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Nr. 1415

 

Die Spur des Propheten

 

Der Vorstoß nach Aontan – Gucky und der Meistersänger erkunden

 

von Robert Feldhoff

 

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Der Transfer der Galaxis Hangay aus Tarkan in unsere Lokale Gruppe ist mit schwerwiegenden Folgen verbunden. Perry Rhodan und die übrigen Mitglieder der Tarkan-Expedition bekommen es bei ihrer Rückkehr in heimatliche Gefilde zu spüren, sobald das Stasisfeld, das sie zeitlos festhält, während im übrigen Kosmos fast sieben Jahrhunderte vergehen, sie wieder freigibt.

Nun, im Jahr 1143 NGZ, das dem Jahr 4730 alter terranischer Zeitrechnung entspricht, müssen die Heimkehrer erkennen, dass eine kosmische Katastrophe stattgefunden hat und dass die Milchstraße durch eine Barriere vom übrigen Universum abgetrennt ist.

Was hinter diesem undurchdringlichen Wall vor sich geht – Perry Rhodan und seine Leute setzen alles daran, um es zu erfahren. Doch selbst nach monatelangen Nachforschungen an verschiedenen Orten sind unsere Protagonisten kaum schlauer als am Anfang ihrer Ermittlungen. Die bisherigen Erkenntnisse ergeben jedoch ein düsteres Bild der Lage – und die Geheimnisse um das Schicksal der Menschheit scheinen sich eher zu mehren, statt sich zu verringern.

Im Zuge der Ermittlungen in Sachen Galaxis beschäftigen sich Salaam Siin, der Meistersänger von Ophal, und Gucky, der Ilt, mit mysteriösen Fremden. Dabei entdecken sie DIE SPUR DES PROPHETEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Salaam Siin – Der Ophaler hat schlechte Karten.

Perry Rhodan – Der Terraner auf der Spur des Propheten.

Gucky – Der Mausbiber auf Erkundung.

Reginald Bull – Er spielt »Kindermädchen«.

Venerreyen und Angorr – Vertreter der Shanganten.

1.

Die Karten fallen

 

Selbst der Geruch schien vollkommen echt; für die Riechorgane des Ophalers war es ein trockener Eindruck von Wüstenstaub, von verdorrten Stachelgewächsen und fernem Wasser. Eine Sinnestäuschung, überlegte er, wenn auch eine sehr angenehme.

In einiger Entfernung ragten fast abgeschliffene Hügelzüge aus dem Sand, und davor lagen Gesteinsbrocken, die Temperaturschwankungen und durch natürlicher Verfall abgesprengt hatten. Durch weithin kahle Landschaft führte ein ausgetretener Weg. Salaam Siin erkannte weder Anfang noch Ende, sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel des Weges lagen unter dem Horizont.

»Ich habe einen Anruf für dich«, sagte die Syntronik. Ihre Stimme schien direkt aus der Luft zu entstehen.

Salaam Siin hörte nicht darauf. Er stieß ein tiefes, melodiöses Summen aus und bildete sich ein, mit der Wüste zu verschmelzen. Was trieb ihn dazu, immer wieder diese Landschaft projizieren zu lassen? War es die Gleichförmigkeit, in der man jede Gefahr auf weite Distanz erkannte? Oder konnte er sich vom Bild des Weges nicht losreißen – immerhin war die scheinbare Ziellosigkeit ein Sinnbild seiner eigenen Lage.

»Möchtest du den Anruf entgegennehmen?«, fragte die Syntronik.

»Wer ist es denn?«, wollte er mit einer Gegenfrage wissen.

»Eine Terranerin. Sie hat ihren Namen nicht genannt.«

»Dann möchte ich mit ihr nicht sprechen.« Salaam Siin versuchte, sich erneut von der Wüstenillusion einfangen zu lassen, doch er fand keine Ruhe mehr. »Du weißt genau, dass ich Entspannung brauche«, sang er. »Was hat dich also bewogen, mich trotzdem zu stören?«

»Höre es dir am besten selbst an.«

»Nun gut. Stelle das Gespräch durch.«

Vor seinen Augenknospen erschien ein Bild. Zunächst allerdings erkannte der Ophaler gar nichts. Er hörte nur. Was da in den Empfängern ankam und zu ihm durchgestellt wurde, ließ den Meistersänger rasch seine Ungehaltenheit vergessen, denn es war eine Melodie. Irgendwie klangen die Töne vertraut, merkwürdig vertraut sogar, als habe ein künstliches, verfremdendes Element seine eigenen Gesänge bearbeitet. War es so? Möglich, dachte er, und er würde es herausfinden.

