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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2047

 

Finale für die NACHT

 

Die SOL sucht den Weg zurück – durch den PULS von Segafrendo

 

von Horst Hoffmann

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Die Besatzung der SOL wurde Zeuge eines ungeheuerlichen Vorgangs von kosmischer Bedeutung: Im INSHARAM, einem Kosmos, der gewissermaßen »zwischen« den Universen liegt, erlebten die Menschen an Bord des Hantelraumschiffes mit, wie die Superintelligenz ES entstand. Dass dieses Geschehen 18 Millionen Jahre in der Vergangenheit ablief, verstärkte noch den fremdartigen Charakter des Ganzen.

Damit haben die »Einsamen der Zeit«, an ihrer Spitze Atlan, der alte Arkonide, im Prinzip ihre wichtigsten Aufgaben erfüllt, die ihnen ES, der Mentor der Menschheit, im PULS von DaGlausch gestellt hatte. Die Menschheit der Zukunft ist gerettet, die Superintelligenz entstanden, der Weg zurück theoretisch frei.

Doch vor der Rückkehr in die reale Gegenwart des fünften Jahrtausends stehen große Gefahren. So muss die SOL aus dem INSHARAM zuerst in die Galaxis Segafrendo reisen, in der ein grauenvoller Krieg tobt. Die mörderischen Mundänen haben in dieser Galaxis die friedliche Kultur der Galaktischen Krone so gut wie zerstört. In wenigen Jahren werden die Invasoren komplett gesiegt und Segafrendo in die Mächtigkeitsballung der Superintelligenz K'UHGAR eingegliedert haben.

Die Besatzung der SOL hat keine andere Wahl. Die Galaktiker müssen das Wagnis eingehen, wollen sie die Heimkehr in die Milchstraße schaffen. So kommt es zum FINALE FÜR DIE NACHT …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide will mit der SOL zurück in die Real-Gegenwart und in die Milchstraße.

Crom Harkanvolter – Der Lord-Eunuch der Mom'Serimer kämpft für das Überleben seines Volkes.

Rue Kantasiak – Der Indoktrinato ist der wichtigste Vertreter der Zyniker der NACHT.

Ronald Tekener – Der Smiler bietet Psychospiele und Wetten.

Fee Kellind – Die Kommandantin der SOL steuert das Schiff in eine ungewisse Zukunft.

1.

SOL

 

Über sechstausend Menschen an Bord der SOL hielten den Atem an. Es gab niemanden, der nicht angestrengt auf Bildschirme und Monitore starrte. Selbst Icho Tolot, der riesenhafte Haluter, ließ sich von der Anspannung der Menschen an Bord anstecken; sein Atem ging rasselnd und war so laut, dass es jeder in der Zentrale hörte.

Das mächtige Schiff durchstieß ohne Probleme die fünfzig Kilometer durchmessende Membran des Auroch-Maxo-Dimensionstunnels. Jetzt begann die erste Bewährungsprobe, jetzt entschied sich, ob die SOL überhaupt weiterfliegen konnte.

Das Raumschiff war zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr durch eine funktionsfähige Hülle aus Carit geschützt. Und als der Tunnel von Auroch-Maxo aus benutzt worden war, hatte die Carit-Beschichtung allein das Schiff davor bewahrt, von unglaublichen Kräften buchstäblich zermalmt zu werden.

Zwar besaß die SOL noch immer die goldene Schicht, aber diese wies keinerlei höherdimensionale Schutzeigenschaften mehr auf. Diese hatte sie während der Entstehung der Superintelligenz ES vollständig eingebüßt.

Die Anspannung der Menschen an Bord war verständlich. Sie mussten darauf hoffen, dass der Chronist von ES die Wahrheit gesagt hatte. Der Chronist hatte behauptet, dass Raumfahrzeuge für eine gewisse Zeit nur durch den Tunnel diesen seltsamen Raum zwischen den Universen verlassen könnten.

Kein Wunder, dass in der Zentrale im Mittelteil der SOL gedrückte Stimmung herrschte. Fee Kellind, die blonde Kommandantin, saß ebenso angeschnallt in ihrem Kontursessel wie die anderen. Lediglich der Haluter Icho Tolot stand auf seinen Säulenbeinen.

