ADRIAN DOYLE

&

TIMOTHY STAHL

 

 

BLUTVOLK, Band 22:

Pforten der Hölle

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Die Autoren 

 

Was bisher geschah... 

 

PFORTEN DER HÖLLE 

 

Vorschau auf BLUTVOLK, Band 23: INKARNATIONEN 

von ADRIAN DOYLE und TIMOTHY STAHL 

 

Glossar 

 

Das Buch

 

Der furchtbare Tod ihrer Eltern hat in den Schwestern April und May ein unseliges Erbe geweckt. Seltsame Talente, die sie zu Außenseitern machen – und das Interesse der Illuminati erregen. Der Geheimbund in Diensten des Vatikans holt die beiden Mädchen ins Kloster Monte Cargano. Dort sollen ihre Fähigkeiten weiterentwickelt werden.

Dort lernen sie Gabriel kennen – und das Unheil nimmt seinen Lauf. Das geheimnisvolle Kind hat seinen Plan, das mysteriöse Tor in den Tiefen des Klosters zu öffnen, noch nicht aufgegeben. Die Grenze, die seit Anbeginn Gut und Böse voneinander trennt, soll endgültig fallen!

April und May sind der Schlüssel dazu...

 

BLUTVOLK – die Vampir-Horror-Serie von Adrian Doyle und Timothy Stahl: jetzt exklusiv als E-Books im Apex-Verlag.

Die Autoren

 

 

Manfred Weinland, Jahrgang 1960.

Adrian Doyle ist das Pseudonym des deutschen Schriftstellers, Übersetzers und Lektors Manfred Weinland.

Weinland veröffentlichte seit 1977 rund 300 Titel in den Genres Horror, Science Fiction, Fantasy, Krimi und anderen. Seine diesbezügliche Laufbahn begann er bereits im Alter von 14 Jahren mit Veröffentlichungen in diversen Fanzines. Seine erste semi-professionelle Veröffentlichung war eine SF-Story in der von Perry-Rhodan-Autor William Voltz herausgegebenen Anthologie Das zweite Ich.

Über die Roman-Agentur Grasmück fing er Ende der 1970er Jahre an, bei verschiedenen Heftroman-Reihen und -Serien der Verlage Zauberkreis, Bastei und Pabel-Moewig mitzuwirken. Neben Romanen für Perry-Rhodan-Taschenbuch und Jerry Cotton schrieb er u. a. für Gespenster-Krimi, Damona King, Vampir-Horror-Roman, Dämonen-Land, Dino-Land, Mitternachts-Roman, Irrlicht, Professor Zamorra, Maddrax, Mission Mars und 2012.

Für den Bastei-Verlag hat er außerdem zwei umfangreiche Serien entwickelt, diese als Exposé-Autor betreut und über weite Strecken auch allein verfasst: Bad Earth und Vampira.

Weinland arbeitet außerdem als Übersetzer und Lektor, u. a. für diverse deutschsprachige Romane zu Star Wars sowie für Roman-Adaptionen von Computerspielen.

Aktuell schreibt er – neben Maddrax – auch an der bei Bastei-Lübbe erscheinenden Serie Professor Zamorra mit.

 

 

 

Timothy Stahl, Jahrgang 1964.

Timothy Stahl ist ein deutschsprachiger Schriftsteller und Übersetzer. Geboren in den USA, wuchs er in Deutschland auf, wo er hauptberuflich als Redakteur für Tageszeitungen sowie als Chefredakteur eines Wochenmagazins und einer Szene-Zeitschrift für junge Leser tätig war.

In den 1980ern erfolgten seine ersten Veröffentlichungen im semi-professionellen Bereich, thematisch alle im fantastischen Genre angesiedelt, das es ihm bis heute sehr angetan hat. 1990 erschien seine erste professionelle – sprich: bezahlte - Arbeit in der Reihe Gaslicht. Es folgten in den weiteren Jahren viele Romane für Heftserien und -reihen, darunter Jerry Cotton, Trucker-King, Mitternachts-Roman, Perry Rhodan, Maddrax, Horror-Factory, Jack Slade, Cotton Reloaded, Professor Zamorra, John Sinclair u. a.

Besonders gern blickt er zurück auf die Mitarbeit an der legendären Serie Vampira, die später im Hardcover-Format unter dem Titel Das Volk der Nacht fortgesetzt wurde, und seine eigene sechsbändige Mystery-Serie Wölfe, mit der er 2003 zu den Gewinnern im crossmedialen Autorenwettbewerb des Bastei-Verlags gehörte.

In die Vereinigten Staaten kehrte er 1999 zurück, seitdem ist das Schreiben von Spannungsromanen sein Hauptberuf; außerdem ist er in vielen Bereichen ein gefragter Übersetzer. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt er in Las Vegas, Nevada.

  Was bisher geschah...

 

 

Das Geschlecht der Vampire steht vor seinem Untergang, als sich Lilith, Urmutter der Blutsauger, mit Gott versöhnt. Alle Vampiroberhäupter rund um den Globus werden von einer Seuche befallen, die sie auf ihre Sippen übertragen. Die Vampire – bis auf die Anführer selbst – können ihren Durst nach Blut nicht mehr stillen und altern rapide. Lilith Eden, Tochter einer Vampirin und eines Menschen, erhält von Gott den Auftrag, die letzten überlebenden Vampire zu vernichten.

Aber auch das Böse reagiert. In einem Kloster in Maine gebiert die junge Nonne Mariah ein Kind, das den todgeweihten Vampiren Kraft und Erfahrung raubt und dabei rasch heranwächst.

Sowohl die Seuche als auch die Geburt des Knaben namens Gabriel erschüttern das Weltgefüge auf einer spirituellen Ebene. Para-sensible Menschen träumen von unerklärlichen Dingen und möglichen Zukünften. Die »Illuminati«, ein Geheimbund in Diensten des Vatikans, rekrutiert diese Träumer.

Als das Kind die Kraft in Lilith erkennt, bringt es sie in seine Gewalt und seine Träume. Doch Raphael Baldacci, ein Gesandter von Illuminati, rettet sie, indem er sein Leben für sie opfert. Baldacci ist der Sohn Salvats, der Illuminati vorsteht. Die Ziele des Ordens sind eng an ein Tor in einem unzugänglichen Kloster nahe Rom gebunden. Gabriel wird auf das Tor aufmerksam. Er erkundet die Lage und ruft gleichzeitig Landru herbei, dessen Kraft er sich einverleiben will, bevor er das Tor öffnet.

Im Kloster befinden sich die Para-Träumer. Von ihnen erfährt Salvat, dass das Tor bald geöffnet werden soll. Lilith Eden kommt ebenfalls in den Träumen vor, was sie zum Kloster führt. Dort ist mittlerweile auch Landru angelangt, der in dem Knaben den Messias der Vampire sieht, von ihm aber getäuscht und seiner Kräfte beraubt wird. Mit der Magie des Vampirs betritt das Kind das Kloster und öffnet das Tor. Doch Salvat ist gerüstet und kann es wieder schließen. Für zwei Personen allerdings zu spät: Landru und Lilith werden durch das Tor gesogen.

Eine ähnliche Erfahrung machte auch der Geist von Beth MacKinsay, die von Lilith einst im Korridor der Zeit getötet wurde. Als Gott den Fluch von der Ur-Lilith nahm, »erwachte« Beth, und ihr Geist wurde durch eine der Türen des Korridors gesogen. Ohne Erinnerung an ihr früheres Leben erwacht Beth im Jahre 1618 vor den Toren Prags. Um ihre Körperlichkeit wiederzugewinnen, raubt sie die Lebensenergie der Menschen, wird als Hexe verhaftet und eingekerkert. Doch nicht Beth ist das wahre Böse in Prag. Satan streckt seine Klauen nach dem Land aus. Er verleitet die Menschen zum »Prager Fenstersturz«, der zum Auslöser für den Dreißigjährigen Krieg wird. In den Wirren der Geschehnisse kann Beth fliehen...

Durch die Hölle jenseits des Tores gelangen Lilith und Landru in die Vergangenheit. Lilith wird im Bayreuther Fürstentum des Jahres 1635 in der jungen Zigeunerin Kathalena wiedergeboren; Landru im Körper des Vampirs Racoon, zu derselben Zeit, aber vor den Toren von Paris. Dort wird er Zeuge, wie eine fremde, verderbliche Macht die dortige Vampirsippe abschlachtet. Und er trifft auf eine Frau, die er aus der Zukunft kennt: Beth MacKinsay! Doch sie hat jede Erinnerung an ihr früheres Leben verloren und ist auf der Suche nach Satan, der ihr Kind geraubt hat. Seine Spur weist von Paris nach Heidelberg. Dort bereitet eine »Loge der Nacht« seine Ankunft vor. Allerdings werden drei Manifestationen erwartet, die sich hier vereinen sollen.

