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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

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13.

14.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2326

 

Galaktische Dämmerung

 

Die Milchstraße im Würgegriff TRAITORS – die Terminale Kolonne erlaubt keinen Widerstand

 

Horst Hoffmann

 

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Über die Welten der Milchstraße bricht im Jahr 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4931 alter Zeitrechnung – eine Veränderung herein, wie sie sich niemand hat vorstellen können. Die Terminale Kolonne TRAITOR, eine gigantische Raumflotte der Chaosmächte, greift nach der Galaxis.

Im unmittelbaren galaktischen Umfeld der Milchstraße soll in der Sterneninsel Hangay eine sogenannte Negasphäre entstehen, ein absolut lebensfeindlicher Raum. Die Menschheitsgalaxis soll dieser kosmischen Region als »Ressource« zugeführt werden.

Gigantische Kolonnen-Forts werden im Umfeld wichtiger Welten installiert, und ein Terroranschlag tötet die meisten Regierungsoberhäupter der galaktischen Völker. Mit der Entsendung der Dunklen Obelisken auf die bedeutendsten Planeten der Milchstraße schreitet die Machtübernahme der Kolonne weiter fort.

Überall wird die TRAITOR-Direktive verkündet. Und so beginnt die GALAKTISCHE DÄMMERUNG …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Bostich I. – Der Imperator von Arkon ist auf der Flucht und sinnt auf Rache.

Reginald Bull – Der LFT-Minister leitet die Mission Bermuda ein.

Roi Danton – Ein Kämmerer muss das aufgeben, wofür er jahrelang hart gearbeitet hat.

Thort Kelesh – Der Herrscher der Ferronen sieht sich verraten und verkauft.

Jannah Holdo – Eine Frau geht aufs Ganze.

»It's the end of the world as we know it.«

(R.E.M.)

 

 

1.

3. November 1344 NGZ

Terrania, Solare Residenz

 

»Kommt nicht in Frage, Perry«, schnaubte Reginald Bull, stand auf und drehte sich demonstrativ zum Fenster.

»Vielleicht hat der Resident sich ja unklar ausgedrückt«, versuchte es die amtierende Erste Terranerin, Tamira Sakrahan. Die Parlamentspräsidentin hatte nach Maurenzi Curtiz' Tod gemäß der Verfassung der Liga Freier Terraner sein Amt kommissarisch übernommen. »Wir haben die Sachlage doch gemeinsam ausführlich diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, Bermuda müsse möglichst schnell umgesetzt werden. Du bist der logische Kandidat dafür, und so frage ich dich, Minister Bull – bist du bereit und willens, diese Aufgabe zu erfüllen?«

»Seid ihr alle taub? Ich habe Nein gesagt. Mein Platz ist hier.«

Bulls Stimme klang fest, doch tief in seinem Innern fühlte er sich unsicher. Vielleicht war dies der wirkliche Grund für seine Weigerung.

Reginald Bull starrte hinaus über Terrania, das unter bleigrauem, weinendem Himmel lag. Das Bild passte hervorragend zu seinem momentanen Gemütszustand.

Düstere Wolken bedeckten den Himmel lückenlos. Es regnete, ein leichter Wind trieb die schweren Tropfen gegen den metallenen Leib der riesigen Stahlorchidee der Solaren Residenz, die in ihrer ganzen Majestät in gelassener Ruhe über dem See im Residenzpark schwebte. Es war kein Wetter für Sonnenanbeter und sensible Gemüter.

Der Verteidigungsminister hätte sich allerdings ein Zeichen, ein einziges nur, gewünscht, das ihm signalisiert hätte, es gäbe die Sonne noch. Für ihn, für die Erde, für die solare Menschheit.

Denn Sonne war Hoffnung – Hoffnung in Zeiten der Hoffnungslosigkeit.

Das Solsystem blieb in seinen TERRANOVA-Schirm gehüllt, der alles ausschloss – vor allem die 64 Traitanks der Terminalen Kolonne TRAITOR, die der Duale Vizekapitän Zarmaur kommandierte. Sollte ihnen entgegen aller Hoffnung der Durchbruch gelingen, wartete im Innern des Schirms die 12.000 Raumer unterschiedlichster Größen starke Heimatflotte SOL.