Atlan, der die Expedition leitete, presste die Lippen aufeinander. Seit Minuten sagte der Arkonide kein Wort mehr. Ihn beschäftigte nicht nur das, was vor ihnen lag. Was im INSHARAM geschehen war, hatte er längst noch nicht verarbeitet. Die Konsequenzen waren bisher nicht abzusehen.

Auf den Bildschirmen zeigte sich die Wandung des Tunnels wie die Innenseite eines gewaltigen Schlauches. Roman Muel-Chen, der Emotionaut und Erste Pilot, hatte die SERT-Haube übergestülpt, steuerte das Schiff so schneller und reaktionsfähiger als jeder normale Raumfahrer. Im Augenblick brauchte er es aber nur treiben zu lassen.

»Diesmal wirken im Tunnel keinerlei Gewalten, ganz im Gegensatz zur ersten Passage in umgekehrter Richtung«, sagte Fee Kellind. »Wir können uns in diesem ungewissen Medium einwandfrei mit den Triebwerken fortbewegen.«

»Noch«, unkte Major Pria Ceineede, die Dritte Pilotin. »Ich möchte mich lieber nicht mehr in diesem Tunnel befinden, wenn der Tanz losgeht und das INSHARAM sich wieder zu füllen beginnt.«

»Pessimistin! Wir schaffen das«, sagte Fee. Aber überzeugt klang es nicht.

Niemand sprach in den folgenden Minuten. Alle warteten auf das, was auf sie zukommen konnte. Keiner, auch die Bordpositronik SENECA nicht, wusste, wie lange der Flug durch den Tunnel gehen würde – und noch viel weniger, was sie an seinem Ende erwartete.

Der Chronist von ES hatte gesagt, dass die Dimensionstunnel aus dem INSHARAM, normalerweise in dieser Richtung verschlossen, nun für wenige Stunden offenstehen würden. Die herzförmige, 1160 mal 840 Kilometer große Blase habe sich bei der Geburt von ES vollständig entleert, es herrsche nun kein Innendruck mehr. Ausschließlich in diesem Zustand könnten Raumfahrzeuge das INSHARAM verlassen.

Aber innerhalb kürzester Zeit würde wieder ein Innendruck aufgebaut werden. Dann würde die SOL für alle Zeiten im INSHARAM gefangen sein.

Und noch mehr kam dazu. Die SOL war mit ihrer Besatzung um achtzehn Millionen Jahre in die Vergangenheit und in die ferne Galaxis Segafrendo versetzt worden, indem sie eine Passage durch den Mega-Pilzdom des Kessels von DaGlausch angetreten war. Nun, da ihre Mission erfolgreich abgeschlossen war, ging es nur noch darum, so schnell wie möglich den Rückweg anzutreten.

Der Chronist von ES hatte den Raumfahrern eine erbärmlich knappe Frist gesetzt, um den Mega-Dom in der NACHT zu erreichen und sich von ihm zurück in den Kessel und in die Zukunft transportieren zu lassen.

Drei Tage!

Nur durch den Auroch-Maxo-Tunnel war das Ziel zu erreichen. Jeder andere Tunnel führte in eine andere Galaxis, teilweise Dutzende oder gar Hunderte von Lichtjahren entfernt. Von dort aus könnte die NACHT niemals fristgerecht erreicht werden. Dabei war die Fahrt durch diesen Tunnel ein reines Himmelfahrtskommando. Der Arkonide hatte darauf hingewiesen, aber seine heftigen Proteste hatten nichts genützt.

Am anderen Ende des Tunnels warteten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Mundänen mit einer Riesenflotte. Eine wiederauftauchende SOL hatte dort keine Chance. Nicht gegen Zigtausende von Raumschiffen.

Und Auroch-Maxo-55, die Wasserwelt der Inzaila, hatte sich aufgelöst. Die Möglichkeit war groß, dass der Tunnel dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden war.

Wie man es drehte und wendete, großer Optimismus war fehl am Platze. Die SOL jagte durch den Dimensionstunnel, und niemand wusste, wie viel von der Strecke schon zurückgelegt war oder noch werden musste. Eine Orientierung in diesem Medium war mit ihren vergleichsweise »normalen« Mitteln unmöglich.

Sie wussten nicht, wie schnell sie wirklich waren, und sie wussten genauso wenig, wie lange sie noch brauchten. Es gab keine Wegmarken, an denen man seine Fortbewegung hätte festmachen können.

