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HANNES LINDEMANN

Ein Mann,
ein Boot,
zwei Kontinente

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Delius Klasing Verlag

 

 

 

 

INHALT

Flitterwochen im Zyklon

Auf den Inseln der Glückseligen

Aufruhr in der Sahara

Von der Wüste in den Regenwald

Liberia: Können Afrikaner kolonisieren?

Der weiße „Ju-Ju-Mann“

Im Einbaum zu Albert Schweitzer

Zum dritten Mal allein über den Atlantik

Inseln unserer Träume

Es geht um Kopf und Kragen

Der Laie fragt

Boot und Ausrüstung

VORWORT

Wenn ein Buch nach jahrzehntelanger Pause wieder neu aufgelegt wird, so zeugt das von entsprechend großem Interesse der Leserschaft. In der Tat, damals, vor nunmehr rund 30 Jahren, erhielt ich viele Briefe von Lesern, die sich über die bunte Mischung von Segelabenteuern und Länderberichten, spannenden und wissenswerten Erlebnissen, Begegnungen und Beobachtungen in diesem Buch freuten, und auch in der Zwischenzeit wurde aus Segler- und Laienkreisen immer wieder nach dem auch in die Blindenschrift übertragenen Buch gefragt.

Denn meine 14.000 Seemeilen lange Fahrt entlang der westafrikanischen Küste, durch den Golf von Guinea, über den Südatlantik und durch die Karibik war so ganz anders als heutige Langstreckentörns in modernen, technisch perfekt ausgerüsteten Booten. Sie erfolgte in einem zwar sicheren und stabilen, aber doch sehr einfachen Kutter mit ständig streikendem Hilfsmotor und ohne Autopilot oder anderem Gerät, über das die meisten Yachten heute verfügen. Komfort war – sehr zum Leidwesen meiner Frau, die streckenweise mitsegelte – ein Fremdwort. Dabei war die LIBERIA IV mit ihren rund 9 m Länge, 3,20 m Breite und 1,65 m Tiefgang bei weitem das größte der drei Boote, mit denen ich den Atlantik allein überquert habe. Ihre unmittelbaren Vorgänger waren ein liberianischer Einbaum und ein Serienfaltboot, bis heute das kleinste Fahrzeug, das je über den Atlantik gesegelt ist.

Seit meiner Schulzeit in Ratzeburg bin ich mit dem Wasser vertraut, aber Boote waren nie Selbstzweck für mich; sie halfen mir immer nur, Ideen zu verwirklichen. Einbaum und Faltboot dienten mir zur Erforschung von Überlebensfragen auf hoher See; die Yacht setzte ich für weniger waghalsige wissenschaftliche Aufgaben im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 ein, wenn mich auch Schiffbrüchigenprobleme weiterhin beschäftigten.

Eines habe ich in Büchern und Publikationen immer wieder herauszustellen versucht: die nachdrückliche Warnung vor einer leichtsinnigen Nachahmung meiner Fahrten in Einbaum und Faltboot. Es war kein Zufall, daß diese unmöglich scheinenden Fahrten gerade einem Arzt und Segler glückten, nach Jahren intensiver seelischer und körperlicher Vorbereitung.

Eine Fahrt in einem sicheren und soliden Boot, wie es die LIBERIA IV hingegen war, ist durchaus für jeden realisierbar, der sich verantwortungsbewußt um gründliche Kenntnisse von Meer und Boot bemüht. Und diese Fahrt zeigte, daß selbst kleine, einfache Yachten ohne Unfall durch Stürme und Tornados segeln und einen Fahrplan einhalten können, wenn die Regeln der Seemannschaft beachtet werden. Ich glaube, vor mir hatten erst fünf andere deutsche Segler den Atlantik überquert; heute, im Zeitalter computerisierter Navigation, ist ihre Zahl Legion geworden.

Auch Abenteuer können nur vor dem Hintergrund des Zeitgeschehens richtig gewürdigt werden. Ich hatte das Glück, die meisten westafrikanischen Länder, die damals „Entwicklungsländer“ genannt wurden, im Stadium ihres frisch erwachten Unabhängigkeitsgefühls oder aber ihrer gerade erlangten Selbständigkeit zu sehen oder wiederzusehen und mich mit ihren Oberhäuptern über ihre Zukunft zu unterhalten. Es brodelte zu jener Zeit in Westafrika: Freiheit von den Kolonialländern – welch ungeheures Ziel! Alle waren sich wohl der Bedeutung der Stunde bewußt, aber kaum einer erkannte, wie kompliziert ein freies Staatswesen ist und wieviel harte Arbeit und Versöhnungsbereitschaft zur Verwirklichung des Freiheitsgedankens nötig sind. So ist inzwischen das eingetreten, was viele befürchtet haben. Nach kurzem Aufblühen, nach dem Rausch der gewonnenen Freiheit, kam es zu Ernüchterung und Enttäuschung, zu erneuten Unruhen, wirtschaftlichen Zusammenbrüchen, Diktaturen, Aufständen und Revolutionen mit überfüllten Gefängnissen. Der Sprung aus der Stammesgeschichte in die bindungsarme Neuzeit ist in den meisten Fällen nicht geglückt.

Rückblickend läßt sich sagen, daß in ganz Westafrika nur ein Stern leuchtete: Albert Schweitzer. Wer kennt noch die Namen der Präsidenten der „ersten Stunde“? Albert Schweitzer dagegen ist auch heute noch, Jahrzehnte nach seinem Tode, vielen ein Vorbild. Sein Motto: „Leben ist Leben inmitten von Leben, das leben will“ ist immer noch eine Richtschnur im Bereich der sozialen Gesundheit; das gleiche gilt für den von ihm geprägten Begriff von der „Ehrfurcht vor dem Leben“ als Richtmaß für moralische Gesundheit. Freuen Sie sich auf die Begegnung mit ihm, dem Leitstern seiner Zeit.

Ich habe mich um eine ungeschminkte, aber doch tolerante Schilderung alles Gesehenen und Erlebten bemüht, ob es sich dabei um Begegnungen mit Hafenarbeitern oder Präsidenten handelte, um Abenteuer in Diktaturen oder Republiken, um Betrachtungen über Inseln und Häfen, Tiere und Pflanzen. So hoffe ich, daß das Buch für den Leser heute genauso interessant ist wie vor 30 Jahren – vielleicht sogar aufgrund seiner Zeitbezüge noch interessanter.

Mein Dank gilt allen, die mir vor und auch während der Fahrt – die ich ebenso wie alle anderen Fahrten selbst finanzieren mußte – halfen, Schönheit und Eigenart der verschiedenen Länder kennenzulernen. Mein größter Dank aber gilt meiner Frau. Erst heute weiß ich, wie ihr zumute gewesen sein muß, wenn der Wetterbericht Stürme im Atlantik meldete und sie ihren Mann allein in einem kleinen Boot wußte. Niña hat nicht nur die langen Monate der Trennung auf sich genommen, ohne zu klagen; sie hat mich auch zu Beginn und am Ende der Fahrt begleitet, hat als Nichtseglerin tapfer Stürme und Nachtwachen durchgestanden und mich nie im Stich gelassen. Nicht zuletzt hat sie an diesem Buch ganz wesentlich mitgearbeitet.

