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Impressum

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Tropen

www.tropen.de

© 2014 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Herburg Weiland, München

Unter Verwendung eines Fotos von © Martin Fengel

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-50125-4

E-Book: ISBN 978-3-608-10722-7

Dieses E-Book entspricht der 2. Auflage 2014 der Printausgabe.

NO ONE IS INNOCENT

Ronald Biggs

Aussichten

Der erste ICE aus Berlin kam in die Stadt gekrochen. Der weiße Hai war müde, er hatte stundenlang dreitausend Tonnen bewegt und immer wieder bis 260 km/h beschleunigt. In seinem Bauch saßen und lagen fünfhundert Menschen, die seinen Einsatz für selbstverständlich hielten. Die wenigsten von ihnen konnte er leiden, aber er hatte sein Bestes gegeben, um ihnen die Fahrt so angenehm wie möglich zu machen und sie ans Ziel zu bringen. Das war sein Auftrag und er hatte ihn fast ausgeführt. Es war nicht seine Schuld, wenn sie zu spät kamen. Sollten sie sich doch in eine Blechkiste setzen. Die endlose Litanei ihrer Beschimpfungen kratzte ihn nicht. Sollten sie sich doch mit einer Nummer in der Verwaltung in Verbindung setzen.

Es waren die Menschen draußen, die ihm auf die Nerven gingen. Sie waren schuld, dass er durch die Städte kriechen musste, als wäre er unterwegs angeschossen worden. Sie nannten es Lärmbelästigung. Eine dumme Sache, an der ihm nur ein Detail gefiel – die langsame Geschwindigkeit machte ihn scheinbar doppelt so lang. Es sah so aus, als würde er sich jetzt mit einer Länge von einem vollen Kilometer in die Stadt schieben, Baby, falls hier jemand mit seinem Lastwägelchen mehr zu bieten hatte, sollte er vortreten und mit lauter Stimme sprechen.

In drei Minuten würde ihn ein Stahlblock an der Weiterfahrt hindern, den er leicht aus dem Weg fegen könnte. Wenn dieser dumme Mann nicht in seinem Kopf sitzen und sich an die dämlichen Vorschriften halten würde. War noch Zeit genug, um wieder auf 100 km/h hochzugehen. Wäre eine Kleinigkeit, bei aller Müdigkeit. Der weiße Hai sehnte den Tag herbei, an dem er mitten in der Stadt seine ganze Kraft zeigen und den Sackbahnhof mit voller Wucht attackieren könnte. Wie es danach mit ihm und seiner Umgebung aussah, war ihm egal, genau wie diesen Menschen, die es endlich einmal allen richtig zeigen wollten.

Zugüberfälle waren aus der Mode gekommen. Die Chance, dass er nachts angehalten wurde und ein Typ mit einem Tuch vor dem Mund dem Mann in seinem Haikopf eine Kugel verpasste, war gleich null – es war ein Elend!

Auf seinem Balkon beobachtete Robert Fallner den in die Stadt hereinschleichenden Hai und war wie immer fasziniert von diesem Anblick. Der ICE war eine in der Sonne glänzende mobile Kunststoffmauer, die eine geteilte Stadt skizzierte – ein paar Intercity-Express-Einheiten aneinandergehängt, und es würde aussehen wie der Beginn einer neuen Staatsgrenze. Oder wenigstens wie die extravagante Ouvertüre eines Terrorkommandos. Was nicht selten so was Ähnliches wie eine Staatsgründung war. Die Geräuschlosigkeit der Aktion verstärkte das Bizarre des Anblicks. Die Kette der weißen Waggons, die im Netz der Schienen und Masten und dreckigen Güterwagen aus der Entfernung nur wie Spielzeug aussahen. Fallners Balkon war so weit weg, dass er vom weißen Hai nur ein leises metallisches Klicken hörte – falls die überall da unten winselnden und nörgelnden Blechkisten mal für eine Sekunde die Schnauze hielten, was jedoch am frühen Morgen etwa so wahrscheinlich war wie der Überfall, den das Monster sich garantiert erträumte. Wenn man in einem Bahnhof neben den Dingern stand, musste jeder erkennen, dass es sich nicht um moderne Zugmaschinen handelte, sondern um gewalttätige Monster.

Es handle sich bei seiner Schwäche für Züge und Bahnhöfe um viel mehr als nur eine männertypische Marotte, meinte seine Frau. Die vielen Stunden, die er vom Balkon aus auf das bescheuerte Schienennetz starre. Das sei ein massiver Defekt. Er sah keinen Grund, ihr zu widersprechen. Es war seit einiger Zeit der schwächste von einigen massiven Defekten.

Fallner konnte, wie seine geliebten Monstermaschinen, die Blechkisten, die sie verharmlosend Auto nannten, nicht ausstehen, und nicht mal als kleiner Junge, der zu jedem lebensgefährlichen Abenteuer bereit war, hatte er sich für ihre edelste Form, diesen Formel-1-Dreck, begeistern können. Autos gingen ihm auf die Nerven wie lallende Besoffene, denen Luftschlangen um den Hals hingen. Ihr endloses Tröten und Quietschen, kleine blöde Ratten, die der große Zug leider nur zerquetschen konnte, wenn sie auf seine Schienen kamen. Sie wieselten neben ihm auf der Straße und schienen kläffend an ihm hochzuspringen. Früher hatte es Waggons gegeben, hinter deren großen Schiebetoren Maschinengewehre mit drei Beinen postiert waren. Hätte man doch nicht abschaffen müssen.

Jaqueline kam aus dem Wohnzimmer und stellte sich neben ihn. Sie trug Uniform und hatte ihre Waffe noch nicht abgelegt. Sie trug im Dienst schon lange keine Uniform mehr und hatte also an einer großen offiziellen Aktion teilgenommen. Er selbst hatte zuletzt bei einer Beerdigung vor über einem Jahr Uniform getragen.

Neben dem Mann im roten Morgenmantel eine Polizistin in Uniform – irgendwo dort draußen war vielleicht ein Fernglas auf sie gerichtet und jemand war gespannt, wie es weitergehen würde. Er hätte zuerst auf irgendwas mit Korruption getippt. Wegen des Abstands zwischen den beiden. Sah nicht so aus, als würde sie die Uniform tragen, um Gefühle anzuheizen.

Er fragte sie, ob alles in Ordnung sei und warum sie die Uniform anhabe, aber sie antwortete nicht. War anscheinend nur damit beschäftigt, die Aussicht zu genießen – am Ende ihrer Welt strahlten die Berge. Wenn die Aussicht gut war, dann ließ sie einen für ein paar Sekunden alles andere vergessen. Wie ein Blick ins Jenseits, den man nur für besondere Verdienste gewährt bekam.

»Du siehst so aus, als würdest du’s heute auf Teufel-komm-raus packen wollen«, sagte Jaqueline.