 

*

 

Fee Kellind ließ die SOL nur mit äußerster Vorsicht manövrieren, trotz ihrer zur Schau gestellten Zuversicht. Immer wieder kommunizierte sie, wider besseres Wissen, mit der Bordpositronik, fragte SENECA nach der voraussichtlichen Dauer des Fluges und danach, wie weit die objektiv in dem Tunnelmedium zurückgelegte Strecke nach Auroch-Maxo-55 sein könnte.

Trotz aller Versuche, etwas herauszufinden, lautete die Antwort stets: »Bedaure, Kommandantin, aber ich weiß es nicht.« Sogar die bereits zurückgelegte Entfernung zum INSHARAM konnte innerhalb kürzester Zeit nicht mehr nachvollzogen werden.

»Es hat doch keinen Sinn, Fee!«, brach Atlan sein Schweigen – fest, aber nicht unfreundlich. »SENECA wird trotz aller Messversuche nicht mehr herausfinden.« Der Arkonide wischte sich mit einer Hand über die Stirn. Es war, als sei er aus einem Schlaf erwacht. »Es geht einfach nicht, Fee. Und wir können nichts tun, um den Flug zu beschleunigen. Wir sollten uns stattdessen Gedanken über die Verhältnisse machen, die uns an seinem Ende erwarten.«

»Du glaubst, dass die Mundänen noch auf uns warten?«, fragte sie.

Er nickte. »Auf jeden Fall. Ich bin überzeugt, dass am Ende der Strecke eine aus Zehntausenden von Schiffen bestehende Flotte durch die Dunkelwolke fliegt.«

»Hartnäckig genug sind die Mundänen ja.« Die Kommandantin biss sich auf die Unterlippe. »Man kann nur hoffen, dass sie nicht an unsere Rückkehr glauben.«

»Ich fürchte, die Hoffnung ist sehr vage; die Mundänen sind innerhalb dieser vergleichsweise kurzen Zeit noch nicht abgezogen«, meinte der Arkonide. »Mein Logiksektor ist übrigens ebenfalls dieser Meinung.«

Fee hob die Schultern. »Dagegen kann ich schlecht argumentieren. Wir sollten nur …«

»Es bringt jetzt nichts, wenn wir uns verrückt machen«, unterbrach sie Icho Tolots grollende Stimme. Obwohl der Haluter seine Stimme dämpfte, schreckte jeder in der Zentrale auf. »Wir müssen auf alles vorbereitet sein, wenn wir aus dem Tunnel kommen – das ist das wichtigste.«

Der Haluter hatte recht. Die Anspannung in der Zentrale blieb, aber die nervösen Gespräche verstummten für einige Zeit. Wieder saßen die Besatzungsmitglieder der SOL nur in ihren Kontursesseln und verfolgten angespannt den Flug durch das seltsame Medium.

Dann ließ sich auf allen Ortungsgeräten erkennen, dass das Tunnelende langsam in Sicht kommen musste.

Zuerst war es, als stünden plötzlich lange rote Striche auf den Bildschirmen und in den Holowürfeln. SENECA »bearbeitete« diese Wahrnehmungen sofort. Wurden die roten Striche entsprechend nachberechnet, entpuppten sie sich als Bilder von zahllosen Funken, die an der SOL vorbeischossen – und zwar in umgekehrter Richtung. Dann meldete das Bordgehirn, dass ein zunächst sehr sachter Zug in Gegenrichtung eingesetzt habe. Binnen weniger Minuten steigerte sich der Zug zu einem Strudel.

Atlan erkannte die Gefahr sofort. »Das INSHARAM beginnt sich wieder zu füllen!«, rief er. »Es baut sich offensichtlich wieder ein neues Energieniveau auf, und bald wird es wieder genügend Psi-Materie geben.«

»Diese Ansicht wird durch meine Analysen bestätigt«, schaltete sich Myles Kantor aus seinem Labor in das Gespräch ein. »Was von uns als Funken oder Striche wahrgenommen wird, sind Energiequanten und zahlreiche Hyperbarie-Teilchen in unglaublichen Mengen. SENECA bestätigt diese Ansicht. Es fließt Energie zurück ins INSHARAM.«

»Das heißt wohl, dass wir uns beeilen müssen«, sagte Fee Kellind mit angespanntem Gesichtsausdruck.

Dann klammerte sie sich unwillkürlich an den Lehnen ihres Sessels fest, denn in diesem Moment durchlief ein heftiges Rütteln das Schiff.

