ADRIAN DOYLE

&

TIMOTHY STAHL

 

 

BLUTVOLK, Band 25:

Das verlorene Ich

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Die Autoren 

 

Was bisher geschah... 

 

DAS VERLORENE ICH 

 

Vorschau auf BLUTVOLK, Band 26: DIE WÖLFIN 

von ADRIAN DOYLE und TIMOTHY STAHL 

 

Glossar 

 

Das Buch

 

Zwar konnten Lilith und Landru in Rom erste Hinweise auf ihr früheres Leben finden, doch immer noch fehlt ihnen jegliche Erinnerung an die Vergangenheit. So weiß Landru nicht, dass er nur auf seine Tarnidentität gestoßen ist, als er sich als Hector Landers nach Paris begibt – in eine Stadt, wo vergessene Feinde nur auf den vermeintlichen Geschäftsmann warten, um mit ihm abzurechnen.

Auch Lilith Eden folgt den Spuren einer falschen Vergangenheit. Ihr Weg führt sie nach Sydney, zu ihrem Geburtshaus. Sie ahnt nicht, dass das Grundstück längst von Vampiren besetzt ist. Und ihre Feinde sind noch um einiges tödlicher als die von Hector Landers...

 

BLUTVOLK – die Vampir-Horror-Serie von Adrian Doyle und Timothy Stahl: jetzt exklusiv als E-Books im Apex-Verlag.

Die Autoren

 

 

Manfred Weinland, Jahrgang 1960.

Adrian Doyle ist das Pseudonym des deutschen Schriftstellers, Übersetzers und Lektors Manfred Weinland.

Weinland veröffentlichte seit 1977 rund 300 Titel in den Genres Horror, Science Fiction, Fantasy, Krimi und anderen. Seine diesbezügliche Laufbahn begann er bereits im Alter von 14 Jahren mit Veröffentlichungen in diversen Fanzines. Seine erste semi-professionelle Veröffentlichung war eine SF-Story in der von Perry-Rhodan-Autor William Voltz herausgegebenen Anthologie Das zweite Ich.

Über die Roman-Agentur Grasmück fing er Ende der 1970er Jahre an, bei verschiedenen Heftroman-Reihen und -Serien der Verlage Zauberkreis, Bastei und Pabel-Moewig mitzuwirken. Neben Romanen für Perry-Rhodan-Taschenbuch und Jerry Cotton schrieb er u. a. für Gespenster-Krimi, Damona King, Vampir-Horror-Roman, Dämonen-Land, Dino-Land, Mitternachts-Roman, Irrlicht, Professor Zamorra, Maddrax, Mission Mars und 2012.

Für den Bastei-Verlag hat er außerdem zwei umfangreiche Serien entwickelt, diese als Exposé-Autor betreut und über weite Strecken auch allein verfasst: Bad Earth und Vampira.

Weinland arbeitet außerdem als Übersetzer und Lektor, u. a. für diverse deutschsprachige Romane zu Star Wars sowie für Roman-Adaptionen von Computerspielen.

Aktuell schreibt er – neben Maddrax – auch an der bei Bastei-Lübbe erscheinenden Serie Professor Zamorra mit.

 

 

 

Timothy Stahl, Jahrgang 1964.

Timothy Stahl ist ein deutschsprachiger Schriftsteller und Übersetzer. Geboren in den USA, wuchs er in Deutschland auf, wo er hauptberuflich als Redakteur für Tageszeitungen sowie als Chefredakteur eines Wochenmagazins und einer Szene-Zeitschrift für junge Leser tätig war.

In den 1980ern erfolgten seine ersten Veröffentlichungen im semi-professionellen Bereich, thematisch alle im fantastischen Genre angesiedelt, das es ihm bis heute sehr angetan hat. 1990 erschien seine erste professionelle – sprich: bezahlte - Arbeit in der Reihe Gaslicht. Es folgten in den weiteren Jahren viele Romane für Heftserien und -reihen, darunter Jerry Cotton, Trucker-King, Mitternachts-Roman, Perry Rhodan, Maddrax, Horror-Factory, Jack Slade, Cotton Reloaded, Professor Zamorra, John Sinclair u. a.

Besonders gern blickt er zurück auf die Mitarbeit an der legendären Serie Vampira, die später im Hardcover-Format unter dem Titel Das Volk der Nacht fortgesetzt wurde, und seine eigene sechsbändige Mystery-Serie Wölfe, mit der er 2003 zu den Gewinnern im crossmedialen Autorenwettbewerb des Bastei-Verlags gehörte.

