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Heliosphere 2265

Band 31

... In das Licht“


von Andreas Suchanek

Die neue HYPERION

Was bisher geschah

 

Anfang des Jahres 2268 herrscht Chaos in der Milchstraße. Das übermächtige Solare Imperium, mit Imperator Björn Sjöberg an der Spitze, hält seine Welten im Würgegriff. Gleichzeitig greifen die zurückgekehrten Ash’Gul’Kon, Spinnenskorpione, die ihrem temporalen Gefängnis entkommen konnten, alle Völker an.

Um überhaupt eine Chance gegen die übermächtigen Gegner zu besitzen, versucht Präsidentin Jessica Shaw eine Allianz zwischen den kleineren Sternennationen zu formen. Parliden, Aaril, Rentalianer und die Kybernetiker sollen mit der Solaren Republik, die aus der Rebellion gegen Sjöberg hervorging, in einer interstellaren Gemeinschaft vereint werden. Doch das Ziel ist fern, die Hürden groß.

Fernab der Politik formt die Space Navy einen Verband, bestehend aus der SJÖBERGS UNTERGANG, der IKARUS, der IONE KARTESS und der HYPERION. Im NORTHSTAR-System soll der Tachyonengenerator geborgen werden. Eine Waffe, die Blasen generieren kann, in deren Inneren die Zeit schneller oder langsamer abläuft. Im Einsatz stellt sich heraus, dass die Einheit in Wahrheit aus zwei Personen besteht, die von den Genetikern verändert wurden. Bevor die beiden jedoch in die Republik gebracht werden können, erscheinen gegnerische Raumschiffe – Ein Verband des Solaren Imperiums unter dem Kommando von Admiralin Kendra Ironstone.

Es kommt zu einem nervenaufreibenden Kampf gegen die feindliche Übermacht. Durch einen Trick kann Commodore Cross das Blatt wenden und so schlägt Ironstone ihm einen Deal vor, um ihren Verband nicht vollständig zu verlieren: Sie lässt seine bereits wrackgeschossenen Schiffe ziehen, wenn er sich ergibt.

Nachdem der HYPERION-Verband das Sonnensystem verlassen hat, begibt Cross sich auf die EMPIRE. Doch er plant nicht, sich zu ergeben. Stattdessen zieht er seinen Pulser und schießt sich eine Partikelsalve durch den Schädel.

Im Alzir-System holt Alexis Cross zum großen Schlag aus. Mit der Hilfe der künstlichen Intelligent CABAL, die Softwareagenten in die neuen Phasenfunkrouter geschleust hat, lässt sie das Kommunikationssystem zusammenbrechen. Gleichzeitig steuert sie ein Shuttle auf die MINDLAB-Wissenschaftsstation. Im folgenden Chaos tötet sie Verteidigungsminister Angelo Angelosanto und lockt die Präsidentin auf ihre Raumstation. Dort tötet sie Stabschefin Priscilla King und Shaws Leibwache. Nach einem kurzen Kampf aktiviert sie die Körpertauschmaschine, um Shaw zu übernehmen. Sie tritt aus dem Schatten, um die Solare Republik unter ihre Kontrolle zu bringen und auf lange Sicht dem Imperium wieder einzuverleiben ...

Prolog

 

NORTHSTAR-System, an Bord der EMPIRE, 04. Mai 2268, 12:15 Uhr

 

Es war zu spät.

Die Mündung des Pulsers saß exakt an Commodore Jayden Cross’ Schläfe, als er selbst den Auslöser betätigte. Eine Partikelsalve löste sich aus dem Lauf der Waffe und durchschlug den Schädel der Legende aus der Solaren Republik mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit.

Wie eine Puppe, deren Fäden man durchtrennt hatte, kippte er aufs Deck und blieb reglos liegen. Eine Blutlache breitete sich unter seinem Kopf aus.

Die letzten Worte ihres Widersachers hallten wie der Donnerhall eines zornigen Gottes durch Admiralin Kendra Ironstones Geist.

Man hat immer eine Wahl.

Mit einem Mal wirkte das Licht greller, als es eigentlich sein sollte. Es spiegelte sich in den Deckplatten, auf deren sorgfältige Pflege sie stets so stolz gewesen war. Knochensplitter, Blut und Gehirnmasse breiteten sich unter Cross‘ Schädel aus wie ein pervertierter Heiligenschein.

Er ist tot.

