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Die Texte für dieses Buch sind ausgesuchte Transkripte aus verschiedenen Diskursen von Osho. Alle Diskurse, die Osho vor einer internationalen Zuhörerschaft gehalten hat, sind als Originale publiziert worden und als Original-Audios erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der Online-Bibliothek „Osho Library“ bei www.osho.com

Titel der englischen Originalausgabe:

Ebookausgabe 2020

eISBN 978-3-947508-70-9

OSHO

Intelligenz
des Herzens

Fragen über Gott und die Welt

von Journalisten und Hausfrauen,

Übeltätern und Heiligen,

Bildungsbürgern und zornigen jungen Männern

Inhalt

Was genau ist Intelligenz? Und in welcher Beziehung steht die Intelligenz des Herzens zu der Intelligenz des Verstandes?

Manchmal, wenn ich meditiere, kommt in mir die Frage hoch: Was ist Wahrheit?

Kaum etwas im Leben genieße ich mehr, als wenn du den Zustand der Erleuchtung beschreibst. Kannst du noch einmal etwas über das Unsagbare sagen?

Ich habe alle akademischen Grade, die eine Universität vergeben kann. Warum bin ich immer noch unwissend?

Kann der Intellekt eine Tür zur Erleuchtung sein? Oder wird Erleuchtung nur durch Hingabe erlangt?

Ich denke, ich bin fast erleuchtet.

Kann ein Verrückter zum Buddha werden?

Die Frage für den Meditierer war früher: „Wie kann ich in der Welt sein und ihr dennoch nicht angehören?“ Die Frage scheint jetzt zu sein: „Wie kann ich überhaupt in der Welt leben?“

Warum ist es so schwer, Liebe zu leben – was eigentlich leicht und natürlich ist?

Was für eine Chance hat eine ideale Gesellschaft angesichts der Politiker und der Priester und der Machtinteressen des Kapitals?

Du hast von Wachheit und Bewusstsein gesprochen, und es klang so, als sei das das Einzige, was man zur Orientierung brauche, um immer richtig zu handeln. Heißt das etwa, dass Mord, Vergewaltigung und Diebstahl nur insofern verkehrt sind, als diese Dinge ohne Wachheit, ohne Bewusstsein geschehen?

Ist es wahr, dass man durch die Hölle muss?

Das Gefühl, etwas Außergewöhnliches und Besonderes zu sein, hat mich von den anderen abgeschnitten. Warum kann ich nicht natürlich und spontan sein? Warum kann ich dieses ewige Urteilen nicht lassen, das mich nur unglücklich macht?

Ich bin Individualist und genieße es, auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn ich tue, was sich gut anfühlt, und mir damit meinen Lebensunterhalt verdiene – füttere ich damit mein Ego? Wo ist die Grenze zwischen „Verantwortung übernehmen“ und „Ego füttern“?

Ist der Drang nach Kreativität auch nur wieder ein Ausdruck unserer Unfähigkeit, still zu sitzen und nichts zu tun?

Warum streben wir danach, perfekt zu sein?

Ist die Menschheit noch zu retten?

Warum tut Liebe so weh?

Ich möchte mich völlig und endgültig in der absoluten Liebe verlieren. Was soll ich tun?

Was ist deine Botschaft, mal kurz und bündig?

Manchmal, wenn dunkle Seiten in mir hochkommen, erschreckt mich das wirklich. Ich kann sehr schwer akzeptieren, dass das nur der polare Gegensatz der hellen Seiten ist.

Ich habe mich stets abgemüht, ein ehrliches, moralisches und religiöses Leben zu führen, aber von dem, was du Seligkeit nennst, habe ich noch nicht einmal einen Funken erlebt. Was stimmt nicht mit mir?

Was soll man mit der Angst machen? Ich habe es wirklich satt, von ihr an der Nase herumgeführt zu werden. Kann man sie meistern oder töten?

Ich stelle fest, dass ich ein Kämpfer bin und ich das Kämpfen genieße. Ich mag nicht gern in der Sonne liegen und dahinschmelzen. Und dennoch sehnt sich hinter meinem Verstand mein Herz danach, zu schmelzen.

