Literatur

Amelung, Christa-Maria (2010): Spannende Biografien schreiben! Steinhagen: Amelung Verlag.

Ausländer, Rose (2015): Gedichte. Frankfurt a.M.: Fischer.

Brainard, Joe (2011): Ich erinnere mich. Zürich: Walde und Graf.

Brecht, Bertold (1971): Geschichten vom Herrn Keuner. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Burkart, Erika (2012): Grundwasserstrom. Aufzeichnungen. Gräfeling: editionfünf – Verlag Silke Weniger.

Cameron, Julia (2018): Von der Kunst des kreativen Schreibens. Berlin: Autorenhaus-Verlag.

Contzen, Angela C. (2017): Die Wurzeln unserer Kultur. Berlin: Europa Verlag.

Domin, Hilde (2009): Sämtliche Gedichte. Frankfurt a.M.: Fischer.

Frisch, Max (1950): Tagebücher 1946–1949. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Frisch, Max (1972): Tagebücher 1966–1971. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Frisch, Max (2019): Fragebogen. Erweiterte Ausgabe. Berlin: Suhrkamp.

Gerig-Wildermuth, Brigitta & Meier-Dell’Olivo, Rosemarie (2013): Ping Pong. Schreiben zu zweit. Oberengstringen: Claudia Wartmann Natürlich.

Handke, Peter (1979): Das Gewicht der Welt – ein Journal. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Heimes, Silke (2015): Schreib es dir von der Seele. Kreatives Schreiben leicht gemacht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Heimes, Silke 82013): Kreatives und therapeutisches Schreiben. Ein Arbeitsbuch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Heimes, Silke; Rechenberg-Winter, Petra & Haussmann, Renate (2013): Praxisfelder des kreativen und therapeutischen Schreibens. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Helbich, Ilse (2012): Grenzland, Zwischenland. Graz: Droschl.

Huppertz, Michael & Schatanek, Verena (2015): Achtsamkeit in der Natur. Paderborn: Junfermann.

Keen, Sam (1993): Die Lust, ich zu sein. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe.

Kindl-Beilfuss, Carmen (2013): Fragen können wie Küsse schmecken. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.

Kreitmeir, Christoph (2014): Sehnsucht nach Spiritualität. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

Lichtenberg, Georg Christoph (2012): Sudelbücher. Wiesbaden: Marix.

Limbach, Jutta (2004): Das schönste deutsche Wort. München: Hueber-Verlag.

Limbach, Jutta (2005): Der schönste erste Satz. München: Hueber-Verlag.

Lindberg Morrow, Anne (1994): Muscheln in meiner Hand. München: Piper.

Lukesch, Barbara & Spörri, Balz (2008): Starke Worte. 50 Persönlichkeiten über den Satz ihres Lebens. Gockhausen: Wörterseh.

Lütkemeyer, Ilona (2007): Mit 80 Seiten um die Welt. Schreiben unterwegs. Berlin: Schibri-Verlag.

Mahrenholtz, Katharina & Parisi, Dawn (2018): Luftikus und Tausendsassa – verliebt in 100 vergessene Wörter. Berlin: Dudenverlag.

Marti, Kurt (1995): Im Sternzeichen des Esels. Sätze, Sprünge, Spiralen. Zürich: Nagel & Kimche.

Marti, Lorenz (2017): Der innere Kompass. Was uns ausmacht und was wirklich zählt. Freiburg: Herder.

Matter, Mani (2003): Sudelhefte – Rumpelbuch. Basel: Zytglogge.

Moeller, Michael Lukas (2010): Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch. Reinbek: Rowohlt.

Ortheil, Hanns-Josef (2012): Schreiben auf Reisen. Aufzeichnungen von unterwegs. Mannheim: Dudenverlag.

Ortheil, Hanns-Josef (2012): Schreiben dicht am Leben. Notieren und Skizzieren. Mannheim: Dudenverlag.

Petzold, Hilarion G.; Leeser, Brigitte & Klempnauer, Elisabeth (2018): Wenn Sprache heilt. Studientexte Integrativer Therapie. Bielefeld: Aisthesis.

Porombka, Stephan (2012): Schreiben unter Strom. Experimentieren mit Twitter, Blogs, Facebook & Co. Mannheim: Dudenverlag.

Rilke, Rainer Maria (2019): Briefe an einen jungen Dichter. Berlin: Insel-Bücherei.

Rinser, Luise (2003): Septembertag. Frankfurt a.M.: Fischer.

Röthlein, Brigitte (2004): Anleitung zur Langsamkeit. Ruhiger und glücklicher leben. München: Piper.

Schärf, Christian (2012): Schreiben von Tag zu Tag. Mannheim: Dudenverlag.

Shonagon, Sei (2012): Das Kopfkissenbuch der Dame Sei Shonagon. Berlin: Insel-Bücherei.

Ullenbrook, Jan (Hrsg.) (2015): Haiku: Japanische Dreizeiler, ausgewählt und übersetzt von Jan Ullenbrook. Stuttgart: Reclam.

von Hirschhausen, Eckart & Esch, Tobias (2018): Die bessere Hälfte. Worauf wir uns mitten im Leben freuen können. Reinbek: Rowohlt.

von Scheidt, Jürgen (2003): Kreatives Schreiben. Texte als Wege zu sich selbst und zu andern. Frankfurt a.M.: Fischer.

von Werder, Lutz (1996): Erinnern, wiederholen, durcharbeiten. Die eigene Lebensgeschichte kreativ schreiben. Berlin: Schibri-Verlag.

von Werder, Lutz; Schulte-Steinicke, Barbara & Schulte, Brigitte (2011): Die heilende Kraft des Schreibens. Ostfildern: Patmos.

Walser, Martin (2014): Schreiben und Leben. Tagebücher 1979–1981. Reinbek: Rowohlt.

Walter, Silja (2006): Ich habe meine Insel gefunden. Geheimnis im Alltag. Tagebuch. Freiburg: Paulusverlag.

Wehrli, Peter K. (1999): Katalog von Allem. Vom Anfang bis zum Neubeginn. 1697 Nummern aus 40 Jahren. München: Knaus.

Ziegler, Hilde (2014): Während der Verlobung wirft einer einen Hering an die Decke. 198 Erinnerungen eines Kindes. Basel: Lenos.

Rosemarie Meier-Dell’Olivo

Die Leichtigkeit des Schreibens

Anregungen und Methoden für Tagebuch und freies Schreiben

Über dieses Buch

Schreiben ist ein Trainingsgelände für die Seele 

Aufschreiben, was im Leben passiert, Erlebtes festhalten, Tagebuch schreiben: Es geht nicht so sehr darum, täglich zu schreiben, sagt Rosemarie Meier-Dell’Olivo, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg – und das durchaus regelmäßig. Die meisten Menschen schreiben in emotional turbulenten Lebensphasen und hören auf, sobald sich alles beruhigt. Später haben sie kaum Lust, das Geschriebene erneut zu lesen. Was aber passiert, wenn man im ruhigen Zustand schreibt? Dann kommt vielleicht die Lust auf, mit der Sprache zu spielen, neue Formen auszuprobieren, neue Worte zu erfinden. 

Diese Freude und Lust gilt es zu wecken. Das Buch begleitet Sie, wenn Sie … 

Rosemarie Meier-Dell’Olivo hat viele Jahre Kurse im kreativen und freien Schreiben gegeben. Sie lebt in der Schweiz.

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2020

Coverfoto:© Weigand / Photocase

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz: Peter Marwitz, Kiel (etherial.de)

Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2020

ISBN der Printausgabe: ISBN 978-3-95571-950-0

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0096-3 (EPUB), 978-3-7495-0098-7 (PDF),  978-3-7495-0097-0 (MOBI).

Einführung

Das Tagebuch ist ein Begleiter auf der Lebensreise.

Dieses Buch lädt dazu ein, Ihren Alltag bewusst zu erleben und aus dieser Bewusstheit heraus Gedanken wie einzelne Mosaiksteinchen zu Papier zu bringen. Alles, was Sie mitbringen müssen, ist ein bisschen Neugierde, Experimentierlust und die natürliche, spontane Freude, sich schreibend auszudrücken. Der Begriff „Tagebuch“ soll Sie nicht hindern. Es geht nicht darum, täglich zu schreiben. Das Heft oder das Buch, das Sie ausgewählt haben, begleitet Sie vielleicht über Jahre. Dazwischen liegt ein längerer Zeitabschnitt, eine Schreib-Brachzeit, die Sie nicht hindern soll, irgendwann die leeren Seiten zu füllen.

Viele Teilnehmer*innen meiner Kurse haben in ihrem Leben Tagebuch geschrieben. Die wenigsten davon schrieben jedoch über eine längere Zeit. Mir selbst erging es nicht anders. Ich schrieb früher vor allem dann, wenn meine Gefühle überschwappten, wenn ich in einer Extremsituation war. Sobald ich zur Ruhe kam, hörte ich wieder auf. Das, was ich herausschreien musste, hatte ich mir von der Seele geschrieben, und nur selten verspürte ich danach das Bedürfnis, das Geschriebene nochmals durchzulesen.