Der Gedanke schlug mit einer grauenvollen Endgültigkeit zu. Sie zitterte, hielt den Atem an, durchdachte innerhalb von Augenblicken die Konsequenzen. Der Imperator hatte mehr als deutlich gemacht, dass er Cross lebend wollte. Und er vertraute darauf, dass Kendra seine Wünsche stets erfüllte.

Es hatte seinen Grund, warum sie weder einen Killchip trug, noch neuronal restrukturiert worden war. Sjöberg hatte stets nur Erfolgsmeldungen von ihr erhalten. Daher befehligte sie das Flaggschiff des Imperiums, daher war sie etwas Besonderes.

Bisher.

Die Marines standen bewegungslos an der Seite, ebenfalls völlig überrascht von der Aktion. Hektische Blicke flogen durch den Raum wie Pulserpartikel und spiegelten die Ratlosigkeit aller Anwesenden wider.

Neben Kendra begann Executive Controller Lucio Grant zu hyperventilieren. Er war restrukturiert und konnte sich dem Willen des Imperators nicht entziehen. Er musste ihn buchstabengetreu ausführen, mit zahlreichen negativen körperlichen Konsequenzen, falls er versagte.

„Wir haben versagt“, wimmerte er dann auch wie erwartet.

Die Arbeiter ringsum hatten innegehalten und starrten auf die Szenerie. Aufgrund der Ankunft des Shuttles hatte Kendra fast alle Ingenieure aus dem Hangar verbannt. Nur jene waren noch hier, die wichtige Tätigkeiten ausführten; solche, die nicht verschoben werden konnten.

Das Panzerschott rollte zur Seite.

„Entschuldigen Sie die Verspätung, Admiralin“, sagte Chefärztin Doktor Illara Kertell. Die hochgewachsene Genetikerin vom Mars, deren bioneurales Tattoo die rechte Augenbraue ersetzte, gähnte. „Wo ist denn der Gefangene, bei dem ich die Erstuntersuchung ...“ Sie hielt inne, als sie Cross sah.

„Alpha ...“ Kendras Stimme versagte. „Alpha-Priorität!“ Sie brüllte es heraus.

Doktor Kertell zuckte zusammen. Ihre Reflexe setzten sofort ein. Sie presste ihr Medizinisches Notfallkit an die Brust und stürmte zu Cross. Neben ihm ging sie in die Knie. Der Handscanner surrte. „Verlust des Bewusstseins nach Schusswunde durch Pulserpartikel“, murmelte sie. „Massive Schädigung des Lobus frontalis, das hat eine direkte Auswirkung auf die Persönlichkeit. Animalische Funktionen sind davon allerdings noch nicht betroffen. Teilschädigung des Cerebellums. Kreislaufzusammenbruch ist imminent.“ Sie griff nach einem Injektor, den ein Paramedic bereithielt. „Ich injiziere einen Nanostamm zur Stabilisierung der Kreislauffunktion und Sauerstoffanreicherung der ungeschädigten Hirnregionen.“ Es zischte. Kurz darauf blinkten mehrere Icons auf dem Diagnosehandschuh rot auf. „Areflexie festgestellt, die Schädigung des Hirnstamms weitet sich aus. Die abgestorbenen Nervenzellen ... verdammt. Der Kreislauf bricht zusammen.“ Sie sah auf. „Tut mir leid, Ma’am, aber da kann ich nichts mehr machen. Sein Gehirn ist massiv geschädigt. Selbst wenn ich ihn an das Biobett anschließe, wird das lediglich die Organe vor Schaden bewahren. Bewusstlosigkeit in Kombination mit Areflexie ... er ist tot.“

„Retten Sie ihn“, sagte Kendra.

„Ich kann kein Wunder vollbringen, Ma’am.“

„Retten!Sie!Ihn.“ Kendra wusste, dass es unmöglich war. Doch sie gab den Befehl so nachdrücklich, dass die Chefärztin gar nicht anders konnte, als zu handeln.

Paramedics stürmten herein, hievten den Körper auf eine Trage. Kertell eilte an der Seite ihrer Leute hinaus. Irgendwer kümmerte sich um Lucio. Die Marines zogen sich zurück.

Kendra starrte auf die Stelle, an der Cross bis eben gelegen hatte. Blut, Knochensplitter, Gehirnmasse auf den blank polierten Deckplatten, mehr war nicht geblieben. Plötzlich hasste sie die klinische Sauberkeit, die kalte Effizienz, das grelle Licht.

Vor Wut zitternd ballte sie die Fäuste.

Noch mit seiner letzten Tat hatte er sie besiegt. Genau wie an der Akademie.