Bull wusste jedoch: 12.000 waren bei weitem nicht genug. TRAITOR durfte kein einziger Durchbruch gelingen, sonst würde das gesamte Solsystem fallen.

Ohne das Eingreifen des Nukleus der Monochrom-Mutanten wäre es längst so weit gewesen. Dessen Psi-Schutz aber stabilisierte den Schirm weit über dessen normale Kapazitäten hinaus – wenngleich niemand zu sagen vermochte, wie lange. Die Hoffnung der solaren Menschheit richtete sich daher zunehmend auf jene mysteriöse außergalaktische Macht, die der Nukleus angeblich zu Hilfe gerufen haben wollte. Von ihr gab es allerdings nach Angaben der Botin des Nukleus, Fawn Suzuke, bisher keine Spur.

Wer immer da helfen möchte, dachte Reginald Bull grimmig, sollte sich besser bald die Ehre geben …

Der Unsterbliche drehte sich mit einem Ruck zu dem großen Konferenztisch um, an dem fast jeder saß, der in diesen Tagen im Solsystem größere Verantwortung trug. Bull wandte sich jedoch direkt an seinen ältesten Freund und Weggefährten, Perry Rhodan. Es war selten vorgekommen, dass sie so verschiedener Meinung waren wie jetzt. Was Rhodan jetzt von ihm verlangte, konnte er aber einfach nicht tun.

»Ich werde das Solsystem nicht verlassen, Perry«, sagte er. »Ich möchte nicht mehr darüber diskutieren. Ich werde als Verteidigungsminister hier gebraucht und nicht … irgendwo dort draußen. Ich werde nicht gehen und meine Freunde und die Menschen im Stich lassen. Nicht so wie Bostich.«

Den letzten Satz sagte er mit einer erkennbaren Gehässigkeit. Imperator Bostich I., Herrscher des Kristallimperiums, hatte seine Heimat fluchtartig verlassen, als TRAITOR dort seine Macht bewiesen hatte.

»Stell dich nicht so stur«, bat Moharion Mawrey anstelle des Residenten. »Keiner spricht dir Mut und Verantwortungsgefühl ab. Sieh bitte die Erfordernisse ein.«

»Ach was«, blaffte Bully. »Ich stelle mich nur den Realitäten. Und nicht irgendwelchen Hochrechnungen. Das ist es, was uns Menschen von Computern unterscheidet, weißt du? Wir halten durch und gestalten die Wirklichkeit kraft unseres Willens. Wir ergeben uns keinen Zahlenspielen.«

Homer G. Adams ächzte vernehmlich, als er aufstand und mit der Hand auf den Tisch schlug.

»Komm schon! NATHAN stimmt in diesem Fall hundertprozentig mit unserem gesunden Menschenverstand überein. Die Terminale Kolonne hat vor zwei Tagen in allen bedeutenden Systemen die Kolonnen-Forts enttarnt und die sieben Punkte der TRAITOR-Direktive verkündet. Die Besetzung der Milchstraße ist damit in eine neue Phase eingetreten, und wir müssen etwas unternehmen, damit wir nicht überrollt werden.«

»Wenn wir es nicht schon sind«, brummte Reginald Bull. »Und vergesst nicht: Das Solsystem darf nicht fallen, das sagt sogar dieser nervige Nukleus. Auch wenn er uns nicht verrät, warum, bestimmt wieder irgendeine sechsdimensional vertrackte Geheimhaltungssache.«

»Ganz genau«, stimmte ihm Adams zu. »Jeder Tag, den wir ungenutzt verstreichen lassen, kostet uns mehr – und ich rede nicht von Geld und wirtschaftlichen Schäden. Es geht um alles, Minister, und in einem solchen Fall müssen wir das Beste aufbieten, was uns zur Verfügung steht. Du bist der Mann für ›Operation Bermuda‹.«

Die Anwesenden klopften höflichen Beifall auf die Tischplatte, sodass Bull die Röte ins Gesicht schoss. Von den Unsterblichen waren nur noch Rhodan selbst und Julian Tifflor vergleichbar für diese Aufgabe qualifiziert. Perry Rhodan hatte allerdings von Anfang an klargestellt, dass er das Solsystem unter keinen Umständen verlassen würde, und Julian Tifflor war im Sternenozean Jamondi gebunden. Also blieb als Oberkommandierender der Streitkräfte außerhalb des Solsystems nur der LFT-Verteidigungsminister.

