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Toni der Hüttenwirt (ab 301)
– 317 –

Katja kommt heim ...

Ist nun alles wieder gut?

Friederike von Buchner

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-532-8

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Leo setzte den Hubschrauber auf der Wiese bei der Almhütte ab. Als die Rotorblätter stillstanden, half er Martin beim Aussteigen. Dr. Martin Engler war immer noch auf die Krücken angewiesen, um sein Knie zu schonen und nicht zu sehr zu belasten.

Wendy Hansen und Leo Gassers Frau Heidi hatten auf Martin gewartet. Sie sahen sich stumm an.

»Katja ist nicht mitgekommen«, presste Martin gequält hervor. »Kannst du mich bitte zurückfahren, Heidi?«

»Sicher, deshalb habe ich doch auf dich gewartet«, antwortete sie.

Leo verabschiedete sich. Er musste zur Einsatzzentrale der Bergwacht zurückfliegen. Er legte Martin tröstend die Hand auf die Schulter und sagte behutsam: »Martin, das wird schon. Sie wird schon wieder zu dir zurückkommen.«

Martin schluckte. Er brachte kein Wort hervor.

Leo ging zurück zum Hubschrauber mit der Aufschrift ›Bergwacht‹ und hob ab. Heidi und Wendy sahen ihm nach.

Martin ging schon zu seinem Geländewagen.

Heidi eilte ihm nach. Sie hielt ihm die Krücken, während er einstieg. Dann setzte sie sich hinters Steuer und fuhr in Richtung Tal.

Wendy ging nachdenklich in die Almhütte zurück und nahm sich einen weiteren Becher Kaffee. Dann setzte sie sich draußen neben die Tür, streckte die Beine weit von sich und dachte nach, während sie Kaffee trank.

Bella, die Neufundländerhündin, kam zu ihr, setzte sich neben sie und legte den Kopf auf ihren Schoß.

Wendy streichelte Bella. »Es ist sehr enttäuschend, dass der schöne Plan nicht aufgegangen ist, Bella«, flüsterte sie.

Alle hatten sich so viel Mühe gegeben. Heidi hatte Martin Engler mit seinem Auto auf die Alm gefahren, damit ihr Mann Leo, während des regelmäßig vorgeschriebenen Trainingsflugs, Martin mit hinauf auf die Berghütte nehmen konnte. Der Rückflug war als Hilfstransport für eine gehbehinderte Person gemeldet worden. Wie mit Leo vereinbart, hatte Toni in der Leitstelle der Bergwacht in Kirchwalden angerufen und um Hilfe gebeten. Danach war Leo aufgestiegen und hatte Martin auf dem Geröllfeld vor der Berghütte abgeholt.

Bella sprang auf und rannte davon. Wendy sah ihr nach. Dann lachte sie. Benno kam den Pfad herunter. Die beiden Neufundländer, Mutter und Sohn, begrüßten sich stürmisch und fingen sofort an, über die Wiese hinter der Almhütte zu toben.

Toni kam mit Abstand nach. Er begrüßte seine Tochter herzlich.

»Es ist wohl nicht so gelaufen mit Martin und Katja, wie alle gehofft hatten?«, fragte Wendy.

»Also, Tatsache ist, dass Katja noch immer oben auf der Berghütte ist. Die beiden haben unter vier Augen miteinander gesprochen, hinten auf dem Holzhackplatz. Es war hauptsächlich Martin, der redete, soweit wir das sehen konnten. Katja hat sich nicht einmal zu ihm an den Tisch gesetzt. Sie stand die ganze Zeit wie versteinert hinter einem Stuhl und umklammerte die Lehne.« Toni zuckte mit den Schultern. »Wir wissen nicht, wie das Gespräch verlaufen ist. Martin hat nichts darüber gesagt. Doch die Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen. Ich dachte, es fehlt nicht viel und er verliert die Fassung.«

»Oh ja, das stimmt. Er sah schlimm aus, als er aus dem Hubschrauber stieg. Toni, kann man gar nichts für die beiden tun?«, fragte Wendy besorgt. Ihre Stimme war voller Mitleid.

