Inhaltsverzeichnis

James Tiptree Jr. – Zu einem Preis

Sämtliche Erzählungen , Band 4

 

Copyright © 2012, Septime Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

 

Copyright © by the Estate of James Tiptree Jr.

 

Lektorat: Bastian Schneider

Umschlag: Jürgen Schütz

EPUB-Konvertierung: Esther Unterhofer

ISBN: 978-3-903061-30-9

 

Printversion: Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen

Mit einem Essay von James Tiptree Jr. im Anhang

Nur die Unterschrift ist nicht echt (mit einer Einleitung von Jeffrey D. Smith)

übersetzt von Michael Preissl

ISBN: 978-3-902711-06-9

 

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Über die Autorin

 

James Tiptree Jr.

(1915-1987) ist das männliche Pseudonym von Alice B. Sheldon. Tiptrees geheimnisvolle Identität faszinierte die Fans und gab Anlass zu vielen Spekulationen, freilich glaubten alle, es müsse sich um einen Mann handeln. Die Aufdeckung, noch zu ihren Lebzeiten, war ein Schlag: Diese knappen, harten und frechen Kurzgeschichten, die nur allzu häufig mit dem Tod enden, waren von einer alten Dame mit weißen Federlöckchen verfasst worden.

Sie zählt unter Science-Fiction-Fans zu den großen Klassikern, gleich neben Philip K. Dick und Ursula K. Le Guin. Ihre Kurzgeschichten, die sie erst im Alter von einundfünfzig Jahren zu schreiben begann, und von denen einige wohl zu den besten des späten 20. Jahrhunderts gehören, brachten ihr schnell Ruhm und zahlreiche Auszeichnungen ein.

Dennoch litt sie ständig unter schweren Depressionen und Todessehnsucht. Nach einem vorab geschlossenen Selbstmordpakt erschießt Sheldon im Alter von einundsiebzig Jahren erst ihren vierundachtzigjährigen Mann und dann sich selbst.

 

 

James Tiptree Jr.

Zu einem Preis

 

Sämtliche Erzählungen

Band 4

 

Aus dem Amerikanischen von Christiane Schott-Hagedorn, Frank Böhmert, Michael Preissl und Sebastian Wohlfeil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Teilzeitengel

 

 

 

Es stimmt nicht, dass es keine Engel gibt. Die junge Jolyone Schram hat jedenfalls mit einem geredet, und die Folgen haben uns alle in Erstaunen versetzt.

Ob das, womit sich Jolyone da unterhalten hat, wirklich ein Engel im klassischen Sinne war, werden wir natürlich nie erfahren. Es sei denn, es kommt noch einmal zurück, aber das erscheint ziemlich unwahrscheinlich. Mit Sicherheit war es aber ein Etwas aus den Tiefen des Weltraums mit großer Macht, vielleicht eine Existenz aus dem äußeren Universum, eine vagabundierende empfindungsfähige Wesenheit – möglicherweise sogar, wie einige behaupten würden, ein interstellarer Pendler, der von seinem üblichen Weg abgekommen war. Was es auch immer war, es hat Jolyone jedenfalls gehört, und so hat sich die Sache zugetragen.

An dem betreffenden Abend unterdrückte Jolyone mühsam die Tränen, als ihre Zähne auf einmal Musik machten.

Sie versah gerade wie immer ihre Nachtschicht am Newsticker und als Mädchen für alles in der fünften Etage des neuen Bürogebäudes von WPNQ. Hoch über ihr ragte dort, wo sich noch vor Kurzem der letzte bewaldete Hügel vor Los Angeles befunden hatte, der neue Sendemast in den Himmel. Er war so ausgerüstet, dass der Sender sämtliche andere Frequenzen in der Umgebung von L.A. übertönte. Und so empfing Jolyone, während sie die Telexausdrucke sortierte, in der großen Füllung ihres rechten Backenzahns klar und deutlich Stevie Smith.

»I was much farther out than you thought, and not waving but drowning«, sang es in ihrem Zahn. Jolyone blinzelte die Tränen aus den Augen, und ihr zitterte das Kinn, aber das lag nicht an dem Lied.

Tatsächlich überfiel sie hier mitten in Hal Hodges Büro tiefe Traurigkeit über den Untergang der Welt, den sie eben noch vor Augen gehabt hatte.

Sie war neunzehn Jahre alt.

Am Tag zuvor hatte sie einen Ausflug über die Küstenstraße zu dem Tal mit den Pinienwäldern unternommen, wo sie als Kind oft so glücklich gewesen war. Ihre reizende Mitbewohnerin hatte sich gerade auf gar nicht reizende Weise von ihr getrennt, und sie brauchte ein bisschen Frieden. Sie hatte das Gefühl, viel zu lange keine Erde und keinen Wald mehr gesehen zu haben.

Es war schon dunkel, als sie langsam auf das Tal zufuhr, aber sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier inzwischen viel mehr Häuser standen als bei ihrem letzten Besuch. Schließlich aber schlossen sich die im Nebel liegenden Bäume um ihre Scheinwerfer, und die Straße war wieder so schlecht wie immer. Gegen Mitternacht fuhr sie über den Bergkamm ins Tal und stellte sich auf den Seitenstreifen. Der Nebel war so dicht, dass sie beschloss, ein Nickerchen zu machen und sich den Sonnenaufgang anzusehen. Um sie herum duftete es beruhigend nach Wald. Ein Käuzchen schrie, und ein anderes antwortete. Während Jolyone in den Schlaf hinüberglitt, konnte sie förmlich den Bach durch die Höhle plätschern hören, in der sie sich als Kind immer versteckt hatte. Sie musste lächeln.

Doch die Sonne sollte sie dort nicht mehr aufgehen sehen.

Im ersten trüben Tageslicht riss sie das Aufheulen eines starken Dieselmotors keine hundert Meter entfernt aus dem Schlaf. Ein weiterer gesellte sich dazu und noch einer und noch einer – und noch ehe sie genau wusste, dass sie sich nicht in einem Albtraum befand, ertönte von der anderen Seite her das widerliche hohe Kreischen von Kettensägen.

Jolyone hielt sich die Ohren zu und spähte in den sich lichtenden Nebel hinaus. Baumwipfel schwankten und Stämme fielen krachend zu Boden. Sie sah eine Reihe riesiger Rodungsmaschinen, die sich mitten durch das Tal an ihr vorbeiwälzten. Zwischen den Klingen der Ungeheuer quoll ein grässlicher hoher dampfender Berg von Bäumen, Felsbrocken und Erdreich hervor. Dahinter erstreckte sich nur noch nacktes Geröll.

Entsetzt fuhr Jolyone in ihrem Sitz herum und versuchte, den Anblick der Verwüstung zu verdrängen. Da tauchte wie aus dem Nichts neben ihr der Greifer eines Schaufelbaggers auf, so dicht, dass sie den kleinen staubigen Körper sehen konnte, der noch immer zwischen den Steinen zappelte. Ein junger Fuchs, registrierte sie wie betäubt.

