Prof. Dr. Christiana Nicolai ist Professorin für Personalmanagement und Organisation an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <www.dnb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-86764-835-6 (Print)

ISBN 978-3-7398-0385-2 (EPUB)

ISBN 978-3-7398-0386-9 (EPDF)

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlag 2018

Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Printed in Germany

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz

Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98

www.uvk.de

Vorwort

Die Organisation eines Unternehmens hat entscheidenden Einfluss auf seine Wettbewerbsfähigkeit. Sie hat Auswirkungen auf Kosten, Produktivität und Qualität sowie auf das Verhalten und die Motivation der Mitarbeiter.

Organisatorische Aufgaben stellen sich nicht nur bei der Unternehmensgründung, auch die Prozesse und Strukturen bestehender Unternehmen müssen immer wieder neu gestalten werden, sollen sie erfolgreich bleiben. Die zahlreichen Reorganisationen in den letzten Jahren belegen, dass die Bedeutung der Organisation erkannt wurde. Sie wird heute überwiegend als strategische Managementfunktion und wesentlicher Baustein bei der zielorientierten Steuerung und langfristigen Erfolgssicherung verstanden.

Dieses Buch behandelt die „Aufbauorganisation“, wobei zunächst alternative Leitungssysteme vorgestellt und anschließend Primär- und Sekundärorganisationen behandelt werden.

Christiana Nicolai

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Leitungssysteme

1.1 Vorbemerkung

Die Gestaltung der Aufbauorganisation wird durch die unternehmensindividuelle Kombination der vier Strukturvariablen oder Gestaltungsparameter bestimmt. Diese sind:1

Abb. 1: Zusammenhang zwischen den Gestaltungsparametern der Aufbauorganisation

Im Rahmen der Spezialisierung werden Intensität und Vorgehensweise der Arbeitsteilung festgelegt. Es werden Regeln geschaffen, welche Organisationseinheiten, d.h. Stellen und Abteilungen, gebildet werden und welche Aufgaben sie erhalten sollen.

Alle Organisationseinheiten sind gemeinsam an der Erfüllung der Unternehmensziele beteiligt. Um ein sinnvolles Vorgehen im Gesamtzusammenhang zu gewährleisten, müssen die Aktivitäten der einzelnen Einheiten aufeinander abgestimmt werden. Damit beschäftigt sich die zweite Strukturvariable, die Koordination.

Zwischen den Stellen herrscht eine hierarchische Ordnung, das sog. Leitungssystem des Unternehmens. Die Über- und Unterstellungsverhältnisse und die damit verbundenen Weisungsbeziehungen zwischen Vorgesetzten und unterstellten Mitarbeitern sind als nächstes zu gestalten. Die Gesamtheit dieser Regelungen nennt man Konfiguration.

Zusätzlich sind die Entscheidungsbefugnisse für alle Stellenarten zu definieren. Um eine sinnvolle Aufgabenerfüllung zu gewährleisten, muss klar ersichtlich sein, welche Stellen in welchem Umfang und in welchen Bereichen verbindliche Entscheidungen treffen dürfen und müssen. Mit der Festlegung dieser Regeln befasst sich die Entscheidungsdelegation oder Kompetenzverteilung.

Durch die Kombination dieser vier Gestaltungsparameter werden die organisatorischen Regelungen festgelegt, die zusammen die spezifische Aufbauorganisation eines Unternehmens.

Den Schwerpunkt der Gestaltung der Aufbauorganisation bildet die Konfiguration der Leitungssysteme. Dabei stehen diese zentralen Fragen im Mittelpunkt:

1.2 Leitungsspanne und Leitungstiefe

Bei der Festlegung der hierarchischen Beziehungen muss man zunächst überlegen, wie viele Stellen einer Instanz direkt unterstellt werden können. Diese Anzahl wird als Leitungsspanne bezeichnet. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Stellen es sich handelt, d.h. ob die unterstellten Mitarbeiter selbst Instanzen, Leitungshilfsstellen oder Ausführungsstellen sind.

Statt von Leitungsspanne wird auch von Subordinationsquote gesprochen. Hier wird die Beziehung zwischen dem Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern jedoch sprachlich sehr auf den Unterordnungs- und Kontrollaspekt reduziert, was heute i.d.R. nicht mehr als zeitgemäß angesehen wird.

Die Bezeichnung Kontrollspanne ist in der Praxis ebenfalls üblich. Dabei wird nicht bedacht, dass Leiten mehr als Kontrollieren ist. Es handelt sich um eine ungenaue Übersetzung des englischen Begriffs Span of Control. Control bedeutet nicht nur kontrollieren, sondern auch leiten, steuern und regeln.

Die Leitungsspanne stellt immer auf die Zahl der direkt unterstellten Stellen ab. Indirekt unterstellte Einheiten werden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. Andernfalls hätte der Vorstand eines internationalen Konzerns eine Leitungsspanne von mehreren zehntausend Stellen.