»Wendy, oft muss man die kleinen Schritte sehen und damit erst einmal zufrieden sein. Für Anna und mich hatte das Treffen der beiden auch gute Seiten.«

»Toni, jetzt machst du Witze.«

»Nein, Wendy, keinesfalls. Erstens hat Katja ihrem Mann zugehört. Das war gut. Bisher hatte sie ihm nicht die Gelegenheit dazu gegeben. Zweitens haben sie nicht laut gestritten, und das ist auch ein Erfolg.«

»Pah!«, seufzte Wendy. Dann besann sie sich. »Okay, ich gebe dir in den zwei Punkten Recht, Toni. Es ist ein minimaler Fortschritt. Vielleicht erzählt Katja etwas?«

»Anna versucht gerade, mit ihr zu sprechen. Und ich bin auf dem Weg ins Tal. Ich will Martin besuchen. Ihm wird es nicht gut gehen. Vielleicht übernachte ich bei ihm. Sollte ich wirklich im Tal bleiben, schicke bitte Benno und Bella morgen Früh mit den Lebensmitteln hinauf auf die Berghütte. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, zu dem frühen Zeitpunkt schon hier zu sein. Es reicht, wenn du Benno und Bella im Abstand von zehn Minuten losschickst. Du weißt, dass ich immer noch in Sorge bin, wenn die beiden gemeinsam mit den Packtaschen unterwegs sind. Sie sind sehr verspielt. Wir dürfen auf keinen Fall riskieren, dass sie unterwegs Unsinn machen. Einer von ihnen oder beide könnten abstürzen.«

»Das weiß ich doch, Toni. Du kannst dich auf mich verlassen.«

»Entschuldige, Wendy, natürlich kennst du dich aus.«

Wendy lächelte Toni an. »Schon gut, du bist ja nur besorgt. Jetzt mache dich schon auf den Weg ins Tal! Martin braucht dich. Wenn Freunde in Not sind, ist es Pflicht, ihnen beizustehen, Freundespflicht und Christenpflicht.«

Toni nickte. Er verabschiedete sich, stieg in seinen Geländewagen und fuhr direkt zu Martin Englers Praxis.

Als er auf dem Hof ankam, verließen Patienten die Praxis.

»Grüß Gott, Toni!«, sagte eine alte Frau. »Wenn du dich von Martin behandeln lassen willst, hast du heute Pech. Die Erna hat alle heimgeschickt, die in die Feierabendsprechstunde wollten. Du, Toni, der Martin sieht wirklich schlecht aus. Wahrscheinlich hat er wieder große Schmerzen im Bein. Es ist auch schlimm, dass er solange mit den Folgen des Autounfalls herumlaborieren muss.«

Toni grüßte nur und ließ sich auf kein Gespräch ein.

Walli stand bei Erna am Tresen. Sie klatschte in die Hände. »Dich schickt der Himmel, Toni. Grüß Gott!«

Toni Baumberger grüßte Walli und Erna Schulz, Martins Sprechstundenhilfe. »Wo ist Martin? Hat er euch etwas erzählt?«

Erna und Walli schüttelten den Kopf.

»Er ist in den Garten gegangen, Toni. Er will niemand sehen. Mir hat er gesagt, dass ich alle Patienten heimschicken soll. Er lässt die Sprechstunde ausfallen. Es waren nur leichte Fälle, die wegen eines Rezepts gekommen waren. Ich musste sie alle für morgen bestellten.« Erna holte tief Luft. »Und dann hat er noch gesagt, ich soll in den Anrufbeantworter das Band mit der Telefonnummer der medizinischen Notfallzentrale in Kirchwalden einlegen.«

Toni rieb sich das Ohrläppchen. »Mei, das hört sich nicht gut an«, sagte er nachdenklich.