Stöhnend legte sie den Gang ein und raste zurück über den Hügelkamm. Beim Davonfahren sah sie, dass sie die Nacht unter einer riesigen Reklametafel verbracht hatte, auf die das grinsende Gesicht eines Mannes gemalt war:

 

UND NOCH TAUSEND GENIALE EIGENHEIME VOM GENIALEN HARRY JOEL

 

»Nein, nein«, schluchzte Jolyone vor sich hin, als sie erschüttert zur Küste hinabfuhr. Sie hatte sich auf der Hinfahrt von der Dunkelheit täuschen lassen, das wurde ihr jetzt klar. Es standen nicht nur ein paar Häuser mehr zwischen den Bäumen. Die Bergausläufer waren von einem Horizont bis zum anderen mit Häusern bebaut, Häuser überall, und nur eine schmale Reihe vertrockneter Bäume säumte noch die alte Straße. Ihr Tal war der letzte bewaldete Flecken gewesen.

»Wie konnten sie nur? Es war doch so, so –«, flüsterte sie unzusammenhängend und suchte ein Wort für all die verloren gegangene, wehrlose Schönheit, die sie so geliebt hatte, ohne sie richtig zu kennen, und von der sie geglaubt hatte, sie würde ewig bestehen bleiben.

Als sie endlich den Autobahnzubringer erreicht hatte, war ihr Schmerz etwas abgeflaut. Es war ein herrlich sonniger Tag. Während sie die Auffahrt hinauffuhr und sich in Richtung Süden einfädelte, fiel ihr noch etwas auf, das sie am Abend zuvor übersehen hatte. Das Meer oben im Norden hatte einen komischen schwarzen Schaumrand. Ein Ölteppich?

»Das ist der größte bis jetzt«, erzählte ihr das Mädchen an der Burger Chef-Raststätte und nickte altklug. »Soll schon die ganzen Seeotter oder wie das heißt umgebracht haben – hey, wollen Sie vielleicht unsern Super-Cheeseburger?«

Jolyone fuhr weiter, zurück zu ihrer Arbeit, und versuchte sich vom einschläfernden Rhythmus des Autobahnverkehrs ablenken zu lassen. Die Sonne schien weiß aus den sich verdichtenden Schleiern am Himmel auf sie herab. Neben ihr, vor ihr, hinter ihr donnerten Lkw, Privatwagen und Kleinbusse über den Asphalt. Die Eintönigkeit der Motorengeräusche dämpfte allmählich ihren Kummer. Aber irgendwo im Unterbewusstsein kaute sie weiter daran herum.

Tausend neue Häuser zusätzlich zu den anderen Tausenden ... Jolyone hatte einmal gehört, wie man ihre Generation als den Babyboom vom Babyboom bezeichnet hatte. Irgendwie hatte sie auch immer vorgehabt, Kinder zu kriegen. Doch nun fügten sich sämtliche Puzzleteilchen ihrer Schulbildung zusammen. Ökologie – das war nicht irgendetwas weit Entferntes, irgendetwas, das mit Tagebau zu tun hatte. Es war die entsetzliche Verwüstung ihres schönen Tales, der zerstörte kleine Körper auf dem Schaufelbagger. Und dieser Ölteppich ... Sie fuhr ja selbst gerade Auto. Wahrscheinlich hätte sie auch etwas von dem ausgelaufenen Öl benutzt. Für Leute wie sie wurde es ja angeliefert. Für Tausende und Millionen von Leuten wie sie.

Um die Vorstellung loszuwerden, stellte sie das Radio so ein, dass sie noch den Rest von Hal Hodges Nachrichtenblock erwischte. Nur noch ein Einspieler über irgendeinen Bergrutsch in Nepal, der dadurch entstanden war, dass die Leute den gesamten Baumbestand als Brennholz aufgebraucht hatten. Dann schaltete sie um auf die Popstunde von WPNQ und ließ dankbar ihre Gedanken im verträumten Beatrhythmus entschweben. Twenty-nine colors of blue ...

So legte sie Kilometer um Kilometer zurück.

Endlich bog sie in den Parkplatz des Senders ein. Mimi Lavery vertrat Hal bei den Abendnachrichten. Jolyone hörte kritisch zu und hoffte, dass Mimi es einmal schaffen würde, weniger schrill zu klingen. Die Sendung endete mit einem weiteren Einspieler, irgendetwas darüber, dass die Bevölkerungszahl wieder einmal ansteige und man erwarte, dass sie sich in den nächsten dreißig Jahren verdoppeln würde, und einem Werbespot für Eigentumswohnungen in den Rocky Mountains.

Und genau da, in der einen Sekunde zwischen dem Einparken ihres VW und dem Abziehen des Zündschlüssels, passierte es.

Jolyone Schram wurde alles klar.

Die Erkenntnis traf sie in Form einer Vision. Eine gigantische vielköpfige Welle, eine nicht abreißende Flut sich ständig vervielfältigender Menschen, Menschen ohne Ende, bildete in ihrer ungeheuren Vielzahl einen hirnlosen, alles verschlingenden Inkubus, der sich über den grünen Erdball ausbreitete – alles verschandelte, alles kahl fraß, alles an sich riss, sich unendlich ausdehnte und auf einer begrenzten Oberfläche alles zerstörte. Horden von unschuldigen Einzelwesen, deren Masse ihnen erst ihren Schrecken verlieh, blähten sich bis an die Meere auf und in sie hinein, wühlten sich in die Erde, ergossen sich über die Berge, brandeten über alles hinweg und überschwemmten alles weit und breit. Unzählige Köpfe schnappten nach ihr und grinsten sie an, unzählige Hände grapschten blindlings um sich, während der Strom der Körper sich über die Erde wälzte.

Genau das passierte mehr oder weniger schnell überall um sie herum. Und es würde so weitergehen, schneller und immer schneller, bis zum bevorstehenden Ende.

Jolyone ließ sich keuchend in den Sitz zurückfallen. Sie war ein empfindsames Mädchen und nicht auf solche apokalyptischen Visionen eingerichtet. Aber sie besaß auch einen natürlichen Realitätssinn. Sie glaubte durchaus an Zahlen. Und in diesem Augenblick des Schreckens wurde ihr klar, was die Zahlen bedeuteten. Sich innerhalb von dreißig Jahren verdoppeln – und dann noch mal und noch mal, jedes Mal schneller. Es passierte ja bereits. Nicht irgendwo und in ferner Zukunft, sondern hier und jetzt. Sie konnte sehen, wie es anfing. Daran glaubte sie mit der ganzen Schärfe ihres neunzehn Jahre alten Verstandes auf einmal fest.

Und gleichzeitig wurde ihr auch bewusst, wie sehr sie dann leiden würde und wie wehrlos sie war. Wie sollte sie in dieser entfesselten Menschenmenge überleben, ohne Raum oder Frieden, und ohne ein Refugium, in das sie sich flüchten konnte? Aber sie sah auch ein, dass sie die Dinge nicht aufhalten konnte. Niemand konnte das. Die Leute würden einfach nicht aufhören, Kinder zu kriegen, das spürte sie intuitiv. Ein Gewehr auf einen Präsidenten zu richten, würde den Regenwald nicht retten. All die Veranstaltungen, um einen Fluss oder Berg zu erhalten, würden den Vorgang nur wenig hinauszögern. Denn nichts konnte diese Zahlen eindämmen. Im kalten Licht ihrer Vision sah sie die Protestbewegungen, Reden, kleinen Fortschritte, Hoffnungen, regionalen Erfolge und guten Absichten – alles hinweggefegt von den gnadenlosen Massen, so wie die Baumreihe, die sie im Tal hatte zusammensacken sehen. Zahlen sprechen für sich. Niemand kann es wirklich verhindern, dachte sie. Alles, was mir lieb ist, wird verschwinden.