»Keine Ahnung.«

»Tu’s nicht. Bleib zu Hause. Schau dir die Züge an. Geh brav zu deiner komischen Therapeutin. Aber fahr nicht da draußen in der Welt herum. Ich habe kein gutes Gefühl.«

»Geht mir genauso.«

»Du wirst wieder in was reingeraten. Aber du legst es auch drauf an, stimmt’s? Irgendein Scheiß wird schon passieren, und wenn nicht, dann drehst du’s eben so hin, dass was passiert.«

»Elftes Gebot: Du sollst nicht so wahnsinnig übertreiben.«

»Du kannst mich mal«, sagte sie. »Dann hau doch endlich ab und quatsch nicht immer nur.«

Drehte sich um und fiel ins Bett.

Außerirdische

Wer weiß denn so genau, ob seine Reise eine Flucht ist oder ein Ausflug, Urlaub oder Untertauchen, dumme Angewohnheit oder als Abenteuerlust verkleidete Langeweile, Bildung oder eingebildeter Anfang am echten Ende, Hab-ich-mir-doch-auch-mal-verdient oder Ihr-könnt-mich-mal-alle?

Fallner wusste es nicht. Er stand am Balkon des Cafés über den fünfunddreißig Gleisen des Hauptbahnhofs und es interessierte ihn nicht. Es war vollkommen egal, ob seine geplante Reise ein Abgang oder nur Zeit- und Geldverschwendung war. Wenn er damit ein paar Probleme beseitigen könnte, wäre es gut. Wenn es eine Zeitreise wäre, die ihn zehn Jahre zurückwarf, wäre es besser. Und wenn er es schaffen würde, jetzt einzusteigen und endlich wie seit Wochen geplant loszufahren, hätte er sein größtes Ziel schon erreicht.

Er brauchte keinen Scheißdoktor, um zu erkennen, dass die Chinesische Mauer so lang und breit war wie die Wand, vor der er stand. War keine wahnsinnige Leistung. War so einfach wie einen Tatort absperren. Er war noch nicht so verblödet, dass er den Kern seines Problems nicht selbst erkannte: Er konnte die Tür in der Wand nicht finden, durch die er auf die andere Seite kam.

Und der einzige Doktor auf der Welt, der ihm die Tür zeigen konnte, war natürlich gerade unbekannt verzogen. Es war mit ihnen wie mit den Bullen: Wenn man diese Doktors wirklich mal brauchte, um mit dem Kopf durch die Wand zu kommen, waren sie nicht da.

Während seine Psychotherapeutin der Meinung war, nicht die Wand, an der er stehe, sei sein Problem, sondern allein der Weg sei das Ziel. Er selbst war jedoch der Meinung, dass der Weg der Weg war und sonst nichts. Und dass man sich von seinem Weg nichts Besseres wünschen konnte, als ihn begehen zu können, ohne dabei eine Kugel in den Kopf zu bekommen.

»Sie immer mit Ihren Polizeisprüchen, glauben Sie das wirklich im Ernst?«, hatte ihn Frau Dr. Vehring gefragt.

»Glauben Sie im Ernst, dass ich was anderes glauben sollte?«, hatte er geantwortet.

Er besuchte sie seit drei Monaten, hatte zwei Tage, nachdem er den Jungen erschossen hatte, den ersten Termin gehabt und sich inzwischen angewöhnt, möglichst viele ihrer Fragen mit Fragen zu beantworten. Das hatte ihm ein Bekannter geraten, der das Spiel zu spät durchschaut, zuletzt aber angeblich die Sache kapiert hatte.

»Meine Aufgabe ist es nicht, Ihnen zu sagen, was Sie glauben sollen, oder haben Sie etwa den Eindruck?«

»Muss ich drüber nachdenken. Aber mal ehrlich, Doc, meine eigentliche Frage ist die: Könnten Sie sich vorstellen, dass ich auf einen Beruf umschule, bei dem ich nur Fragen stellen muss, um dann das Vierfache von meinem Job zu verdienen, bei dem ich die ganze Zeit nur mit Arschgeigen zu tun habe, die nicht mal die Frage beantworten können, ob sie vielleicht mal die Klappe halten könnten? Ich meine, ich habe Abitur, ich habe studiert, vergessen Sie das nicht. Oder ist es das Fünffache? Jetzt packen Sie aus, Frau Doktor, sagen Sie mir doch endlich mal was Nettes.«

Sie hatte lachen müssen. Er versuchte, sie möglichst oft zum Lachen zu bringen, denn sie sah gut aus, wenn sie lachte. Sie spielte nicht den weisen Doktor, der gütig, aber mit undurchdringbarem Ernst auf seinen Patienten herabsieht. Sie unterhielten sich und sie stellte tausend Fragen pro Stunde; ob der Junge immer gleich aussah, wenn er in seine Träume einbrach und solche Sachen. Das Geständnis, dass sie keine Ahnung hätte, wie man ihn wieder in die Spur bringen könnte, schien ihr nichts auszumachen. Musste man herausfinden, das war der Job, und es gab keine Garantie, dass die berühmten kleinen Schritte irgendwohin führten. Er glaubte nicht, dass sie ihm helfen konnte – und genau das war typisch für Cops, erklärte sie ihm; nur die meisten weiblichen Cops sahen es anders, und damit war die Berufsgenossenschaft der Bullen nur ein Spiegel der Gesellschaft. Aber irgendwann fiel ihm auf, dass es ihm guttat, sie zu treffen, und dass er mit ihr mehr redete als mit irgendeinem anderen Menschen. Und wenn sie lachte, fühlte er sich besser, es fühlte sich an wie eine gute Tat.

Als seine Jaqueline ihn fragte, ob er sich wünschte, mit ihr Sex zu haben, sagte er: »Quatsch.«

»Wieso denn Quatsch – ich habe gelesen, dass das völlig normal ist, wenn der Patient von seinem Psycho irgendwann auch richtig gefickt werden will.«

»Im Kino gelesen oder wo sonst.«

»Sie saugt dir möglichst viele Worte raus, aber es hilft nichts, wie man sieht, also probiert sie eben mal was anderes aus, ist doch logisch.«

»Mann, sie ist einundsechzig.«

»Na dann, sogar ohne Gummi!«

Er stand auf dem Balkon über den Gleisen und überlegte, ob er sie anrufen sollte und fragen, ob sie nicht ihren gebildeten und mit einem Dr. ausgezeichneten Arsch zu ihm bewegen könnte, um ihn zum Zug zu bringen, ihn reinzubefördern und zu warten, bis die Türen geschlossen waren … In der wimmelnden Masse unter ihm auf dem Platz vor den Gleisen erregte eine viel jüngere Frau seine Aufmerksamkeit. Sie war im Getümmel stehen geblieben und beschwerte sich, ruderte mit den Armen und drehte sich hektisch, ohne dass ein Anlass oder Ansprechpartner zu erkennen war. Sofort gingen die Leute mit Abstand um sie herum, und sie stand in einem leeren Kreis, wie auf einer Bühne im Scheinwerferkegel, umgeben von eiligen Körpern. Fallner verstand kein Wort ihrer Anklage, aber passend zur Aktion hatte sie sich aufs rote Haar ein lila Hütchen gestellt, aus dem mehrere kleine Spitzen ragten, was aussah wie die Station, auf der die Außerirdischen landen und dann die Welt erobern würden. Er kontrollierte automatisch ihre weitere Umgebung, konnte jedoch kein Filmteam entdecken und auch keine Partner. Sie war klein, rund, fünfzig und hatte womöglich einen Schlag bekommen, weil jemand im Vorbeigehen Mach-mal-Platz-du-blöde-dralle-Maus gesagt hatte. Für Menschen mit dünner Haut war das hier die falsche Kreuzung. Auch viele jüngere Menschen hatten sichtbar Probleme, die Mitte des Hauptbahnhofs am späten Vormittag zu durchqueren, ohne von dem Gedanken gepackt zu werden, sie könnten am Ende der Rolltreppe in der nächsten Irrenanstalt rauskommen. Ging ihm nicht anders, machte ihn wahnsinnig, wenn er permanent bedrängt, angetatscht und herumgeschoben wurde. Seltsam, dass am Punkt mit der besten Aussicht nie Gedränge war – auf dem Balkon war der beste Platz im All. Deshalb schaffte er es nie, zum Zug zu kommen.