»Stimmt, Toni, es hört sich nicht nur nicht gut an, das ist ganz schlimm! Das ist in meinen Augen ein Alarmzeichen«, sagte die alte Walli. »Ich wollte ihn trösten. Ich dachte, wenn er mir sein Herz ausschüttet, ginge es ihm besser. Wenn ich wüsste, was Katja gesagt hat und warum sie nicht mitgekommen ist, könnte ich vielleicht etwas tun. Aber er hat mich nur angeschnauzt, ich solle ihn in Ruhe lassen. Das hat er noch nie getan, solange ich ihn kenne. Und ich kenne ihn, seit er ein kleiner Bub war.«

»Dann werde ich mal mein Glück versuchen, Walli. Ich verspreche dir, ich werde mich nicht wegschicken lassen. Ich werde ihn belagern, bis er redet. Und wenn es die ganze Nacht dauern sollte, dann bleibe ich die Nacht über hier.«

»Das ist gut, Toni. Dann muss ich mir nicht gar so viele Sorgen machen. Einem Freund sein Herz auszuschütten, ist sicher besser, als mir altem Weib.«

»Nun hab dich nicht so, Walli! Martin mag dich, er hat dich gern, das weiß ich. Dass er nichts gesagt hat, liegt nicht an dir. Außerdem habt ihr euch doch ausgesöhnt.«

»Ja, Toni, das haben wir. Ich habe die Papiere, die ich wegen dem Hof habe ändern lassen wollen, nicht unterschrieben. Ich habe sie ins Feuer geworfen, als ich im Garten Unkraut verbrannt habe. Ist jetzt alles so wie früher.«

»Das freut mich, Walli.«

Walli ging mit Toni in die große Wohnküche. Sie gab ihm einen Korb mit einigen Flaschen Bier und einer Flasche Obstler mit zwei Stamperln.

Toni ging durch die hintere Tür hinaus in den Garten.

Martin saß in der Gartenlaube, den Kopf nach hinten gelehnt, hatte er die Augen geschlossen. Sein Bein ruhte auf einem Stuhl.

»Also Schlafen ist jetzt nicht angebracht. Das ist wie den Kopf in den Sand stecken«, sagte Toni. »Und du warst nie einer, der sich vor Schwierigkeiten gedrückt hat.«

Martin schlug die Augen auf. »Oh, du bist es, Toni. Ich habe dich nicht kommen gehört. Geschlafen habe ich nicht. Du hast dich angeschlichen, wie?«

»Ich verstehe, dass du mit deinen Gedanken weit fort gewesen bist. Angeschlichen habe ich mich nicht. Darf ich mich setzen?«

»Ich möchte allein sein. Doch kann ich dich davon abhalten? Nützt es etwas, wenn ich dich bitte zu gehen?«

Toni grinste. »Du hast es klar erkannt. Es würde dir nichts nützen. Also nehme ich mir einen Stuhl.« Toni setzte sich, öffnete zwei Bierflaschen, eine für sich und eine für Martin. »Prost!«

Martin nickte nur. Sie stießen an. Nur der helle Klang war zu hören.

»Wahrscheinlich ist es das Beste, was ich machen kann, mich richtig volllaufen zu lassen«, sagte Martin. Er setzte die Flasche an die Lippen und trank sie in einem Zug fast ganz aus.

Toni beobachtete Martin, der die Bierflasche betrachtete, als wäre sie ein interessantes Kunstobjekt, das er noch nie gesehen hatte. Doch ihm war klar, dass Martin mit seinen Gedanken bei Katja und dem Gespräch hinter der Berghütte war.

»Willst dir nicht alles von der Seele reden?«, fragte Toni.

Martin zuckte mit den Schultern. »Das würde auch nichts ändern«, sagte er leise.

»Da bin ich mir nicht so sicher. Außerdem bist du der Doktor, der immer sagt, dass Kummer die Heilung verzögert«, erwiderte Toni.

Martin musste schmunzeln. »Du willst mich wohl mit meinen eigenen Waffen schlagen, wie?«

»Sicher«, grinste Toni.