In die Vereinigten Staaten kehrte er 1999 zurück, seitdem ist das Schreiben von Spannungsromanen sein Hauptberuf; außerdem ist er in vielen Bereichen ein gefragter Übersetzer. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt er in Las Vegas, Nevada.

  Was bisher geschah...

 

 

Lilith, Tochter eines Menschen und einer Vampirin, wurde von der Urmutter aller Vampire benutzt, um deren Versöhnung mit Gott in die Wege zu leiten. Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatte und der Fluch von der Ur-Lilith genommen wurde, sandte Gott eine Seuche auf die Erde, die alle Sippenoberhäupter infizierte und von ihnen auf die Vampire und Dienerkreaturen übersprang. Sie starben, als sie ihren Blutdurst nicht mehr löschen konnten. Lilith erhielt den Auftrag, die verbleibenden Oberhäupter zu töten.

Als sich durch das Sterben der Vampire das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse auf der Erde verschob, wurde Gabriel geboren, eine Inkarnation Satans. Erst war sich der Knabe, der rasch heranwuchs, seiner Identität nicht bewusst, doch schließlich erkannte er seine Aufgabe: ein Tor zur Hölle zu öffnen, das von der Bruderschaft der Illuminati vor den Toren Roms im Kloster Monte Cargano bewacht wurde. Letztlich scheiterte das Vorhaben – nicht zuletzt durch Lilith Eden, die gemeinsam mit ihrem ärgsten Feind Landru durch das Tor in die Hölle gerissen wurde.

Die Dimension, die wir Menschen »Hölle« nennen, entstand durch den Fall des Engels Luzifer. Die Engel wurden von Gott in einer Sphäre neben der Erde zurückgelassen. Sie sollten über die Menschen wachen, doch Luzifer sah sich wegen der menschlichen Grausamkeit dazu nicht imstande und reagierte mit Zorn und Herrschsucht. Als er von den anderen Engeln in eine weitere, abgeschlossene Dimension (die Hölle) verbannt werden sollte, gelang es ihm, auch deren Sphäre zu versiegeln. Allein an der Stelle des Übergangs in die Verbannung blieb ein Riss zurück, der von beiden Sphären in die Menschenwelt führte. Der Erzengel Michael, der auf Erden unter dem Namen Salvat auftrat, übernahm es, dieses Tor zu sichern. Trotzdem gelang Luzifer der Weg zu den Menschen, indem er als Inkarnationen auf der Erde wiedergeboren wurde. Diese Inkarnationen – Gabriel ist eine davon – hatten jedoch nur wenig Macht und dienten dazu, das Böse auf der Welt zu schüren, mit dem Endziel, das Tor wieder aufzustoßen.

Bei ihrer Flucht aus den Gefilden der Hölle wurden Liliths und Landrus Persönlichkeit gelöscht. Während Salvat in einer verzweifelten Aktion durch die Entfesselung magischer Energien den Klosterberg sprengte und das Tor somit versiegelte, konnten die beiden in ein nahes Dorf entkommen. Sie wissen nichts mehr über ihr früheres Leben; nicht einmal, dass sie Vampire sind!

Auch Gabriel überstand die Explosion. Er zog sich mit Hidden Moon, einem indianischen Vampir, der einige Zeit Liliths Begleiter war, zurück. Hidden Moon konnte durch den Kontakt mit seinem Totemtier – einem Adler – das Gute in sich bewahren. Als Lilith den Adler tötete, ging diese Fähigkeit auf sie über. Ohne Lilith verfiel Hidden Moon dem Bösen.

Nun ist es nur eine Frage der Zeit, bis entweder Lilith oder Landru von ihrem wahren Wesen erfahren. Überleben wird wahrscheinlich der, dem zuerst die Augen geöffnet werden...

DAS VERLORENE ICH

 

 

 

 

  Wer bin ich? Und wer ist dieser Mann neben mir?! Wie konnte ich nur zulassen, dass er mich...?

Weil du es wolltest, scheinheilige Närrin! Du warst ganz begierig darauf, ihn in dir zu spüren, um die Welt und das, was sie dir antut, wenigstens für ein paar armselige Minuten zu vergessen!

Vergessen? Ich tue nichts anderes als vergessen! widersprach sie der Stimme, die aus ihr selbst kam.