Der Balkon zu Hause und der Balkon im Bahnhof. Er hatte sich früher nie für irgendeinen verdammten Balkon interessiert. Plötzlich waren es die einzigen Plätze, an denen er leben wollte. Das sollte sein Doc mal interpretieren.

Falls die Freundin der Außerirdischen nur einfach mal von Bundespolizisten in den Arm genommen werden wollte, musste sie mehr bieten und noch eine Weile durchhalten. Oder Unterstützung von einem besoffenen Hooligan bekommen. Sie tat ihm leid, durchgedreht hilflos wie sie war und dabei so unheimlich, dass niemand bei ihr stehen blieb.

Es würde ihm gehen wie ihr – am Ende würde er wieder in Uniform und mit einem lila Hütchen an einer Straßenkreuzung stehen und die Namensschilder von Brummifahrern aufschreiben.

Das neue Lieblingswort

»Machen Sie das«, hatte seine Therapeutin gesagt, als er ihr von seinem Plan erzählte, sich mit einer langen Zugfahrt ins Blaue selbst heilen zu wollen.

Herr im Himmel – hatte er heilen gesagt?

Er glaubte sich zu erinnern, dass er was mit Perspektiven gesagt hatte, mit einer langen Zugfahrt äh ja neue äh Perspektiven oder so. Er redete eine Menge Schrott in letzter Zeit, wenn Erklärungen gefragt waren, wo es nicht viel zu erklären gab.

»Oder sind Sie unsicher, ob Sie das wirklich wollen?«

»Bin ich nicht. Ich will diese lange Zugfahrt machen, seit ich ein Kind war, ein Kindheitstraum, und jetzt gibt’s nichts Besseres zu tun. Jetzt muss es sein. Ich habe den ganzen Scheiß satt, verstehen Sie?«

»Was genau meinen Sie mit dem ganzen Scheiß?«

Schwer zu sagen, ob sie sich dumm stellte. Ob Sich-dumm-Stellen ein wichtiges Instrument in ihrer Trickkiste war. Oder ein Charakterzug? Er hatte noch nicht herausgefunden, ob sie ihn für unterbelichtet hielt. Oder für einen Burnout-Krüppel. Oder für einen dieser Psychopathen, für die eine Uniform oder die Lizenz für Gewaltausübung die ideale Tarnung war.

Man musste davon ausgehen, dass mindestens zehn Prozent aller Polizisten Psychopathen waren. Das war nicht nur seine, sondern auch die Einschätzung von Leuten, die von weiter oben mehr Überblick hatten und das offiziell oder öffentlich niemals sagen würden. Fallner war sich sicher, dass sein gefährlich schlauer Doc diese Zahl kannte. Und vielleicht sogar Zahlen, die präziser als die berühmte Dunkelziffer waren und noch höher als diese wahnsinnigen zehn Prozent und in ihrem Safe schwelten und irgendwann beim geringsten Luftzug explodieren würden.

»Meinen Sie Ihren Beruf mit dem ganzen Scheiß? Oder Ihr ganzes Leben? Oder nur diesen Unfall?«

»Ich liebe Sie, Doc, wenn Sie Unfall sagen. Seit ich bei Ihnen im Training bin, ist Unfall mein neues Lieblingswort. Früher war Jazzbandtourneemanager mein Lieblingswort, ehrlich, wie es dazu kam, weiß ich im Moment nicht mehr, aber genau das war das Wort, das mich wie nichts faszinierte. Doc, was hören Sie eigentlich für Musik? Soll ich mal raten?«

Sein Chef gab ähnlich lebenswichtige Kommentare zu seinem Vorhaben ab: »Ich erwarte, dass Sie permanent zu erreichen sind, Tag und Nacht und egal, in welcher Situation Sie sich befinden.«

»Vollkommen klar. Spätestens zehn Stunden nach Ihrem Anruf bin ich hier, also spätestens. Wir leben ja in einem relativ kleinen Land, und wenn’s sein muss, kann ich auch ’nen Flieger nehmen.«

»Für einen dienstunfähigen Mann haben Sie ganz schön große Pläne.«

»Das ist kein Urlaub, das ist eine Spezialtherapie, wenn Sie so wollen, um endlich wieder diensttauglich zu werden. Alles andere ist nicht so wichtig, das ist klar.«

»Ich erwarte, dass Sie dieses Ziel zeitnah im Auge behalten. Sie wissen, dass wir jeden guten Mann dringend brauchen.«

»Das garantiere ich Ihnen.«

Der Chef hatte seine Idee nicht für so gut befunden. Und er hatte irgendwo in seinem erfolgreichen Kopf einen kleinen Rest Misstrauen. Denn er war der Chef. Aber Fallner hatte in der Zeit nach dem Unfall zweimal guten Willen gezeigt, war zur Arbeit erschienen, um Aufgaben im Innendienst zu übernehmen, weil er bis zur Klärung seines Falls natürlich nicht draußen mit einer Waffe herumlaufen durfte. Beim ersten Versuch hatte er sich nach ein paar Stunden mit einem Kollegen so heftig gestritten, dass er das Kommando bekam, nach Hause zu gehen, um seinen Gesundungsprozess noch etwas arbeiten zu lassen; beim zweiten Versuch hatte er zwei Tage eisern durchgehalten, ehe er ohne erkennbaren Grund umgekippt war. Seine Therapeutin hatte ihn gewarnt, ihm abgeraten, aber ihm die Entscheidung überlassen. Er war wütend, dass er nicht fähig war, irgendeinen bescheuerten Dienst zu tun – dass ihm eine Sache, die er nicht orten konnte, von hinten in den Rücken trat, obwohl er wusste, dass er keine andere Wahl gehabt hatte, als auf den Jungen zu schießen. Mit dem Risiko, ihn zu töten.

Und der Chef hatte keine andere Wahl gehabt, als ihn wieder arbeitsfähig werden zu lassen – wie er das anstellte, war dem Chef egal, Hauptsache nichts Illegales, selbstverständlich, kein neuer Ärger, logisch. Wenn seine Therapeutin die Sache mit dieser Zugfahrt unterstützte, würde er dem Blödsinn auch eine Weile zusehen.