Warum ist seelisches Wachstum mit Schmerzen verbunden?

Ist es wirklich der Mühe wert, an der Verbesserung meiner Persönlichkeit zu arbeiten?

Was ist das, meine Ganzheit? Warum gehe ich ihr immer aus dem Wege?

Ich habe das Gefühl, zu ernst zu sein. Wenn ich mit einer Gruppe von lachenden und scherzenden Leuten zusammen bin, sitze ich meistens einfach nur da und finde die Situation überhaupt nicht komisch …

Ich möchte zu Gott beten. Wie macht man das?

Kannst du jetzt mal was Ernstes sagen, damit ich auch mal was verstehen kann?

Was fürchte ich mehr: das Leben oder den Tod?

Was ist Glück?

Suchen wir wirklich nach Antworten auf unsere Fragen? Mir scheint, dass es für jeden „eine“ Frage geben muss, die uns im Kern betrifft. Diese eine Frage würde dann genügen, ohne dass eine Antwort nötig wäre.

Über Osho

Was genau ist Intelligenz? Und in welcher Beziehung steht die Intelligenz des Herzens zu der Intelligenz des Verstandes?

Intelligenz ist die naturgegebene Fähigkeit, zu sehen, wahrzunehmen. Jedes Kind wird intelligent geboren und dann von der Gesellschaft verdummt. Wir erziehen unsere Kinder zur Dummheit. Früher oder später promovieren sie in Stumpfsinn.

Intelligenz ist eine ganz natürliche Erscheinung, genauso wie das Atmen oder die Sehkraft. Intelligenz ist die innere, intuitive Fähigkeit, zu sehen und hat nichts mit dem Intellekt zu tun – vergesst das nicht.

Verwechselt Intelligenz nie mit Intellekt – das sind zwei völlig entgegengesetzte Dinge. Der Intellekt ist im Kopf. Er wird dir von anderen beigebracht, er wird dir aufgezwungen. Du musst den Intellekt kultivieren; er ist etwas Entliehenes, etwas Fremdes, nichts Angeborenes. Aber Intelligenz ist angeboren, Intelligenz ist der Kern deines Wesens, deine ureigentliche Natur.

Jedes Tier ist intelligent, Tiere sind keine Intellektuellen, das ist wahr, aber sie sind intelligent. Die Bäume sind intelligent, die gesamte Existenz ist intelligent, und jedes Kind kommt als intelligentes Wesen auf die Welt. Seid ihr jemals einem dummen Kind begegnet? Das ist unmöglich! Aber man trifft nur selten einen intelligenten Erwachsenen. Irgendetwas geht in der Zwischenzeit schief.

Ich möchte euch folgende schöne Geschichte erzählen. Hört gut zu – vielleicht hilft euch das.

Die Geschichte heißt „Die Schule der Tiere“:

Eines Tages versammelten sich ein Kaninchen, ein Vogel, ein Eichhörnchen, ein Fisch und ein Aal im Wald. Sie beschlossen eine Schule zu gründen und bildeten einen Schulrat. Das Kaninchen forderte, dass Schnelllauf in den Lehrplan aufgenommen werden müsse; der Vogel bestand darauf, dass Fliegen zum Lehrplan gehöre; der Fisch meinte, Schwimmen gehöre dazu; das Eichhörnchen sagte, dass senkrechtes Bäumeklettern ein absolut notwendiger Bestandteil des Lehrplans sei, und der Aal bestand auf „Löcher-in-die-Erde-bohren.“ Sie nahmen alle diese Fächer in den Lehrplan auf und erklärten es zur Regel, dass jedes Tier alle Fächer belegen müsse. Obwohl das Kaninchen eine Eins im Schnellauf bekam, stellte es sich heraus, dass es mit dem „Senkrecht-auf-die-Bäume-Klettern“ ernsthafte Probleme hatte. Es fiel immer hintenüber. Nach kurzer Zeit war es von den vielen Gehirnerschütterungen geistig nicht mehr auf der Höhe und konnte nicht mehr so schnell laufen. Anstatt einer Eins, bekam es jetzt eine Vier im Laufen und natürlich nach wie vor eine Sechs im senkrechten Bäumeklettern. Der Vogel war ausgezeichnet im Fliegen, aber wenn es darum ging, Löcher in die Erde zu bohren, war er gar nicht gut, er brach sich immer den Schnabel und die Flügel. Bald bekam er nur noch die Note Drei im Fliegen, und auch eine Sechs im „Löcher-in-die-Erde-Bohren“, und beim Schwimmen erging es ihm ganz schlecht.