Martin seufzte.

»Aber Katja dir hat dieses Mal zugehört, nicht wahr?«, sagte Toni weiter.

»Ja, Toni! Sie hat mir zugehört. Das war auch schon alles.«

»Das ist dir zu wenig?«

»Bist du deppert? Blöde Bemerkung!«, giftete Martin Toni an.

»Was geht es mich an, wenn du sauer auf Katja bist? Mei, ich will dir doch nur helfen«, gab Toni etwas spitz zurück.

»Vergiss es! Mir kann niemand helfen«, jammerte Martin.

»Himmelherrgottmariaundjosef«, stöhnte Toni. »Hör auf, so zu reden! Jetzt hörst du dich an wie ein Waschlappen. Mei, Martin, du badest in Selbstmitleid. Das bringt doch nichts.« Toni seufzte. Ihm wurde klar, dass das Gespräch schwieriger werden würde, als er es sich vorgestellt hatte. Jetzt hieß es, geduldig und wohlwollend mit Martin zu sein. »Trink einen Obstler«, sagte Toni, »und spüle damit alles runter!«

Martin nickte.

Toni schenkte ihm einen großen Obstler ein. Er selbst nahm sich nur wenig. Wortlos hoben sie die Stamperl und prosteten sich zu. Martin hielt Toni das leere Glas hin. Dieser füllte es ein zweites Mal bis zum Rand. Martin leerte es in einem Zug.

»Dich in dieser Geschwindigkeit zu besaufen, löst deinen Kummer nicht«, bemerkte Toni.

»Das weiß ich selbst. Aber ein Rausch benebelt wenigstens. Dann kann ich nicht mehr grübeln.«

»Und was machst du, wenn Katja doch noch kommt? Dann bist sternhagelvoll, wenn du so weitermachst.«

Martin griff nach der Flasche und schenkte sich selbst nach.

Toni nahm ihm die Flasche weg, damit er sich nicht zum vierten Mal bediente.

»Katja wird nicht kommen. Dann hätte sie gleich mitkommen können oder?«, sagte Martin mit viel Bitternis in der Stimme. »Sie will nix mehr von mir wissen. Sie glaubt mir nicht.«

»He, hat sie das gesagt?«, fragte Toni. »Hat sie dir an den Kopf geworfen, dass du lügst? Hat sie dich angeschrien, wie damals in der Nacht?«

»Nein, das hat sie nicht. Sie hat überhaupt nichts gesagt. Es kam nicht die kleinste Reaktion.«

Toni trank einen Schluck Bier.

Martin trank seine Bierflasche aus. Er deutete auf den Korb.

Toni öffnete ihm eine Flasche und gab sie ihm.

Martin setzte sie sofort an die Lippen und trank. »Toni, versetze dich mal in meine Lage. Wenn du und Anna, was ich euch nie wünsche, der Himmel ist mein Zeuge, wenn ihr in so einer Lage wäret, wie hättest du es aufgenommen?«

Toni tat, als würde er überlegen, damit Martin seinen Worten größeres Gewicht beimessen würde. »Nun, ich würde denken, dass ich einen Teilerfolg erreicht habe, da sie mir zugehört hat.«

»Schmarrn! Und was bringt das?«

»Sei nicht so ungeduldig! Katja hatte eine feste Meinung über dein Verhältnis zu Manuela. Jetzt musst du ihr Zeit geben, alles zu verarbeiten und umzudenken.« Toni erinnerte daran, dass es für Katja nicht einfach sei, zuzugeben, dass sie sich geirrt und sich da in etwas hineingesteigert hatte. »Katja muss sich vor allem selbst diesen depperten Irrtum verzeihen. Das ist nicht leicht. Bedenke bitte, dass sie uns alle, Wendy, Walli, Anna und mich, mit hineingerissen hatte.«

Martin brauste auf. »Bist du jetzt wieder auf Katjas Seite? Du bist mir ein schöner Freund!«, schrie er Toni an.