In Regensburg stößt Lilith in Lenas Körper auf eine Bruderschaft, die sie bereits aus der Gegenwart kennt: die Illuminati und deren Anführer Salvat, der ebenfalls in dieser Zeit weilt. Sie schließt sich den Mönchen an, als diese nach Heidelberg ziehen. Dort also werden ihre Wege sich treffen. Allein Landru erlebt die Zusammenkunft nicht mehr. Als Beth auf den Vater ihres Kindes trifft, tötet dieser den mächtigen Vampir. Landrus Geist wird zurückgeschleudert in die Hölle hinter dem Tor, wo sich sein echter Körper befindet und wo er nun seine ganz persönliche Verdammnis durchlebt.

In einer entweihten Kirche findet das Ritual statt, das die drei Manifestationen Satans vereinen soll. Doch im entscheidenden Moment greifen die Illuminaten ein! Und Salvat entpuppt sich als überirdisches Wesen, das mit einem Flammenschwert Satan schwer verletzt. Er flieht und nimmt Beth mit sich. Salvat kann ihm nicht folgen. So verankert er den Auftrag, dem Bösen den entscheidenden Stoß zu versetzen, in Lilith und Tobias, der als einziger Heidelberger dem Einfluss Satans trotzen konnte.

Sie finden ihn in einem Heerlager, wo er Beth dazu benutzt, einen Riss in der Zeit zu schaffen. Lilith, die beim Kampf in der Kirche ihre Linke verlor und nun eine fremde Hand, die der Teufel einst einem dienstbaren Heidelberger schenkte, an deren statt trägt, verletzt Satan damit – und folgt ihm durch den Riss! Beth und Tobias bleiben zurück...

Als Lilith im London des Jahres 1666 aus dem Riss tritt, wird sie mit dem Mädchen Ruby konfrontiert, das von Satan als »Pestbotin« auserkoren wurde und den Schwarzen Tod über London gebracht hat. Auch Liliths Gastkörper Lena wird mit der Pest infiziert. Trotzdem findet sie ihren Feind – in einer riesigen Pestgrube vor der Stadt nährt er sich vom Tod der Pestopfer, um seine Stärke wiederzuerlangen. Da taucht Salvat auf, an seiner Seite Tobias, die in den vergangenen 31 Jahren Satan gesucht haben. Nun endlich können sie ihm gemeinsam den tödlichen Streich versetzen. Dabei kommt auch Lena ums Leben – und Liliths Geist findet sich in ihrem Körper in der Hölle wieder, neben Landru...

PFORTEN DER HÖLLE

 

 

 

   

  Prolog

  Thorne Woodrue war ein Außenseiter. Unter den Menschen ohnehin, seiner Natur wegen. Aber auch von seinesgleichen unterschied er sich. Schon dadurch, dass er die Nähe seiner Artgenossen mied.

  Er betrachtete sein Wesen nicht als Fluch, wie manche seiner »Brüder und Schwestern« es taten. Er genoss und zelebrierte es. Und er war nicht bereit, diese sinnberauschenden Erfahrungen zu teilen.

  Thorne Woodrue war Einzelgänger und Egozentriker, gehorchte nur sich und seinem Trieb und ließ sich allein vom Zufall leiten – nicht ahnend, dass es Mächte gab, die den Zufall zu ihrem Nutzen lenkten und ihr Wirken damit tarnten...

 

Vor Wochen

Die Farm lag wie eine einsame Insel – mit kantigen Bauten und wenigen, aber ausladenden Bäumen bestanden – inmitten des geheimnisvoll leuchtenden Ozeans, in den die untergehende Sonne die schier endlosen Weizenfelder ringsum verwandelte.

Die nächste Stadt lag viele Meilen entfernt. Einen einsameren Ort als diesen gab es im weiten Umkreis nicht. Wenn Unheil über diesen Ort käme, würden die Bewohner nirgends Zuflucht oder gar Hilfe finden...

Ein Ort, der wie für Thorne Woodrue geschaffen war.

Er betrachtete ihn als Geschenk, und einmal mehr genoss er das herrliche Gefühl, dieses Geschenk mit niemandem teilen zu müssen. Wie immer war dieses Gefühl nur eines in einer langen Reihe von Empfindungen, die ihm in Nächten wie diesen beschert wurden. Und er würde sich jedem einzelnen davon hingeben und es auskosten bis zur Neige. Schon dieser Auftakt des eigentlichen Aktes bereitete ihm wohligen Schauder.