Die Moral von der Geschichte ist, dass der geistig minderbemittelte Aal als Klassenbester hervorging, weil er alles halbwegs richtig machte. Aber die Erzieher waren alle zufrieden, weil ein jeder sämtliche Fächer belegt hatte, und nannten es „Allgemeinbildung“.

Wir lachen darüber, aber so sieht es aus. So habt ihr es gemacht. Wir versuchen tatsächlich, jeden Menschen dem anderen gleichzumachen, und zerstören damit die Möglichkeit jedes Einzelnen, wirklich er selbst zu sein.

Man tötet seine Intelligenz ab, wenn man andere nachahmt. Wenn man intelligent bleiben will, muss man mit dieser Nachahmerei aufhören. Durch Imitation begeht die Intelligenz Selbstmord. Man wird zu einer schlechten Kopie. In dem Moment, wo du anfängst darüber nachzudenken, wie du irgendjemand anderes werden kannst, verlierst du deine Intelligenz, du wirst dumm. In dem Augenblick, wo du dich mit einem anderen Menschen vergleichst, verlierst du dein naturgebundenes Potenzial, ganz du selbst zu sein. Von diesem Moment an wirst du nie mehr glücklich, nie mehr klar und frisch und durchsichtig sein. Du verlierst deine Klarheit, deine Wahrnehmungsfähigkeit. Du siehst mit geliehenen Augen. Aber wie kannst du durch die Augen eines anderen sehen? Du brauchst deine eigenen Augen. Du brauchst deine eigenen Beine zum Laufen, dein eigenes Herz zum Fühlen.

Die Leute leben alle ein Leben aus zweiter Hand – darum ist es so erstarrt. Diese Erstarrung lässt sie so dumpf und stumpfsinnig erscheinen. Wir brauchen eine völlig neue Art der Erziehung in dieser Welt! Ein geborener Dichter erweist sich als Dummkopf in der Mathematik, und ein Mensch, der ein großer Mathematiker hätte werden können, stopft sich unnötig mit Geschichte voll und fühlt sich dann minderwertig. Alles geht drunter und drüber, weil die Ausbildung nicht euren natürlichen Anlagen entspricht. Unsere Erziehung zollt dem Individuum nicht den geringsten Respekt, sie zwingt alle in ein bestimmtes Muster. Dieses Muster mag zufälligerweise für ein paar Menschen passend sein, aber die Mehrheit geht unter und daran zugrunde. Es ist die größte Qual im Leben, sich dumm, minderwertig und unintelligent zu fühlen.

Aber kein Mensch wird unintelligent geboren, keiner kann ohne Intelligenz zur Welt kommen, denn wir kommen von Gott, und Gott ist die reine Intelligenz. Wir bringen etwas von diesem Duft, diesem Aroma Gottes mit, wenn wir auf die Welt kommen. Aber sofort stürzt sich die Gesellschaft auf euch und fängt an zu manipulieren, euch zu verändern, zu belehren, dies und jenes zu beschneiden, anderes hinzuzufügen, und schon bald habt ihr jede Form verloren.

Die Gesellschaft möchte euch zu gehorsamen, orthodoxen Konformisten machen, und auf diese Weise wird eure Intelligenz zerstört. Mir geht es darum, euch aus diesem aufgezwungenen Muster herauszuholen. Ihr lebt in Gefängniszellen – und ihr könnt herauskommen. Aber es ist schwierig, denn diese Verhaltensmuster sind nicht mehr nur wie Zwangsjacken, die ihr tragt – sie sind zu eurer zweiten Haut geworden. Ihr habt derartig lange damit gelebt, dass sie nur schwer abgeworfen werden können, denn sie sind eure gesamte Identität. Aber sie müssen fallen gelassen werden, wenn ihr euer wahres Wesen zurückgewinnen wollt.