»Der Strudel ergreift uns bereits!«, rief Roman Muel-Chen. »Ich kann kaum gegensteuern!«

»Wir haben wahrscheinlich nur noch wenige Minuten, um den Weg zurück ins Standarduniversum zu bewältigen«, orakelte Atlan, »wenn wir nicht wieder ins INSHARAM zurückgespült werden und dort gefangen sein wollen.«

»Dann sollten wir uns beeilen«, sagte Ronald Tekener trocken. Wieder erzitterte und knirschte die Schiffszelle. »Ohne Carit-Schutz fliegen wir in Energien hinein, von denen wir keine Vorstellung haben. Ich halte es für angebracht, den Paratronschirm zu aktivieren.«

»Den Paratron?«, fragte Fee zweifelnd. »Du weißt, wie fatal er beim Einflug ins INSHARAM mit dem umgebenden Medium reagiert hat.«

»Natürlich weiß ich das. Aber solche Verhältnisse herrschen noch lange nicht. Ich bin dafür, das Risiko einzugehen.«

Atlan nickte grimmig. »Einverstanden. Bitte, Fee, dann tu es. Roman kann die SOL dann mit maximaler Leistung der Hyperkon-Normaltriebwerke gegen die Strömung stemmen lassen.«

»Einverstanden. Aber ich schalte den Paratron sofort wieder aus, wenn die SOL durch ihn wieder in Gefahr gerät.«

Sie erteilte einen entsprechenden Befehl. Wenig später war das Schiff in den wirkungsvollen blauen Schirm gehüllt. Sofort hörten die Erschütterungen auf. Dafür schien der mehrfach gestaffelte Paratronschirm in Flammen zu stehen. Auf ihm fanden heftigste energetische Entladungen statt. Jenseits der Flammen tobte ein gewaltiges Wetterleuchten.

»Volle Leistung auf die Triebwerke, Roman!«, rief die Kommandantin.

»Das tu' ich bereits«, wurde ihr geantwortet. »Schneller geht's nicht. Wir schießen mit Höchstwerten durch den Tunnel.« Der Emotionaut verzog das Gesicht. »Zumindest beschleunige ich mit Höchstwerten. Wie schnell das relativ zur Tunnelwandung ist, kann ich auch nicht sagen.«

Die energetischen Phänomene nahmen weiter an Heftigkeit zu, aber der Paratron stand und hüllte die SOL in vielleicht trügerische Sicherheit. Denn wenn der Strudel stärker wurde, konnte es leicht geschehen, dass sogar der Schirm zusammenbrach.

Die SOL, wisperte Atlans Extrasinn, wird nur deshalb nicht vernichtet, weil der Tunnel nach einer Phase der Inaktivität nun erst wieder warmläuft.

Der Arkonide sah Fee Kellind in die Augen, und er sah ihre Zweifel. Sie erhielt eine Anzeige, wonach der Paratron zu zehn Prozent überlastet sei, dann fünfzehn, zwanzig. Fee strich sich die blonden Haare aus der Stirn und rieb sich die feucht gewordenen Handflächen an der Kombination trocken.

»Du überlegst, ob du den Versuch nicht besser abbrechen lässt«, erriet Atlan und schüttelte den Kopf. »So schnell geben wir nicht auf, Fee. Wir müssen hier durch. Alles andere würde unser langsames Ende im INSHARAM bedeuten.«

»Ein schnelles hier im Tunnel wäre dir lieber?«, fragte sie. Aber sie lächelte, um den Worten die Spitze zu nehmen.

»Du weißt es besser, deshalb gebe ich dir darauf keine Antwort. Ich …«

Er wurde unterbrochen, denn in diesem Moment rief Roman Muel-Chen: »Wir haben es geschafft! Wir sind gleich aus dem Tunnel heraus!«

Tatsächlich sahen die Raumfahrer ein rotes Glühen auf den Schirmen. Alles ging jetzt ganz schnell. Das Glühen wurde rasch intensiver. Sie alle hielten es für einen optischen Begleiteffekt des Tunnelendes.

Als sie ihren Irrtum erkannten, war es fast zu spät. Die SOL verließ den Dimensionstunnel und fand sich in einer Wand aus Plasma und Feuer wieder.