Die hinter ihm versinkende Sonne ließ seinen Schatten wachsen. Wie ein zweidimensionales Wesen kroch sein dunkles Abbild über die Weizenfelder auf die Farm zu, einem Vorboten der eigentlichen Bedrohung gleich.

Er erfreute sich an der Vorstellung, dass ihn jemand von dort aus beobachten könnte. Im kupferfarbenen Gegenlicht mussten sich seine Konturen ausnehmen wie von einer glühenden Korona umflort. Geradezu dämonisch musste dieser Anblick sein, trotz der weiten Entfernung. Und doch würde niemand Verdacht schöpfen. Denn im Moment war Thorne Woodrue nur ein einsamer Wanderer auf dem Highway, der kurz Halt machte und verschnaufte und sich von der schlichten Schönheit der Landschaft gefangen nehmen ließ.

Im Moment.

Und noch eine ganze Weile, während die Sonne sich immer tiefer jenseits des Horizonts zurückzog, um der Nacht das Himmelsfeld zu räumen.

Das Farbenspiel ringsum veränderte sich beinahe mit jedem Herzschlag. Hatte eben noch alles wie mit einer dunklen Goldpatina bestrichen dagelegen, dominierte nun der Schimmer gehämmerten Kupfers, als wäre jeder Halm mit einer hauchdünnen Schicht beschlagen. Und als würde das Kupfer erhitzt, immer stärker, verwandelte sich das Land schließlich in ein glühendes Meer, in das ein sachter Wind stets neue Wellenmuster zeichnete.

Thorne Woodrue ließ sich darin treiben, ging auf in dem, was um ihn her war. Er wurde Teil dieses Ganzen, denn nur so konnte er sich schließlich zum Herrscher darüber aufschwingen – und die Idylle zerstören.

Mit geschlossenen Augen konzentrierte er sich auf die Geräusche, deren Vielfalt sich nur allmählich erschloss. Mit der Zeit gelang es ihm, die vom Wind verursachten von anderen zu unterscheiden. Er vernahm das Rascheln, mit dem kleinstes Getier durch die Weizenfelder strich, meinte selbst den Laut zu vernehmen, mit dem Erdkrumen sich unter geringstem Gewicht bewegten. Thorne Woodrue drang durch den Geruch des Weizens, tiefer hinab, bis er den würzigen Duft der dazwischen wachsenden Gräser und Kräuter und den erdigen des Bodens selbst wahrnahm. Und nach einer Weile schließlich hörte und roch er sogar, was von der Farm drüben ausging. Freilich konnte all das nicht stark genug sein, um tatsächlich bis zu ihm her zu wehen. Es war, als eilten seine Sinne ihm voraus, dem entgegen, was dort seiner harrte – einem reich gedeckten Tisch gleich.

Als Thorne Woodrue die Augen wieder öffnete, war die Sonne vollends verschwunden. Ihr allerletztes Licht färbte den Weizen blutrot.

Thorne Woodrue entledigte sich seiner Kleider und legte sie sorgsam am Boden ab, ehe er eintauchte in dieses blutige Meer und hindurch watete, der Farm zu.

Obwohl es noch nicht wirklich vom Abendhimmel kam, konnte er das kalte Silberlicht des Mondes bereits spüren.

Provozierend und lockend war es.

Noch bevor er die Farm erreicht hatte, würde er darin baden.

 

 

... don't go around tonight 

well, it's bound to take your life

there's a bad moon on the rise

Creedence Clearwater Revival

 

Obwohl April Dorn nicht langsam aus dem Schlaf erwachte, sondern schlagartig hellwach war, brauchte sie ein paar Sekunden, um festzustellen, dass entgegen ihres ersten Eindrucks der neue Tag noch lange nicht angebrochen war. Es war nicht das trübe Licht einer wolkenverhangenen Sonne, das durchs Fenster in ihr Zimmer fiel, sondern der milchige Schein des Mondes. Rund und riesengroß hing er inmitten des sternengesprenkelten Nachthimmels, starrte einem vernarbten Gesicht gleich durch die Scheibe.

Die Achtzehnjährige fröstelte, obgleich ihr nicht kalt war. Und es lag auch nicht an dem eigenartigen Gedanken, der Mond würde zu ihr herein glotzen. Nun, allenfalls zu einem winzig kleinen Teil lag es daran... Im Grunde allerdings schauderte sie, weil –

etwas sie geweckt hatte.

Doch worum hatte es sich bei diesem Etwas gehandelt?