Wenn man wirklich intelligent sein will, muss man zum Rebellen werden. Nur ein Mensch, der rebelliert, beweist, dass er Intelligenz besitzt.

Aber was verstehe ich unter Rebellion? Damit meine ich das Fallenlassen von allem, was euch gegen euren Willen aufgezwungen wurde: die Moral, die Religion, die Politik – was es auch sein mag. Werft alles von euch ab, was euch gegen euren Willen aufgezwungen wurde! Sucht wieder herauszufinden, wer ihr eigentlich seid. Fangt wieder völlig von vorne an. Bedenkt, dass ihr eure Zeit bis jetzt verschwendet habt, weil ihr anderen gefolgt seid.

Kein Mensch ist dem anderen gleich, jeder ist einzigartig. Das ist das Wesen der Intelligenz. Und jeder ist unvergleichlich. Vergleiche dich nie mit irgend einem anderen Menschen.

Wie kannst du irgendwelche Vergleiche anstellen? Du bist du – und der andere ist der andere. Ihr seid euch nicht ähnlich, also ist ein Vergleich unmöglich. Aber man hat uns beigebracht, Vergleiche anzustellen, und wir sind ständig damit beschäftigt, uns direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst mit anderen zu vergleichen.

Aber wenn man sich mit anderen vergleicht, kann man sich selbst niemals respektieren. Irgendjemand sieht immer besser aus als du, ist größer als du, gesünder als du oder sonstwas – irgendjemand hat eine so wohlklingende, musikalische Stimme – und du brichst unter der Bürde deiner Vergleiche immer mehr zusammen. Es gibt Millionen von Menschen! Irgendwann wirst du von deinen Vergleichen einfach erdrückt!

Du hattest eine wunderschöne Seele, ein wunderbares Wesen, das aufblühen wollte, das sich zu einer goldenen Blume entfalten wollte – aber du hast es niemals zugelassen. Wirf alles beiseite, sei unbeschwert! Fordere deine Unschuld zurück, gewinne deine Kindheit wieder.

Jesus hatte Recht, als er sagte: „Solange ihr nicht neu geboren seid, kommt ihr nicht in das Himmelreich Gottes“. Ich sage dasselbe: Solange ihr nicht neu geboren seid…

Lasst euer Dasein als Sannyasins zu einer Neugeburt werden. Werft all den Unrat ab, den man euch aufgebürdet hat. Seid taufrisch und fangt noch einmal von vorne an. Dann werdet ihr euch wundern, wie viel Intelligenz augenblicklich freigesetzt wird.

Du fragst: Was genau ist Intelligenz? Es ist die Fähigkeit, zu sehen, die Fähigkeit, zu verstehen, die Fähigkeit, dein eigenes Leben deiner eigenen Natur entsprechend zu leben. Das ist es, was Intelligenz ist.

Und was ist Dummheit? Anderen zu folgen, andere nachzuahmen, anderen zu gehorchen, die Welt durch ihre Augen zu betrachten. Zu versuchen, ihr Wissen als dein Wissen auszugeben – das ist Dummheit. Das ist der Grund, warum die Gelehrten fast ausnahmslos dumm sind. Sie sind Papageien, die alles nachplappern, Grammophonplatten, die alles getreulich nachsagen können, aber sobald eine neue Situation entsteht, die nicht in ihren Büchern beschrieben wird, sind sie verloren. Diese Leute haben keinen Funken Intelligenz. Intelligenz ist die Fähigkeit, in jeder Lebenssituation neu und unbeschwert zu agieren, ohne vorgefasstes Programm. Nur unintelligente Leute haben ein Programm. Sie sind ängstlich, weil sie wissen, dass sie nicht genügend Intelligenz haben, dem Leben so, wie es ist, gegenüberzutreten. Sie müssen sich vorbereiten, Proben machen. Sie bereiten eine Antwort vor, bevor die Frage überhaupt gestellt wurde, und damit erweisen sie sich als unintelligent, denn die Frage bleibt nie die gleiche. Das Leben stellt immer neue Fragen.