 

*

 

Der Paratronschirm stand für einige bange Sekunden kurz vor der endgültigen Überlastung. Grelles Flackern überzog die äußeren Schichten; Licht eruptierte an manchen Stellen und wurde in grellen Effekten auf den Ortungsgeräten wahrgenommen. Fast wären die Schirme zusammengebrochen, was das unwiderrufliche Ende der SOL bedeutet hätte. Doch jetzt zeigte sich, wie richtig die Entscheidung gewesen war, die Paratronstaffel zu aktivieren.

Das acht Kilometer lange Hantelschiff durchbrach die Glut und raste hinaus in die Auroch-Maxo-Dunkelwolke. Zwischen den Nebeln schienen sich Atlans Befürchtungen auf der Stelle zu bestätigen. Ortungsalarm schrillte durch die SOL.

Major Viena Zakatas Pferdegesicht erschien als Holo vor den Verantwortlichen. Der Funk- und Ortungschef verkündete aufgeregt, dass im unmittelbaren Umkreis Zigtausende von Mundänenschiffen geortet worden seien.

»Sie haben auf uns gewartet!«, sagte er heftig. »Aber sie hätten doch glauben müssen, dass wir vernichtet seien.«

»Anscheinend nicht«, meinte Fee Kellind völlig nüchtern und überlegt.

Die Kommandantin wandte sich sofort an Oberstleutnant Don Kerk'radian, der für die Schiffsverteidigung verantwortlich war. Der Hüne mit den kurzgeschnittenen blonden Haaren war vom Feuerleitstand aus die ganze Zeit über per Holo »anwesend« gewesen. Fee Kellind beriet sich mit ihm in Windeseile. Die beiden wechselten Daten; Statusmeldungen der einzelnen Bordgeschütze wurden auf Bildschirmen verglichen.

Mit einem Angriff der Mundänen musste jeden Augenblick gerechnet werden. Nur der Überraschungseffekt ihres plötzlichen Auftauchens stand für die SOL. Sogar die sonst so überlegen wirkende Dao-Lin-H'ay zeigte Zeichen der Erregung. Die Krallen der Kartanin schoben sich aus den Fingerkuppen und zogen sich wieder zurück. Außerdem waren die Pupillenschlitze ihrer Augen ganz schmal geworden.

»Die Plasmawolke, die wir durchstoßen haben«, sagte Ronald Tekener quasi hinter ihrem Rücken zu Atlan. »Dabei muss es sich um die Überreste des Planeten Auroch-Maxo-55 handeln. Als wir ihn mit der SOL verließen, stand er kurz vor der Vernichtung. Sie hat also inzwischen stattgefunden, und die Mündung des Dimensionstunnels befindet sich mitten in dem Plasma.«

»Genauso sehe ich es auch«, stimmte der Arkonide zu.

»Rund sechzigtausend Mundänen-Raumschiffe aller Größen«, meldete Viena Zakata jetzt. »Sie haben uns geortet. Und die ersten von ihnen greifen an!«

Ein Verband aus vielleicht tausend Einheiten rückte blitzschnell gegen die SOL vor. Dann schlugen die ersten Treffer in den Paratronschirm.

2.

Nacht-Acht

 

Rue Kantasiak war ein hochgestellter Indoktrinato – also Lehrer – in Nacht-Acht, der Station der Mom'Serimer in der NACHT von Segafrendo. Seine Aufgabe war, den jungen Mom'Serimern das physikalische Wissen ihres Volkes über die NACHT zu vermitteln. Nach seinen Begriffen war das eine quasi unmögliche Aufgabe, denn die jungen, quirligen Mom'Serimer waren aufgrund der natürlichen Schnelllebigkeit kaum zu kontrollieren. Sie wurden im Durchschnitt nur rund 230 Segaf alt, also zwanzig terranische Jahre, was einen raschen Generationswechsel bedeutete und so auch schnelles Lernen.

Das ganze Leben der Mom'Serimer war ein einziger Burn-out, der mit dem Tod endete. In dieser Zeit entwickelten die hermaphroditischen Lebewesen hin und wieder und nicht vorhersehbar ihre geschlechtlichen Merkmale. Aus jedem jungen Mom'Serimer konnte ein Mann oder eine Frau werden, das ließ sich nicht bestimmen. Es war völlig ungewiss, ob aus Kinderfreundschaften Männer- oder Frauenfreundschaften wurden oder etwas ganz anderes: ein Paar, das wieder Kinder zeugte und gebar.