Bonn, im Januar 1992

Dr. Hannes Lindemann

 

 

 

Dreißig Jahre leben Hannes und Niña Lindemann jetzt bereits in Bonn. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben hatte der Autor unter anderem einen Lehrauftrag an der Bonner Universität und war Leiter einer Bundesschule. Hannes und Niña Lindemann haben mehrere Bücher geschrieben wie „Autogenes Training“, „Antistreßprogramm“, „Einfach entspannen, Psychohygiene-Training“ und, natürlich, das Buch über die Einbaum- und Faltbootfahrt „Allein über den Ozean“.

ERSTES KAPITEL

FLITTERWOCHEN IM ZYKLON

Schlafwagen Madrid – Vigo.

Durch eine kahle, karstige und öde Landschaft brauste breitspurig der Expreß.

Plötzlich klopfte es an die Tür unseres Abteils.

„Pasaportes!“ forderte eine Stimme im Amtston. Meinen Paß bewahrte in Vigo die Hafenpolizei auf, die mir indessen eine Genehmigung für die Reise nach Madrid ausgestellt hatte. Der Grund war auch aufgeführt: zwecks Heirat. Als der Hüter der Ordnung das las, zwinkerte er mir verständnisvoll zu und verschwand.

Mir fiel ein Schild ein, das ich einmal in den USA an einem Schlafwagenabteil gesehen hatte: „Frisch verheiratet.“ Auch hier wäre es am Platze gewesen.

Ilse und ich waren vor wenigen Stunden getraut worden, nachdem wir ein Labyrinth von Amts wegen passiert hatten. Und nun wartete in Vigo eine schwere Aufgabe auf meine frischgebackene Frau: sich mit meiner zweiten großen Liebe anzufreunden.

Vom Einbaum zur Yacht

Diese Liebe war die LIBERIA IV, eine kleine rote Yacht und mein viertes Boot, das den Namen LIBERIA trug.

Liberia erhebt den Anspruch, ein „Land der Freiheit“ zu sein; dort hatte ich einige Jahre als Arzt gearbeitet und geschwitzt, dort hatte ich mir die beiden ersten Boote selbst gebaut. Die Geschichte Liberias heißt Kampf mit den Elementen, heißt Urtümlichkeit und Härte.

Eine Ausnahme hatte die erste LIBERIA gemacht, ein liberianischer Einbaum. Sie war weich wie Butter gewesen; die Insekten hatten sie im Dschungel vor meinen Augen verzehrt, zum Hohn der Chemie mit ihren schädlingsbekämpfenden Produkten. Meinem Hausboy war die brillante Idee gekommen, die Schädlinge auszuräuchern. Er ließ das Feuer schwelen, und diese anstrengende Arbeit setzte ihm so zu, daß er schläfrig wurde. Als ich abends nach Hause kam, stand das Boot lichterloh in Flammen. Und der Boy schnarchte dazu in seiner Kammer – – –

Die LIBERIA II hatte anfangs ähnliche Neigungen gehabt. Da aber war mein Zorn erwacht, und ich hatte sie über den Atlantik geknüppelt.

Auch dieses Boot war ein Einbaum gewesen, das schmalste Schiff der Geschichte, das je ein Meer bezwang. In ihm wollte ich als Arzt brennende Seenotfragen lösen; unter extremsten Bedingungen am eigenen Leib erproben, wie sich ein Schiffbrüchiger physiologisch und psychisch verhalten muß, wenn er überleben will.

Der Einbaum legte 5000 Seemeilen zurück, ohne Unfall. Er erreichte sein Endziel Haïti – was will der Mensch noch mehr?

Man kann nie wissen, was er will. Zu meiner eigenen Überraschung entschloß ich mich, den gleichen Versuch noch einmal zu unternehmen, dieses Mal in einem Serienfaltboot, einem Klepperboot, der LIBERIA III.

Diese zweite Atlantiküberquerung war ebenfalls kein Segelabenteuer, sie war ein medizinisches und darüber hinaus ein psychologisches Wagnis: zum ersten Mal hatte sich hier ein Mensch mit Hilfe des Autogenen Trainings, einer Art Selbsthypnose, auf ein normalerweise undurchführbares Unternehmen vorbereitet, um zu beweisen, daß im Unterbewußtsein ungeheure Kraftreserven schlummern, die bei übermenschlichen Anstrengungen sinnvoll genutzt werden können und zu ganz außergewöhnlichen Leistungen befähigen.

Nach 76 Tagen war ich an meinem Endziel eingetroffen, St. Thomas in der Karibischen See. Fünfzig Pfund hatte ich abgenommen, der Puls war bis auf 32 gesunken, die Gelenke waren etwas versteift, doch konnte ich gehen: ich kletterte allein aus meinem Boot. Erwartet man einen Freudentanz nach diesem grausamsten aller Selbstversuche?

Die Fahrt war ein großer Erfolg – heute werden in den Vereinigten Staaten und in Rußland die Shephards und Gagarins auf ähnliche Weise vorbereitet.

Die LIBERIA III kann sich rühmen, das kleinste Boot zu sein, das je über einen Ozean segelte. Aber ich möchte jeden davor warnen, etwas Ähnliches zu unternehmen. Die Aussichten, lebend drüben anzukommen, sind minimal. Mehr als zehn Jahre hatte ich mich auf diese Fahrt vorbereitet, zweimal zuvor war ich gestartet und wieder umgekehrt. Weltrekorde kann man heute nicht mehr auf Anhieb erringen. Man braucht viel mehr dazu als Mut und guten Willen.

Jetzt lag in Vigo die LIBERIA IV, das seefeste, rundliche Gegenstück ihrer zwei winzigen Vorgänger. Sie war neun Meter lang, 3,20 Meter breit und besaß bei vollen Tanks einen Tiefgang von 1,80 Meter.

Die Bootswerft Heinrich Hatecke in Freiburg an der Niederelbe hatte sie für mich gebaut, die Güldnerwerke versahen sie mit einem Motor. Verschiedene Firmen, das Hydrographische Institut in Hamburg, das Amt für Seeverkehr, das Meteorologische Institut, das Institut für Netz- und Materialforschung, der Germanische Lloyd und nicht zuletzt meine Freunde von der „Seglervereinigung Freiburg“ halfen sie ausrüsten.

Um eine Daumenbreite

In Cuxhaven war die Reise losgegangen, und bald hätte sie dort auch ein Ende gefunden: ein Küstenmotorschiff wollte die LIBERIA IV mit aller Gewalt versenken – am hellichten Tage! Wenn es dem Kapitän der „Niederrhein“ aus Duisburg-Ruhrort nicht geglückt ist, so war das bestimmt nicht sein Verdienst.

Die LIBERIA IV lag am frühen Abend bekalmt1 da, als die „Niederrhein“ von achtern aufkam. Da kein Wind herrschte, hatten wir doppelt das Recht, beachtet zu werden. Der Dampfer kam bedrohlich auf die LIBERIA zu.

Nun wird’s aber Zeit, daß er ausweicht, dachte ich bei mir, mein Mast ist gute zwölf Meter hoch, den muß man doch sehen! Jedoch der Kapitän sah nicht. Es war kein Meter zwischen uns, als wir aneinander vorbeifuhren – die berühmte Daumenbreite!