Zusehen mit Einschränkungen – »hier«, hatte der Chef gesagt, als Fallner schon aufgestanden war, und ihm einen schmalen Ordner hingeworfen.

»Sehen Sie sich das an. Wenn Sie schon durchs ganze Land fahren müssen. Die Kollegen sind informiert. Können jede Hilfe gebrauchen. Mobilität ist das Ungünstigste, was dir in so einem Fall passieren kann, sie vermuten einen Typ ohne Auto, das ist der Punkt. Sie glauben, der fährt mit dem Zug durch die Gegend, um seine Opfer zu finden. Sechs tote Frauen. Für mich ist die ganze Theorie Schwachsinn, aber egal, Sie sind jetzt eben auch mit Ihren Zügen unterwegs. Es geht nur darum, dass Sie die Augen offenhalten, das ist alles. Man hofft mal wieder auf den Zufall, also spielen Sie mit. Im Rahmen Ihrer Spezialtherapie, versteht sich.«

»Geht klar«, sagte er.

War Arbeit. Ganz klar. War ja sein Spezialgebiet: die Augen offenhalten; im Besonderen bei Theorien, die man als schwachsinnig einstufen konnte. Hatte er sogar Fernkurse an der Universität von East Los Angeles belegt und war seitdem der Nr.-1-Augen-offen-Halter in Deutschland. Er hielt die Augen noch offen, wenn man anderen schon die Münzen auf die Augen gelegt hatte, mit denen der Fährmann über den letzten Fluss bezahlt wurde.

Er war arbeitsunfähig, aber es gab immer was zu tun. Seine Augen hatte er automatisch offen, auch wenn er arbeitsunfähig war, und das hieß, dass er für diesen Spezialeinsatz absolut arbeitsfähig war – hatte es nicht jemand mal so formuliert, dass du die Chance nutzen musst, die du nicht hast?

Sah so aus, als wäre die Zeit gekommen herauszufinden, was das zu bedeuten hatte.

Sollte keiner denken, dass Bullen, die nicht im Dienst waren, nichts zu tun hatten – er passte auf, dass der netten Dame mit dem lila Hütchen niemand den Kopf abriss.

Er war draußen, aber er war nicht blöd – er wusste, wann er vom Chef einen Tritt in den Arsch bekam, der aussah wie eine freundliche Geste.

Fuck off, Albträume

Vor dreiundvierzig Jahren war er auf die Welt gekommen, vor zweiundzwanzig Jahren in die Stadt, vor acht Jahren zum ersten Mal in Jaqueline, vor drei Monaten hatte er bei einem Einsatz den achtzehnjährigen libanesischen Gangster Maarouf in der Wohnung seiner Eltern erschossen, und es musste geklärt werden, ob er in Notwehr gehandelt oder eine fahrlässige Tötung begangen hatte, vor einem Monat hatte er sich eine 2. Klasse-BahnCard 100 für viertausendneunzig Euro gekauft, und seitdem stand er fast jeden Tag am Balkon über den Gleisen des Münchner Hauptbahnhofs oder kurvte irgendwo dort unten herum mit Rollkoffer und Umhängetasche und dem festen Vorsatz, sich irgendeinen Zug von der Anzeigetafel zu picken und loszufahren. Ziel unbekannt. Dauer der Reise ungewiss.

Einschränkungen: Deutschland verlassen verboten; die Fahrkarte war nur ein Jahr gültig.

Die Details sollten die Götter des Zufalls und des Schicksals regeln, falls diese Märchenonkel die Güte hatten, sich ausnahmsweise um einen problembeladenen Gesetzeshüter zu kümmern. Er hatte sich nur vorgenommen, mit der Fahrt nach Hamburg zu starten. Ob er dort in den Zug nach Mückenkiller oder Rostock oder in den ICE Heimathafen stieg, würde sich ergeben.

Denn das war die Tür in der Wand vor ihm – er würde so lange fahren, umsteigen und weiterfahren, bis er seine Problemzone verlassen hatte. Ein Reinigungsritual: Heilung durch Bewegung, Perspektive durch Mobilität! Diese Dummheiten, die man aus einem Wartezimmer mitgenommen hatte, und dann war man zu schwach, um sie nicht mit Hoffnungen aufzutanken. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass das seine Chance war. Und seine Albträume sagten, dass es seine einzige Chance war, und wenn er sie nicht nutzte, würde er nie wieder eine andere bekommen.

Fuck off, sagte er zu den Albträumen.

Fuck off mit deiner Schnapsidee, sagte Jaqueline.

Es war wie immer nicht ausgeschlossen, dass sie richtig lag. Denn seit einem Monat schaffte er es nicht loszugehen, einzusteigen, abzufahren und den guten Plan in Angriff zu nehmen, obwohl sie ihn sein halbes Leben trainiert hatten, Entscheidungen schnell zu treffen und umzusetzen. Er hatte die Sehnsucht, endlich loszufahren, den Glauben, dass es ihm guttun würde, und stand dann am Bahnsteig und schaffte es nicht. Wusste nicht, warum, und konnte mit niemandem darüber sprechen, außer mit dem Doc, dem nichts dazu einfiel, außer ihn zu fragen, warum er sich damit unter Druck setze.

In diesem Verlierermonat war die Wut auf sich selbst so groß geworden wie die Wut auf den Jungen, der ihn gezwungen hatte, auf ihn zu schießen. Der am Tisch gesessen hatte und seine Waffe ziehen wollte. Dämlich genug zu glauben, die Bullen hätten Schiss vor ihm.

Dieser kaputte Drecksack, ohne den die Welt besser geworden war, brach jederzeit in seine Tag- und Nachtträume ein. Lachte sich kaputt, weil die Bullen die Waffe, die er angeblich ziehen wollte, nicht finden konnten – »damit sieht das aber nicht so günstig aus für deine tolle Notwehr-Geschichte, Herr Superoberkommissar«, zischte Maarouf in Fallners Träumen –, und arbeitete daran, den Mann, der ihn erschossen hatte, ebenfalls aus der Welt zu schaffen.

Und jetzt hatte er es fast geschafft.

Heute, hatte sich Fallner auf seinem Balkon geschworen, nachdem ihn seine Ehefrau, Kriminalhauptkommissarin Jaqueline Hosnicz, siebenunddreißig, verhöhnt hatte, musste es endgültig losgehen oder er würde seinen Kindheitstraum abhaken und alles aufgeben – und jetzt stand er wieder seit einer Stunde auf diesem Bahnhofsbalkon oder saß am Tisch mit einer Tasse Kaffee. Kotzte sich selbst an und betrachtete den Tumult unten am zentralen Platz im Bahnhof, wo die von drei Eingängen und den Gleisen kommenden Ströme aufeinandertrafen, begleitet von den Durchsagen, die sie zu dirigieren schienen, die Männer, an denen Frau und Kind zerrten, während es um Sekunden ging, und die Mädchen, die immer kleiner und dünner wurden, während ein Junge endlos lange auf sie zukam. Dazwischen Gestalten, die wie zu ihrer Hinrichtung schlichen, und andere, die vor der Anzeigetafel verharrten, als stünden sie in tiefster Einsamkeit auf einem Berggipfel. Und dort zwei Männer, die inmitten des Getümmels Mund an Ohr diskutierten. Waren garantiert nicht hier, um einen Zug zu nehmen, so wie die diskutierten und dabei mit Suchscheinwerfern ihre Umgebung beobachteten. Sondern möglicherweise, um jemanden abzuholen, der noch nicht wusste, dass er abgeholt wurde. Ein Kindersportwagen fuhr an ihnen vorbei, aus dem ein brüllendes Kind zu klettern versuchte, was nicht klappen konnte, weil die Mutter den Wagen nach hinten kippte und das Kind zurückfiel, ohne zu bemerken, dass die beiden Männer seine Mutter und ihre blauen Hotpants und die hohen roten Cowboystiefel und die nackten Beine begutachteten, die an einem Koffer vorbeistolzierten, dessen Besitzer Fallner nicht ausmachen konnte und den er jetzt sofort bei den Kollegen melden sollte – ein unbeaufsichtigtes Gepäckstück.

Er sollte sofort losrennen. Jetzt.

Um als Erster das verdächtige Stück zu erreichen und mit fast durchgedrehter, nicht den geringsten Protest duldender Stimme den Passanten zu befehlen, die Umgebung sofort zu räumen. Hatte er gelernt, wie man das machte und oft genug vorgeführt. Diese Arschkriecher hätten vor ihm mehr Schiss als vor diesem Scheißkoffer. Mit etwas Glück würde sich sein Verdacht als berechtigt erweisen und er hätte sich einen Bonus verschafft, wenn diese Obermeister von der Internen Ermittlung endlich den Gang einlegten, um seinen Fall abzuschließen. Sein Chef und dessen Chef, über dem es keinen Chef mehr gab, der mit echter Polizeiarbeit zu tun hatte, würden ihnen mit leiser Stimme erklären, dass sie diesem Kollegen, der Hunderten von Bürgerinnen und Bürgern das Leben gerettet hatte, ohne an sein eigenes zu denken, nicht mal den Schatten eines Haars krümmen sollten, falls sie nicht den Rest ihres Berufslebens mit Personenschutz verbringen wollten. Nur einen Seitenblick und eine Sekunde später sah Fallner, dass der Koffer weg war und dass die beiden Männer, die die blauen Hotpants der Mutter mit dem Kindersportwagen so wie er bewundert hatten, im Gang zur Gepäckaufbewahrung verschwanden, während das Kind, das schon wieder im gekippten Kinderwagen zurückfiel und brüllte, fast die Treppe zur S-Bahn erreicht hatte – dieses unfassbare Wimmelbild, das in einer permanenten Hin-und-Her-Bewegung flimmerte und in Zeitlupe zersplitterte und sich wieder neu aufbaute, ehe es sich dann am späten Abend immer mehr auflöste und nur noch selten zu sehen war, hatte ihn schon im Kleinen, in seiner Andeutung, als Kind am Kleinstadtbahnhof fasziniert.

Er fragte sich, ob diese Faszination der wahre Grund war, dass er es nicht schaffte, wie geplant loszufahren. Warum sollte er losfahren, wenn es ihm Freude bereitete, im Bahnhof zu sein und den Betrieb zu beobachten?

War denn jener kein hoffnungsloser Dummkopf, der ins Nichts fuhr, obwohl er auf einem guten Posten stand?

Die interessantere Frage war, warum ihn die Kollegen an den Überwachungskameras seit einem Monat in Ruhe ließen, obwohl er gelegentlich sogar eine Zigarette rauchte. Konnte nur bedeuten, dass ihn dort jemand kannte und die anderen informiert hatte … den Mann müsst ihr nicht, einer von uns, mit ’nem ganz großen Schatten, der Ihr-wisst-schon-wer-Typ.

Doch die eigentliche Frage, die ihn wie alle Verlierer beschäftigte, war, warum manche Menschen so leicht ihren Lebensunterhalt verdienten (und wann das Wort Lebensunterhalt endlich auf dem elektrischen Stuhl landete), während andere sich täglich die Finger schmutzig machen mussten. Er konnte sich, ohne die Fotos im Detail abzurufen, an einige Situationen erinnern, die er nur mit Glück überlebt hatte. Um sich danach anhören zu müssen, das gehöre eben zu seinem Job, falls die Bemerkung erlaubt sei. Die Bemerkung war eine verdammte Beleidigung – war er vielleicht einer dieser Idioten, denen das nicht klar war und die es erst dann kapierten, dass die Lebensgefahr zum Job gehörte, wenn ein Stahlgeschoss neben ihnen einschlug?

Im Bertls Eck, der Kneipe gegenüber seiner Wohnung, hatte ihm ein Held im Tarnanzug einmal geklagt, dass er bei seinem Dienst in Afghanistan immer wieder in Lebensgefahr sei. Ein Soldat, der sich freiwillig zum Einsatz dort gemeldet hatte – Jesus, Maria und Josef! Wenn die Sicherheit des Landes von derart intelligenten Helden abhing, sollte man es besser wieder teilen und dann verkaufen.

Er drehte sich um und ging ins Café an die Theke, um sich den nächsten Kaffee zu kaufen. Die junge Frau in der rotschwarzen Uniform lächelte ihn an. Sie waren schon fast alte Freunde. Er könnte langsam versuchen, sich nach Dienstschluss mit ihr zu verabreden. Sie würden sich in einem der Cafés an der Vorderseite des Bahnhofs treffen, er würde sie einladen, weil sie mies bezahlt wurde, und sie würde in ihrer Uniform zu ihm sagen, ja, schon richtig, sie könnte seine Tochter sein, aber sie könnte auch seine zukünftige Ex-Frau sein, der es dann bald zu langweilig mit ihm geworden war, weil’s ihm beim Heavy-Metal-Konzert immer zu laut war und pipapo.

Er hatte in der Zeitung gelesen, dass Heavy Metal jetzt das neue Ding war, und dann seinen Chef gefragt, ob er den Fall übernehmen könnte, den alten Langhaarschrott aus dem Weg zu ballern. Aber sie sah nicht nach Metal aus, sondern strahlend gesund wie Milchwerbung. Und eine Sensation: keine Tätowierung. Ob sie an einer Ferse ein Hakenkreuz hatte, konnte er nicht sehen. Seit sie sich besser kannten, redeten sie viel miteinander.

»Zweisiebzig wärn’s dann, bittschön.«

»Dann sag ich drei, wenn’s Ihnen recht ist.«

»Aber wirklich nur, weil’s Sie sand.«

Ja, sie sagte sand. Und Fallner gab sich alle Mühe, nirgendwo anders hinzusehen als in ihre Augen. Ihr Namensschild war allerdings nicht an den Augen befestigt.

»Das werde ich Ihnen nie vergessen, Frau Hallinger, Sie sand so ein Sonnenschein, ich schmelze dahin, einen wunderschönen Tag wünsch ich«, sagte er.

Jaqueline hatte er seit jener Nacht weder derartig angeflötet noch angemacht. Nur umarmt, so wie ein Wrack jemanden umarmte, um etwas Trost zu bekommen.

»Ach, und jetzt gehen Sie gleich wieder, das kann doch nichts werden!« Was hätte sie gesagt, wenn sie alles von ihm gewusst hätte?

Früher waren Leute so gut wie verheiratet, wenn sie so miteinander schäkerten – und in gewissen Gegenden so gut wie tot, wenn sie es bereits mit jemand anderem waren.

Die Anzeigetafel ratterte und plötzlich stach ihm Hamburg ins Auge, wie Neonbuchstaben nachts an einer einsamen Straßenkreuzung in einer schlafenden Stadt, die einen aufforderten hereinzukommen. Wenn das kein Zeichen war. Er hatte sich von Anfang an vorgenommen, mit Hamburg anzufangen. 6:42 Stunden Fahrt waren ein guter Absprung. Wenn er abends ankam, war es zu spät, um sofort wieder nach Hause zu fahren, falls ihn der Mut verließ. Ein klarer, logischer Plan, mit nur dem einen Haken, dass er seit Wochen nicht funktionierte.

Vielleicht waren, ohne an Verspätung zu denken, 6:42 Stunden zu viel für einen angeschlagenen Mann, dem seine Frau vorwarf, er habe sich schon zu lange darin gefallen, als »harter Kerl durch die Welt zu latschen, für jeden kommt der Tag, an dem er mal in aller Ruhe aus dem Fenster sehen sollte, das ist doch keine Schande, Mensch«, und das sage er doch selbst, dass in seinem Kopf etwas viel durcheinandergehe. Nein, das stimmte nicht – sie hatte gesagt: »Wenn du schon selber sagst, dass in deinem Kopf etwas viel durcheinandergeht, dann würde ich aber mal etwas aufpassen.«

Nicht ausgeschlossen, dass sie mal wieder richtig lag. Und es besser war, zuerst einen kleinen Trainingslauf zu absolvieren, um sich auf die lange Reise vorzubereiten. Der langsame Aufbau war wichtiger als der schnelle Start. Wie die einfachen Weisheiten die besten waren und die Vorsicht die Mutter des Motherfuckers.

Die Strecke, die eine Zeile über Hamburg angezeigt wurde, schlug ihm einen idealen Trainingslauf vor: Dachau – Ingolstadt – Treuchtlingen.

Sicher, das war nichts für schwache Nerven, diese Kleinstädte, die er nicht kannte (außer den Namen der einen, den jeder kannte), und die ihm viel weiter weg zu sein schienen als Hamburg. Er würde mit diesen Käffern den Ernstfall proben, an jedem Ort aussteigen und sich den Bahnhof und die Umgebung ansehen und spontan entscheiden, ob er sofort wieder abzischte und sie ihrem Schicksal überließ oder ein paar Stunden oder auch noch über Nacht blieb oder sogar mehrere Tage. Jeder der Orte hatte sicher was zu bieten. Sicher auch Sehenswürdigkeiten, die in keinem Führer verzeichnet waren. Er würde glitzernde Kleinigkeiten im Unbedeutenden finden. In einer dunklen Gasse in Dachau ein Taschenmesser, in dem sich der Geist von Captain Beefheart spiegelte und seinen Dachau Blues aufheulen ließ; alle dachten immer, dass Bullen keine Ahnung von diesen Dingen hatten und nur debile Halbnazis oder dumpfe Beamte waren, und das war ihm schon immer extrem auf die Eier gegangen. Und es waren immerhin Städte, die so nah waren, dass er schnell zu Hause sein konnte, wenn er von Gespenstern und anderen Notfällen gerufen wurde. Wenn das kein perfekter Plan war.

Er zündete sich eine Zigarette an und hielt sie in seinem leichten offenen Mantel halbwegs verdeckt.

Was für ein erbärmlicher Blödsinn war das denn, den er sich da zurechtbog. Was für eine erbärmliche Idee, die schon verblödet war, ehe er genauer drüber nachdachte – in der Nähe bleiben und zuerst einen Trainingslauf absolvieren! Ein Schwächeanfall, so feiges Gelaber, dass sich sogar die Hühner totlachten. Als hätten sie ihm nicht jahrelang die wichtigsten Regeln fürs Leben ins Gehirn gehämmert.

Wenn du einsteigen willst, steig ein.

Wenn du’s wissen willst, dreh auf.

Wenn du schießen musst, musst du auch treffen.

Aber keine halben Sachen!

Niemals halbe Sachen, denn die halben Sachen sind der Tod – darauf hatte ihn schon sein Vater vor dreißig Jahren vorbereitet, obwohl er keine Ahnung hatte. Eine Weisheit, die bis heute den meisten Jungs eingetrichtert wurde, selbst von den Papis, die in ihrem Leben noch keine halbe Sache hinbekommen hatten. Man konnte ein dumm gesoffener Nazi sein und in seiner Freizeit Päderast, aber bloß keine halben Sachen! Nicht mal im Schlaf war eine halbe Sache erlaubt und nicht mal in der Schlange vor dem Kiosk da unten – dieser Kiosk … vor ein paar Nächten hatte er allein an diesem Kiosk angestanden.

Hatte sich gewundert, dass der Kiosk in tiefster Nacht geöffnet hatte.

Nirgendwo eine Person in Sicht … tiefste Nacht … trotzdem das Gefühl, beobachtet zu werden. Als würden sie, wenn er das erste Wort sagte, von allen Seiten brüllend auf ihn zulaufen. Er hatte drei Schritte zurück gemacht, dann wieder drei Schritte vor zum geöffneten Fenster, dann wieder drei zurück, und diese Bewegung immer wieder, als hätte ihn jemand aufgezogen, ein trommelnder Affe, der hin und her wackelte. Der dünne Kioskmann mit dem viel zu großen Spitzbauch wedelte sich mit einem Fächer Wind ins Gesicht, während er ihn anstarrte, als würde er durch ihn hindurchsehen. Er hatte eine gefährliche Ausstrahlung, was ihm, in Kombination mit seiner Gestalt, lächerlich vorkam, und er hatte gedacht, dass der Kioskmann sich diese Ausstrahlung viel zu billig gekauft hätte: im Sonderangebot nämlich. Das Wort war riesenhaft durch seinen Traum geschlingert. Und dann hatte er hinter dem Kioskmann das Schild mit der Aufschrift Sonderangebot! entdeckt, und dann hatte er Sonderangebot laut ausgesprochen und auf ihn gezeigt und musste laut lachen. Erst dann beugte sich der Verkäufer zu ihm vor und hob fragend das Kinn, ohne was zu sagen.

»Eine Makarow«, hatte Fallner gesagt.

»Mit oder ohne?«

Er wusste nicht, was er damit meinte, und sagte: »Mit. Einmal Makarow mit.«

»Mit ist aus. Nächste Woche wieder.«

»Dann eben ohne, kein Problem.«

»Zu spät. Gesagt ist gesagt.«

»Aber wir sind doch unter uns.«

»Unter uns ist niemand.«

»Aber wir alle sind doch unter dem gleichen Mond, das ist doch kein Problem.«

»Nehmen Sie Ihren Ausweis und verschwinden Sie, sonst rufe ich die Polizei.«

»Rufen Sie mich, mich hat noch nie jemand gerufen.«

»Machen Sie Platz.«

»Ich bin die Polizei und möchte auf der Stelle zu diesem Platz gerufen werden.«

»Sie werden gerufen werden.« Der Typ wirkte wie der Chef des ganzen Bahnhofs. Er spürte riesige Wut und wusste zugleich, dass er sie nicht zeigen durfte, weil dieses Kioskschwein am längeren Hebel saß.

»Packen Sie meine Makarow ein, mit mit oder ohne mit oder mit ohne.«

Er hatte das Gefühl gehabt, im nächsten Moment umzukippen, sich endlich umdrehen und verschwinden zu müssen, ehe was passierte. Aber er kam nicht von der Stelle.

»Gehen Sie jetzt, es gibt auch noch andere Menschen.«

Dass der Mann die Hand hob, als wollte er ihn berühren, hatte ihn aus seiner Starre befreit und er hatte sich umgedreht und die lange Schlange hinter ihm gesehen. Aufgetaucht aus tiefster, stiller Nacht. Niemand bewegte sich. Er ging die Schlange entlang und sah, dass der Junge, den er erschossen hatte, der Letzte in der Schlange war. Der Junge streckte ihm die offene Hand hin, als wollte er Frieden mit ihm schließen, aber plötzlich lag eine Makarow in der Hand des Jungen, obwohl er ihn nicht mit einer Makarow erschossen hatte, und er überlegte, ob es die Waffe des Jungen war, die sie nicht gefunden hatten, oder seine eigene Ersatzknarre, die ebenfalls niemand finden sollte. Als er sie ihm aus der Hand nehmen wollte, war Maarouf weg – und auch in der echten Schlange jetzt vor dem Kiosk konnte er ihn nicht entdecken. Tageslicht war nicht sein Lieblingsplatz. War es auch nicht, als er noch gelebt hatte. Etwas, das Fallner nicht störte, geschweige denn seinen Verdacht erregt hätte, obwohl er selbst anders eingestellt war, bereit, um acht Uhr morgens alles auf den Kopf zu stellen oder den Kopf einzuziehen, selbst wenn er zu dem Zeitpunkt nur eine Stunde geschlafen hatte.

Der Junge hatte seinen Job ähnlich ernst genommen. Erpressung, Nötigung, Dealen mit dem letzten Dreck, und er hatte allein oder mit Kumpels alles zusammengeschlagen und -getreten, egal, ob es ein Kind war oder sie eine tapfere Vier-gegen-einen-Nummer durchgezogen hatten. Fallner war über die Liste seiner Verdienstmedaillen informiert, als sie in jener Nacht die Wohnung seiner Eltern betraten, in der angeblich ein Schuss gefallen war.

Die Idee, seine illegale Makarow in die Reisetasche zu packen, hatte er jedoch schon vor dem Traum gehabt. Er hatte sie jeden Tag in der Tasche mit zum Bahnhof genommen. Das war keine Idee, sondern Gewohnheit. Er hatte seine Dienstwaffe in derselben Nacht abgeben müssen, hatte sie auf der Straße unaufgefordert sofort seinem Chef übergeben. Die Idee, er könnte unbewaffnet auf eine lange und unberechenbare Reise gehen, war absurd. So krank war er nicht.

Er sah unten in der flackernden Masse einen Hund stehen, um den sich, wie um die Frau mit dem außerirdischen lila Hut, die untergetaucht war, ohne dass er es bemerkt hätte, ein kleiner freier Platz gebildet hatte. Mittelgroß, kräftig, halblange goldbraune Haare. Der Hund schaute sich ruhig um, drehte dabei nur den Kopf – und glotzte ihm dann direkt in die Augen. Und bellte ihn an. Nicht unfreundlich, kam ihm vor.

»Schon gut«, sagte Fallner und nahm sein Gepäck.

»Wenn du nicht so ein verdammter Klugscheißer wärst, würde ich dich mitnehmen.«

Das 11. Gebot

Er ging den Bahnsteig runter Richtung Hamburg. Auf dem Weg vom Balkon zum Gleis wurde er gefühlte hundert Mal angerempelt. Er beherrschte sich mit aller Gewalt und schwitzte am ganzen Körper. Das war normal auf der Siegerstraße. Die Vorstellung vom Anblick großer Schiffe half ihm. Der Wind am Hafen würde seine Birne kühlen. Ein paar Linien von Johnny Griffins The Way You Look Tonight flatterten wie ein Schwarm panischer Vögel durch sein Hirn und ließen sich nicht verscheuchen. Ausgerechnet Fetzen eines Stücks, das selbst die Nerven einer Leiche anzünden konnte, flogen ihm durch den Kopf.

Er musste sich setzen, einen kleinen Bereich für sich allein haben. Alle Bänke waren voll belegt. Der ICE Klabautermann würde jedoch erst in siebenunddreißig Minuten abheben und war noch nicht mal eingelaufen. Zuerst konnte man sich ewig nicht entschließen, die Reise anzutreten, und dann stand man viel zu früh zwischen den ekelhaften Tauben auf dem Bahnsteig. Zu Hause damals, ein Nachbar hatte Tauben gezüchtet und manchmal hatte er, um ihn zu beeindrucken, eine Taube aufgeblasen, mit Mund-zu-Mund-Beatmung, unter dem Taubenkopf war ein Ballon herausgekommen … er musste gleich kotzen. Er beschloss, unter dem Stahldach bis zum Ende ins Freie zu gehen. War ein weiter Weg.

Fallner las auf der Anzeigetafel, dass am Gleis gegenüber am selben Bahnsteig in nur achtzehn Minuten der ICE Rosa Luxemburg nach Berlin fuhr. Er blieb stehen. Das war eine Menge Wartezeit weniger. Und außerdem würde ihm dieses Hamburg nicht weglaufen, während man das von Berlin nie so genau wissen konnte. Und außerdem hatte er den neuen Berliner Hauptbahnhof noch nicht gesehen, nur gehört und gelesen, es sei das tollste neue Bauwerk des Landes, ach was, der westlichen Welt. Und angeblich war es ein schöner Fußweg am Fluss zur nächsten Polizeikantine. Und außerdem hatte er seinem alten Studienfreund Telling schon lange einen Besuch versprochen. Und Telling hatte ihm am Telefon versprochen, ihm den Kopf zu waschen, Fallner müsste bei ihm auftauchen, ihm würde garantiert etwas einfallen. Fallner schwenkte nach rechts Richtung Berlin.