Endlich gewann das Bild an Schärfe. Salaam Siin erkannte eine Terranerin in mittlerem Alter. Ihre Haare waren fast weiß und so dicht gewachsen, wie es der Ophaler sonst nur von jungen Frauen dieser Rasse kannte. Sie hingen in knotigen Strähnen bis auf die Schultern. Das Gesicht sah frisch aus, ihre Augen schauten aufmerksam.

»Mein Name ist Meryll«, sagte sie, »und ich will dich sprechen, Sänger. Du findest mich in meiner Kabine an Bord der PERSEUS. Aber du hast nicht viel Zeit – nur bis heute Abend, 21.00 Uhr. Ich erwarte dich.«

»Aus welchem Grund willst du mich sprechen?«, fragte er ohne besondere Modulation in der Stimme. Er spürte, dass kunstvoller Gesang den sonderbaren Zauber dieses Augenblicks nur gestört hätte. »Du kennst die Lage, ich habe viel zu tun ...«

Das war natürlich gelogen, aber Meryll würde es nicht besser wissen.

»Für mich hast du Zeit genug«, antwortete die Frau. Ihre Stimme klang selbstsicher, als wisse sie bereits, dass er nicht anders konnte. Sie hatte die Melodie mit Absicht gespielt.

»Was macht dich so sicher?«

»Ich bin es eben.«

»Nun gut. Ich werde darüber nachdenken.«

Meryll schaltete kommentarlos ab. Nach kurzem, fruchtlosem Nachdenken gab er ein akustisches Signal. Ringsum verblasste die Illusion leerer Wüstenlandschaft, und statt dessen erschien graues Metall.

 

*

 

Salaam Siin saß eine Weile reglos in der oberen Projektorschüssel seines Schiffes. Die HARMONIE durchmaß vierzig mal fünfzehn Meter, war also eine flache Scheibe, auf deren oberer Fläche er sich aufhielt. Ringsum bildeten die Projektoren einen Wall; so entstand das untere Fünftel eines riesenhaften Eis. Von hier aus nahm die HARMONIE seine Melodien auf und fügte ihnen Chorgesänge hinzu, und das Ergebnis war einem echten ophalischen Chor durchaus ebenbürtig.

Geistesabwesend stieß er ein paar Töne aus. »Ich möchte eine Verbindung zur PERSEUS«, sagte er. »Zu Julian Tifflor, wenn es sich einrichten lässt.« Die Worte galten der Syntronik, die jeden Laut im Bereich des Schiffes aufnahm und entsprechend reagierte, wenn sie angesprochen war.

Sekunden später entstand aus der Luft vor ihm nochmals ein Bildschirm. Salaam Siin erkannte den schlanken, für terranische Verhältnisse ziemlich ruhigen Mann, mit dem er in letzter Zeit oft zu tun gehabt hatte. Neben Atlan, Perry Rhodan, Eirene und einigen anderen zählte Tifflor zu den näheren Bekannten des Meistersängers.

»Wie kann ich dir helfen, Salaam Siin?«

Die Stimme klang freundlich, jedoch unverkennbar geschäftig. Kein Wunder, denn die meiste Organisationsarbeit in der Tarkan-Flotte leistete neben dem abwesenden Reginald Bull er.

»Ich habe soeben einen seltsamen Anruf bekommen«, sang der Ophaler. Seine Melodie war kunstvoll, aber gegen alle Gewohnheit einstimmig. Ein guter Beobachter wie Julian Tifflor hätte in Akkorden vielleicht die Unsicherheit wahrgenommen, die darin gewesen wäre. Salaam Siin riss sich zusammen. Sein Verhalten war eines Meistersängers unwürdig.