Und das wiederum wollte Bull nicht einsehen.

»Was wird die Presse sagen?«, versuchte Bull ein letztes Mal, gegen das Unvermeidliche aufzubegehren. »Ich kann die Schlagzeilen schon lesen: Minister stiehlt sich aus der Verantwortung – Bull verteidigt nur das eigene Leben: durch Flucht! Das ertrage ich nicht!«

Ein leises Lachen ertönte, blechern und unnatürlich.

»Netter Versuch«, tönte es aus dem Sarkophag, der die Überreste von Malcolm S. Daellian enthielt, dem Chefwissenschaftler der LFT. »Und beinahe glaubhaft. Vielleicht bist du doch nicht der richtige Mann für den Job, wenn du sogar vor den Medien Angst hast.«

Bull schnaubte. »Ich habe keine … Vergiss es! Was weiß schon eine Rostlaube wie du von … von … Ich mach's! Seid ihr jetzt zufrieden?«

»Danke, Bully. Deine Erfahrung wird uns den Erfolg sichern.« Rhodan legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. »Ich ernenne dich nun kraft meines Amtes als Terranischer Resident zum Oberbefehlshaber und Verantwortlichen für die Operation Bermuda.«

Bull starrte ihn an. »Und dann treten wir denen richtig in den A…«

»Als Einsatzfahrzeug steht dir das Flaggschiff zur Verfügung, die LEIF ERIKSSON II«, unterbrach ihn Rhodan. »Niemand wird sagen, der Verteidigungsminister der Liga habe sich aus dem Staub gemacht.«

»Ach«, knurrte der Rotborstige, »hör auf. Das trauen die sich sowieso nicht. Haltet ihr hier nur die Stellung, kapiert? Ich verlass mich darauf, dass ihr noch hier seid, wenn …« Er lachte rau. »Verdammt, ich bin zu gut für diese Welt …«

 

*

 

»Kommen wir zum nächsten Punkt«, sagte ein sichtlich erleichterter Rhodan. »Malcolm, wie viel noch nicht verbautes neuartiges, beschussstabilisiertes HS-Howalgonium steht im Solsystem derzeit ungefähr zur Verfügung?«

»Nicht nur ungefähr, sondern genau: 3894 Komma null Kilogramm«, antwortete der Chefwissenschaftler der Liga Freier Terraner aggressiv, als habe Rhodans Frage etwas Ungebührliches gehabt. »Ich nehme an, du siehst dafür eine besondere Verwendung vor?«

Tamira Sakrahan lächelte beschwichtigend, erzielte damit aber keine merkliche Reaktion Daellians. »Wir«, korrigierte sie dann sanft. »Wir möchten, dass exakt die Hälfte davon auf zwei Fernraumschiffe aufgeteilt wird. Die LEIF ERIKSSON II wird den Geleitschutz der ersten Strecke übernehmen.«

»Ihr seid wohl von allen guten Geistern verlassen!«, donnerte der Chefwissenschaftler. »Ihr wollt es aus dem Solsystem entfernen? Seid ihr noch zu retten? Wäre es zu viel gewesen, das erst einmal mit mir zu besprechen? Mich zu konsultieren?«

Die Anwesenden zuckten zusammen und warfen einander erstaunte bis bestürzte Blicke zu.

»Dazu bestand keine Veranlassung, und es war auch nicht genügend Zeit«, teilte Sakrahan leise, aber bestimmt mit.

Die folgende Stille war mit Händen zu greifen.

Malcolm S. Daellians Stimme explodierte darin: »Das kann nicht dein Ernst sein! Wir brauchen jedes einzelne Kilo HS-Howalgonium, das wir bekommen können, vor Ort!«

»Wir hatten nicht erwartet, dass du unsere Bitte mit Begeisterung aufnehmen würdest«, sagte Rhodan, nachdem er und die Erste Terranerin sich mit Blicken verständigt hatten, dass das Reden nun wieder an ihm war.

