, am lunaren Südpol ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte.

Rhodan spürte, wie sich in seinem Nacken eine Gänsehaut ausbreitete. Das Thora-Memorial befand sich am ehemaligen Landeplatz der AETRON. Darin lag der konservierte Leichnam dieser wunderbaren Arkonidin, die zu seiner ersten Ehefrau und der Mutter seines Sohnes Thomas geworden war.

Er erinnerte sich an das Mausoleum: umgeben von kleineren Museen, Hotels, hydroponischen Gärten und Erlebnisparks in arkonidischen und terranischen Baustilen.

Wie mochte es dort mittlerweile aussehen? Gewaltsam manifestierte sich ein Bild vor Rhodans innerem Auge, in dem Thoras versiegelter Marmorsarkophag von den Technowucherungen durchdrungen war.

Rhodan verdrängte das Bild. Sosehr ihn der Gedanken schmerzte, wichtiger waren die Fragen um die Gegenwart.

Pri Sipiera blickte ihn prüfend an. Ahnte sie, was der Auftritt der Medikerin namens Thora kurz in Rhodan ausgelöst hatte?

»Du musst viele Fragen haben«, sagte sie. »Ich werde sie dir so umfassend wie möglich beantworten. Aber auch ich muss meine Gedanken ordnen. Nicht nur die aus unserer Sicht falsche Zeitrechnung hat uns aus der Fassung gebracht, auch die Anschuldigungen, die von den Onryonen gegen dich und Bostich erhoben werden, haben uns in höchstem Maße verwirrt.«

Rhodan runzelte die Stirn, warf Toufec einen kurzen Seitenblick zu. »Von welchen Anschuldigungen sprichst du?«

Pri Sipiera strich sich durch das Haar. »Du weißt noch gar nichts davon?« Dann schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Natürlich nicht – du warst zu diesem Zeitpunkt bereits auf Luna abgestürzt!«

Rhodan atmete einmal ruhig durch. »Was ist geschehen, nachdem wir abgeschossen worden waren?«

»Soweit wir das aus den erbeuteten Daten rekonstruieren konnten, hat Shekval Genneryc, Kommandant des onryonischen Raumvaters HOOTRI, mit der terranischen Regierung Kontakt aufgenommen. Er hat sich den Terranern als Beauftragter des Atopischen Tribunals vorgestellt und den ersten Tag des Atopischen Tribunals in der Milchstraße ausgerufen.«

»Moment«, unterbrach sie Rhodan. »Worum handelt es sich bei diesem ... Atopischen Tribunal? Kannst du mir das etwas genauer erklären?«

»Leider nicht. Wir kennen lediglich den Begriff.«

»Hm«, machte Rhodan. »Falls es sich nicht nur um einen Zufall handelt, stammt das Wort ›atopisch‹ aus dem Altgriechischen.

Utopia bedeutet der Nicht-Ort, Dystopia der Miss- oder Un-Ort, und Atopia bedeutet Ortlosigkeit. Mal sehen, was der SERUN noch so weiß ...«

Rhodan schielte auf die winzige Informationsleiste am Kragenrand des SERUNS, die man durch bloßes Draufgucken aktivieren konnte, solange das Helmvisier nicht hochgefahren war.

»Da haben wir es ja. Atopisch kann auch ein Ideal oder ein Ereignis von nicht zuzuordnender Originalität bezeichnen.«

»Du meinst im Sinne von das Atopische Tribunal kann ich nicht zuordnen, deswegen ist es für mich atopisch?«, fragte Toufec.

»Dieses Wort hat über die Jahrtausende verschiedene Verwendungen durchlaufen, wie mir scheint«, gab Rhodan achselzuckend zurück.

»Das hilft uns jetzt enorm weiter«, sagte Toufec missmutig. »Was ist nun also mit diesen Richtern oder Tribunen? Lässt er sich nicht in eine Gesellschaft pressen? Residiert er an keinem festen Ort, sondern überall? Oder kann er irgendwo auftauchen?«

»Keine Ahnung. Wahrscheinlich nichts von alldem. Wahrscheinlich ist es nur eine Hilfsübersetzung eines Begriffs, wie er nicht bei uns geläufig ist.« Rhodan wandte sich wieder Pri Sipiera zu. »Du hast außerdem den Begriff Raumvater erwähnt – weißt du mehr darüber?«

Die Anführerin nickte. »Als Raumvater werden die größten Schiffe der Onryonen bezeichnet, Zweitausendeinhundert-Meter-Riesen.«

Rhodan nickte. »Weiter im Text!«

»Genneryc hat den Terranern alle Flottenbewegungen untersagt mit dem Hinweis, dass genügend Unrecht geschehen sei oder so. Als zweite Amtshandlung hat er danach die Auslieferung von dir und Imperator Bostich verlangt.«

»Hat er dazu eine Begründung geliefert?«

Pri Sipiera klopfte ihre Kombination ab und zog aus einer nicht sichtbaren Tasche ein Stück Folie heraus. »Angeblich soll es eine längere Liste von Dingen sein, derer du dich schuldig gemacht hast. Genneryc hat die Auslösung des DORIFER-Schocks erwähnt sowie deine mittel- und unmittelbaren Beteiligungen bei den Tötungen von Superintelligenzen wie Seth-Apophis und KOLTOROC und ...« Die Widerständlerin hob die Folie höher und fuhr fort: »Als das größte Verbrechen wird allerdings ein Weltenbrand angesehen, die Ekpyrosis von GA-yomaad.«

»Zeig mal her!«

Sipiera übergab Rhodan die Folie. »Verstehst du das?«

Rhodan ließ den Blick über die eilig hingeschriebenen Wörter gleiten. Offenbar hatte Sipiera sich Notizen gemacht, während die erbeuteten Daten gesichtet worden waren. »Die Ekpyrosis von GA-yomaad«, wiederholte er nachdenklich. »Sagt dir das etwas, Toufec?«

Der Mann mit dem wild wuchernden Bart hob die Schultern. »Zu GA-yomaad kann ich dir nichts sagen. Ich weiß nur, dass in der Philosophie das Wort Ekpyrosis für den Weltenbrand steht. Der feurige Weltuntergang – oder auch ein reinigendes Feuer beim Weltende. Im Bundahischn, einem uralten mittelpersischen Text über die Kosmogonie und Mythologie, wird spezifisch darauf eingegangen. Moment, ich habe mir die Zeilen irgendwann einmal eingeprägt ...«

Er schloss die Augen, überlegte und zitierte dann: »Darauf werden durch das Feuer Armustin die Metalle in den Bergen und Hügeln flüssig werden und werden einem Strome gleich auf Erden sein. Dann werden alle Menschen in das flüssige Metall gehen und geläutert werden. Wer fromm ist, dem wird es scheinen, als ob er in warmer Milch ginge; wer gottlos, dem wird es so scheinen, wie wenn er in der Welt in flüssigem Metall ginge.«

Rhodan kniff die Augen zusammen. »Ich erinnere mich nicht an eine Welt dieses Namens ... Wer bezeichnet sie so? Nur das Tribunal?«

»Du kannst dich nicht daran erinnern«, erklärte Sipiera, »weil dies das einzige Verbrechen sein soll, dessen du dich noch nicht schuldig gemacht hast. Dieser Weltenbrand soll erst in der Zukunft stattfinden! Das sei so schwerwiegend, dass der Rat der Richter beschlossen habe, dem Verbrechen zuvorzukommen.«

»Dann ist mir auch klar, weshalb ich damit nichts anfangen konnte«, sagte Rhodan trocken. »Kann ich den Zettel behalten?«

Sipiera nickte. »Was willst du jetzt unternehmen?«

»Zuerst muss ich herausfinden, was wirklich gespielt wird. Ich benötige Informationen zu Luna, den Onryonen und ganz besonders zu NATHAN und dessen Rolle.«

Die Widerständlerin seufzte. »NATHAN kooperiert mit den Onryonen. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben, aber irgendwie haben sie die Positronik auf ihre Seite gezogen. Vielleicht mit technisch-kybernetischen Mitteln, vielleicht mit Erpressung, der Drohung, entweder uns oder NATHAN selbst zu töten beziehungsweise zu zerstören. Vielleicht war es auch eine Kombination von alldem.«

Bevor Rhodan etwas dazu sagen konnte, kam eine Gruppe von Widerständlern herein – und erkannte ihn augenblicklich.

Die spontanen Jubelrufe und das Klatschen berührten ihn unangenehm.

Thora erhob sich ruckartig und ging steifbeinig und mit großen Augen auf ihn zu. Offensichtlich hatte sie bisher nur den Verletzten im Fokus gehabt und ihn und Toufec völlig übersehen.

»Perry Rhodan! Endlich!«

»Jetzt wird alles gut!«, stieß ein älterer Mann aus, dessen linke Gesichtshälfte wächsern aussah, als hätte er nach einem Unfall eine schlecht verheilte Prothese erhalten.

Diesmal schlug die Gesichtserkennung von Rhodans SERUN an.

Antoine Marous, geboren 1416 in Kralendijk/Terra. Diplomierter Kybernetiker mit Abschlüssen an der Universität Tijuana und der Waringer-Akademie ...

Rhodan blinzelte, und die winzige Informationsleiste am Kragenrand verschwand.

»Perry Rhodan!«, hauchte ein jüngerer Mann mit militärisch kurz geschnittenem Haar und intensiv blauen Augen. Er kam auf Rhodan zu und streckte die Hand dabei weit aus. »Ich habe immer davon geträumt, Ihnen einmal die Hand zu schütteln, Sir!«

Rhodan ergriff die schweißig-kühle Hand und drückte sie. »Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Aber auf diese Höflichkeitsfloskel lege ich keinen Wert. Nenn mich Perry!«

»Luc Marous«, sagte der junge Terraner eifrig.

Zwei Atemzüge lang blickten sie einander an, dann ließ Marous seine Hand los, als hätte er einen Stromschlag erhalten, und ging zwei Schritte zurück. »Was ich sagen wollte: Es freut mich, dass du hier bist. Du kannst dir nicht denken, was dies für uns bedeutet. Endlich gibt es Hoffnung – nach so langer Zeit!«

Rhodan hob in einer beschwichtigenden Geste die Arme. »Ich möchte keine falschen Hoffnungen wecken. Als es uns endlich gelang, nach Luna vorzustoßen, wussten wir nicht, was uns erwartete. Selbstverständlich werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um eure Situation zu verbessern. Aber wie ich vorhin bereits zu Pri Sipiera sagte: Ich muss erst verstehen, was vorgefallen ist und mit wem wir es zu tun haben. Dann erst können wir eine Strategie für das weitere Vorgehen entwickeln. Bis dahin wünsche ich, dass ihr unsere Anwesenheit nicht an die große Glocke ...«