Und wieder hallten seine Worte in ihrem Geist wider, krallten sich wie die Klauen einer aus dem Albtraum herausgestiegenen Chimäre in ihr Denken.

Man hat immer eine Wahl.

 

*

 

Alzir-System, an Bord von (AZ2165), 04. Mai 2268, 03:11 Uhr

 

Sie öffnete die Augen. Für einen Moment schien die Umgebung sich zu überlagern, doppelt vorhanden zu sein, als sähe sie die Decken und die transparente Wand aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Die Umrisse vibrierten, schoben sich ineinander. Sie schloss die Augen, öffnete sie erneut.

Alles war so, wie es sein sollte.

Alexis Cross sog gierig die Luft in die Lungen. Als sie die Hand hob, sah sie glatte junge Haut, die ein wenig brauner war als ihre eigene.

Es hat funktioniert. „CABAL, Status.“

„Der Körpertausch ist abgeschlossen. Deine geistige Struktur wurde vollständig in den Leib von Präsidentin Shaw übertragen und umgekehrt.“ In der Stimme der künstlichen Intelligenz schwang ein wenig Stolz mit.

„Öffne meine Handmanschetten.“

Es klickte, als die Eisenglieder sich lösten.

Alexis erhob sich. Sie zitterte. Dieser Körper war anders, nicht nur jünger. Glatte Haut, mehr Stärke. Sie liebte ihn schon jetzt. Sie sah zu der transparenten Wand vor sich. Dahinter schwebte die PRÄSIDIALE RESIDENZ im All, doch sie konnte ihr neues Spiegelbild vor Dunkelheit und Sternenlicht erkennen. Sie steckte in einem weißen Kostüm, das die Präsidentin bei ihrem Eintreffen getragen hatte. Es war von oben bis unten mit Blut beschmiert. Ein Teil davon stammte von Angelo, ein Teil von Priscilla King. Beide lagen tot in ihren Blutlachen.

Alexis fühlte sich einfach fantastisch.

Sie stieg von der Liege. So also fühlte sich wahre Macht an. In der einen Sekunde noch war sie nur die Ehefrau des Verteidigungsministers gewesen, in der nächsten gehörte ihr die gesamte Republik. Und das alles hatte sie Sarah McCall zu verdanken. Die Frau aus der Zukunft hatte in ihrer Omega-Datei den Standort der offenbar letzten noch funktionierenden Körpertauschmaschine enthüllt. Nachdem die Republik diese geborgen hatte, war sie vom Verteidigungsministerium in eine sichere Forschungseinrichtung geschafft worden. Dort hatte Alexis sie austauschen lassen. Als Ehefrau von Angelo war das nicht einmal schwer gewesen. Während die Wissenschaftler also an einer fehlerhaften Kopie forschten, hatte CABAL ihr nach seiner Fertigstellung dabei geholfen, den Defekt zu beheben, den McCall eingebaut hatte. Schließlich wollte Alexis nicht wie Richard Meridian in einem zerfallenden Leib dahinsiechen.

„Gab es irgendwelche Probleme?“

„Stellenweise wurde der Datenstrom instabil, ich hatte jedoch einen ausreichend großen Puffer eingerechnet“, erklärte die K.I. ruhig. „Es war faszinierend zu betrachten, wie die übertragenen Strukturen auf das Zielgewebe angepasst wurden. Wer die Maschinen auch konstruiert hat, er war sehr fortschrittlich. Ich habe den Prozess in seiner Gesamtheit verstanden, doch es gab einzelne Schritte, die ich nicht interpretieren konnte.“

„Wie beruhigend.“

„Es gibt nichts zu befürchten. Alles verlief unterm Strich problemlos.“

Wie geplant entnahm Alexis das medizinische Kit aus dem Fach an der Liege, ging zu ihrem alten Körper und injizierte ihm ein starkes Anästhetikum. Damit war die Präsidentin erst einmal ausgeschaltet. Die nächsten zwei Tage würde sie nicht mehr erwachen. Und dann, meine Liebe, wirst du dich längst in Isolationshaft befinden.

Sie als neue Präsidentin konnte das problemlos veranlassen. Von diesem Punkt an würde sie zuerst ihre Macht festigen, danach ihren alten Körper zusammen mit Shaws Geist beseitigen. Auch dafür gab es bereits einen Plan.

„Zwei Shuttles haben soeben an das Habitat angedockt“, sagte CABAL. „An Bord befindet sich ein spezielles Einsatzteam der Marines. Sie werden in wenigen Minuten hier sein.“

„Ich möchte, dass du die Speicher der PRÄSIDIALEN RESIDENZ und die Blöcke auf den verlassenen Stationen löschst. Es darf nichts auf den Transfer hindeuten.“

„Das ist bereits eingeleitet.“

„Bereite die Löschung deiner Softwareagenten vor. Da ich nun Präsidentin bin, brauche ich sie nicht mehr. Das angerichtete Chaos muss sich schnellstmöglich auflösen. Es wäre ja noch schöner, wenn ich kurz nach der Machtübernahme von diesen Trotteln in der Opposition entmachtet werden würde.“

„Es ist alles bereit. Nach meinen Berechnungen wird die Spezialeinheit in dreißig Sekunden hier sein.“

Alexis löste die Fesseln der Präsidentin und zog sie von der Körpertauschliege. Natürlich ging sie vorsichtig dabei vor, noch war es nicht an der Zeit, ihren alten Körper zu entsorgen. Möglicherweise benötigte sie ihn noch. Es war ein seltsames Gefühl, sich durch die Augen einer anderen Person zu betrachten. Das da war einst sie gewesen. Ein alternder, aber eleganter Leib. Gepflegte Haut und Kleidung, dezenter Luxus.

„Versiegle die Körpertauschmaschine.“

Das Gerät versank wieder zwischen den Deckenplatten, der Zugang schloss sich. Das Material der Bodenplatten war auf molekularer Ebene so verändert worden, dass es keine Scannerstrahlen durchließ. So wurde ein massiver Boden ohne Hohlraum vorgetäuscht.

Alexis legte ihren alten Körper neben Angelo auf den Deckplatten ab, dann holte sie den Pulser hervor, mit dem sie ihren Mann erschossen hatte.

„Alexis Cross tötet ihren Mann und die Stabschefin der Präsidentin. Als wäre das noch nicht genug, versucht sie, die Präsidentin selbst umzubringen, die sich jedoch erfolgreich wehren kann. Arme Alexis. Dafür wanderst du lebenslang in Haft.“

„Noch zehn Sekunden“, sagte CABAL.

Sie kniete sich auf den Boden, schmierte sich ein wenig Blut ins Gesicht und nahm Priscilla in die Arme. Dann begann sie herzzerreißend zu schluchzen.

„Etwas weniger“, sagte CABAL. „Sonst wird es laut meiner Mimikanalyse zu 84% aufgesetzt oder schwach.“

In diesem Augenblick zerbarst das Schott.

Stiefelgetrappel erklang, Pulsergewehre wurden entsichert, Stimmen riefen umher.

Alexis sah auf. Eine Träne rann über die Wange der Präsidentin. „Sie ... Sie ist wahnsinnig.“ Dabei deutete sie auf Alexis‘ bewusstlosen Körper. „Sie wollte mich töten. Sie hat Priscilla ...“

Eine Ärztin kam herbeigeeilt.

„Madam Präsident, ich muss Sie untersuchen.“

Kräftige Arme zogen sie in die Höhe, dann wurde sie hinausgebracht. Beinahe hätte Alexis gelächelt.

 

*

 

An Bord der NOVA-Station

 

Grelle Blüten entfalteten sich in der Dunkelheit des Alls, bevor sie wieder in sich zusammenfielen. Trümmerteile trudelten davon.

Isa schloss die Augen.

„Ma’am“, sagte Lieutenant Lisa Preston von der Sensorkonsole. „Die Sekundärexplosionen greifen auf die benachbarten Stationen über. Die Kettenreaktion hat eingesetzt. Was sollen wir tun?“

Stille folgte ihren Worten.

„Ma’am?“

Isa zuckte zusammen. An den Kommunikationsoffizier, Lieutenant Commander Black gewandt, sagte sie: „Mason, befehlen Sie allen Schiffen in Reichweite bei der Evakuierung der Stationen zu helfen. Die Kanäle bleiben für die zivile Kommunikation gesperrt.“

„Aye, Ma’am“, bestätigte er.

„Lisa, haben wir wieder Translokationszugriff?“

„Die Schilde der Station sind kollabiert“, erwiderte die Sensorspezialistin. „Ich orte nur noch einen Transponder an Bord. Es ist Doktor Damato.“

„Rausholen, direkt hierher.“

Isa verbannte jeden Gedanken an Captain Mark Tarses, der bis zum letzten Augenblick versucht hatte, das anfliegende Shuttle von seinem Kollisionskurs abzubringen. Vergeblich. Das kleine Raumgefährt war mit MINDLAB kollidiert. Immerhin hatte er den Vektor jedoch leicht ändern können, während Damato die Station begrenzt rotierte. So war das Kamikaze-Shuttle nicht in den Reaktor geknallt.