Daellian lachte schallend. »Eure Bitte? Wohl eher ein Befehl!«

»Nennen wir es doch dienstliche Anweisung, wenn dich das beruhigt. Aber es gibt gute Gründe für diesen Transport: Die Liga Freier Terraner bereitet derzeit die Errichtung einen Stützpunkts im Innern der Charon-Wolke vor – genauer gesagt, im Jonahon-System.«

»Wir sind nicht einmal selbst in Sicherheit, engagieren uns aber zugleich auf anderen Schauplätzen? Wer sind wir denn? Es wäre gar nicht schlecht, zur Abwechslung mal zuerst zu denken und Ergebnisse zu haben und erst danach zu handeln.« Daellians Widerspruch kam energisch, mit bösartigem Zungenschlag.

»Auch wenn du es der Politik anscheinend nicht zutraust: Genau deswegen handeln wir. Der Zugang zur Charon-Wolke verschafft uns einen strategischen Vorteil, die Charon-Wolke könnte, wenn alle Stricke reißen, zur neuen Provcon-Faust werden.«

»Wie bitte? Denkst du wirklich daran, die Erde aufzugeben?«, mischte sich einer der Flottenadmirale ein. Jester Pinkhurst, dessen glänzend blauschwarzes, glattes Haar ihn unter allen anderen hervorstechen ließ, leitete einen Teil der Flottenausbildung auf der Venus.

»Terra darf nicht fallen, ich weiß«, sagte Rhodan. »Darum geht es hierbei aber nicht. So, wie die Provcon-Faust während der Larenherrschaft zum Anlaufpunkt und Asyl für Flüchtlinge aller Völker wurde, kann auch Charon uns dienlich sein. Es ist zwar keine so sichere Bastion wie die Dunkelwolke damals, aber für die Terminale Kolonne ist jedes Vordringen mit großen Opfern verbunden. Es geht um etwas anderes: Jonathon muss zu einem zweiten starken Forschungs- und Produktions-Standort ausgebaut werden.«

Daellian setzte zu einer Entgegnung an, aber Pinkhurst kam ihm zuvor.

»Die Entfernung und die Gefahren, die ein Pendelverkehr zwischen Charon-Wolke und Sol mit sich bringt, halte ich für stichhaltige Gegenargumente. Wir entblößen uns einer Reihe wertvoller Schiffe und Mannschaften, wenn wir ein solches Projekt in Angriff nehmen. Womöglich entscheidender Schiffe.«

»Das nun wohl kaum«, wehrte ausgerechnet Daellian ab. »Unser Kräfteverhältnis ist lächerlich, die paar Pötte machen da keinen Unterschied. Aber wir verzetteln uns trotzdem – Sol hier, Charon da …«

»Charon ist der einzige Ort in der Galaxis außer dem Solsystem, an den zu gelangen TRAITOR bislang Schwierigkeiten hat«, beendete Rhodan die aufflackernde strategische Diskussion. »Damit ist diese Wolke unser vielleicht wichtigstes Kapital in der ganzen Milchstraße. Außerdem ist es von großer Bedeutung, dass wir unsere Mittel nicht an einem Ort ballen, sondern aufteilen.«

»Deine Entscheidung«, gab der Chefwissenschaftler nach. »Aber mir erscheint es nach wie vor töricht. Die alten Römer hatten ein Sprichwort: Divide et impera. Teile und herrsche. Je mehr wir uns verteilen, desto leichter lassen wir uns beherrschen.«

»Umso schwieriger ist es für den Feind auch, uns im Auge zu behalten«, versuchte Pinkhurst einen anderen Gesichtspunkt ins Spiel zu bringen. »Wir können nicht ausschließen, dass auf der Erde noch mehr Spione sind als diese merkwürdigen gestaltwandelnden … Viecher. Charon ist auf jeden Fall in dieser Hinsicht ›sauber‹.«

»Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass wir TRAITOR dank unseres neuen Stützpunktes irgendwann in den Rücken fallen können«, verkündete Bull. »Terra wird nicht fallen.«

»Terra darf nicht fallen«, murmelte Adams. »Unter keinen Umständen.«

Rhodan nickte ihm zu. »Natürlich, Homer, und wir werden alles tun, um es zu verhindern.« Er drehte sich zurück. »Malcolm?«

»Du hast gewonnen«, sagte die Stimme aus dem Sarkophag. »Das Howalgonium ist so gut wie verpackt.«

 

*

 

Stunden später …

An acht verschiedenen Stellen näherten sich synchron mehrere Geschwader aus Großraumern der SATURN-Klasse, LFT-BOXEN und anderen Raumschiffen von innen dem Kristallschirm. Für den Gegner sollte ihre Absicht klar erkennbar sein: Sie würden den Ausbruch riskieren und das Kräftemessen mit den patrouillierenden Traitanks wagen. NATHAN jedenfalls hatte die Chancen für das Unternehmen durchgerechnet und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür ausgegeben, dass der Gegner auf das Manöver hereinfallen würde.