In der Nordsee gab es dann harte Böen, im Kanal dicke Erbsensuppe und in der Biskaya den üblichen Weststurm. Mir fiel ein, was der deutsche Seglerkönig „Hein Mueck“ erklärt hatte, als ich mich von ihm verabschiedete: „Doktor, das Boot wird Sie nicht im Stich lassen, solange Sie das Boot nicht im Stich lassen.“ Graf Luckner sagte dasselbe anders: „Männer bezwingen Ozeane, nicht Boote!“

In der Biskaya brach die Motorenwelle. Motor und Umsteueranlage waren nicht ausgefluchtet gewesen; der Dorfschmied in Freiburg hatte sich besser auf das Beschlagen von Pferdehufen als auf moderne Motoren verstanden. Bei seinem Sohn wird’s wohl umgekehrt werden, aber solange konnte ich nicht warten.

Bei bestem Zylinderhutwetter warf die LIBERIA IV im nordspanischen Hafen La Coruña schüchtern ihren Anker. Sie hatte Glück im Unglück, denn dort traf sie den „Seefalken“, einen deutschen Hochseeschlepper, dessen erster Ingenieur mir half, Umsteueranlage und Motor millimetergenau auf Vordermann zu bringen. Der „Seefalke“ lag im geschützten Hafen La Coruña und war stets bereit, in Seenot geratene Dampfer aus ihrer mißlichen Lage zu befreien und abzuschleppen.

Allein um Kap Hoorn

Ich lag bereits ein paar Tage in La Coruña, als an einem Spätnachmittag eine schnittige weiße Yacht in den Hafen einlief. Es war die „Les 4 Vents“ von Marcel Bardiaux, der von nichts geringerem als von einer achtjährigen Weltreise zurückkehrte und nun auf dem Wege nach Frankreich war.

Da die Angestellten des Yachtclubs schon Feierabend gemacht hatten, bot ich Bardiaux meine Hilfe an. Wir vertäuten sein zehn Meter langes Boot an der LIBERIA IV und waren bald in Fachsimpeleien vertieft.

Bardiaux ist in Wassersportkreisen als einer der hervorragendsten Segler bekannt. Sein sportlicher Werdegang ist ebenso aufregend, wie seine Ideen originell sind. Seit seiner Jugend hat er Faltboote gebaut, Faltbootmeisterschaften gewonnen und größere Faltbootfahrten auf Flüssen und Meeren unternommen. Während der Besatzungszeit begann er in Frankreich mit dem Bau seiner jetzigen Yacht und stellte von der Schraube bis zum Kielbolzen, vom Mast bis zu den Segeln sämtliche Teile des Bootes selbst her. Im Sommer 1950 war es endlich so weit; seine Traumyacht lief vom Stapel.

Vor Beginn seiner Reise schon hatte er über sich und sein Boot eine Broschüre drucken lassen, in die die genaue Route seiner geplanten Weltumseglung eingezeichnet war – ein Verstoß gegen den Kodex der Hochseesegler auf dem Trockenen, und Bardiaux wurde entsprechend belächelt und verspottet.

„Welches Navigationssystem benutzen Sie denn auf Ihrer Reise?“ fragte ihn ein französischer Admiral in Le Havre.

Bardiaux hatte sich zwar schon mit genügend Literatur über Navigationssysteme und ihre praktische Anwendung versorgt, war aber noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen. Darum antwortete er: „Ich weiß noch nicht, das wird sich erst auf der Fahrt herausstellen.“

Der Admiral wandte sich verächtlich ab und meinte unter dem gehorsamen Lachen der Umstehenden: „Wenn der heil um die Welt kommt, will ich kein Admiral mehr sein.“

Ein Segler hatte Bardiaux prüfend gefragt, wie dieser und jener Knoten heiße, den man da oder dort mache, und, als Bardiaux mit den Achseln zuckte, entsetzt ausgerufen: „Aber Sie sind ja gar kein Segler!“

Gewiß, Bardiaux mag damals noch kein erfahrener Yachtsegler gewesen sein, aber er hatte neben seinen vielen Erfahrungen im Faltboot einige menschliche Qualitäten, die für die Einhandfahrt auf dem Meere wichtiger sind als der Name eines Knoten. Freimütig bekannte er nach seiner Tour de monde: „Noch heute gibt es genügend Dinge, die ich zwar nicht mit ihrem seemännischen Fachausdruck kenne, mit denen ich aber in der Praxis oft genug zu tun hatte.“

In Dakar erlernte Bardiaux die astronomische Navigation und segelte gleich darauf in Rekordzeit nach Rio de Janeiro. Dort war zur gleichen Zeit ein französisches Schulschiff der Kriegsmarine vor Anker gegangen, und eine Zeitung in Rio kommentierte: „Zwei französische Boote in Rio eingetroffen. Das eine bemannt mit einem Mann, das andere mit 164 Ärmelstreifen“ – womit die Rangabzeichen der Offiziersanwärter gemeint waren.

Im Südwinter segelte Bardiaux von Ost nach West um das berüchtigte Kap Hoorn, nachdem er vorher in der gefährlichen Straße von Le Maire zweimal in einer Hohlsee gekentert war, als ihn die Strömung mit sieben Knoten Geschwindigkeit nach Westen riß und gleichzeitig der Wind mit 30 Knoten Geschwindigkeit aus Westen heranfegte. Nach dieser beispiellosen Leistung mußte er sich in Südchile ein ganzes Jahr lang von seinen Erfrierungen erholen.

Ein anderes Mal kam er mit einem blauen Auge davon, als er im Pazifik auf ein Riff lief. Dort war er auch von seiner geplanten Route abgewichen, weil er eine Einladung nach Neu-Seeland angenommen hatte. Weiter fuhr der Unermüdliche durch den Indischen Ozean nach Kapstadt, durch die Kariben nach New York und endlich über die Azoren nach La Coruña. Seine Leistung gewinnt noch an Bedeutung, wenn man bedenkt, daß er bereits im fünften Lebensjahrzehnt steht.

Das Geheimnis seines Erfolges? Vielleicht die Tatsache, daß er als früherer Faltbootführer ein weitaus engeres Verhältnis zum Meer hatte, als ein Yachtsegler es je haben kann.

Wenige Tage nach meiner Begegnung mit Bardiaux lief in La Coruña die „Nausikaa“ ein, ein 8,60 m langer Seekreuzer unter der Flagge des schweizerischen „Cruising Club“. Die Besatzung: drei junge Schweizer, die zur Verwirklichung ihres großen Traumes, auf eigenem Kiel nach Amerika zu segeln, jahrelang als Nachttaxifahrer zusätzliche Rappen verdient hatten. Ohne Sextant, ohne Logge, ohne kompensierten Kompaß waren sie gestartet, nur einen Wunsch hatten sie: irgendwo in Amerika ankommen!

Inzwischen erfuhr ich, daß ihr Traum doch nicht in Erfüllung gegangen ist, denn in Casablanca sind sich die drei in die Haare gekommen und haben die Fahrt aufgegeben.