»Das klingt interessant«, gab Tifflor spöttisch zurück. »Du willst sicher mehr darüber erzählen?«

»Natürlich! Es war eine Frau namens Meryll von der PERSEUS. Sie sagte, sie müsse mich unbedingt sprechen, ich habe Zeit bis 21.00 Uhr, zu ihr zu kommen. Das war alles. Und doch hat sie mich sehr beeindruckt, ohne dass ich den Grund weiß.«

Tifflor schwieg eine Weile nachdenklich. Dann allerdings erkannte der Meistersänger in seinem Gesicht plötzliches Verständnis. »Ich erinnere mich an Meryll«, lachte der Mann. »Jetzt hat sie dich also auch beim Wickel ...«

»Wie bitte?«, fragte Salaam Siin verständnislos zurück. Er kannte den ungewohnten Ausdruck nicht.

»Einen Augenblick Geduld«, bat Tifflor. »Ich muss nur eine kleine Information einholen.«

Der Terraner verschwand, kehrte aber Sekunden später an die Bildschirmoptik zurück. »Die Frau, mit der du gesprochen hast, heißt nicht wirklich Meryll. Das ist – wie soll ich's nennen – wohl ihr Künstlername. In Wahrheit heißt sie Carol Arast und ist Astronomin an Bord dieses Schiffes. Eine sehr gute Astronomin übrigens, sonst wäre sie nicht hier.«

»Mehr hast du nicht herausgefunden?«, wollte Salaam Siin enttäuscht wissen.

Tifflor machte eine beruhigende Geste. »Nur keine Hast, Sänger! Gewiss weiß ich mehr. Unter den Besatzungsmitgliedern ist sie genauso berüchtigt wie Lalande Mishkom oder wie es vorher Benneker Vling an Bord der PERSEUS war. Sie spinnt nämlich ein bisschen.«

Salaam Siin wollte schon zornig auf die unverständliche Ausdrucksweise des anderen reagieren. Tifflor jedoch lächelte nur – wenn das schmale Ziehen der Mundwinkel denn so zu deuten war.

»Du kannst selbst feststellen, was ich damit meine. Ich habe auch herausgefunden, weshalb sie unbedingt bis 21.00 Uhr Bordzeit mit dir sprechen möchte. Eine Stunde danach beginnt nämlich ihre Schicht. Den Rest siehst du dir am besten einfach an.«

Salaam Siin starrte unzufrieden auf den Bildschirm. »Ich hätte ebenso gut auf meine Fragen verzichten können«, sang er. »Jetzt weiß ich noch immer nicht, worum es bei der Sache geht.«

»Ganz einfach«, antwortete Tifflor, und in seinem Gesicht war noch immer dieses Lächeln. »Meryll ist ganz harmlos. Sie will dir die Karten legen. Ich verstehe nur nicht, wie sie dich ködern konnte.«

»Ködern?«

»Sonst hättest du nicht mit mir gesprochen, Salaam Siin.«

»Du hast recht«, gab er zu, und in seinen folgenden Worten schwang ein wenig Selbstironie mit. »Wie ködert man schon einen Meistersänger? Mit einer Melodie!«

 

*

 

Salaam Siin brauchte eine Weile, bis er die Auskunft verdaut hatte. Nicht, dass er wegen des Kartenlegens verängstigt gewesen wäre – auch im Reich der Zwölf Galaxien hatte es solche Dinge gegeben. Vielmehr bereitete ihm Tifflors Reaktion Kopfzerbrechen. Als Meistersänger wusste er auch Nuancen zu deuten, und zwar weit genauer als Menschen selbst. Tifflor hatte im Innersten nicht an die eigene Aussage geglaubt, obwohl er dies niemals eingestehen würde.

Ein Geräusch schreckte Salaam Siin auf.

Er fuhr herum und sah erleichtert Dao-Lin-H'ay die Projektorschüssel betreten. War es nicht erstaunlich, wie mühelos ein einziges Gespräch seine innere Ruhe durcheinanderbrachte? Vielleicht sogar peinlich, dachte der Ophaler, oder besorgniserregend.