Zitternd saß sie im Wagen, zu aufgewühlt, um zu weinen. Nach einer Weile entspannte sie sich ein wenig. Und weil es sonst offenbar nichts zu tun gab, hob sie den heruntergefallenen Autoschlüssel auf und machte sich auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz.

Im Studio nahm niemand Notiz von ihr. Es war ein ruhiger Abend. Zwei Techniker versuchten immer noch, die Schwankungen im Verstärkerkreis zu beheben. Sie hatten eine Verkleidung abgebaut.

Bleiern ging Jolyone an die Arbeit, sortierte den Stapel Fernschreiben, räumte die benutzten Bänder weg, nahm in den leeren Büros Telefongespräche entgegen und tat wie ein Zombie alles, was man von ihr verlangte. Ihre Zähne gaben die letzten Sportnachrichten von sich. Die Vision, die sie überfallen hatte, wollte nicht weichen. Sie spukte in ihrem Kopf herum wie eine Geistererscheinung und machte die echte Welt draußen so durchsichtig wie einen flüchtigen Traum. Immer wieder tränten ihr, ohne dass sie es verhindern konnte, die Augen, wenn sie an irgendetwas dachte, das ihr lieb war und bald nicht mehr vorhanden sein würde. Hochhausplaner kauften bereits die heruntergekommene alte Gartensiedlung auf, in der sie und ihre Freunde wohnten. Und das war nur ein erster leiser Vorgeschmack auf die schreckliche Zukunft, die sie vor sich gesehen hatte. Mit der ganzen Klarheit ihrer neunzehn Jahre nahm Jolyone Abschied von etwas tief Greifendem, Lebenswichtigem, vielleicht sogar von der Hoffnung selbst.

Um zweiundzwanzig Uhr dreißig traf Hal Hodges übliche Runde von Pseudoberühmtheiten zum Nacht-Talk ein. Einer von ihnen war ein Science-Fiction-Autor, ein kleiner nervöser älterer Mann, der eine geradezu neurotische Angst davor hatte, sein Auto könnte abgeschleppt werden. Jolyone holte ihm Papiertaschentücher für seinen Schnupfen, brachte allen Kaffee und bugsierte sie in der Sendepause in Hals Studio.

Als sie die Tür zumachte, rief einer der Techniker sie zu dem offenen Pult herüber.

»Halt mal eben.« Er drückte ihr ein wirres Bündel von Kabeln in die Hand. »Pass aber auf, dass sich die Stecker nicht berühren. Wenn ich ›Jetzt‹ sage, drückst du mit der anderen Hand auf den Unterbrecher hier oben. Alles klar?«

Jolyone nickte. Ihr tränten schon wieder die Augen.

Der Techniker tauchte ab und zwängte sich unter das Pult. Jolyone stand da und hielt das Kabelgewirr fest. Ihre Zähne machten jetzt noch mehr Lärm. Sie hörte Hal Hodges ernsthaft interessiert fragen: »Was werden Leute wie wir in hundert Jahren machen, Bill?«

»Sich gegenseitig tottrampeln«, sagte der Schriftsteller in ihrem Zahn und nieste.

Da kam die ganze grauenvolle Vision wieder hoch und mit ihr etwas noch Schlimmeres, das sie bis jetzt nicht gesehen hatte. »Oh, nein, nein, nein«, flüsterte sie und merkte, wie ihr eine dicke Träne die Wange hinablief. Sie hatte keine Hand frei, um sie wegzuwischen.

Was sie gesehen hatte, waren die Gesichter in diesem sich vorwärtsschiebenden Menschenberg. Sie fauchten wütend und fletschten hasserfüllt die Zähne, grinsten triumphierend, jaulten verzweifelt. Die Augen in kalter Berechnung zusammengekniffen, in den Händen Messer oder Gewehre, wehrten sie sich verzweifelt gegen die Flut, die sie überrollte. Manche errangen dabei gemeinsam flüchtige wütende Siege, doch nur, um im nächsten Moment unterzugehen, weil sich neue Gesichter über sie hinwegwälzten. Unter jedem Fuß drangen die ohnmächtigen Schreie der Zertrampelten und Sterbenden hervor. Nirgends in diesem Schlachtenpanorama war Freundlichkeit, nichts, das sie als menschlich empfunden hätte – nur der Krieg aller gegen alle tobte auf der ausgeplünderten Erde.

Wenn wir alles zerstört haben, werden wir Tiere sein, dachte sie. Ein tiefer Schluchzer stieg in ihrer Kehle auf, zusammengesetzt aus untergegangener Schönheit und der grauenvollen Erkenntnis, dass alles, was sie für die Wirklichkeit des Lebens gehalten hatte, nur ein zerbrechlicher Traum vom Untergang war. »Nein«, keuchte sie erstickt.

»Jetzt!«, bellte der Techniker von unten.

Tränenblind und zitternd griff Jolyone über das offene Mischpult hinweg. Die Tränen tropften ihr ungehindert vom Unterkiefer und bildeten komplexe Elektrolyte, wo keine hingehörten. Gequält sandte Jolyone ein Stoßgebet in die Luft: »Mach, dass es aufhört, bitte

Plötzlich war es so still, dass die Luft knisterte.

»Piontwxq?«, ertönte es deutlich in ihrer Zahnfüllung. »He, was aufhört?«

»Mach, dass wir damit aufhören«, wiederholte sie verrückterweise, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass ihr Hilferuf in unbekannte Frequenzbereiche hinausschallte. »Mach, dass wir aufhören, immer mehr Menschen in die Welt zu setzen, bevor wir alles umbringen! Ach, bitte, lass es nicht zu, dass die ganze schöne Welt zugrunde geht!«

»Warte mal«, sagte die winzige Stimme in ihrem Kiefer. Jolyones Augen wurden auf einmal so groß wie Hal Hodges Mund. »Ach so. Na gut«, fuhr die Stimme fort. »Du kannst jetzt aufhören zu weinen.«

Sie klang zerstreut und wie aus weiter Ferne, und sie sprach kein Englisch, auch wenn Jolyone das gar nicht merkte.

»Oh!«, keuchte sie. »Wer – was –?«

»Heilige Scheiße!«, fluchte der Techniker unter dem Mischpult hervor und riss ihr die Kabel aus der Hand. Hal Hodges kam aus seiner Kabine geschossen und stieß mit dem Tonmann zusammen, woraufhin beide sich anbrüllten. Jolyone sah gerade noch, wie der Science-Fiction-Autor hastig nach seinem Autoschlüssel griff und kopfschüttelnd hinausrannte.

Dann stauchte man sie auch noch zusammen, weil sie mit dem Hyperdingsbums an den Sowiesoregler gekommen war, und das alles zusammen war einfach zu viel.