Später bemühte ich mich, regelmäßig zu schreiben. Auch wenn mein Leben ruhig verlief, gab es in mir und um mich herum viel Spannendes zu entdecken, welches es wert schien, festgehalten zu werden. Ich wagte nunmehr, mit der Sprache zu spielen, neue Formen auszuprobieren, neue Worte zu erfinden. Je mehr ich wagte, desto schneller füllte ich Seite um Seite, und das wiederum spornte mich an, weiterzuschreiben. Allein das Durchblättern meiner früheren Aufzeichnungen gab mir genug Energie, fortzufahren und noch mehr zu experimentieren.

An dieser Freude und Lust möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, teilhaben lassen. Dieses Buch begleitet Sie, wenn Sie …

Schreiben ist ein schöpferisches Ausdrucksmittel, das stimuliert und befreit. Es ist ein kreativer Akt und ein Abenteuer. Wir beginnen und wissen oft nicht, wohin unsere Reise führt, und gerade das macht sie so spannend.

Schreiben Sie Ihre Gedanken auf wie ein buntes Kaleidoskop. Ideen finden Sie in diesem Buch zuhauf. Selbstverständlich müssen Sie es nicht von vorne bis hinten durcharbeiten. Suchen Sie sich die Kapitel und Schreibimpulse aus, die Sie ansprechen. So entsteht nach und nach Ihr ganz persönliches Lebensarchiv, das immer weiter ausgebaut werden kann.

1. Schreiben hinterlässt Spuren

1.1 Schreiben als Trainingsgelände für unsere Seele

Tagebuchschreibende werden nicht gelebt – sie leben.

Warum schreiben Menschen Tagebuch? Oder anders gefragt: Warum haben Sie dieses Buch gekauft? Es gibt verschiedene Antworten auf diese zwei Fragen, von denen ich einige aufgreifen werde.

Haben Sie auch manchmal das Gefühl, Ihr Leben fliegt einfach so davon? Kaum erlauben Sie sich eine Verschnaufpause, bei der Sie kurz mit sich allein sind, ist es bereits wieder Abend. Wer schreibt, nimmt sich und seine Umgebung stärker wahr. Tagtäglich ziehen unendlich viele Impressionen an uns vorbei, manche hinterlassen Spuren, andere bemerken wir kaum. Wenn wir regelmäßig einige Eindrücke und Gefühle, Erlebnisse und Beobachtungen mosaikartig aufzeichnen, werden wir nicht gelebt, sondern leben bewusst.

„Schreiben ist ein ständiges Mit-sich-im-Gespräch-Sein“ (Friedrich Dürrenmatt) und eine wunderbare Möglichkeit, schöpferisch tätig zu sein. Wenn wir schreiben, sind wir beides: der Sprechende und der Hörende. Erlebnisse, Erfahrungen, Gefühle, Gedanken und Fragen werden in Sprache umgewandelt, um sie später als Erinnerung wieder in unser Bewusstsein zu holen. Oder, wenn uns das lieber ist, sie wieder zu vergessen. So gesehen sind Aufzeichnungen Spiegel einer persönlichen, aber auch einer gesellschaftlichen Zeitepoche. Schreiben hinterlässt Spuren. Ich schreibe, also bin ich. Schreiben ist eine Tätigkeit, die jedem gelingt, wenn er seine Worte unverkrampft aufs Papier bringen kann. Er schöpft dann aus sich heraus, aus dem unendlichen Schatz an Beobachtungen und Erfahrungen. Erst während des Schreibprozesses werden weiße Stellen der halb vergessenen Erinnerungen wieder stärker, farbiger, plastischer. Erst durch die Erfahrung des Schreibens erkennen wir, welch unermesslicher Schatz an Fantasie in uns steckt. Denn das freie Schreiben ist ganzheitlich. Es verbindet Herz und Verstand, macht beweglich, elastisch und wach. Es schenkt Energie, ohne unsere Nerven zu belasten. Das absichtslose Schreiben ist spannend. Wir lesen unseren Text ein paar Tage später durch und sind vielleicht erstaunt, was für eine interessante Route uns in den Sinn gekommen ist.

Nicht nur alles, was wir erlebt haben, sondern vor allem auch, was wir dabei empfunden haben, hilft, uns besser oder von einer anderen neuen Seite kennenzulernen. Fokussieren wir Erlebnisse, Gedanken und Gefühle auf dem Papier, wird uns die Fülle unseres Lebens offenbar. Dabei genügen oft eine punktuelle Begebenheit, ein Gedanke oder eine Frage. Was wir auswählen, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass wir das, was wir ausgewählt haben, mit unseren Worten auf den Punkt bringen. Tagebuchschreiben ist eine Möglichkeit, auf unsere innere Stimme zu hören. Es hat Selbsterfahrungswert und hilft uns bei unserer persönlichen Weiterentwicklung. Wir hinterfragen konkrete Lebenssituationen und treiben so den Individualisationsprozess voran. Es ist wie Medizin, die wir selbst verordnen und zubereiten können.

Ein Tagebuch, ein Notizbuch zu führen, schlägt eine Brücke zwischen innerer und äußerer Welt, verbindet die Wege des Handelns und des Denkens. Wir nehmen uns Zeit, setzen uns hin, betrachten die aufnahmebereite Leere des Blattes, sammeln uns und beginnen zu schreiben. Schreiben heißt ordnen. Es gilt, Gedanken aufzugreifen, nutzbar zu machen und uns mit den Vorstellungen über uns selbst auseinanderzusetzen.

Manchmal hilft das Tagebuchschreiben aus einer Lebenskrise heraus. Es ist dann allerdings wichtig, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Das ist nicht immer einfach. Uns in einer solchen Situation Fragen zu stellen, kann hilfreich sein, auch wenn wir sie nicht sofort beantworten können. Oft tauchen in schwierigen Lebenslagen widersprüchliche Emotionen auf. Warum sie nicht einfach aufschreiben und sie dann eine Zeit lang stehen lassen? Wir sind niemandem Rechenschaft schuldig und müssen uns nicht erklären. Finden wir später eine Antwort auf eine unserer Fragen oder können wir uns aus den Verstrickungen unseres Gefühlschaos lösen, erkennen wir Entwicklungsschritte, auf die wir stolz sein dürfen. Wir sind dann nicht mehr Spielball unserer Erlebnisse. Wir bestimmen über unser Leben und entscheiden mehr und mehr aus unserem Kern heraus.

Ein schwieriges Gespräch steht bevor. Warum nicht vorab kurz unsere Gedanken dazu niederschreiben? Fast immer gelingt es uns anschließend besser, uns verbal verständlicher auszudrücken und, falls nötig, auch Entscheidungen zu treffen. Tagebuchschreiben kann auch zu einer Brücke zwischen Innen- und Außenwelt werden.

Die Liebe zu den Buchstaben und Worten entsteht dann, wenn wir uns erlauben, unsere Gedanken auseinanderzunehmen und sie wieder zusammenzubauen – immer wieder in einer anderen Form. Und das alles ohne Begrenzung. Das ist Kreativität. Wie gestalten wir ein Thema? Welche Schreibformen sagen uns zu? (In diesem Buch finden Sie viele Möglichkeiten.) Wie nähern wir uns einem Problem? Wie grenzen wir es ein? Wie gehen wir vor, um in die Tiefe zu gelangen, das Wesentliche herauszukristallisieren, aber auch den spielerischen, leichten Aspekt des Schreibens zu berücksichtigen? Denn gerade dieser Aspekt ist wichtig, damit das Schreiben für längere Zeit Freude macht. Schreiben weckt unseren Lebensgeist und hilft uns, bewusst(er) am Leben teilzunehmen. Wir fühlen uns wohl, wenn wir kreativ sind, weil wir uns so näher sind. Es ist ein tiefes Bedürfnis des Menschen, gestaltend am Leben teilzunehmen und nicht nur zu konsumieren.

Menschen schreiben auch, um zur Ruhe zu kommen. Sie schreiben, um sich zu konzentrieren. Wir können nicht schreiben und gleichzeitig an etwas anderes denken. Wer sich abends nach einem hektischen Tag Zeit nimmt und eine halbe Stunde Rückschau hält, kann seine Gedanken ordnen. Das Tagebuch leistet dabei wertvolle Dienste. Oder morgens sich eine halbe Stunde gönnen. Schreiben, um den Tag bewusst zu beginnen. Schreiben, statt reden, zerreden. Oder noch besser: schreiben und später reden.

Menschen schreiben,

Schreibende …

„Es ist wirklich seltsam, aber schon der reine Akt des Aufschreibens von irgendetwas hilft.
Es ist, als würde das Schreiben einen auf dem eigenen Weg halten und vorwärtsbringen.“

(Katherine Mansfield)

Warum schreiben Sie?

1.2 Tagebuchschreiben auf klassische Art

„Die Natur hat nur eine Regel für Schriftsteller: Lasst’s laufen.“

(G. C. Lichtenberg)

Sie stehen voll im Leben, packen eine Aufgabe an, führen sie zu Ende oder manchmal auch nicht. Trotz dieses Gefühls des Ganz-mit-dem-Leben-verbunden-Seins stellen Sie sich eines Tages die Frage, ob das nun wirklich schon alles sei. „Wer bin ich denn wirklich?“, überlegen Sie, oder: „Was ist für mich der Lebenssinn?“ „Was will ich noch erreichen; was ist mir wichtig?“ „Lebe ich, oder werde ich nur gelebt?“

Wir Menschen denken nach und kommen zu dem Ergebnis, dass unser Leben bis zu diesem Punkt eigentlich doch ganz schön bunt war. Immer wieder mussten wir zwar Krisen überwinden; immer wieder erlebten wir aber auch Höhepunkte. Es gelangen uns Aufgaben, in unserem Beruf wurden wir anerkannt; wir haben vielleicht ein schönes Heim, lebenslustige Kinder und Enkelkinder. Trotzdem: Wir können unser Leben nicht fassen, erfassen; es fließt an uns vorbei. Uns scheint, der Alltag wird immer kürzer; nur zu oft gleicht ein Tag dem nächsten. Eine Woche reiht sich an die andere, und das Jahr vergeht im Nu.

„So kann es nicht weitergehen“, überlegen wir und erinnern uns, dass wir, als wir 14 waren, ein Tagebuch bekamen und es mit Lust füllten. Also besorgen wir uns ein handliches Notizbuch. Es gibt sie in verschiedenen Größen. Ein Buch mit vielen leeren Seiten. Wir nehmen uns vor, ab heute aufzuschreiben, was wir erleben, fühlen und denken.

Wir setzen uns an den Schreibtisch, vor uns die erste Seite schneeweißen Papiers. Wir beginnen oben rechts mit dem Datum und … schon fängt der Stift an zu stocken. Was schreiben? Wie schreiben? Wir strengen uns an, versuchen unsere Gedanken zu ordnen, aber sie sind zu verworren; sie lassen sich einfach nicht bündeln. Wir können nicht schreiben, weil die Fülle unseres Lebens uns wie ein Granitberg erscheint. Unmöglich, ihn einfach so mit ein paar Sätzen abzutragen. Oder wir können nicht schreiben, weil wir zuerst krampfhaft perfekte, möglichst stilvolle Sätze im Kopf zurechtbiegen, um sie dann ebenso verbissen aufs Papier zu bringen. Wir können das Schreiben nicht fließen lassen. So beschließen wir, abzuwarten und auf einen besseren Schreibtag zu hoffen.

Vielleicht aber gelingt der Anfang. Wir gehören zu den spontanen Menschen, die einfach irgendwie beginnen. Die Neugierde ist größer als der Zweifel. Wir notieren, was wir heute erlebt haben; nichts Außergewöhnliches, und doch erinnern wir uns während der Niederschrift an eine Situation, die wir beinahe vergessen haben. Das freut uns. Und wir fahren fort. Auch am nächsten und übernächsten Tag. Seite und Seite werden so gefüllt. Aber dann nach zwei, drei Wochen machen sich erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Die Abstände werden größer und länger, und wir schreiben nur noch von Zeit zu Zeit in unser Buch. Bis wir es eines Tages ganz liegen und in der Schublade verschwinden lassen.

Gehören Sie zu den beiden oben beschriebenen Typen von Menschen? Es sind Prototypen. Erstaunlich viele Menschen haben in ihrem Leben Tagebuch geschrieben. Auch viele Männer. Sie haben geschrieben, solange Sie in einer Krise steckten, und dann schnell wieder aufgehört, sobald die Situation leichter wurde.

Vielleicht zählen Sie aber auch zu den Menschen, die Ausdauer zeigen. Sie mussten möglicherweise Durststrecken aushalten, bevor das Tagebuchschreiben zu einem täglichen oder wöchentlichen Ritual wurde. Ohne Ihre Aufzeichnungen fehlt Ihnen etwas im Leben. Sie notieren am liebsten äußere Ereignisse. Das, was um Sie herum geschieht, möchten Sie für sich oder Ihre Kinder und Enkel festhalten. Oder Sie gehören zu den Menschen, denen ihre Gefühlswelt wichtiger ist als die äußeren Begebenheiten. Sie schreiben sich Ihren Frust von der Seele, Ihre Trauer, aber auch Ihr ganz persönliches Glück. Vielleicht haben Sie bereits ein Traumtagebuch oder Sie schreiben auf Reisen …