Blitzschnelle Entscheidung – manchmal zahlte es sich auch im privaten Alltag aus, dass er trainiert war, auf die kleinste Veränderung in seiner Umgebung schnell zu reagieren. Sofort fühlte er sich besser, sah wieder klar, würde schon schiefgehen mit dem ganzen Scheiß, der für seine Frau Doktor nur ein Nebel war. Und sie würden auch die Waffe finden …

Der Einsatz hatte damit begonnen, dass ein Schuss in einer Wohnung gemeldet wurde, aber am Ende hatten sie keine Waffe gefunden, weder bei dem Toten noch bei den anderen. Und nicht den kleinsten Hinweis. Sie wussten nicht, ob der Schuss, der einen Nachbarn alarmiert hatte, tatsächlich gefallen war. Und nur Fallner wusste, dass Maarouf die Pistole dann aus dem Gürtel ziehen wollte. Halb verdeckt von dem Tisch, an dem er saß. Er konnte sich an die Bewegung der Hand zum Griff der Waffe genau erinnern, aber nicht an die Umgebung und was in den Minuten davor und danach passiert war. Kein Hinweis in seinem Hirn, wie Maaroufs kleine Silberpistole, deren Fabrikat er nicht kannte, aus dem Zimmer geflogen sein könnte. Er konnte sich an das unglaubliche Schreien der Mutter des Jungen erinnern. Und daran, dass ihm plötzlich bewusst geworden war, dass sein Partner irgendwo hinter ihm vor Angst eingeschlafen war; jedenfalls nicht anwesend, keine Unterstützung. Und dann hatten diese Penner nachlässig durchsucht und die Waffe nicht gefunden.

Er musste sich konzentrieren, der Doc sagte, die Erinnerung sei nicht verschwunden, sondern nur an einer Stelle gelagert, an die er im Moment nicht rankam. Er würde die Sache neu angreifen, wenn er lange genug durchs Land gesurft war. Die Sache mit kühlem Kopf durcharbeiten. Er war nicht länger ein Gefangener von dem, was in seinem Kopf ablief, Amen.

Er könnte jeden Impuls aus seiner Umgebung sofort aufnehmen und darauf reagieren, absolut jeden – wenn die Durchsage kam, dass auf Gleis 13,33 in fünf Minuten der Zug zur Hölle abfuhr, würde er die Herausforderung begrüßen und sprinten und aufspringen. Gab’s nicht auch in diesen Kinderfilmen ein geheimes Gleis, das nur für Superkinder erkennbar war? Seine Jaqueline hatte ihn in einen der Filme geschleppt und nur gekichert, als er sie fragte, ob das bedeutete, dass sie jetzt auch so ’n Kind haben wollte. Wie auch immer, er würde den Zug zur Hölle nehmen, denn er benötigte schnell wieder eine echte Herausforderung oder wenigstens Beschäftigung, hatte ihm seine Psychochefin erklärt, um eine neue und wieder belastbare Balance herzustellen, nicht nur zwischen Physis und Psyche, sondern auch zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

»Ist diese lebenswichtige Balance gestört, steht man sozusagen auf wackligen Beinen in der Gegenwart, das heißt, bei jedem auch noch so geringen Problem können Sie massive Schwierigkeiten bekommen, die Kaffeemaschine funktioniert nicht, eine rote Ampel, die scheinbar nie wieder grün wird, kennen Sie das Problem?«

»Frau Dr. Vehring«, hatte er zu ihr gesagt, »kennen Sie eigentlich das 11. Gebot?«

»Habe ich schon mal gelesen«, sagte sie, »ich glaube: Du sollst beim Geschlechtsverkehr keinen Kaugummi kauen. Oder gibt es jetzt ein neues?«

»Sie überraschen mich immer wieder, Doc. Aber diesmal liegen Sie falsch, das weiß ich aus eigener Erfahrung, tut mir leid.«

»Was tut Ihnen leid, die eigene Erfahrung?«

»Nein, es war keine negative Erfahrung. Ich will allerdings nicht behaupten, dass der Kaugummi einen positiven Effekt auf die Sache gehabt hätte. Ist mir jedenfalls nicht aufgefallen, aber ich war ja auch etwas abgelenkt, wenn Sie wissen, was ich meine.«

»Sehr interessant. Und hätten Sie die Güte, mir dieses 11. Gebot zu verkünden?«

»Entschuldigung«, sagte er – fast wäre er in ein altes Paar gerannt, er stoppte nur Zentimeter vor ihnen. Mit sofort verzehnfachtem Herzschlag. Er hätte die klapprigen Leutchen zweifellos auf den Beton geschickt. Und wie seine Dinge zurzeit liefen, hätte sich der Opa dabei den Schädel gespalten.

»Nichts passiert«, sagte die alte Dame mit großen Augen. Sie hatte schon den Zusammenstoß gesehen. Während ihr Partner, der an ihrem Arm hing und nur stehen blieb, weil sie stehen blieb, offensichtlich nichts bemerkt hatte.

Er drehte den Kopf zu ihr und sagte: »Was ist denn jetzt schon wieder passiert!«

Er konnte kaum noch sehen und gehen, aber in seiner Stimme steckte eine wütende Energie, als würde er jeden Tag die Zugspitze rauf- und runterklettern und anschließend noch locker auf seine Seniorengymnastiklehrerin. War sicher nicht einfach für seine alte Dame.

Fallner lächelte sie an und machte den Weg frei. Er kannte das Problem mit Partnern, die nicht bemerkten, dass sie in Gefahr waren. Man schoss auf den Typen, der den Partner ins Visier genommen hatte, und der Partner glotzte verblüfft in die falsche Richtung, hatte nichts mitbekommen und dachte, aha, schon wieder ein Dreckskerl mit ’nem kaputten Auspuff! Alles schon passiert. Und viel mehr. Er hatte Partner gehabt, die auf ihre Mutter geschossen hätten, weil sie eine neue Perücke aufhatte … Er musste die Erinnerungen finden, die ihm zeigten, wie sich sein Partner in jener Nacht verhalten hatte. Irgendwas stimmte mit ihm nicht. Und in der Zeit danach hatte der Maier ihn ein zweites Mal hängenlassen. Als wären sie nie Freunde gewesen.

Der ICE nach Berlin bestand aus zwei aneinandergehängten Zügen. Fallner ging den Bahnsteig weiter nach draußen bis zu der Zone, in der das Bordrestaurant des ersten Zugs halten würde. Je weiter man den Bahnsteig runterging, desto weniger Leute standen im Weg. Das war meistens so. Und wenn ein Zug ausgebucht war, hatte man im Waggon hinter der Zugmaschine die beste Chance, noch einen Platz zu finden, denn wenn der Zug gegen einen auf die Gleise gekippten Strommast prallte, hatte man im ersten Wagen die geringste Chance.

Jaqueline, geborene Hosnicz, verstand seine Leidenschaft für Bahnhöfe und Zugfahrten nicht. Im ICE passte ihr das Essen nicht, Regionalbahnen hasste sie. Quatschende Leute gingen ihr auf die Nerven und den Film vor dem Fenster fand sie langweilig. Das waren erhebliche Differenzen, ein Punkt, an den er bei einer Kinderdiskussion unbedingt denken musste.

Dass die Diskussion morgen losging, war unwahrscheinlich, denn die Vorstellung, auch nur ein paar Monate nicht arbeiten zu können, war ein Albtraum für Jaqueline. Sie konnte sich nicht als Hausfrau und Mutter sehen, sondern nur als Frau und Polizistin. Sie bekam einen hysterischen Kicheranfall, wenn sie im Fernsehen wieder eine Beamtin sah, die tagsüber den gefährlichen Gangster jagte und abends nach Hause kam, ihre Kanone neben dem Herd ablegte und mit ihren Kindern spielte.