„Ma’am“, sagte Lieutenant Commander Fernando Valdes von der Taktik- und Waffenkonsole. „Die Sekundärexplosionen haben insgesamt vier weitere Stationen erreicht. Eine davon besitzt keine Manövriertriebwerke zur Stabilisation. Sie trudelt auf eine voll besetzte Mannschaftsstation zu.“

„Doktor Damato befindet sich in Translokationsraum Eins“, sagte Lieutenant Lisa Preston. „Ein Paramedic-Team ist auf dem Weg.“

„Wie ist der Status von MINDLAB I?“

Die Wissenschaftsstation beherbergte gigantische Datenbanken, mit Projektdateien, die von den klügsten Köpfen der Republik angefertigt worden waren.

„Ich orte Feuer und Sekundärexplosionen“, sagte Lieutenant Preston. „Ein Reparaturteam steht bereit.“

„Niemand geht dort rüber, bevor wir den Schrottplatz nicht stabilisieren können“, stellte Isa klar. „Lisa, holen Sie jeden in Erfassungsreichweite hierher. Die angedockten Raumschiffe sollen helfen. Komplettes Notfallprotokoll.“

„Natürlich, Ma’am.“ Lisa machte sich an die Arbeit. Ihre grünen Augen funkelten, als sie aufblickte. „Allerdings kann ich einen Teil des betroffenen Areals nicht klar erfassen. Durch die Explosionen tritt Strahlung aus, es wird minütlich schlimmer. In einer Viertelstunde kann ich niemanden mehr translozieren. Wir benötigen Raumschiffe, die das übernehmen.“

Das Panzerschott rollte zur Seite.

„Nehmen Sie Ihre Hände weg“, sagte Doktor Siu Damato. Dabei fuchtelte er mit den Armen in der Luft herum, um den Paramedic abzuwehren, der seinen Scanner weiter erhoben hielt. „Ich bin völlig in Ordnung. Ma’am, ich kann helfen.“

Isa nickte nur. An den Paramedic gewandt sagte sie: „Rudimentäre Erstuntersuchung, der Rest später. Doktor, nehmen Sie an einem der freien Terminals Platz.“

„Danke.“

Danken Sie mir nicht. In den nächsten Stunden stand ihnen eine neue Dimension des Chaos‘ bevor. Das Kriegsrecht war aktiv, wodurch jeder von ihnen weitreichendere Vollmachten besaß als im Normalfall. Das musste sie ausnutzen. Die Republik schaute sowohl auf die Präsidentin als auch auf Isa. Am Ende würde man sie beide daran messen, wie sie heute reagiert hatten.

 

*

 

IL HYPERION, auf dem Weg ins Alzir-System, 04. Mai 2268, 08:13 Uhr

 

„Kurs auf das NORTHSTAR-System“, sagte er.

Lieutenant Commander Peter Task schaute auf, ignorierte den Befehl und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Touch-Display der Navigationskonsole.

„Isam“, sagte Captain Noriko Ishida. „Ich bin die Kommandantin dieses Verbands. Und damit die einzige Person, die einen Kurswechsel befiehlt. Meinen Offizieren ist das durchaus bewusst.“

Captain Ortega rieb seine müden Augen. Sein Vollbart wirkte ungepflegt, genau wie seine Uniform. „Wir können Commodore Cross nicht dort zurücklassen. Das Imperium wird ihn foltern, umerziehen, vielleicht auch aus der nächsten Luftschleuse werfen. Verdammt noch eins, er hat uns alle gerettet! Wieder und wieder und wieder. Da können wir ihn nicht einfach denen überlassen.“

Obgleich die Kommandobrücke voll besetzt war, wurde es mit einem Mal still. Niemand sprach ein Wort. Akoskin, McCall, Winton, Larik und Task warteten gespannt auf Norikos Erwiderung.

Sie versuchte, gelassen zu bleiben. In ihrem Inneren allerdings tobte ein Sturm. Sie wollte zurückkehren ins NORTHSTAR-System, Jayden Cross befreien, etwas tun. Gleichzeitig wusste sie jedoch, dass es längst zu spät war. Also sagte sie nur mit ruhiger emotionsloser Stimme: „Wir behalten den Kurs bei. Der Commodore hat sein Leben nicht geopfert, damit wir jetzt auf eine Kamikaze-Mission gehen.“