Unterdessen war vierzigtausend Kilometer weit draußen im Weltraum das Etwas – Lebewesen, Flaschengeist, Intelligenz oder was auch immer – damit fertig, am äußersten unserer Erdsatelliten eine winzige Veränderung vorzunehmen. Dann zischte er, sie oder es in einer parabelförmigen Kurve durch die Erdatmosphäre. Dabei öffnete es etwas, das beileibe keine Aktentasche war. Als seine Flugbahn der Erde über den Anden am nächsten kam, fiel etwas ganz Kleines in eine Felsspalte.

Im nächsten Augenblick war unser Besucher schon wieder weg und verschwand in den Tiefen des Weltraums, mit dem Ding, das keine Aktentasche war, unter dem – na ja, was auch immer. Hätte man den Ausdruck in dem, was vielleicht sein Gesicht war, deuten wollen, dann wäre man vielleicht an die Miene eines Erwachsenen erinnert worden, der stehen geblieben ist, um einem Kind den davongerollten Ball zurückzuwerfen.

Und das ist das Letzte, was wir bis zum heutigen Tage von ihm gehört haben.

Als sich jedoch das Licht des nächsten Morgens über die Welt ausbreitete, wurde offenbar, was bis dahin im Verborgenen gelegen hatte.

In jedem Haus, jeder Wohnung, jedem Iglu, jeder Höhle oder Laubhütte von den Fidschis bis nach New York und Archangelsk spielte sich dasselbe ab. Nur ein Kind erwachte – und zwar das jüngste. Alle anderen blieben regungslos in ihren Bettchen, Wiegen, Hängematten oder Pelzdecken liegen, alle bis auf das jüngste schienen einfach weiterzuschlafen.

Kurz darauf ging der millionenfache Schrei, der dem Sonnenaufgang folgte, rund um die Welt, als die Mütter feststellten, dass die Haut ihrer schlafenden Kinder kühl war und ihr Brustkorb sich nicht hob. Kein Atemzug bewegte ihre Lippen. Mädchen und Jungen von zwei bis zwanzig, sämtliche Geschwister jedweden Alters, lagen bewegungslos und kalt da. Selbst die erwachsenen, die nicht mehr zu Hause waren, fand man leblos vor.

Es schien, als hätte der Tod alle dahingerafft bis auf die Letztgeborenen.

Doch unter den aufgeschreckten Eltern waren einige hartnäckige, die ihren Kindern einen Spiegel an die reglosen Lippen hielten und länger an deren ausgekühltem Brustkorb horchten. Und schließlich wurde klar: Die Kinder waren gar nicht tot. Langsamer als ein Gletscher bewegte sich ihr Atem. Langsamer als ein Rinnsal in einer Felsspalte floss das Blut in ihnen, und ihr Herz pumpte in unendlich trägem Auf und Ab. Sie waren nicht tot, sondern schliefen nur – oder vielmehr stellte sich heraus, während ihre Körpertemperatur mehr und mehr absank, dass es sich eher um eine Art Winterschlaf handelte, nur tiefer als alles, was man bisher kannte.

Und sie ließen sich auch nicht aufwecken oder wiederbeleben. Ärzte, Schamanen, Mütter zuhauf attackierten die Schläfer mit Hitze-, Kälte- oder Schockbehandlungen und jeder Stimulation, die den Bann womöglich hätte brechen können. Doch nichts half. Die Tage vergingen, aber kein Herzschlag beschleunigte sich, kein Atemzug kam auch nur eine Millisekunde eher.

Auf der ganzen Welt starrten Väter auf die Reihe ihrer komatösen Sprösslinge und gingen dann lieber einen trinken. Aufgeregte Mütter waren hin- und hergerissen zwischen der Versorgung ihrer wachen Jüngsten und dem vergeblichen Versuch, die übrigen aufzuwecken.

Nur die Haushalte mit einem Einzelkind waren nicht betroffen. In vielen davon war aber bereits ein weiteres Kind unterwegs. Und bald sollte sich zeigen, dass sobald die Mutter entbunden hatte und der erste Schrei des Neugeborenen ertönte, dem älteren Kind die Augen zufielen. Während das neue Kind die Brust nahm, fiel das ehemalige Einzelkind in Tiefschlaf. Anscheinend konnte in jedem Haushalt immer nur ein Kind, nämlich das jüngste, wach sein, schreien, spielen und sich füttern lassen. Und um dieses Kind herum lagen in jeder Hütte, jedem Hausboot, jedem Krankenhaus und jeder Etagenwohnung die älteren Geschwister in kalter Bewusstlosigkeit.

Im Laufe der Zeit nahm die Verzweiflung zu. Alles andere wurde unbedeutend. Sollten die Erde und die Herzen ihrer Menschen nur noch von den lebenden Toten erfüllt sein?

Und dann wachte der erste Schläfer auf.

Zumindest war es der erste Fall, der bekannt wurde, und er ereignete sich an Tag vierzehn im voll besetzten Wohnwagen der McEvoys in Pawnet, West Virginia. Als die Sonne aufging, vernahm man ein Stimmchen, das seit vierzehn Tagen geschwiegen hatte.

»Ma! Ma, ich hab Hunger.«

Mrs. McEvoy eilte in den vorderen Raum, wo ihr schlafender Nachwuchs überall ausgestreckt lag. Denny, ihr Zweitjüngster, fing vor Schreck an zu schreien, weil er seinen kalten Bruder Earl angefasst hatte. Sie nahm ihn hoch und befühlte das strampelnde Kind. Es schien völlig in Ordnung zu sein.

»Earlene!«, rief ihre Schwester. »Ich krieg’ die Kleine nicht wach. Ich glaube, sie kühlt aus.«

Und tatsächlich verfiel die kleine Debbie McEvoy in Tiefschlaf und war nicht mehr wach zu bekommen.

Die Nachricht von dem wieder aufgewachten Kind ging um die Welt. Die Medien fielen scharenweise über den kleinen Dennis her. Schließlich stand fest, dass er wieder völlig normal war und keinerlei Erinnerung an die fehlenden zwei Wochen mehr hatte.

Unter den Reportern war ein schlaksiger, hochnäsiger Kerl namens Springer. Wie Jolyone glaubte er an die Bedeutung von Zahlen. Als er achtzehn lebende McEvoy-Kinder zählte, sah er die Mutter bass erstaunt an.

»Sie haben wohl nicht zufällig, äh – noch mehr Kinder, Mrs. McEvoy?«

Earlene McEvoys Gesicht wurde verschlossen.

Ihre Nachbarn waren allerdings weniger zurückhaltend, und bald erfuhr Springer, dass es in Earlenes Leben Zeiten außerehelicher Betätigung gegeben hatte. Die Folgen lebten beziehungsweise schliefen jetzt bei entfernten Verwandten. Außerdem beeindruckte ihn die robuste Gesundheit, die Mrs. McEvoy all ihren Kindern vererbt hatte.