Der Duale Vizekapitän, der erst vor kurzem Tausende von unschuldigen Menschen skrupel- und gnadenlos in den Tod geschickt hatte, wartete auf eine Verzweiflungsaktion der Terraner, die ihrerseits wissen mussten, dass sie gegen seine Disken nicht bestehen konnten. Derartiges hatte die Terraner indessen noch nie angefochten: Gerade in scheinbar aussichtslosen Situationen waren sie stets aufgeblüht und hatten das Unmögliche versucht – erfolgreich.

Die Traitanks waren den terranischen Einheiten nicht nur an Feuerkraft, sondern auch in puncto Schnelligkeit haushoch überlegen. Sie standen um den gigantischen Systemschirm verteilt, um jederzeit blitzschnell zuschlagen zu können.

Allerdings waren es nur 64, und bei aller phantastischen Reichweite ihrer Ortungs- und Waffensysteme waren auch sie darauf angewiesen, sich zu zentralisieren, um einen Ausbruchsversuch der Terraner zu ersticken.

Als die Einheiten der Heimatflotte eine gewisse Entfernung von der Innenschale erreicht hatten und noch immer beschleunigten, zogen sich die 64 Traitanks an den acht errechneten Durchbruch-Positionen blitzschnell zusammen und warteten …

… während zur gleichen Zeit die LEIF ERIKSSON II und ihre beiden Begleitschiffe mit höchsten Beschleunigungswerten von der Neptun-Bahn aus auf eine neunte Stelle des Kristallschirms zurasten. Reginald Bull stand in der Zentrale und beobachtete abwechselnd die sich immer wieder neu aufbauenden Holos mit den Bildern des Weltraums und den sich schnell ändernden Datenflüssen und die diensthabende Besatzung.

Oberst Ranjif Pragesh war die Konzentration in Person. Der Kommandant des Flaggschiffs gab kurz und knapp seine Befehle. Er musste nicht laut sprechen, seine Stimme trug in jeden Winkel des Raumes. Bull wusste, dass er sich blind auf ihn verlassen konnte.

Die Emotionautin und Erste Pilotin Major Lei Kun-Schmitt und ihr Stellvertreter Major Rock Mozun sowie Major Soranya Hermony, die Stellvertretende Leiterin von Funk und Ortung, waren Garanten dafür, um das Schiff und seine zwei Begleiter sicher aus dem Solsystem herauszubringen, durch den Kristallschirm, durch die Blockade der Traitanks. Sie alle wussten, dass mit dem Verlassen des Solsystems noch nichts erreicht war. Sie benötigten vor allem einen guten Vorsprung, ein günstiges Startfenster – dann hatten sie eine echte Chance zu entkommen.

Der kleine Verband raste auf den kristallblauen Schirm zu und beschleunigte weiter mit Irrsinnswerten, als wolle er ihn rammen. Dies würde unweigerlich dazu führen, dass die drei Schiffe in den Hyperraum geschleudert würden. Bull hielt den Atem an, als die Distanz nur noch wenige Millionen Kilometer betrug. Soranya Hermony meldete, dass sich die Traitanks überall dort zusammengezogen hatten, wohin die Scheinmanöver der acht Flottenteile deuteten.

»Sie schlucken den Köder«, sagte der Kommandant mit grimmigem Lächeln. »Sie sind auch nur aus Fleisch und Blut.«

Bull war sich da nicht so sicher. Er wusste natürlich, was Pragesh meinte: Die Scheinmanöver fanden an zuvor genau berechneten Stellen statt. Wenn die Gegenseite aus den Vektoren die richtigen Schlüsse zog, musste sie erkennen, dass dadurch ein ganz bestimmter Teil des Schirms von ihren Traitanks entblößt wurde. Und das würde Zarmaur auch, Bull machte sich keine Illusionen. In diesem riskanten Spiel ging es ebenfalls um den Zeitfaktor.