Jeder Tag bringt seine eigenen Probleme und stellt seine eigenen Anforderungen. Und jeder Moment erhebt seine eigene Frage. Wenn ihr irgendwelche vorgefertigten Antworten im Kopf habt, seid ihr noch nicht einmal in der Lage, die Frage richtig zu verstehen. Ihr seid so voll von eurer Antwort, dass ihr nicht fähig seid, richtig hinzuhören, und alles, was ihr tut, entspricht eurer vorgefertigten Antwort, die irrelevant ist, die nichts mit der Realität, so wie sie ist, zu tun hat.

Intelligenz ist, der Realität unvorbereitet zu begegnen. Es hat eine ungeheure Schönheit, dem Leben unvorbereitet ins Auge zu sehen. Dann ist das Leben neu und jung. Dann hat das Leben einen Fluss, eine Frische… und birgt viele Überraschungen. Und wenn das Leben voller Überraschungen ist, langweilt man sich nie.

Dumme Leute sind immer gelangweilt. Sie langweilen sich, weil sie ihre Antworten von anderen übernommen haben und diese Antworten ständig wiederholen. Sie langweiligen sich, weil ihre Augen vom Verstandeswissen so verklebt sind, dass sie nicht sehen können, was wirklich passiert. Sie wissen zu viel, ohne irgendetwas wirklich zu wissen. Diese Menschen sind nicht weise, sondern nur gelehrt. Wenn sie eine Rose betrachten, sehen sie nicht diese Rose. Alle Rosen, über die die Dichter gesprochen haben, alle Rosen, die von irgendwelchen Malern gemalt und von den Philosophen diskutiert wurden, stehen ihnen vor Augen. Eine endlose Kette von Erinnerungen und Informationen. Diese Rose, die jetzt vor ihnen steht, geht in einer Masse von Informationen unter. Sie wird nicht wahrgenommen. Solche Menschen können sie nicht sehen, sie können nur wiederholen: „Die Rose ist schön“ – und diese Worte sind ebenfalls nicht ihre eigenen, sie sind nicht wahr, sie sind unaufrichtig. Es ist die Stimme eines anderen – sie lassen nur ein Tonband ablaufen. Dummheit ist Wiederholung: andere einfach zu wiederholen. Das ist billige Ware. Billig, weil man dann selbst nichts lernen muss. Es ist mühsam, etwas zu lernen, dazu gehört Mut. Zu lernen bedeutet, demütig zu sein; etwas Neues anzunehmen. Lernen bedeutet, in einer unegoistischen Verfassung zu sein. Man kann nie wissen, wohin dieser Lernprozess führt.

Das Leben eines Menschen, der immer weiter lernt, bleibt unvorhersagbar; es ist nicht vorauszusagen, was ein Lernender tun wird. Er selbst kann nicht vorhersagen, was morgen sein wird und wo er morgen sein wird. Er bewegt sich in einem Zustand des Nicht-Wissens von einer Handlung zur anderen.

Nur wenn man in einem Zustand des Nicht-Wissens, des unaufhörlichen Nicht-Wissens lebt, lernt man. Deshalb lernen Kinder so leicht. Wenn sie dann älter werden, hören sie allmählich auf zu lernen, weil sich schon eine Menge Wissen in ihren Köpfen angesammelt hat und es einfach und billig ist, dieses Wissen zu wiederholen. Warum sich anstrengen? Es ist billig und leicht, dem alten Muster zu folgen, im Kreis herumzulaufen. Aber dann überkommt einen die Langeweile. Dummheit und Langeweile gehen Hand in Hand.

Ein intelligenter Mensch ist so frisch wie die Tautropfen in der Morgensonne, so blank wie die Sterne in der Nacht. Er ist neu, so neu wie eine frische Brise, und jeder kann es fühlen. Intelligenz ist die Fähigkeit, immer wieder neu geboren zu werden. Intelligenz ist, der Vergangenheit gegenüber zu sterben, in der Gegenwart zu leben.