Ein Geräusch, fiel ihr die Antwort sofort ein. Nichts Lautes, nichts wirklich Auffälliges – aber doch etwas Ungewöhnliches. Etwas, das die nächtliche Ruhe gestört hatte, obschon es zu keiner Zeit wirklich still im Haus war. Ein Haus von diesem Alter und dieser Größe produzierte unentwegt Geräusche irgendwelcher Art: Holz knarrte in Böden, Decken oder Wänden, irgendwo klapperte stets eine Dachschindel oder ein Fensterladen. Aber an all das hatte April sich so sehr gewöhnt in den Jahren, die sie nun schon hier lebten, dass sie es längst nicht mehr bewusst wahrnahm.

Wenn diese Laute jedoch fehlten, von einer Sekunde zur nächsten, dann registrierte April diese unnatürliche Stille sehr wohl.

So wie jetzt.

Vollkommene Lautlosigkeit lag über der Farm, als hielten das Haus und die Nacht selbst den Atem an – vor Schrecken?

Was für eine absurde Idee, versuchte April sich zu beruhigen, doch es wollte ihr kaum gelingen. Denn etwas von diesem imaginären Schrecken spürte sie tief in sich. Er lähmte ihren eigenen Atem und hinderte sie selbst an der geringsten Bewegung. Und so konnte sie nichts anderes tun, als halbaufgerichtet im Bett zu kauern und zu lauschen; darauf, ob es sich wiederholte.

Wieder drängte sich ihr unweigerlich die Frage auf, was dieses Es gewesen sein mochte. April glaubte sich zu erinnern, dass sich der seltsame Laut zwar stimmig in ihren bereits vergessenen Traum gefügt hatte. Trotzdem hatte er zu real geklungen, als dass er Teil davon hätte sein können. Und diese Disharmonie hatte sie schließlich aus dem Schlaf gerissen.

Ein Ächzen!

Es war ein Ächzen gewesen, und es hatte sich nicht angehört wie von morsch gewordenem Holz, sondern wie das eines Menschen, gequält und sogleich erstickend.

April hörte es von neuem, wusste jedoch, dass es nur ihrer Einbildung entsprang; eine Wiederholung, von der Erinnerung abgespult wie eine Bandaufnahme. Trotzdem klang es selbst jetzt noch echt und so schaurig, dass sich augenblicklich saurer Angstspeichel auf der Zunge des Mädchens sammelte.

Es gab hundert harmlose Erklärungen für das Geräusch, angefangen damit, dass es sich allem realen Schein zum Trotz doch nur um Einbildung handelte. Oder dass Aprils Eltern oder ihre Schwester in traumschwerem Schlaf gestöhnt hatte. Dennoch konnte das Mädchen an keine dieser beruhigenden Antworten glauben, so sehr sie es auch wollte und versuchte. Ein höchst unangenehmes, nagendes Gefühl tief in ihr ließ es nicht zu. Es schürte einzig Aprils Unruhe, immer weiter, bis hin zu jenem Punkt, da sie nicht länger still und lauschend sitzenbleiben konnte, sondern fast schon gegen ihren Willen aus dem Bett steigen musste; nur um sich zu bewegen, um diesem ameisenhaften und fiebrigen Kribbeln ein Ventil zu geben.

Den Morgenmantel überstreifen und zur Tür huschen war eins. Dort verhielt April, das Ohr am Türblatt, erneut mit angehaltenem Atem lauschend.

Sie fragte sich, was sie da überhaupt tat. Sie benahm sich in ihrem Elternhaus, das ihr vertraut und stets sicher erschienen war, wie eine Diebin oder wenigstens doch wie eine Fremde. Aber sie verweigerte sich die Antwort auf diese doch völlig berechtigte Frage.

April hörte nicht auf jene tonlose Stimme der Vernunft, die sie überzeugen wollte, dass es besser wäre, sich wieder ins Bett zu legen und die Nacht nicht mit solcherlei Unsinn zu vertrödeln.

Aber etwas trieb April an. Eine Art geheimer Motor, der im Moment ihres Erwachens angesprungen und der so tief in ihr verborgen war, dass sie ihn nicht mehr abstellen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte.

Also öffnete April die Tür, nur einen Spalt breit und so vorsichtig, als fürchtete sie, dass jemand sie hören könnte – oder mehr noch, als könnte draußen etwas lauern, das nur auf eine unbedachte Handlung ihrerseits lauerte.

Zentimeter um Zentimeter schob April ihr Gesicht zwischen Rahmen und Türblatt hindurch. Silberner Schein leuchtete auch den Flur aus wie das Licht eines düsteren Tages. Mobiliar und Zierrat warfen starre Schatten auf Boden und Wände.