Nebel am Ende der Welt

Als ich endlich La Coruña verließ, schien sich alles gegen einen Landfall in Vigo verschworen zu haben: erst Flaute, dann dickster Nebel bei fünf Windstärken, so daß man die Dampfer nicht mehr richtig hören konnte. Von Backbord ertönte ein Nebelhorn, von Steuerbord, von vorne, von achtern – ein Getute wie bei einer Verkehrsstockung! Meine Brille war stets beschlagen. Einmal sah ich das Licht eines Dampfers hoch über mir, so unheimlich nahe erschien es mir.

Es war Nacht, ich befand mich am „Ende der Welt“, beim sturmumwehten Kap Finisterre, dem nordwestlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel.

Als es Tag wurde (aber was heißt im fetten Nebel Tag?) tastete ich mich wie ein Blinder an der mit unzähligen Riffs und Felseninseln gespickten Küste nach Süden vor. Hörte ich die Brandung zu laut grollen, gab ich Fersengeld und hielt aufs offene Meer zu. So kam ich schließlich in die Gegend, in der ich nach der Nordeinfahrt für Vigo suchen mußte. Und jetzt hatte ich Glück: in der hohen Atlantikdünung sah ich immer wieder einen Fischer aus den Wellentälern heraufschießen.

„Wo ist die Einfahrt nach Vigo?“ schrie ich ihm zu, und er brüllte zurück: „Aqui“ – hier!

Die Einfahrt ist etwa eine Seemeile breit, doch konnte ich weder das Festland auf der einen, noch die Felseninseln Cies auf der anderen Seite ausmachen. Plötzlich tauchte aus dem Nebel eine Boje vor dem Bug auf. Auch hatte der Wind in der Bucht nachgelassen, und endlich zeichnete sich hinter dem Nebelschleier die Silhouette der bergigen Bucht von Vigo ab. Unter Motor erreichte ich schließlich den Yachtclub.

Am Tage darauf kreuzte die große französische Yacht „Hygie“ auf, die zusammen mit mir von der Nachbarstadt EI Ferrol abgefahren war. Aber sie hatte zehn Besatzungsmitglieder an Bord, der Eigner trug also weit mehr Verantwortung als ich, und da er keinen Fischer getroffen hatte, war er dem einzig richtigen Entschluß gefolgt: er hatte draußen geankert und abgewartet.

Das ist ja immer wieder das Faszinierende und das Verruchte am Meer: gestern nervenaufreibende Flaute, heute wütender Sturm, morgen prächtigstes Segelwetter! Voraussagen treffen kann nur der Erfahrene, und auch ihm glückt es nicht immer.

Segelgepäck einer Lady

Ein paar Tage später traf per Flugzeug meine Verlobte ein, und wir unternahmen die schicksalsschwere Fahrt nach Madrid, von deren zweitem Teil schon die Rede war. Als wir, ein frischgebackenes Ehepaar, wieder in Vigo ankamen, empfing uns die Stadt mit scheußlichen Regengüssen, doch focht uns das wenig an.

Ich pullte Ilse zu unserem Boot, um ihre Sachen zu verstauen. Vorsorglich hatte ich ihr schon etwas Platz eingeräumt, doch viel Erfahrung mit den Bedürfnissen junger Damen schien ich nicht zu haben, sonst hätte ich mich nicht gewundert über das, was nun geschah. Und ich wunderte mich sehr. Da kam ein Fläschchen zum Vorschein … und noch eines, und noch eines und immer mehr.

Verwirrt und im Unklaren über den Zweck so vieler Flaschen fragte ich sie: „Sind die roten Bottels da alle für das Boot?“ Ich wurde belehrt, daß es sich um Nagellack handele, der mit dem jeweiligen Kleid harmonieren müsse. Der Kleider aber waren es noch mehr!

In meinen Briefen hatte ich Ilse immer wieder gewarnt vor dem, was sie auf dem Meer erwartete. Nichtsegler – Ilse kannte Segelboote bisher nur aus der Feme – glauben, eine Segelfahrt sei etwas Herrliches, die reinste Erholung, der beste Urlaub. Das stimmt auch – wenn man jeden Abend wieder an Land ist. Sobald man jedoch mehrere Tage auf dem Meer bleibt, nachts Wache schieben und tags Reparaturen machen muß, hört es mit der Segelherrlichkeit auf. Ilse würde es noch erfahren – – –

Ich ging an Deck, um an einem Sonnensegel zu nähen. Nach wenigen Minuten ließ ich meine Arbeit im Stich und stieg wieder hinunter. Ilse war immer noch beim Auspacken.

„… Und dann habe ich noch dieses Gedicht von einem Nachthemd. Ist es nicht wunderbar? Und, wenn du unbedingt willst, habe ich für dieses Rosa sogar einen Nagellack …“ Ob sie es ernst meinte, weiß ich bis heute nicht. Ich ließ mich fassungslos auf eine Stufe des Niederganges fallen: „Niña! Was soll denn bloß all dieser … dieser Krimskrams?“

Niña? Sie schaute mich mit großen Augen verständnislos an. Und seitdem heißt sie Niña, das spanische Wort für „kleines Mädchen“.

Niña war auch körperlich nicht gerade das, was man eine Athletin nennt; sie hatte aber dies: den Willen zu helfen und die Fähigkeit durchzuhalten. Und das ist viel mehr wert als Segelkenntnisse. Ob Nacht oder Sturm, sie hielt später ihre Ruderwache und bestätigte das alte Wort, nach dem Mann und Frau das beste Segelteam sind.

Vigo liegt an einer tief ins Land geschnittenen Bucht, die von mehreren vorgelagerten Inseln gegen atlantische Weststürme und groben Seegang gesthützt ist. Ein ideales Segelrevier für Anfänger oder auch genau die richtige Atmosphäre für Flitterwöchner. Zudem ist die Bucht vom Hauch des Abenteueuerlichen umwittert, von Überfall, Mord und Totschlag. Sie birgt einen Schatz und keinen legendären, sondern einen mit einem historischen Stammbaum: die Engländer versenkten 1702 hier die Silberflotte, die bis heute noch immer auf dem Meeresgrund ruht.

Welcher Seglerlehrling kann schon vorweisen, er sei in einer Bucht gesegelt, deren Boden aus Silber besteht? Die Niña konnte es. So versuchte ich, ihr das Segeln schmackhaft zu machen.

Eines stellte sie allerdings betrübt fest: eine Bank ist kein Ehebett und ein Boot kein schwimmendes Hotel …

Miesmuscheln hüten Silberschatz

Als wir in der Bucht umherkreuzten, wurden wir in der Enge von San Simon auf eine Gruppe von Frauen aufmerksam, die auf einem quadratischen Holzfloß einer geheimnisvollen Beschäftigung nachgingen. Da unsere Neugier geweckt war, legten wir kurz entschlossen bei ihnen an. Die Frauen sahen in ihren abgetragenen, schmutzigen Kleidern wie arme Bäuerinnen aus; sie waren jeglichen Alters, und sie schauten kaum von ihrer Arbeit auf, als wir auf ihr Floß kletterten. Als wir sie ansprachen, begannen sie schließlich verlegen zu lächeln.

Ja, es waren Bäuerinnen, Miesmuschelbäuerinnen sozusagen, sie sortierten ganze Berge dieser frischgeernteten Schalentiere. Ob sie wohl wußten, daß ihre Miesmuscheln, die sie an vielen im Wasser pendelnden Tauen züchteten, direkt über dem Silberschatz schwebten?