»Sechsundzwanzig«, überlegte er. »Sechsundzwanzig lebendige Kinder von einer Mutter. Bemerkenswert. Und das Jahr hat sechsundzwanzig mal zwei Wochen, plus/minus ein paar Stunden.«

Zu Mrs. McEvoy sagte er nur: »Ich würde Dennis ungefähr eine Woche nach Samstag gut im Auge behalten.«

»Warum?«

»Nur eine Vermutung, Mrs. McEvoy. Es könnte sein, dass er dann wieder einschläft.«

»Malen Sie nicht den Teufel an die Wand, Mister.«

Und tatsächlich kühlte der kleine Dennis am Samstag nach einer Woche wieder ab und schlief ein, während seine nächstältere Schwester aufwachte.

Inzwischen war das keine Überraschung mehr, denn Familien mit weniger als sechsundzwanzig Kindern sind normal, und es wachten noch genügend andere Kinder auf, um die Rechnung aufgehen zu lassen. Samstag nach einer Woche war Tag achtundzwanzig. An diesem Morgen wachte das nächstjüngere Kind jeder Familie mit dreizehn Kindern auf, während das jüngste in die Schlafstarre verfiel.

Nun wurde klar, was passiert war, zumindest in groben Zügen.

Niemand war ums Leben gekommen.

Niemand war verletzt worden, außer durch übereifrige Wiederbelebungsversuche.

Keine Frau war daran gehindert worden, so viele Kinder zu haben, wie ihr Herz, ihre Moral, ihre Unwissenheit oder ihre Wehrlosigkeit es ihr vorschrieb. (Es wurde allerdings mit gemischten Gefühlen aufgenommen, dass die Heimsuchung offenbar nur Mütter als Eltern gelten ließ.)

Was sich hier abspielte, war ein Teilzeitbetrieb.

Jedes Kind, so schien es, war irgendwann an der Reihe mit Wachsein, und das bestätigte sich schnell. Das Problem dabei war, dass es von der Anzahl seiner Geschwister abhing, wie lange es jeweils wach bleiben durfte. Alle Kinder einer Mutter teilten sich das Jahr, und jedes bekam mehr oder weniger Zeit, je nachdem, wie viele es waren. Die sechsundzwanzig Sprösslinge von Earlene bekamen nur je zwei Wochen am Stück, während jedes Kind eines Geschwisterpaares sechs Monate lang wach blieb. Einzelkinder waren nicht betroffen. Auf diese Weise hatte jede Mutter immer ein waches Kind – und nur eins.

Aber sollten die Kinder großer Familien nun des größten Teils ihres Lebens beraubt werden? Musste selbst das Kind einer Familie mit zweien die Hälfte seines Lebens im Schlaf verbringen?

Die Antwort wurde erst langsam klar: nein.

Es brauchte natürlich einige Zeit, bis man sicher war. Aber die Leute hatten von Anfang an den Verdacht gehabt, denn selbst die kleinsten schlafenden Kinder schienen nicht zu wachsen. Haare und Nägel wurden nicht länger, selbst kleine Verletzungen heilten nicht. Ältere Kinder erwachten und hatten ihre letzte Mahlzeit noch unverdaut im Magen und die Frage, die sie zuletzt beschäftigt hatte, auf den Lippen. Bei schlafenden Frauen entwickelten sich Schwangerschaften nicht weiter. Wissenschaftler beobachteten, maßen, debattierten, und schließlich wurde die verblüffende Tatsache offenbar: Die Schlafenden alterten nicht wahrnehmbar. Nur die wachen Stunden zählten als Leben.

Und das hieß – das hieß – die Welt hielt erstaunt den Atem an und begriff, dass das Leben der Schläfer lang sein würde. Selbst Kinder eines Geschwisterpaares würden doppelt so lange brauchen, bis sie erwachsen waren wie normal, und dann vermutlich zweimal so lange leben. Und was die aus größeren Familien betraf ...

Zwei Tage lang waren die McEvoys wieder in den Nachrichten, als deutlich wurde, dass Earlenes Nachwuchs, wenn alle überlebten, möglicherweise eintausendfünfhundert Jahre alt würde – jeweils in Etappen von zwei Wochen. Dann wurde eine Frau in Afghanistan von ihrem dreißigsten Baby entbunden. Die Leute horchten auf und bedauerten ein Kind, das in Zwölf-Tage-Raten dreitausend Jahre leben würde.

Die Welt stand kopf.

Es ist schwer, sich daran zu erinnern, wie es weiterging, mit dem Chaos in all unseren Köpfen, als die leidigen alten Probleme von neuen überholt wurden. Überall natürlich unterschiedliche Probleme. In den Entwicklungsländern schlossen sich zahllose kleine Münder friedlich, während gleichzeitig eine Unmenge an Arbeit liegen blieb, weil die Kinderarbeiter schliefen. Ein Dutzend hässliche kleine Kriege kamen über ihren schlafenden Armeen zum Erliegen. In den Industriestaaten führte der Wegfall von Millionen junger Konsumenten zur großen Schläferkrise, unter der wir immer noch leiden. Die Tatsache des Bevölkerungsnullwachstums fing an uns alle zu zermürben.

Und neben den aktuellen wirtschaftlichen Zwängen erhoben sich auch noch die großen humanitären Fragen. Wer kümmert sich um die Heerscharen von Schläfern, wenn deren Eltern alt werden und sterben? Wie unterrichtet man Kinder in monatlichem oder halbjährlichem Turnus? Was machen wir mit Teenagern, die jahrhundertelang Teenager bleiben? Die Rivalität unter Geschwistern nimmt ganz neue beängstigende Dimensionen an, wenn die Kinder merken, dass sie schlafen müssen, weil ihre Brüder und Schwestern wach sind. Glücklicherweise sehen viele ein, dass ihr Tiefschlaf ein langes Leben bedeutet. Alles hat sich auf mannigfaltige Weise subtil verändert. Selbst fiktive Geschichten und Seifenopern bekommen einen ganz neuen Inhalt: Kann ein Mädchen, das nur im Sommer wach ist, mit einem Jungen glücklich werden, der Sommer und Herbst kennt?

Auf der ganzen Welt bilden sich Gruppen von jungen Leuten, die zur selben Zeit wach sind, und werden ersetzt, wenn die nächste Gruppe aufwacht. Vielleicht entwickeln sich sogar auf ein und demselben Terrain unterschiedliche Kulturen. Oder die offensichtliche Sinnlosigkeit, noch zusätzlich Kinder in die Welt zu setzen, bewirkt, was andere Argumente nicht schaffen. Die Zahl der Menschen, die glauben, das alles wäre nur vorübergehend, wird von Jahr zu Jahr geringer. Es scheint, als habe der Engel ein gutes Werk getan, indem er die überlegene Technik eingesetzt hat, die man von Engeln schließlich erwarten kann.

Inzwischen durchzieht ein seltsames Gefühl der Ruhe unser Leben. Die Dezibelwerte scheinen abgenommen zu haben, und das Gras könnte wieder wachsen. In jeder Familie gibt es nur ein Kind auf einmal, das quengelt, schreit oder den Autoschlüssel haben will, alte Damen überfällt oder auf einen Job oder ein Medizinstudium scharf ist. Nur ein junger Körper in jedem Haushalt, der Nahrung und Heizmaterial braucht oder Benzin oder eine Zahnspange oder Plastikspielzeug. Und jedes Kind genießt, wenn es wach ist, die volle Aufmerksamkeit der Erwachsenen.