»Hallo, Salaam Siin!«, rief die Kartanin-Frau in ihrem charakteristisch harten Tonfall. »Seit wann hast du Angst vor mir?«

»Ich habe keine Angst«, sang er, »ich war nur etwas in Gedanken versunken. Um diese Zeit lasst ihr mich doch gewöhnlich allein.«

»Gewöhnlich schon, Salaam Siin. Aber heute liegt eine besondere Angelegenheit vor. Es ist besser, wenn ich ohne meine Leute mit dir spreche, weil ich deine Antwort abwarten will ...«

»Du hast also eine Bitte, Dao-Lin.« Er kannte die Kartanin gut genug, um zu wissen, dass sie mit ihm eine wenig erfreuliche Angelegenheit besprechen wollte; und zwar unerfreulich für sie beide. Sonst hätte sie keinen unbelauschten Augenblick abgewartet.

»Stimmt, Meistersänger, das habe ich. Du hast wahrscheinlich mitbekommen, was mit der NARGA SANT geschehen ist. Ein Bruchstück dieses Generationenschiffs treibt in der Nähe des Schwarzen Lochs Point Siragusa, ungefähr dreihunderttausend Lichtjahre von Satrang entfernt.«

»Ich weiß davon.« Sein Tonfall war eine weiche, harmonische Imitation kartanischer Laute, und er hatte Spaß daran, selbst aus harten Tönen ein schönes Klangbild zu formen.

»Dann kann ich mir eine genaue Zusammenfassung ja schenken. Nur so viel: An Bord des verbliebenen NARGA SANT-Fünftels leben viele Angehörige meines Volkes, sie sind in Primitivität zurückgesunken und haben mit etwas Pech nicht mehr lange zu leben. Ich schlage vor, dass meine zwölf Leute, du und ich an Bord der HARMONIE eine selbständige Hilfsaktion starten. Es gibt niemanden sonst, der sich um sie kümmern würde.«

Nun war es also heraus, überlegte Salaam Siin. Keine leicht erfüllbare Bitte, mit der Dao-Lin-H'ay da an ihn herantrat, jedenfalls nicht inmitten des Chaos, das ringsherum zu herrschen schien. Gewiss, die Kartanin an Bord der NARGA SANT bildeten ein Problem. Vor langer Zeit hatte die Besatzung das Schwarze Loch angesteuert, um auf diese Weise die blockierte Milchstraße zu erreichen – so jedenfalls lautete die offizielle Vermutung. Dann war das Gigantschiff zerbrochen, und nur das letzte Fünftel trieb als Überbleibsel bei Point Siragusa im Raum.

Aber was war mit den menschlichen und haurischen Sklaven im Sashoy-Imperium? Was mit all den Völkern, die noch heute unter den Folgen verheerender Kriege litten? Denn diese Kriege hatte es in den vergangenen Jahrhunderten gegeben, das wusste Salaam Siin. In 695 Jahren konnte viel geschehen, und es war viel geschehen. Seiner Ansicht nach ging Dao-Lin-H'ays verständliches Bestreben in die falsche Richtung. Man müsste versuchen, die Vergangenheit aufzuhellen, womöglich die Zukunft entscheidend mitzusteuern. Jede Hilfsaktion, wie auch immer sie aussehen mochte, störte da nur – eine überflüssige Verzettelung.

»Nun, Meistersänger?«

Er blies seinen Membrankranz auf, um ihr Antwort zu geben, aber er konnte es nicht. Wie sollte er Dao-Lin ins Gesicht singen, was sie eigentlich selbst wissen musste, offenbar jedoch ignorierte? Salaam Siin nahm bei einer Notlüge Zuflucht.