Die blauen Mies- oder Pfahlmuscheln finden wir auch bei uns im Norden. An Dalben, Pfählen, Felsen und Brückenfundamenten sitzen sie, und wenn ein Schiff zu lange: im Hafen liegen bleibt, kleben sie sich mit ihren Byssusfäden an die Giftfarbe des Dampfers und nehmen gar keine Rücksicht auf die Reputation der Patentfarbe und deren Herstellerfirma.

Sie haben Ähnlichkeit mit Austern. Wie schnell sie sich vermehren, bewiesen sie uns in den Niederlanden. Dort hatten während des letzten Krieges die abziehenden deutschen Truppen die Insel Walcheren unter Wasser gesetzt, indem sie die Deiche zerstörten. Und wer eroberte die Insel? Die Alliierten? Das Wasser? Ja, auch die und das! Aber festgesetzt und niedergelassen haben sich dort die Miesmuscheln.

Das fanden die Holländer heraus, als sie nach einem Jahr die Deiche wiederherstellten und das Wasser auspumpten. Überall klebten die Muscheln, an Häusern, an Wegweisern, an zurückgebliebenen Autos und zerstörten Tanks. Selbst auf die Bäume waren sie geklettert! Doch nie über die Wasserlinie hinausgedrungen.

Muscheln über Muscheln! Bis zu 30.000 Stück pro Quadratmeter!

Sie sind Kleinerzeuger einer klebrigen Masse, die an ihrem Fuß entlanglßuft und im Wasser sofort zu Fäden gerinnt. Mittels dieser Fäden hängen sie sich an irgendeinen Gegenstand – beispielsweise an die Taue der Miesmuschelbäuerinnen. Wollen sie „Höhensonne“ genießen, spinnen junge Muscheln ihre Fäden nach oben und seilen sich mit einem Klimmzug daran empor – eine peinlich langwierige Methode, aber Muscheln haben’s halt mit der Ruh’. Nahezu die Hälfte des Tages sind sie damit beschäftigt, sich frisches Wasser zuzuwedeln, damit ihre Kiemenbögen aus dem sie durchströmenden Wasser planktonischen Kleinkram herausfiltern können.

Viel werden sie da nicht schaffen? O doch: in einer einzigen Stunde fächeln sie sich mehrere Liter durch ihren Filterapparat! Und jeder Kubikliter Wasser enthält Tausende von pflanzlichen und tierischen Zellen.

Nicht in allen Teilen der Welt verzehrt man die Miesmuscheln mit solchem Genuß wie in England oder Barcelona oder auch auf unserem Boot. Das mag daran liegen, daß der Genuß von Muscheln, die in giftigen Abwasserbereichen leben, zum Tode führen kann.

Viele Feinde haben diese Tiere nicht. Ein Gegner ist die Möwe, die schwache Schalen zerbeißen kann, sich bei härteren jedoch eines Tricks bedient: sie steigt in die Luft, äugt, ob unter ihr felsiger Boden liegt und läßt die arme Miesmuschel fallen, die dann mit einem Knall zerplatzt, der für die Möwen der Umgebung zum Startschuß für den üblichen Streit wird.

Weil die Miesmuschel sich so eisenfest mit ihren Fäden an alles klammert, was von frischem Wasser umspült wird, glaubte sie, der Fuß sei wichtiger als der Kopf, und darum hat sie heute fast keinen Kopf mehr und keine Augen, ganz im Gegensatz zu ihren Vorfahren, die all diese Dinge noch besaßen und frei im Wasser umherschwammen.

Der Aufseher auf dem Muschelfloß schenkte Niña zu ihrer großen Freude einen halben Sack voller Muscheln. Offensichtlich dachte er beim Anblick ihrer schlanken Figur, sie werde bei mir nicht satt. Die folgenden Tage verzehrten wir dann mit großem Genuß in Rotwein und Zwiebeln gekochte Miesmuscheln.

Schließlich nahmen wir von Vigo Abschied; sein großzügig angelegter Yachtclub, der architektonisch den Aufbauten eines Dampfers gleicht, lag bald hinter uns; vor uns erhoben sich aus dem Dunst des Atlantischen Ozeans die Felseninseln Cies.

Der Vogel mit dem Rucksack

Niña, die inzwischen ihren Segelunterricht mit Erfolg absolviert hatte, steuerte das Boot in eine abgelegene Bucht der bis vor kurzem unbewohnten Nordinsel Cies.

Wir strebten durch Sand und dürres Gesträuch dem Süden der Insel zu, als ich plötzlich auf dunkle Wasservögel aufmerksam wurde, die kopfüber ins himmelblaue Meer tauchten. Alle Augenblicke kamen sie mit einem Fisch im Schnabel wieder an die Oberfläche und verschlangen ihn vor unseren Augen. „Komische Enten sind das“, meinte Niña.

Aber es waren Kormorane; sie tragen eine Art Rucksack in ihrem Schnabel: zwischen den Kiefern des unteren Schnabels ist die Kehlhaut elastisch und dient als Futterkrippe.

Im Gegensatz zu vielen anderen Tauchvögeln werden Kormorane im Wasser „naß“: ihr Gefieder ist wasserdurchlässig, sie müssen es sich nach jedem Fischzug mit den Flügeln trockenwedeln. Im Wasser haben sie einen so großen Tiefgang, daß man glauben könnte, ihre Füße seien aus Blei. Bei den Fischern sind diese Tiere nicht beliebt; sie werden als Konkurrenten betrachtet, die gierig ebenso viele Fische verzehren wie des Fisdlers Familie.

In Japan, China und vielen anderen Ländern „kaufen“ sich die Fischer ihre Konkurrenz auf: junge fleißige Kormorane – Kormorane sind immer fleißig – werden von ihnen dazu dressiert, von einem Boot aus auf Fische Jagd zu machen. Die Vögel tragen während ihrer Arbeit einen Hanfgarnring um den Hals, der sie daran hindert, größere Fische zu verschlucken. Jeder Fischer hat sechs bis zwölf Kormorane in seinem Boot, mit denen er jagt, denn die Arbeit erschöpft die Vögel rasch.

Nur ein einziger Vogel wird jeweils ins Wasser gelassen; er schluckt so viele Fische, wie sein Rucksack aufnehmen kann und kommt dann taumelnd zum Boot zurück, wo er von seinem Gebieter einen Klaps auf den Hals bekommt, damit er seinen Fang herauswürgt. Zur Belohnung erhält er großzügig kleinere, minderwertige Fische, die nicht verkauft werden können. Da die Kormorane gewandte Schwimmtaucher sind und gut eine Minute unter Wasser2 bleiben können, fangen sie in wenigen Stunden eine ansehnliche Zahl von Fischen.

Die Inseln wurden uns zum wahren Ferienparadies. Wir kraxelten in den Bergen herum, pflückten Brombeeren, badeten an einsamen Strandplätzen und suchten nach seltenen Muscheln. Doch da wir als moderne Menschen einen Fahrplan besaßen, kam bald die Stunde der Abfahrt.

Durch gefährliche Kanäle segelten wir nach dem Fischernest Bayona, das als erste Stadt der Alten Welt die Nachricht von der Entdeckung Amerikas erhielt. Dort hatte die Karavelle „La Linta“ unter dem Kapitän Martin Alonso Zuflucht vor einem schlimmen Sturm gesucht, nachdem sie schon einige Wochen zuvor vom Schiff des Kolumbus, der „La Niña“, in Höhe der Azoren durch einen Sturm getrennt worden war. Man macht nicht viel Aufsehens von diesem merkwürdigen Ereignis, nur eine kleine Inschrift erinnert daran. Doch hat es Bayona auch gar nicht nötig, sich damit wichtig zu machen, denn es besitzt eine Umgebung, die sich wie die Kulisse zu einem romantischen Theaterstück ausnimmt: sanft geschwungene Hänge, in Pinien- und Zypressenhaine gewandet, ein altes Schloß am Hafen und dahinter tiefblaue See.

Don Juan und die Pfannkuchen

Als wir von Bayona abfuhren, herrschte Flaute, so daß wir durch die Riffe tuckerten, während die Segel schlapp hin und her flappten. Das Meer lag spiegelglatt, nur die gewaltige Nordwestdünung jagte geisterhaft unter unserem Boot dahin. Flaute zehrt mehr an den Nerven als ein Sturm, wenn man in einer seetüchtigen Yacht sitzt. Und unsere LIBERIA IV war eine Hochseeyacht, ein Spitzgatter, ein moderner Colin-Archer-Kutter, der schon einen ganzen Sack voll Wind braucht, um in Schwung zu kommen. Da aber jetzt die Windgötter Urlaub feierten, ließen wir den Motor laufen und schauten auf die Seekarte, ob da nicht ein kleiner Hafen war, der uns für die Nacht aufnehmen konnte.

Wir fanden tatsächlich einen; mit untergehender Sonne liefen wir in das malerisch am Bergabhang gelegene La Guardia ein, warfen Anker und begrüßten gleich darauf den Hafenkommandanten an Bord, dessen blitzsaubere Kleidung in einem auffallenden Gegensatz zu dem alten verfallenen Hafen stand.

Während der ganzen Nacht sauste die Dünung unaufhörlich in den ungeschützten Hafen hinein, so daß ich mehrfach nach dem Anker schauen mußte, weil ich befürchtete, die LIBERIA könnte sich losreißen und gegen die Berge klatschen. Der Anker aber hielt; wir setzten morgens bei kümmerlichen Windverhältnissen unsere Fahrt fort.

Um uns herum dümpelten portugiesische Fischerboote, die ihre Netze einholten. Der Kapitän eines der Boote empfand offenbar Mitleid, als er uns so mühselig dahinschleichen sah. Er hielt auf uns zu, kam längsseits und – schenkte uns einen Eimer Sardinen.

Genau genommen heißen Sardinen ja erst Sardinen, wenn sie in Reih’ und Glied in der Blechbüchse liegen. Was wir geschenkt bekamen, das waren junge Fischbrüder aus der Heringsfamilie. Wir gaben den Portugiesen als Gegengeschenk Zigaretten, und sie dampften und qualmten hochbeglückt davon. Ich aber nahm die Fische aus, warf den vielen Seeschwalben und Wellenläufern die Innereien zu, und dann brutzelten sie, die Sardinen, denn jetzt lagen sie in einer Reihe, wenn auch in der Bratpfanne.

Niña hatte wie immer die erste Nachtwache. Um ein Uhr löste ich sie ab, um bis zum Morgen zu wachen. Als meine Sinne an der frischen Luft langsam zu neuem Leben erwachten, stieg in meine noch halb schlafende Nase bester Kölnisch-Wasser-Geruch. Ich schnüffelte und schnupperte verwundert herum, um die Quelle dieses unerwarteten Genusses aufzuspüren. Schließlich fragte ich Niña, ob sie eine Flasche zerbrochen hätte. Ich wurde beruhigt: sie habe lediglich das Cockpit3 mit Parfüm bespritzt, um den Fischgeruch zu vertreiben.

In den folgenden 24 Stunden schafften wir bei frischem achterlichen Wind 137 Seemeilen. Niña sprach von Sturm, jedoch der Seemann, der von Bord eines größeren Schiffes herunterschaut, nennt das nur eine steife Brise. Als wir das westlichste Kap des europäischen Festlandes, Cabo da Roca, auf der Höhe von Lissabon passierten, bekam ich plötzlich Appetit auf Pfannkuchen.

„Die könnten wir uns schön zum Abendbrot in Cascais machen“, meinte ich zu Niña und überredete sie, zu diesem Zwecke nach Portugal zu fahren.

Aus den Pfannkuchen wurde nichts – der Wind schlug um, erst nach Mitternacht rasselte unser Anker in der Bucht von Cascais, dem bekannten Fischerdorf vor den Toren Lissabons, in die Tiefe. Todmüde fielen wir in die Kojen und ließen Pfannkuchen Pfannkuchen sein.

Wir kannten beide Lissabon und die portugiesische Riviera von früher her, aber das tat unserer Begeisterung beim Wiedersehen keinen Abbruch. Von Cascais fuhren wir nach Estoril. Hier wimmelte es von Königen, Prinzen, Großfürsten und anderen Exzellenzen, etwa drei Dutzend kommen auf den Quadratkilometer, und als wir vom Yachtclub auf unser Boot zurückpullten, hörten wir, daß unsere Nachbaryacht dem Thronprätendenten von Spanien, Don Juan, gehöre. Als ich die Ankerkette unter den Augen der weiblichen Prinzengarde doppelt so schnell wie gewöhnlich einhievte, merkte ich nicht, daß der Wind die bürgerliche LIBERIA IV mit unerwartetem Schwung auf die königliche Yacht zutrieb. Niña zog sich in der Kabine gerade um und konnte mich nicht warnen. Plötzlich sah ich die Gefahr. Der neue Klüverbaum,.den mir ein früherer Mitsegler schon einmal zerbrochen hatte, näherte sich unheimlich schnell Don Juans Yacht, auf deren Deck die Damen gerade Cocktails serviert bekamen. Gebannten Blickes erwarteten sie die Attacke der roten LIBERIA. Entsetzt griff ich nach dem Bootshaken, setzte ihn, so behutsam es ging, gegen das königliche Schanzkleid, stemmte mich mit aller Kraft dagegen und dann krachte es – der Bootshaken brach! Was tat’s! Mein neuer Klüverbaum verschrammte nichts vorn Lack der noblen Yacht, das war die Hauptsache.

Auf dem Boot hatte man sich wieder vorn Schreck erholt, und als ich mich ob dieser peinlichen Bedrohung bei der Prinzenmutter auf Spanisch entschuldigte, freute sie sich über die nicht erwarteten Sprachkenntnisse und lobte den Mut der Niña, die inzwischen, halb angezogen, aufgetaucht war und ihr erzählte, daß wir nach Las Palmas auf den Kanarischen Inseln segeln wollten, die immerhin über 1200 Kilometer entfernt waren.

Am Winde segelte die LIBERIA allein aus der Mündung des Tejo heraus. Was würden die nächsten sieben Tage uns bescheren? Flauten? Stürme? Oder gar Unfälle?

„Mann über Bord“

Der Wind ließ einen Tag auf sich warten, zwei Tage, am dritten Tag schließlich machten wir Ferien vom Boot, so konnten wir unsere Rettungsmanöver im Schlauchboot auch nennen. Die LIBERIA schaukelte wie ein Stehaufmännchen und dümpelte wie ein Betrunkener, so daß die kurze Fahrt im Schlauchboot eine Erholung und willkommene Abwechslung war.

Einige Stunden später – der Wind hatte sich wieder eingestellt – meldete Radio Lissabon einen Zyklon, mit dessen Ausläufern wir rechnen mußten. In der Nacht begann es zu stürmen, die See rohrte und tobte, der Wind pfiff und heulte.

Für Niña kam die Bewährungsprobe. Bei ihrer Abfahrt aus Deutschland hatten die meisten ihrer Freunde die Hände überm Kopf zusammengeschlagen, als sie ihnen eröffnete, sie wolle in einer kleinen Yacht aufs Meer. Es ist wenig bekannt, daß man in einer gut ausgerüsteten Hochseeyacht – und die LIBERIA IV war es – bei vernünftiger Führung ebenso sicher ist, wie auf einem großen Passagierdampfer. Vielleicht sogar sicherer: auf unserer Rückreise von New York nach Cuxhaven erlebten wir auf einem solchen Dampfer einen harmlosen Sturm, in dem es über 25 Verletzte gab!

Auf meiner 14.000-Seemeilen-Fahrt mußte ich mich mindestens einmal im Monat mit einem solchen Sturm auseinandersetzen, und unter solchen Bedingungen habe ich die meisten Seemeilen zurückgelegt, ohne, wie es unser Luxusdampfer tat, beidrehen zu müssen. Nicht einmal blaue Flecken habe ich bekommen! Gefahren für seetüchtige Yachten gibt es fast ausschließlich an den Küsten, nicht auf hoher See.

Für den Fall jedoch, daß Niña im Sturm von einer überkommenden See aus dem Cockpit gerissen werden sollte (was bei Yachten seltener vorkommt als bei größeren Booten), hatte ich ihr gesagt, wie sie sich dann verhalten müsse.

„Was tust du, wenn du über Bord gehst?“ fragte ich sie.

„Ich schreie.“

„Aber nur solange das Boot in unmittelbarer Nähe ist. Wenn ich aber deine Hilferufe nicht mehr hören kann, was machst du dann?“

„Dann schwimme ich dir nach!“

„No, Señora! Du bleibst, wo du bist, und du bewegst dich so wenig wie möglich. Keine Panikstimmung aufkommen lassen! Spare deine Kräfte, wie du nur kannst, du wirst sie brauchen! Leg dich auf den Rücken und spiele toter Mann! Selbst wenn du nicht schwimmen könntest, vermag das Salzwasser dich zu tragen … Und wenn ich dann bemerke, daß du verschwunden bist, muß ich dich auf dem entgegengesetzten Kurs wieder suchen. Finde ich dich nicht und hast du das Boot aus den Augen verloren, dann kannst du dich nur noch nach den Gestirnen oder dem Wind orientieren – aber das hat natürlich nur Sinn, wenn Land in der Nähe ist.“

„Aber Hannes, das ist doch alles graue Theorie!“

„Es gibt Beispiele.“

„Und wenn ein Hai sich für mich interessiert?“ fragte Niña schaudernd.

„Von den rund 350 Haiarten greifen nur sechs oder sieben den Menschen an.“

„Wie beruhigend!“

„Einige Taucher haben schon Hai-Attacken abgewehrt, indem sie den Fischen ihre Kamera auf die Nase stießen; mit einem Schuh kann man es auch versuchen, im Notfall muß die Faust herhalten. Perlenfischer schreien unter Wasser, wenn ein Hai angreift, und sie haben auf diese Weise schon manchen in die Flucht geschlagen.“

„Und die Schwimmweste, die ich auf deinen Befehl hin im Sturm immer anziehen muß, hält die mich wirklich über Wasser?“

„Nicht nur das, sie hält dich zusätzlich noch warm. Auch die Kleidung soll ein Schiffbrüchiger im Wasser nach Möglichkeit immer anbehalten; sie schützt ihn vor Unterkühlung, egal, ob er in nördlichen oder in tropischen Gewässern treibt. Übrigens rettete sich der amerikanische Flieger Carroum auf eine pazifische Insel, nachdem er über drei Tage in seiner Schwimmweste gehangen hatte.“

Viele Segler plädieren für eine Sicherheitsleine, durch die sie während ihrer Wache mit der Yacht verbunden sind. Ich kenne keinen Einhandsegler, der sie auf seiner Ozeanüberquerung benutzt hätte, weiß aber von einem Fall, in dem ein deutscher Arzt trotz der Sicherheitsleine in der Nordsee über Bord gerissen wurde, und seine beiden Kameraden brachten es nicht fertig, ihn aus seiner furchtbaren Lage zu befreien.

Wir hatten uns auf der LIBERIA um das Cockpit eine Griffleiste anbringen lassen, an der wir uns bei Sturm mit einer Hand festhielten, während wir mit der anderen die Pinne4 bedienten. Daher auch der Name „Einhandsegler“; ein Alleinsegler kann nur mit einer Hand das Boot bedienen, weil er mit der anderen für seine Sicherheit sorgen muß.

„Mann über Bord“ wird immer ein Schreckensruf bleiben, doch sollte man sich daran erinnern, daß viele Seeleute noch aus den verzweifeltsten Situationen gerettet worden sind.

Werden Fische seekrank?

Bei diesem scheußlichen Seegang sorgte ich mich, Niña könnte seekrank werden, denn es hat sich immer wieder gezeigt, daß die meisten Menschen zu irgendeiner Zeit ihres Lebens einmal von der Seekrankheit gepackt werden, selbst wenn sie sich für seefest halten. Ich habe einmal in einem Biskayasturm einen Kapitän gesehen, dem fürchterlich übel war, während es mir ganz gut ging. Vier Wochen später aber wurde mir in einem Fischerboot in der Straße von Gibraltar schlecht, obwohl es nicht einmal stürmte.

In meinem eigenen Boot litt ich niemals unter Seekrankheit, mußte jedoch in bestimmten Körperstellungen, besonders beim Ausschöpfen des Bootes, höllisch aufpassen, daß ich nicht doch die Fische fütterte.

In der LIBERIA IV war es mir bei diesem Wetter auch nicht möglich, längere Zeit gefahrlos an der Kochnische zu arbeiten; alle paar Minuten mußte ich den Kopf in die frische Luft stecken. Niña erging es ebenso.

Selbst im Kino kann man „seekrank“ werden, wenn man zum Beispiel in einem dreidimensionalen Film eine Berg- und Talbahnfahrt intensiv miterlebt; der Terminus technicus dafür ist „bewegungskrank“. Auch auf einer Kaimauer sind schon Menschen „seekrank“ geworden, weil sie ein dümpelndes Boot zu lange betrachtet hatten.

Wenn ich im Autobus ganz hinten sitze, werde ich zuweilen noch heute „reisekrank“, in Flugzeugen dagegen bin ich niemals „luftkrank“ gewesen, auch nicht in den schwersten Stürmen. Babys werden nicht seekrank, taube Menschen auch nicht.

An Bord von großen Dampfern sind richtige Verhaltungsmaßregeln ebenso wichtig wie Tabletten gegen Seekrankheit: essen wie gewöhnlich, nicht zu viel, nicht zu wenig; den Kopf beim Sitzen anlehnen; Maschinengeruch meiden und für frische Luft in der Kabine sorgen. Tabletten gegen Seekrankheit haben vorwiegend suggestive Wirkung.

In offenen Rettungsbooten ist der Prozentsatz der Seekranken geringer als auf Dampfern, weil Schiffbrüchige durch andere Sorgen abgelenkt werden und weil sie stets den Horizont sehen. Wird jedoch ein Schiffbrüchiger seekrank, dann schwebt er in besonders großer Gefahr, da die Seekrankheit eine unvorstellbare Gleichgültigkeit aufkommen läßt und jede Hoffnung tötet.

Auch Tiere werden seekrank, selbst Seevögel und Fische. Ich kenne einen Fall, in dem sogar Tümmlern, die von Miami über die Floridastraße transportiert wurden, die Seefahrt nicht bekam. Die Ursache liegt im Gleichgewichtsorgan, das dem Gehirn stets die Körperlage signalisiert und dessen Signale auf bestimmte Gehirnzellen überspringen können, so daß Brechreiz, Müdigkeit, Kollaps und sogar Todesverlangen ausgelöst werden.

Nur unter Fock5 dahinsegelnd machten wir dennoch rasende Fahrt. Segel und Mast, stehendes wie laufendes Gut6 waren überdurchschnittlich stark, so daß ich keine Havarie zu fürchten brauchte. Morgens und abends machte ich meine Bordrunde, um Schäden entweder verhindern oder beseitigen zu können, denn gerade auf dem Meer darf man sich niemals im Bewußtsein seiner guten Ausrüstung allzu sicher fühlen und nachlässig werden. Durch Eitelkeit sind schon viele Unfälle entstanden.

Niña lag zusammengekauert auf der Bank und betete, der Sturm möge uns doch endlich in Frieden lassen. Doch draußen brauste, schäumte und tobte das Meer unbekümmert weiter. Seit 24 Stunden pfiff der Wind durch die Wanten7, rohrten die Seen und toste das Meer. Unsere starke LIBERIA IV wurde von den Riesenwellen wie ein Stück Treibholz gepackt und in die Höhe gehoben; gewaltige Brecher schleuderten sie bisweilen zehn, fünfzehn Meter in die gewünschte Richtung. Hin und wieder stürzten sich Wassermassen über das Boot, so daß nur noch der Mast aus dem Gischt herausragte.

Als Niña mich in diesem Inferno abgelöst hatte, sah ich mit Entsetzen, daß das Boot Wasser gemacht hatte.

Ich pumpte wie ein Besessener und überlegte dabei angestrengt, von wo wohl das Wasser eingedrungen sein könnte. Die LIBERIA war neu und bestens gebaut, ihr Rumpf stärker als vorgeschrieben – nein, am Boot konnte es nicht liegen. Endlich war das Wasser ausgeöst. Ich drehte den Wasserhahn auf – kein einziger Tropfen! Da hatte ich des Rätsels Lösung: der Wassertank mußte leck geschlagen sein! Über 400 Liter Wasser hatten sich in die Bilge8 ergossen! Zum Glück gab es noch genügend Wasserbehälter aus Plastik an Bord; kein Orkan konnte sie zerstören!

Draußen heulte es weiter. Das Boot machte Bocksprünge wie ein ungezähmtes Pferd auf einem Rodeo im Westen Amerikas. Bei jedem Schlag gegen die Bordwand wachte ich aus einem unruhigen Schlaf auf und schaute nach draußen, ob Niña noch zu sehen war. Sie klammerte sich krampfhaft mit der rechten Hand an der Cockpitverkleidung fest, mit der linken Hand hielt sie die Pinne. Sobald sie mich sah, versuchte sie angestrengt, ihr vom Sturmwind krebsrot gepeitschtes Gesicht zu einem zuversichtlichen Lächeln zu verziehen. Für sie, die „Nichtseglerin“, war es selbstverständlich, ihre Wachen auch bei schlechtem Wetter zu schieben.

Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm ausgebraust, doch immer noch brüllte die See, und immer noch sauste die LIBERIA unter Fock dahin. Als ich nach der Wachablösung wieder in die Kabine kam, rutschte ich auf den Bilgenbrettern aus – sie waren dick mit Öl verschmiert; der Sturm hatte auch noch die Öltanks zerschlagen!

Die letzten Tage der Überfahrt verliefen ohne weitere Zwischenfälle. Neun Tage nach der Abfahrt aus Lissabon schlichen wir uns morgens gegen drei Uhr in Puerto de la Luz, den Hafen von Las Palmas auf Gran Canaria, ein. Im glitzernden Wasser vor dem königlichen Yachtlub machten wir ein paar Boote aus und gingen neben einem Schoner9 vor Anker.

 

 

 

1 Segel ohne Wind, aus dem Englischen: calm = still.

2 71 Sekunden Tauchdauer und 9½ m Tiefe sind der durch wissenschaftliche Beobachtungen erwiesene Rekord.

3 Der im Deck vertiefte Sitzraum für den Rudergänger auf Yachten, meist „die Plicht genannt.

4 Rudergriff

5 Das untere Segel an der Vorkante des Mastes.

6 Festes und bewegliches Tauwerk.

7 Stahlseile, die den Mast seitlich stützen.

8 Die tiefste Stelle im Schiff.

9 Mehrmastiges Segelfahrzeug, dessen größerer Mast hinten steht.

ZWEITES KAPITEL

AUF DEN INSELN DER GLÜCKSELIGEN

„LIBERIA! Buenos dias!“ riß uns in aller Frühe ein Störenfried aus unserer wohlverdienten Nachtruhe. Schlaftrunken steckte ich den Kopf aus der Luke und erkannte auf dem Nachbarschoner einen spanischen Seglerfreund.

Für die Segler von Las Palmas ist der Name LIBERIA ein vertrauter Begriff: in Las Palmas hatte ich mich auf meine beiden ersten Fahrten in Einbaum und Faltboot mehrere Monate lang sorgfältig vorbereitet, und die Segler hatten daran Anteil genommen, als sei ich einer der ihren.

„Ich dachte, Sie seien gestorben?“ empfing mich der Bekannte.

„Noch nicht ganz“, rief ich hinüber und rieb mir den Schlaf aus den Augen.

„Aber amerikanische Segler haben uns doch erzählt, daß Sie nach der Ankunft in diesem … diesem Kanu lange Zeit krank waren und dann verstorben sind …“

„Und jetzt bin ich gerade von den Toten auferstanden“, unterbrach ich ihn. „No Sefior, todo va bien! Mir ging es während meiner Faltbootüberquerung relativ gut, und krank war ich nach der Fahrt überhaupt nicht!“

Der Segler betrachtete mich kopfschüttelnd. Wie so viele andere konnte auch er es nicht fassen, daß ich ohne irgendwelchen körperlichen Schaden mit meinem fünf Meter langen Faltboot heil über den Atlantik gekommen war. Wie die anderen vergaß auch er, daß ich jahrelang trainiert hatte und erst losgefahren war, als ich von einem „kosmischen Sicherheitsgefühl“ erfüllt war und wußte, daß ich ankommen würde …

Kleopatra und die Silbadores