Eine friedliche Reise, solange sie anhält. Die tausend neuen Eigenheime vom genialen Harry Joel sind halbfertig in Konkurs gegangen, auch wenn man natürlich nichts mehr für die Fuchsjungen tun konnte.

Was Jolyone Schram betrifft, die das alles in Gang gesetzt hatte, so hat sie als immer waches Einzelkind etliche gute Jobangebote erhalten. Sie verbringt eine Menge Zeit damit, einfach nur zu atmen und dem wachsenden Grün zu lauschen. Die schreckliche Vision ist verblasst. Aber sie hat nie jemandem erzählt, was passiert ist. Außer an einem Abend im Point-Lobos-Park. Als sie merkte, dass sie keine Angst zu haben brauchte, hat sie mir die Geschichte erzählt.

Wir saßen neben einem staubigen Eukalyptusgebüsch und blickten hinaus, dahin, wo die Felsen im schimmernden mondbeschienenen Pazifik versanken.

»Die Sache ist die ...«, sagte sie stirnrunzelnd, »ich hab nachgedacht. Nimm, sagen wir mal, sechzehn Leute. Das sind acht Paare.«

Ich merkte, dass sie immer noch an die Bedeutung der Zahlen glaubte.

»Und die kriegen also Kinder. Aber es ist immer nur eins pro Paar wach. Das ist dann so, als hätten sie jeweils nur ein Kind. Und dann heiraten die acht Kinder, das sind vier Paare. Und die haben immer nur je ein waches Kind, das sind vier. Und die werden erwachsen und heiraten, das sind dann zwei Paare. Das ergibt also zwei Kinder. Ich meine, es halbiert sich jedes Mal ... das dauert natürlich lange.«

»Ziemlich lange«, pflichtete ich ihr bei.

»Aber wenn die beiden groß sind und heiraten, dann haben sie nur ein Kind. Ich meine, es zählt als eins. Und das war’s dann.«

»Sieht ganz so aus.«

Sie strich sich das Haar zurück, und im Mondlicht wirkte ihr Stirnrunzeln noch angestrengter. »Natürlich gibt es Millionen Leute, nicht bloß sechzehn, also ist das noch lange hin. Und vielleicht stimmt ja auch irgendwas nicht an meiner Rechnung, ich meine, letzten Endes werden sie ja alle wieder aufwachen. Aber ... ich frage mich doch, ob der – jemand, mit dem ich geredet hab, das bedacht hat?«

»Schwer zu sagen, oder?«

Das Meer seufzte und schimmerte friedlich und zog helle Umrisse um die Felsen. Keine Spur mehr von Öl. Im Gras lag nur wenig Abfall, und die Autobahn hinter uns war ungewöhnlich leer.

Jolyone schaute, das Kinn auf die Knie gestützt, hinaus. »Vielleicht kommt, wer auch immer es war, ja irgendwann mal zurück und ändert noch rechtzeitig etwas. Aber vielleicht sollte ich den Leuten ja auch Bescheid sagen und versuchen, ihn irgendwie zu erreichen.«

»Wüsstest du denn, wie?«

»Nein.«

»Darüber können sich andere Leute noch lange den Kopf zerbrechen«, sagte ich beschwichtigend.

Eine Zeit lang saßen wir schweigend da. Dann streckte sie sich seufzend im Gras aus; ein seltsam in sich gekehrtes, empfindsames Mädchen.

»Komisch ... ich komme mir vor, als wäre ich gerade um ein Haar überfahren worden. Ein schönes Gefühl zu – zu leben. Vielleicht sollte ich ja einfach so weitermachen und es genießen.«

»Warum nicht?«

Und genau das tat sie dann auch.

 

 

 

 

Die Screwfly Solution

 

 

 

Der junge Mann, der auf 2° nördlicher Breite, 75° westlicher Länge saß, warf einen vernichtenden Blick zu dem wenig zweckmäßigen zweiflügeligen ventilador hoch und las weiter in seinem Brief. Obwohl bis auf die Unterhosen unbekleidet, schwitzte er in der Sauna, die in Cuyapán als Hotelzimmer durchging, gewaltig.

 

Wie machen das andere Ehefrauen bloß? Ich halte mich hübsch beschäftigt mit der Auswertung des Ann-Arbor-Stipendienprogramms und dem Seminar und sage immer strahlend: »Oh ja, Alan ist in Kolumbien und baut dort ein biologisches Schädlingsbekämpfungsprogramm auf, ist das nicht toll?« Aber insgeheim stelle ich mir Dich umgeben von 19-jährigen gurrenden Schönheiten mit rabenschwarzem Haar vor, die alle ganz heiß auf soziales Engagement sind und Geld wie Heu haben. Und denen Körbchengröße D aus der hauchzarten Wäsche quillt, das sind 100 Zentimeter Oberweite. Ich sehe das geradezu vor mir, jeden einzelnen Zentimeter. Ach, Liebster, Liebster, tue was du willst, aber komm heil zu mir zurück.

 

Alan grinste liebevoll und sah den einzigen Körper, nach dem er sich sehnte, kurz vor sich. Sein Mädchen, seine zauberhafte Anne. Dann stand er auf und machte das Fenster vorsichtig noch ein Stückweit mehr auf. Ein langes, fahles, klagendes Gesicht sah herein – eine Ziege. Das Zimmer lag zum Ziegengehege hin; der Gestank war bestialisch. Frischluft immerhin. Er nahm den Brief wieder auf.

 

Hier ist alles noch beim Alten, bloß dass dieser Horror in Peedsville anscheinend kein Ende nehmen will. Man redet jetzt viel von einer Sekte namens Söhne Adams. Auch wenn es eine Religion ist, warum kann man da nicht irgendwas unternehmen? Das Rote Kreuz hat in Ashton/Georgia ein Flüchtlingslager eingerichtet. Stell Dir das vor, Flüchtlinge innerhalb der Vereinigten Staaten. Ich hab gehört, dass zwei kleine Mädchen ziemlich übel zugerichtet worden sind. Ach, Alan.

Wobei mir einfällt, Barney ist mit ein paar Zeitungsausschnitten vorbeigekommen, die ich Dir schicken soll. Ich packe sie in einen eigenen Umschlag; ich weiß, was in ausländischen Postämtern mit besonders dicken Briefen passiert. Er meint, falls der Brief nicht ankommt, was haben die folgenden Städte gemeinsam? Peedsville, São Paulo, Phoenix, San Diego, Shanghai, Neu-Delhi, Tripolis, Brisbane, Johannesburg und Lubbock/Texas. Als Hinweis gibt er noch: Denk daran, wo sich derzeit die Innertropische Konvergenzzone befindet. Ich werde nicht daraus schlau, aber Dein überlegener Ökologenverstand vielleicht schon. Ich konnte den Ausschnitten nur entnehmen, dass es alles reichlich grausige Berichte über Morde oder Massaker an Frauen sind. Der schlimmste war der aus Neu-Delhi über »Flöße aus weiblichen Leichen« auf dem Fluss. Der lustigste der über den texanischen Offizier, der seine Frau, seine drei Töchter und seine Tante erschossen hat, weil Gott ihm auftrug, zuhause mal ordentlich sauber zu machen.

Barney ist ein richtiger Schatz, er kommt am Sonntag rüber und hilft mir dabei, das Fallrohr abzunehmen und zu gucken, was es verstopft. Er geht gerade wie auf Wolken; seit Deiner Abreise hat sich sein Antipheromon-Programm für Choristoneura occidentalis endlich ausgezahlt. Weißt Du, dass er über 2000 Präparate an den Wicklern getestet hat? Tja, und die gute alte Nummer 2097 funktioniert anscheinend. Als ich ihn gefragt habe, was sie tut, hat er nur gekichert; du weißt ja, wie schüchtern er bei Frauen ist. Jedenfalls sieht es so aus, als ob ein einmaliges Besprühen die Wälder retten wird, ohne irgendetwas anderes zu schädigen. Vögel und Menschen können es ruhig über die Nahrung aufnehmen, sagt er.

Und das, mein Schatz, ist alles, was es an Neuigkeiten gibt, außer dass Amy am Sonntag zurück nach Chicago fährt, weil die Schule wieder losgeht. Das Haus wird mir wie ein Grab vorkommen, ich werde sie schrecklich vermissen, obwohl sie gerade in dem Stadium ist, wo ich ihr schlimmster Feind bin. Die mürrischen, erotischen Mädchen am Anfang der Pubertät, sagt Angie. Amy lässt ihren Daddy grüßen. Einen Herzensgruß auch von mir und alles, was Worte nicht ausdrücken können.

Deine Anne

 

Alan legte den Brief sorgfältig in seine Schreibmappe und sah noch das schmale Bündel mit der restlichen Post durch, weil er nicht von Zuhause und von Anne träumen wollte. Barneys »dicker Umschlag« war nicht dabei. Er warf sich auf das ungemachte Bett und riss kurz vor Einsetzen der nächtlichen Stromsperre an der Zugschnur der Lampe. In der Dunkelheit verteilten sich die Ortsnamen, die Barney erwähnt hatte, auf einem verschwommenen Globus, der sich bedrohlich vor seinem geistigen Auge drehte. Irgendetwas …

Aber dann ergriff die Erinnerung an die fürchterlich von Parasiten befallenen Kinder, mit denen er an diesem Tag in der Klinik gearbeitet hatte, Besitz von seinen Gedanken. Er überdachte noch einmal die zu sammelnden Daten. Such nach dem schwachen Glied in der Verhaltenskette – wie oft hatte ihm Barney – Dr. Barnhard Braithwaite – das eingetrichtert. Wo war es, wo? Gleich morgen früh würde er anfangen, an größeren Mückenkäfigen zu arbeiten …

In diesem Moment schrieb Anne fünftausend Meilen weiter nördlich gerade:

 

Ach, Liebster, Liebster, Deine ersten drei Briefe sind hier, sie sind alle auf einmal gekommen. Ich wusste, dass Du schreiben würdest. Vergiss mein Gerede von dunkelhäutigen Millionenerbinnen, das war alles nur Spaß. Mein Liebster, ich weiß, ich weiß … wir. Diese schrecklichen Mückenlarven, diese armen kleinen Kinder. Wenn Du nicht mein Mann wärst, würde ich Dich für einen Heiligen halten oder so. (Tu ich ja eh.)

Ich hab Deine Briefe überall im Haus aufgehängt, das macht es um einiges weniger einsam. Keine richtigen Neuigkeiten hier, außer dass mir alles irgendwie ruhig und sonderbar vorkommt. Barney und ich haben das Fallrohr ausgebaut, es war knallvoll mit vergammelten Nüssen. Die müssen Eichhörnchen von oben da reingeworfen haben, ich werde es mit einem Drahtgitter verschließen. (Keine Sorge, diesmal nehme ich eine Leiter.)

Barney ist in einer merkwürdigen, düsteren Stimmung. Er nimmt diese Geschichte mit den Söhnen Adams sehr ernst, anscheinend wird er mit im Untersuchungsausschuss sitzen, wenn sie den je auf die Reihe kriegen. Das Seltsame daran ist, dass anscheinend niemand irgendetwas unternimmt, als ob die Sache einfach ein paar Nummern zu groß ist. Selina Peters hat ein paar ätzende Kommentare dazu veröffentlicht, etwa: Wenn jemand seine Frau umbringt, dann nennen wir es Mord, aber sobald es nur genug Männer tun, nennen wir es einen Lebensstil. Ich glaube, dass sich die Sache ausbreitet, aber nichts Genaues weiß man nicht, weil die Medien aufgefordert sind, es herunterzuspielen. Barney sagt, es wird als eine Form ansteckender Hysterie betrachtet. Er besteht darauf, dass ich Dir diese grässliche Aussage schicke, nur den Durchschlag. Man wird sie natürlich nicht veröffentlichen. Aber dieses Totschweigen ist schlimmer, als ob gerade außer Sichtweite irgendwas Schreckliches passiert. Nachdem ich Barneys Blätter gelesen hatte, habe ich Pauline in San Diego angerufen, weil ich wissen wollte, ob es ihr gut geht. Sie klang komisch, als ob sie mir etwas verschweigen würde … meine eigene Schwester. Kurz nachdem sie gesagt hat, dass alles in Ordnung wäre, hat sie plötzlich gefragt, ob sie nächsten Monat kommen und eine Zeitlang bei uns bleiben könnte. Ich hab gesagt, komm jetzt gleich, aber sie will erst noch ihr Haus verkaufen. Mir wäre es lieber, sie würde sich beeilen.

Der Diesel läuft jetzt ganz gut, er brauchte nur einen neuen Filter. Ich musste bis nach Springfield, um einen zu besorgen, aber Eddie hat ihn mir für nur 2,50 eingebaut. Der wird mit seiner Werkstatt noch pleitegehen.

Falls Du es Dir nicht schon gedacht hast, diese Orte von Barneys Liste liegen alle ungefähr auf 30° nördlicher oder südlicher Breite – die Rossbreiten. Als ich sagte, nicht genau, sagte er, denk daran, dass sich die äquatoriale Tiefdruckrinne im Winter verschiebt und dann auch Libyen und Osaka einschließt und noch eine Stadt, die ich vergessen habe – warte, Alice Springs in Australien. Und was hat das mit dem Ganzen zu tun, hab ich gefragt. »Nichts – hoffentlich«, hat er gesagt. Werde Du daraus schlau, große Denker wie Barney können manchmal seltsam sein.

Ach mein Liebster, hier ist alles von mir für alles von Dir. Deine Briefe erhalten mich am Leben. Aber denk nicht, du musst, ich kann mir vorstellen, wie viel Dir Deine Arbeit abverlangt. Du sollst einfach wissen, dass wir zusammen sind, immer und überall.

Deine Anne

 

Ach PS: Ich musste den Umschlag noch einmal aufmachen und Barneys Zeug reintun, das war nicht die Geheimpolizei. So, jetzt aber. Noch einmal meine ganze Liebe, A.

 

In dem von Ziegen verpesteten Zimmer, wo Alan das las, trommelte Regen auf das Dach. Er hielt sich den Brief unter die Nase, um noch einmal den schwachen Parfümduft einzufangen, und faltete ihn zusammen. Dann zog er den gelben Durchschlag heraus, den Barney mitgeschickt hatte, und fing zu lesen an. Seine Miene verdüsterte sich.

 

SONDERBERICHT PEEDSVILLE-SEKTE / SÖHNE ADAMS. Gedächtnisprotokoll von Sgt. Willard Mews (Fahrer), wohnh. in Globe Fork/Arkansas. Ungefähr 80 Meilen westlich von Jacksonville stießen wir auf die Straßensperre. Major John Heinz aus Ashton erwartete uns schon und stellte uns eine Eskorte bei, zwei Wasserwerfer unter der Führung von Capt. T. Parr. Major Heinz schien entsetzt, dass dem Ärzteteam des Nationalen Instituts für Gesundheit NIH auch zwei weibliche Kräfte angehörten. Er stellte uns das Risiko in den eindringlichsten Worten dar. Darauf entschied Dr. Patsy Putnam (Urbana/Illinois), die Psychologin, hinter der Postenkette zu bleiben. Aber Dr. Elaine Fay (Clinton/New Jersey) bestand darauf, mitzukommen, und sagte, sie wäre die Epi-irgendwas (Epidemiologin).

Wir fuhren ungefähr eine Stunde lang mit verminderter Geschwindigkeit hinter einem der Wasserwerfer her, ohne etwas Auffälliges zu sehen. Am Straßenrand standen zwei große Schilder mit der Aufschrift SÖHNE ADAMS – BEFREITE ZONE. Wir passierten einige kleine Verpackungsbetriebe für Pecannüsse und einen Verarbeitungsbetrieb für Zitrusfrüchte. Die Männer dort schauten zu uns herüber, verhielten sich jedoch unauffällig. Natürlich waren nirgendwo Frauen oder Kinder zu sehen. Unmittelbar am Ortseingang Peedsville hielten wir vor einer großen Absperrung aus Ölfässern, gleich neben einem Lagerhaus für Zitrusfrüchte. Dieses Viertel ist alt, eine Art Slumvorstadt und Wohnwagenplatz. Der neue Teil der Stadt mit dem Einkaufszentrum und den Siedlungen liegt ungefähr eine Meile weiter nördlich. Ein Lagerarbeiter kam mit einer Schrotflinte heraus und sagte uns, wir sollten auf den Bürgermeister warten. Ich glaube nicht, dass er Dr. Elaine Fay in diesem Moment gesehen hat, sie saß hinten und hat sich irgendwie kleingemacht.

Bürgermeister Blount kam in einem Streifenwagen der Polizei, und unser Leitender, Dr. Premack, legte ihm unsere Beauftragung durch das Gesundheitsministerium dar. Dr. Premack war peinlich darauf bedacht, keinerlei Bemerkungen zu machen, die den Glauben des Bürgermeisters herabwürdigen könnten. Blount erklärte sich damit einverstanden, dass das Team nach Peedsville hineinfuhr, um dort Boden- und Wasserproben usw. zu nehmen und mit dem dortigen Arzt zu reden. Der Bürgermeister war gute 1,85 groß, wog ungefähr 115 oder 120 Kilo, braungebrannt, angegraute Haare. Er lächelte und lachte freundlich.

Dann schaute er ins Wageninnere und erblickte Dr. Elaine Fay, und da ging er hoch. Er fing an rumzubrüllen, dass wir gefälligst wieder da hinfahren sollten, wo wir hergekommen waren. Aber Dr. Premack redete ihm gut zu und beruhigte ihn wieder, und schließlich sagte der Bürgermeister, dass Dr. Fay in das Büro vom Lagerhaus gehen und dort hinter verschlossener Tür warten solle. Ich sollte auch dort bleiben und sicherstellen, dass sie nicht herauskam, und einer von den Männern des Bürgermeisters sollte meinen Platz hinter dem Steuer übernehmen.

Also fuhren die Mediziner und der Bürgermeister sowie einer der Wasserwerfer rein nach Peedsville, und ich brachte Dr. Fay in das Büro des Lagerhauses und setzte mich. Es war extrem heiß und stickig dort. Dr. Fay öffnete ein Fenster, aber als ich hörte, wie sie versuchte, mit einem alten Mann draußen ins Gespräch zu kommen, erklärte ich ihr, dass sie das nicht dürfe, und machte das Fenster wieder zu. Der alte Mann ging fort. Daraufhin wollte sie sich mit mir unterhalten, aber ich sagte ihr, dass ich eigentlich keine Lust auf ein Gespräch hatte. Mir kam ihre Anwesenheit hier wirklich falsch vor.

Darauf fing sie an, die Aktenschränke durchzugehen und Firmenunterlagen zu lesen. Ich sagte ihr, dass das keine gute Idee sei und sie damit aufhören solle. Sie erklärte, dass die Regierung von ihr erwarte, dass sie Untersuchungen anstellt. Sie zeigte mir eine Broschüre oder Zeitschrift, die dort herumlag; der Titel lautete Der Mensch gehorcht Gott von Reverend McIllhenny. Davon stand ein Karton voll in dem Büro. Ich fing an, darin zu lesen, und Dr. Fay sagte, sie wolle sich die Hände waschen. Also brachte ich sie durch so einen abgeteilten Korridor neben dem Förderband hinunter zur Toilette. Es gab nirgendwo Türen oder Fenster, also ging ich zurück. Nach einer Weile rief sie, dass dort ein Feldbett stünde und sie sich hinlegen würde. Ich dachte, das geht in Ordnung, weil es ja keine Fenster gab; außerdem war ich froh, sie nicht bei mir haben zu müssen.

Ich machte mich also daran, das Buch zu lesen, und es war sehr beeindruckend. Es handelte sich um sehr tiefsinnige Überlegungen darüber, dass dem Menschen gegenwärtig von Gott der Prozess gemacht wird und dass Gott uns, wenn wir unsere Pflicht erfüllen, mit einem wirklich neuen Leben auf Erden belohnen wird. Die Zeichen und Omen zeigen es. Es war kein, Sie wissen schon, Sonntagsschulgeschwätz. Es hatte Hand und Fuß.

Nach einer Weile hörte ich Musik und sah, dass die Besatzung des anderen Wasserwerfers drüben auf der anderen Straßenseite bei den Kraftstofftanks war. Sie saßen im Schatten einiger Bäume und scherzten mit den Lagerarbeitern herum. Einer spielte Gitarre, keine elektrische, einfach eine Gitarre. Es sah so friedlich aus.

Dann kam Bürgermeister Blount allein in dem Streifenwagen angefahren und kam rein. Als er merkte, dass ich das Buch las, lächelte er mir zu, väterlich irgendwie, aber er wirkte angespannt. Er fragte mich, wo Dr. Fay wäre, und ich sagte ihm, dass sie sich hinten hingelegt hatte. Er meinte, das wäre okay. Dann seufzte er schwer und ging wieder raus auf den Korridor, schloss hinter sich die Tür. Ich saß da und hörte dem Mann mit der Gitarre zu und versuchte zu verstehen, was er sang. Ich hatte ganz schön Hunger, weil mein Pausenbrot in Dr. Premacks Wagen lag.