Die Stimme schwieg.

Bevor ich hierhergekommen bin, dachte die makellos schöne Frau, wusste ich nicht viel mehr als meinen Namen – und sogar dem habe ich misstraut. Doch nun... 

Mit einer katzenhaften Bewegung erhob sich Lilith Eden von dem Teppich, auf dem sie und Hector Landers sich geliebt hatten, als gäbe es kein Morgen.

Nachdem sie ein paar Schritte gemacht hatte, straffte sich unversehens ihre Haut, gerade so, als würde sie sich fröstelnd zusammenziehen. Aber der Schauder allein war es nicht, der dieses Gefühl verursachte. Ein gespenstisches Ding steckte dahinter, das jetzt beinahe jeden Quadratzoll von Liliths Körper zurückeroberte und sich wie eine riesige lackschwarze Amöbe um ihn schmiegte!

Lilith hatte dieses Pseudotextil, das jedes Kleidungsstück zu imitieren vermochte, von einem Mönch namens Salvat ausgehändigt bekommen, angeblich weil es ihr auch schon gehört hatte, als man sie innerhalb der Klostermauern des Monte Cargano gefunden hatte.

Um Liliths Lust nicht im Wege zu stehen, war es vorhin gewichen, ohne sich völlig von ihr zurückzuziehen. Irgendwo hatte es auch während des Liebesspiels auf Liliths Haut ausgeharrt.

Lilith hatte versucht, sich des magischen Kleids zu entledigen, es ganz abzustreifen und irgendwo abzulegen, wenigstens zeitweilig...

... aber der damit einhergehende Schmerz, dessen Verursacher nur dieses Ding sein konnte, war von Mal zu Mal hässlicher geworden – als würden sich tausend winzige, mit Widerhaken versehene Klauen in ihr Fleisch bohren –, und seit einer Weile versuchte sie sich mit dem unheimlichen Kleid, oder was immer es war, zu arrangieren.

Sie ballte die Hände zu Fäusten, als sie vor dem Tisch neben dem offenen Tresor stehen blieb.

Wie eine dunkle Welle kehrte nicht nur das hautenge Kleid, sondern auch das Bewusstsein zurück, dass dieses Ding wahrscheinlich deshalb so anhänglich war, weil sie selbst kein normaler Mensch war.

Seit sie ohne jede Erinnerung an ihr früheres Ich im Kloster der seltsamen Mönche zu sich gekommen war – lag das wirklich erst ein paar Tage zurück? –, mehrten sich die Anzeichen, dass etwas mit ihr nicht stimmte.

So verleugnete sie zum Beispiel jeder Spiegel, vor den sie bisher getreten war, gab sie nur als verschwommenen Schemen wieder!

So etwas verbindet, dachte sie sarkastisch und blickte zu ihrem Liebhaber, der dort lag, von wo sie gerade aufgestanden war: ein Mann Ende vierzig oder Anfang fünfzig, sehnig, mit keinem Gramm Fett zu viel auf den Rippen und einer auffälligen Kreuznarbe auf der linken Wange...

Die Narbe erinnerte Lilith an das, was sie an sich selbst entdeckt hatte.

Sie hob eine Hand und spreizte die Finger.

Ein ausgefallenes Tattoo zierte die Innenfläche ihrer Linken... obwohl »Tattoo« der falsche Begriff dafür zu sein schien, denn die stilisierte Fledermaus war unfühlbar. Als hätte eine Methode, an die sich Lilith so wenig erinnerte wie an alles andere, die Umrisse dauerhaft darauf projiziert.

Es handelte sich auch um keine Brandmarkung oder ein Hautmal, das zufällig einer Fledermaus mit ausgebreiteten Schwingen ähnelte. Dieses absonderliche Symbol war gewollt, nur warum es da und ob es mit einem bestimmten Zweck verknüpft war, hatte Lilith noch nicht herausfinden können.

Sie ließ die Hand wieder sinken und bekam eines der Bilder zu fassen, die über die Tischplatte verstreut lagen.

Schwarzweißfotos, die offenbar – wie alles hier – Hector Landers gehörten.

Es waren Aufnahmen von einem alten Haus mit seltsamer Ausstrahlung, aber sie hätten Lilith kaum in diesem Maße interessiert, wenn auf der Rückseite nicht auch einige Bemerkungen gestanden hätten, die sie regelrecht elektrisiert hatten.

Und wieder elektrisierten, kaum dass sie das erste Bild umdrehte und las: Haus der Hure! 

Eine Frau, der Lilith in Rom begegnet war, hatte Lilith als Kind der Hure bezeichnet und damit eine andere Frau, mit der Lilith nicht die leiseste Erinnerung verband, beleidigt.

»Mutter...«

Sie merkte kaum, dass das Wort ihre Lippen verließ, sacht hinaustastete in die Trostlosigkeit dieses Raumes, der auch in Landers selbst keine Vertrautheit weckte, und das, obwohl die Indizien, dass er hier einmal ein und aus gegangen war, keinen Raum für Zweifel ließen.

In dem Tresor hatten Kreditkarten, Pässe und andere Dokumente auf seinen Namen gelegen.

Und diese Bilder.

Bilder aus der Fremde, weit, weit entfernt.

Lilith ließ das eine Bild fallen und nahm das nächste in die Hand. Es wirkte alt, sogar ein wenig vergilbt, aber das Motiv wiederholte sich auf jedem Foto in wechselnder Perspektive: ein Haus. Ein sehr charismatisches, beinahe ängstigendes zweistöckiges Gebäude, umgeben von einem parkähnlichen Gelände.

Es hätte überall auf der Welt stehen können.

Aber es stand...

... in Australien!

Auf der anderen Seite des Globus!

Sydney, 333, Paddington Street, war in verschnörkelter Handschrift auf der Rückseite dieses Bildes zu lesen. Nicht einmal, sondern zweimal, und wie viel Zeit zwischen den Niederschriften lag, hätte höchstens ein fachmännisches Gutachten feststellen können. Lilith hatte Hector Landers gebeten, die Adresse noch einmal unter die bestehende Zeile zu schreiben, um sicherzustellen, dass es seine Handschrift war. Sie war es zweifellos, aber wann und warum Landers das Foto so unterzeichnet hatte, wusste er nicht.

Denn auch er war ein unbeschriebenes Blatt. Wie sie. Und ebenso wenig ein Allerweltstyp. Seit sie zusammen waren, hatte keiner von ihnen das Geringste an Nahrung zu sich genommen – nun das stimmte nicht ganz. Sie hatten gegessen, die Speisen aber nie so lange bei sich behalten können, um sie auch zu verdauen.

Aber sie vermissten das Hungergefühl nicht nur; schon der Gedanke zu essen drehte ihnen den Magen um. Und der Durst, den sie hatten... nun, er ließ sich mit nichts, was sie tranken, wirklich stillen. Sie hatten alles Mögliche probiert, aber der einzige Saft, von dem überhaupt eine Faszination ausging – aber was für eine morbide, beinahe schon perverse –, war... Blut!

»Bereust du es?«

Die Stimme ließ Lilith erst versteinern, dann sich langsam umdrehen.

Landers hatte sich halb aufgerichtet und auf beide Ellbogen gestützt. Im Gegensatz zu ihrem Körper, über den sich wuchernd das Ding gebreitet hatte, war er noch immer nackt.

Die Pose ihres Schicksalsgefährten erinnerte Lilith flüchtig an eine altgriechische Statue. Tatsächlich war er beinahe ebenso bleich, die Haut alabasterfarben. Bräune hätte ihm vermutlich viel von seiner Ausstrahlung genommen. Der blasse Teint hatte auch nicht das Geringste mit Schwäche zu tun. Wie vital Landers war, hatte er Lilith gerade bewiesen.

Hector Landers...

Sie wünschte, sie hätte mehr über die Umstände gewusst, die sie schon einmal ein Paar hatten werden lassen – irgendwann in vergangenen Zeiten.

Dass sie es gewesen waren, darauf deutete inzwischen einiges hin. Auch diese Bilder und Notierungen, die sie in Landers' römischem Domizil gefunden hatten. Neben der Bezeichnung Haus der Hure und der Adresse in Australien tauchten in den handschriftlichen Vermerken auch Namen wie Lilith, Creanna und Sean Lancaster auf. 

Von ihrem eigenen Namen abgesehen, konnte Lilith mit keinem der Begriffe etwas anfangen. Dennoch keimte, seit sie diesen Fund gemacht hatten, die Hoffnung in ihr, eine Spur gefunden zu haben, die ihr Aufschluss über ihre Identität geben konnte.

War das Haus auf den Bildern ihr Zuhause?

Ihr eigenes oder das ihrer Eltern? Waren dann dieser Sean Lancaster ihr Vater und Creanna ihre Mutter? Oder standen die beiden in völlig anderer Verbindung zu ihr?

Lilith wusste, dass es nur eine einzige Möglichkeit gab, es herauszufinden: Sie musste zu dieser Adresse reisen und mit denen, die dort lebten, reden! Vielleicht bedurfte es nur dieses Anstoßes, um die verschüttete Erinnerung zurückkehren zu lassen...

»Bereuen? Wie kommst du darauf?« leugnete sie, dass sie sich tatsächlich in irgendeiner nicht näher zu benennenden Weise beschmutzt fühlte.

Was war los mit ihr?

Sie hatte es gewollt – er hatte nichts getan, um sie zu überreden, und trotzdem...

»Ich dachte nur, weil du es nicht neben mir aushältst.«

Lilith erzitterte. Eine neue, vielleicht noch kältere, noch dunklere Woge rollte auf sie zu. Um sie zu ertränken, der Qual ein Ende zu bereiten. Jener Qual, die im Kloster begonnen hatte – in dem Moment, als sie die Augen aufgeschlagen und... diesen Abgrund in sich erblickt hatte.

Landers hatte ein Wort gewählt, das ihr Dilemma auf den Punkt traf: »aushältst«. Genau das war es, was sie von ihm weg getrieben hatte: Sie hatte ihn nicht mehr ausgehalten, seine Nähe keine Sekunde länger ertragen, nachdem sie sich offenbar zu nahe gekommen waren!

Faszination und Abscheu – Lilith verband plötzlich beides mit der Person Hector Landers, und hatte dabei das verwirrende Gefühl, nicht mit ihm, aber auch nicht ohne ihn sein zu können...

»Unsinn!«

Sie kehrte ihm wieder den Rücken zu, mied seinen Blick.

»Es scheint, als würden sich unsere Wege trennen«, klangen seine Worte in ihr nach. Auch Landers hatte in den Unterlagen gewühlt und war dabei offenbar auf eine Spur gestoßen, die ihm persönlich wichtiger erschien als die Fährte, die nach Sydney führte.

Lilith war sicher, sie hätte ihn nur danach zu fragen brauchen, worauf er aufmerksam geworden war, und er hätte es ihr gesagt. Aber wollte sie es denn wissen? War sie nicht selbst egoistisch und trachtete vorrangig danach, das Rätsel ihrer Herkunft zu lösen?

Er trat hinter sie. Sein Glied presste sich gegen ihre Pobacken, der Atem, der in ihren Nacken blies, war weder heiß noch kalt, und der Geruch erinnerte an ein Tier.

Sein Hände legten sich um ihre Arme. »Du fühlst dich unwohl, ich spüre es. Sag mir die Wahrheit: Was ist mir dir? Hat es mit mir zu tun? Ging es dir zu schnell, dass wir...?«

Sie wollte nichts mehr davon hören.

Vorbei.

Hauptsache, vorbei.

»Nein. Was soll das? Es war... schön. Willst du es unbedingt zerreden?«

Er ließ sie los und trat statt dessen neben sie. Das Bild, das sie immer noch festhielt, nahm er ihr aus den Fingern. »Wenn du willst, begleite ich dich dorthin.«

Sie wollte es nicht!

(Warum nicht? Verlierst du jetzt langsam auch den Verstand?)

Sie hasste die kleine böse Stimme, die sie selbst war. Sie hasste sie, weil sie sich auf sie verlassen konnte...

Kopfschüttelnd sagte sie: »Ich glaube nicht, dass das gut wäre.«

»Warum nicht?«

»Weil du dasselbe Recht hast, dich zu finden, wie umgekehrt ich. Folge deiner Spur, und ich folge der meinen.«

»Aber wir bleiben in Kontakt.«

»Wenn du das willst.«

»Du nicht?«

»Doch.«

Wollte sie?

»Die Reise nach Australien und der Aufenthalt in Sydney werden einiges an Geld verschlingen«, sagte er. »Ich hoffe, du lässt mich wenigstens das für dich regeln?«

»Wenn deine Kreditkarten noch gültig sind...«

Er zuckte die Schultern. »Das lässt sich herausfinden, oder?«

Sie schwieg und versuchte in seinen Augen zu lesen. Fast belauerten sie einander.

Freunde, dachte Lilith, sollten das nicht tun.