Du hast weiter gefragt: In welcher Beziehung steht die Intelligenz des Herzens zu der Intelligenz des Verstandes? Sie sind einander genau entgegengesetzt. Die Intelligenz des Kopfes ist überhaupt keine Intelligenz, sondern Gelehrtheit. Nur die Intelligenz des Herzens ist wirkliche Intelligenz und die einzige Intelligenz, die es gibt. Der Kopf ist nichts weiter als ein Speichergerät. Was er speichert ist immer alt: es ist nie neu, nie originell. Der Kopf ist gut – für bestimmte Zwecke brauchbar –, zum Einordnen von Wissen ist er bestens geeignet. Man braucht ihn zum Leben, viele Dinge müssen im Gedächtnis gespeichert werden. Der Verstand, der Kopf, ist ein biologischer Computer. Man kann ungeheure Mengen von Wissen darin aufspeichern und wenn nötig, immer wieder abrufen. Er ist gut für mathematische Kalkulationen, gut für das alltägliche Leben auf dem Marktplatz. Aber wenn du denkst, das sei dein ganzes Leben, bleibst du dumm. Du erfährst nie, wie schön es ist, zu fühlen, du erlebst nie den Segensreichtum des Herzens, und du empfängst die Gnade nie, die nur mit dem Herzen gefühlt werden kann. Du kannst Gott nicht erfahren, und du wirst niemals erleben, was Andacht, was Poesie, was Liebe ist.

Die Intelligenz des Herzens bringt Poesie in dein Leben, beflügelt deine Schritte und erfüllt dein Leben mit Festlichkeit und Freude. Sie schenkt dir das Lachen, den Sinn für Humor. Sie gibt dir die Fähigkeit, zu lieben und mit anderen zu teilen, und das ist das wahre Leben.

Ein Leben, das vom Kopf bestimmt wird, ist ein mechanisches Leben. Du wirst zum Roboter, der vielleicht sehr leistungsfähig sein mag … Roboter sind leistungsfähig. Maschinen sind natürlich leistungsfähiger als Menschen. Du kannst durch Kopfarbeit zu viel Geld kommen, aber nicht zu Lebendigkeit. Dann hast du vielleicht einen höheren Lebensstandard, aber du lebst nicht wirklich. Nur das Herz lebt, und das Leben kann sich nur durch das Herz entfalten. Das Herz ist der Nährboden, auf dem die Liebe wächst, auf dem das Leben und das Göttliche gedeihen. Alles Schöne, alles wahrhaft Wertvolle, alles, was wichtig und sinnvoll ist, kommt aus dem Herzen. Das Herz ist das Zentrum deines Wesens.

Der Kopf ist nur die Peripherie. Im Kopf zu leben bedeutet, an der Oberfläche zu leben, ohne die Schönheit und den Reichtum des Zentrums jemals wahrzunehmen.

An der Peripherie zu leben ist reine Dummheit. Im Kopf leben, das ist Dummheit! Im Herzen zu leben und den Kopf immer dann zu gebrauchen, wenn es nötig wird, ist Intelligenz. Aber das Zentrum, der innere Meister, sitzt im tiefsten Kern deines Wesens. Der Kopf ist nur ein Diener, der Meister ist das Herz. Das ist Intelligenz. Wenn der Kopf zum Meister wird und das Herz völlig vergessen, ist man dumm. Es ist deine Sache, dich für das eine oder das andere zu entscheiden. Vergiss nicht, dass der Kopf ein ausgezeichneter Diener ist, zu vielem zu gebrauchen – aber er ist ein sehr gefährlicher Meister. Als dein Meister zerstört und vergiftet er dein ganzes Leben.

Du brauchst dich nur umzuschauen: Das Leben der Menschen ist vergiftet, vom Kopf vergiftet. Sie fühlen nichts, sie sind völlig unsensibel, sie sind von nichts mehr aufrichtig begeistert. Die Sonne geht auf, aber nichts geht gleichzeitig in ihrem Inneren auf. Sie betrachten den Sonnenaufgang mit leeren Augen. Die Sterne erscheinen am Nachthimmel – ein einziges Wunder, ein Mysterium –, aber in ihrem Herzen rührt sich nichts, kein Lied steigt aus ihrem Herzen auf. Die Vögel singen, aber der Mensch hat vergessen, wie man singt. Die Wolken ziehen am Himmel und die Pfaue tanzen, aber der Mensch weiß nicht mehr, wie man tanzt. Er ist zum Krüppel geworden. Die Bäume stehen in voller Blüte, aber der Mensch denkt – und wenn man kein Gefühl hat, gibt es kein Erblühen.

Beobachte, prüfe dich, schau genau hin. Sieh dir dein Leben noch einmal genauer an. Niemand kann dir helfen. Du hast dich lange genug von anderen abhängig gemacht, deshalb bist du so dumm geworden. Jetzt pass ein bisschen mehr auf.

Die Verantwortung liegt bei dir. Du bist es dir selbst schuldig, einen wirklich tiefen und durchdringenden Blick darauf zu werfen, was du mit deinem Leben machst. Hast du irgendwelche Poesie im Herzen? Wenn nicht, dann vergeude keinen Augenblick! Hilf deinem Herzen Poesie in dein Leben zu weben. Gibt es noch irgendwelche Romantik in deinem Leben oder nicht? Wenn nicht, dann liegst du schon jetzt im Grab. Komm heraus aus deiner Gruft! Geh wieder auf Entdeckungsreise. Millionen von Schönheiten und Herrlichkeiten warten auf dich.

Du läufst ständig in den Außenbezirken herum und betrittst nie den Tempel des Lebens. Das Herz ist die Tür zu diesem Tempel. Darum sage ich, dass wahre Intelligenz vom Herzen kommt. Intelligenz ist nicht intellektuell, sondern emotional: nicht Denken, sondern Fühlen.

Nicht Logik, sondern Liebe.

Manchmal, wenn ich meditiere, kommt in mir die Frage hoch: Was ist Wahrheit? Die Frage kommt mit einer solchen Macht: Was ist Wahrheit?

Das ist die wichtigste Frage, die einem überhaupt in den Sinn kommen kann, aber es gibt keine Antwort darauf. Die wichtigste Frage, die letztmögliche Frage, kann keine Antwort haben; eben darum ist sie die letztmögliche.

Als Pontius Pilatus von Jesus wissen wollte: „Was ist Wahrheit?“, schwieg Jesus. Und nicht nur das – es heißt, Pontius Pilatus habe die Antwort nicht einmal abgewartet, nachdem er die Frage „Was ist Wahrheit?“ gestellt hatte. Er verließ den Raum und ging weg! Das ist sehr seltsam. Pontius Pilatus meint ebenfalls, dass es darauf keine Antwort geben könne – darum wartet er nicht die Antwort ab. Jesus schwieg, weil er ebenfalls weiß, dass sie nicht zu beantworten ist.

Aber diese zwei Varianten des Verstehens sind nicht gleich; denn diese beiden Personen sind diametral entgegengesetzt. Pontius Pilatus glaubt, sie könne nicht beantwortet werden, weil es gar keine Wahrheit gebe; wie also kann man dann antworten? Da sieht man den logischen Kopf, den römischen Kopf. Jesus schweigt nicht, weil es keine Wahrheit gibt, sondern weil die Wahrheit so unendlich ist – sie ist nicht definierbar! Die Wahrheit ist so riesig – unermesslich! Sie lässt sich nicht in ein Wort zwängen, sie lässt sich nicht auf Sprache reduzieren. Sie ist da. Man kann sie sein, aber man kann sie nicht sagen.

Aus zwei verschiedenen Gründen haben sie sich praktisch identisch verhalten: Pontius wartete nicht erst die Antwort ab, er wusste bereits, dass es keine Wahrheit gibt. Jesus schwieg, weil er die Wahrheit wusste – und wusste, dass sie nicht gesagt werden kann. Es ist Chidvilas, der diese Frage gestellt hat. Die Frage ist absolut triftig. Es gibt keine höhere Frage als diese, denn es gibt keine Religion, die über der Wahrheit stünde.