»Ich werde mit Atlan darüber sprechen. Solange Perry Rhodan in der Großen Magellanschen Wolke bei den Gurrads ist, überlasse ich die Entscheidung ihm. Das wird das Beste sein.«

»Viel Hoffnung machst du mir nicht gerade«, gab die Kartanin zu. »Du kannst dir denken, dass ich es bei ihm schon versucht habe. Und du kannst dir auch die Antwort denken. Ich glaube, Meistersänger, du willst dich mit dieser Antwort drücken!«

Erbost sprang sie auf und verschwand im Antigravschacht, der von der Mitte der Projektorschüssel aus ins Innere der HARMONIE führte. Salaam Siin fühlte sich elend und feige. Sie hatte natürlich recht, das wussten sie beide, wenngleich er es schlecht zugeben konnte. Aber war es richtig von der Kartanin, ihn vor eine solche Wahl zu stellen? Hatte sie sich nicht denken können, wie sehr sie ihn in Bedrängnis brachte? Ganz sicher, überlegte er. Nachträglich erfüllte Dao-Lins geschicktes Manöver ihn mit Zorn; er beschloss, sich keinen Schuldkomplex einreden zu lassen.

Verdrossen gab er der Syntronik Anweisung, ringsum eine Projektion entstehen zu lassen. Übergangslos fühlte sich Salaam Siin in einen vollbesetzten Akustikdom versetzt. Fünfzig ophalische Schüler intonierten den Gesang der Heraldischen Tore von Siom Som, und er saß reglos dabei und stellte sich vor, die Szene wäre Wahrheit. Was hätte er jetzt darum gegeben.

 

*

 

Gegen zwanzig Uhr Bordzeit gab er der Syntronik Befehl, die PERSEUS anzusteuern. In langsamer Fahrt drifteten sie neben den zweihundert Meter durchmessenden Kugelraumer, der vor 695 Jahren einen Höhepunkt galaktischer Technik dargestellt hatte. Heutzutage waren die Einrichtungen der PERSEUS womöglich lange überholt, darüber wussten sie noch nicht viel.

Salaam Siin spielte mit dem Gedanken, Julian Tifflor noch einen kurzen Besuch abzustatten. Aber er entschied dagegen. Statt dessen befragte er den Servicespeicher in der Schleuse nach Merylls Kabine und machte sich auf den Weg. Von außen deutete nichts darauf hin, dass hinter der Tür irgend etwas Ungewöhnliches vorgehen mochte. Nur ein sonderbarer Geruch hing in der Luft. Ophalische Riechorgane arbeiteten nicht sonderlich genau, deshalb dachte sich Salaam Siin wenig dabei.

»Ich habe dich erwartet. Tritt näher.«

Der Meistersänger ließ entsetzt aus seinem aufgepumpten Membrankranz die Luft entweichen. Woher wusste Meryll, dass er vor der Tür stand? Es gab keine Kamera, sondern nur die Gegensprechanlage, die sie soeben benutzt hatte.

»Nun komm schon! Meine Zeit ist für wichtigere Dinge als Warten reserviert!«

Mit einem seiner Greifbüschel berührte Salaam Siin den Türöffner. Die Tür fuhr lautlos beiseite. Aus der Kabine drang ein sonderbarer Duft, den er nicht definieren konnte, der aber nicht unangenehm war. Die Frau musste in ihrer Kabine die Lüftung gedrosselt haben – sonst wäre die Abluft durch einen Schacht gezogen, nicht in den Korridor.

»Na, komm schon herein!«

Merylls Stimme klang ungeduldig. Salaam Siin sah sie nicht, aber sie war irgendwo in diesem Raum. Kurz entschlossen trat er ein. Hinter ihm fuhr die Tür zu und schnitt den Meistersänger von der Helligkeit draußen ab. Die Kabine war nur mäßig in rötlichem Licht erleuchtet. Auf einem Tisch brannten Kerzen, die sowohl den dumpfen Schimmer als auch den Duft verbreiteten.

»Wie gefällt dir das Licht?«

Salaam Siin fuhr herum und sah die Frau reglos an der Wand stehen, als habe sie ihn überraschen wollen.

»Sieh mich nicht so misstrauisch an«, bat Meryll. »Ich wollte dir nur die Möglichkeit geben, dich ganz unbeeinflusst hier umzuschauen. Ich habe weder Geheimnisse noch böse Absichten.«

Auf dem Bildschirm hatte Salaam Siin nur den Kopf der Frau sehen können, und nun kam der Rest hinzu, um den ersten Eindruck zu bestätigen. Sie trug eine blaue, saubere Bordkombination und als Fußbekleidung dünne Sandalen. Ob darunter weitere Kleidungsstücke waren, wusste er nicht zu sagen.