Früher wurde oft versucht, ein optimales Zahlenverhältnis zwischen einem Vorgesetztem und seinen direkt unterstellten Mitarbeitern zu ermitteln, wobei eine Leitungsspanne von drei, sechs oder neun Stellen bevorzugt wurde.2 Allerdings wurden damals weit mehr als heute persönliche Weisungen erteilt. Da Mitarbeiter heute besser qualifiziert sind, selbstständiger arbeiten und deshalb die Koordination durch persönliche Weisungen zurückgeht und die anderen Koordinationsinstrumente – vor allem die Selbstkoordination – stärker genutzt werden, sind deutlich größere Leitungsspannen möglich. Auch die moderne Kommunikations- und Informationstechnik ermöglicht eine höhere Span of Control.

Heute geht man davon aus, dass es keine allgemein gültige optimale Leitungsspanne gibt. Eine einheitliche Quote würde zur Überforderung bzw. Unterforderung einzelner Instanzen führen.3

Welche Leitungsspanne angemessen ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden und hängt von vielen Faktoren ab:

Mit steigender Hierarchieebene nimmt die Gleichartigkeit und die Vorherbestimmbarkeit der Aufgaben ab. Dies führt dazu, dass die Leitungsspannen auf höheren Hierarchieebenen eher gering sind und nach unten hin zunehmen. In Abteilungen, in denen einfache, vorwiegend mit Routineaufgaben betraute Stellen zusammengefasst sind, etwa in einem Fertigungsbereich mit Fließbändern, ist eine Leitungsspanne von fünfzig oder hundert Unterstellten keine Seltenheit. Geht es hingegen um die Lösung hochkomplexer Probleme in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, dann besteht i.d.R. viel Kommunikations- und Koordinationsbedarf und die Leitungsspanne liegt oft bei lediglich drei bis fünf Mitarbeitern. Das gilt auch für die obersten Hierarchieebenen.

Eng verbunden mit der Leitungsspanne ist die Leitungstiefe. Sie gibt Auskunft über die Anzahl der Hierarchieebenen eines Unternehmens. Eine geringe Leitungstiefe führt i.d.R. zu einer flachen Hierarchiepyramide, während eine große Leitungstiefe eine steile Pyramide mit vielen Leitungsebenen bedingt. Mit der Vergrößerung der Leitungsspanne verringert sich die Zahl der benötigten Instanzen und Hierarchieebenen. Umgekehrt gilt: Je kleiner die Leitungsspanne ist, desto größer ist die Leitungstiefe, d.h. desto mehr Hierarchieebenen gibt es normalerweise.4 Abb. 2 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Leitungsspanne und Leitungstiefe.

Abb. 2: Zusammenhang zwischen Leitungsspanne und Leitungstiefe

Breite Leitungsspannen und geringe Leitungstiefen entsprechen dem Zeitgeist, da man sich davon mehr Schnelligkeit, Flexibilität und Kreativität verspricht und von vorneherein von gut qualifizierten Mitarbeitern ausgeht, die selbstbestimmter arbeiten können und wollen und deshalb besonders motiviert und leistungsorientiert sind.

Dieser Gedanke ist auch im Lean Management – der schlanken Organisation – verankert. Es zeichnet sich unter anderem durch eine sehr geringe Zahl von Hierarchieebenen und eine große Selbständigkeit der Ausführungsstellen aus, die gut qualifiziert, flexibel und kreativ sein sollen.

Inzwischen werden jedoch nicht nur positive Aspekte, sondern auch abnehmende Karrierechancen für den Führungsnachwuchs und eine Desorientierung und Überforderung von Mitarbeitern mit entsprechend rückläufiger Produktivität zunehmend mit dem Lean Management bzw. mit den Folgen sehr flacher Hierarchien in Verbindung gebracht.5

Der Trend der Verschlankung scheint in letzter Zeit ein wenig rückläufig zu sein und es kommt in der Praxis dazu, dass Hierarchieebenen nicht mehr im gleichen Maße wie früher abgebaut bzw. sogar wieder neue Hierarchieebenen eingezogen werden, um die Nachteile rückgängig zu machen.

Die Vorteile einer steilen Unternehmenshierarchie sind gleichzeitig die Nachteile einer flachen Pyramide und umgekehrt.

Vorteile steiler Unternehmenshierarchien:

Vorteile flacher Unternehmenshierarchien:

1.3 Grundformen der Leitungssysteme

Leitungssysteme regeln die Frage, wie die Unter- und Überstellungsbeziehungen – genauer: die Weisungs- und Kommunikationsbeziehungen – im Unternehmen gestaltet werden sollen. Sie werden auch als Liniensysteme bezeichnet, weil die Zusammenhänge zwischen den Stellen mittels Linien dargestellt werden.

Grundformen der Leitungssysteme sind: