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1. Auflage 2017
 
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Redaktion: Ulrike Kroneck
Korrektorat: Hella Neukötter
Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer
Umschlagabbildung: shutterstock.com/ChristianChan
Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-95972-015-1
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-014-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-015-1
 
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Inhalt

Vorwort
1. Gleich­berechtigung – Gleichstellung
Ferdinand Knauß Gleichheit, Gleichberechtigung und Gleichstellung10
Gérard BökenkampFrauenpolitik in der Kollektivismusfalle. Jeder ist seines Glückes Schmied!
Kevin FuchsGleichstellungspolitik als Rückkehr zu tradierten Geschlechternormen
Gerhard AmendtQuotenpolitik – ein Zeichen von Frauenverachtung
Gérard Bökenkamp Wettbewerb oder Quote?
2. Facetten der Quotenpolitik
Fiona LorenzBloß keine Frauenquote!43
Bernhard LassahnDas Glück der Quote
Walter HollsteinFrauenquote – auf Kosten der Männer
Arne HoffmannDie zehn wichtigsten Argumente gegen die Frauenquote
Bruno KöhlerFrauenquote oder von der Lust zu diskriminieren
Klaus FunkenKeine Erfolgsgeschichte: 28 Jahre Frauenquote in der SPD
Adorján F. KovácsGender im Kulturbereich
3. Quoten in der Wirtschaft
Sabine Beppler-SpahlEine Quote für das Eigenlob
Bettina WeigunyDie Männer sind nicht schuld
Philip PlickertQuoten in der Wirtschaft
Walter SimonFeministische Mythenbildung zum Nachteil der Frauen
Eckhard KuhlaDie Quote – eine Niederlage der Unternehmenskultur
Christine Bauer-JelinekWarum eine Frauenquote für Toppositionen niemandem nützt – vor allem nicht den qualifizierten Frauen142
4. Quoten in der Wissenschaft
Alexander UlfigQualifikation statt Gleichstellung. Schritte zu einer gerechten Praxis der Stellenvergabe in der Wissenschaft
Harald Schulze-EisentrautGender-Mainstreaming. Wie eine Ideologie die deutschen Hochschulen infiltriert
Harald Schulze-EisentrautGleichstellungs-Controlling. Eine Podiumsdiskussion an der Frankfurter Goethe-Universität241
Adorján F. KovácsQualitätsferne Kriterien bei einer Stellenbesetzung in Oxford
Josef Christian AignerPolitical Correctness oder Qualität? Ein Beispiel von der Universität Innsbruck
Autoren­verzeichnis
Anmerkungen
 
 

Vorwort

Sie sei an der »Gläsernen Decke« gescheitert. Mit dieser Erklärung versuchte Hillary Clinton im November 2016 ihre Niederlage in der Wahl um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten als einen Sieg der Männer über die Frauen umzudeuten. Die Gläserne Decke bezeichnet eine von Männernetzwerken errichtete Barriere, die Frauen auf ihrem Karriereweg aufhalten soll. Sie ist eine geniale Metapher des Feminismus: Indem sie unsichtbar ist, entzieht sie sich der Notwendigkeit, ihre Existenz zu belegen. Die weitverbreitete unkritische Akzeptanz des Bildes von der Gläsernen Decke erinnert dabei an das Märchen »Des Kaisers neue Kleider«. Sich als Opfer zu stilisieren und auf diese Weise den anderen (im Zweifelsfalle der Verschwörung des Patriarchats) die Schuld für das eigene Scheitern zu geben – das ist ein alter Reflex des Feminismus. Dass es Hillary Clinton nicht gelungen ist, in einigen traditionell demokratisch wählenden Bundesstaaten eine ausreichende Zahl der Wähler für sich zu mobilisieren, hat eine Reihe von Gründen – die Tatsache, dass sie eine biologische Frau ist, gehört sicher nicht dazu. Natürlich hat Frau Clinton eine beträchtliche Anzahl von politischen und persönlichen Gegnern, einige vielleicht auch deswegen, weil sie als Vertreterin des Feminismus gilt. Aber: Wer sollte ernsthaft glauben, dass Hillary Clinton, die ehemalige Außenministerin der USA, bestens vernetzt und finan­ziell gefördert von einer mächtigen Koalition aus Wirtschaft und ­Politik (darunter Unternehmen der Rüstungsindustrie und Staaten wie Saudi-­Arabien), aufgrund ihres Geschlechtes an einer ominösen, von böswilligen Männern eingezogenen Decke gescheitert sei?

Wie tief dieses Denken in vielen Köpfen verwurzelt ist, zeigt sich daran, dass Clintons Behauptung auch in Deutschland bereitwillig aufgegriffen wurde. So bezeichnete der ZDF-Reporter und Redakteur der Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen Gert Anhalt in seiner Wahlanalyse die Kandidatur Clintons als vergeblichen Kampf gegen die Gläserne Decke.1

Was weltanschaulich dahintersteckt, konnte man ebenfalls am 9. November sehen, als in der Sendung »Maischberger« das Wahlergebnis als angeblicher Sieg der sogenannten »wütenden weißen Männer« (Sandra Maischberger) interpretiert wurde – obwohl auch 41 Prozent der US-amerikanischen Frauen für Donald Trump gestimmt hatten.2 Die dort als Publizistin geladene Feministin Alice Schwarzer fasste, nachdem sie Hillary Clinton als Ikone des Feminismus gelobt hatte, diese Sicht auf die Dinge in der ihr eigenen prägnanten Weise zusammen: »Die weißen Männer sind ein Problem.«

Die Folgen solcher in den Medien ständig wiederholter Ansichten sind fatal. Indem komplexe soziale Prozesse auf einen postulierten Geschlechtergegensatz reduziert werden, wird dieser Geschlechtergegensatz zumindest zum Teil erst konstruiert. Menschen werden nicht in ihrer Individualität betrachtet, sondern als Vertreter eines Kollektivs (die Frauen versus die Männer). Das Resultat ist, dass ein Teil der Bevölkerung sich in seinem antagonistischen Weltbild bestätigt fühlt3, während ein anderer Teil sich von einer oktroyierten Ideologie bedroht fühlt. Wer sich davon ein Bild machen möchte, braucht nur die Diskussion entsprechender Themen in den sozialen Medien zu verfolgen, wo Fakten und Argumente gegenüber Vorurteilen und Hass kaum eine Rolle mehr spielen.

Der vorliegende Band versammelt kritische Beiträge zur aktuellen Genderpolitik und ihren Folgen. Die theoretische Grundlage dieser Politik ist das Konzept des Gender-Mainstreamings, eine moderne Version des Feminismus. Da die Begrifflichkeiten in der aktuellen Diskussion nicht immer stringent verwendet werden, sei hier eine kurze Definition gegeben: Feminismus ist der Oberbegriff für die Theorie, aber häufig auch für die Praxis der Frauenbewegung. Gender-Mainstreaming ist die neueste Variante des Feminismus (das Geschlecht wird zur zentralen sozialen Kategorie und soll in allen gesellschaftlichen Bereichen berücksichtigt werden). Gleichstellungs- oder Genderpolitik ist die Umsetzung des Konzepts des Gender-Mainstrea­mings.

Die historische Keimzelle des Feminismus stellt die Frauenrechtsbewegung dar, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Errungenschaften der Aufklärung auch für Frauen eingefordert hat.4 Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war Gleichberechtigung das Hauptanliegen der Frauenbewegung. Weil die Gleichberechtigung nicht die gesellschaftlichen Veränderungen hervorbrachte, die die Protagonistinnen erwartet hatten, verlagerte sich seit den 1960er-Jahren das Interesse zunehmend auf die Selbsterfahrung und das Selbstverständnis von Frauen in der Auseinandersetzung mit tradierten sozialen Rollen. In einer bewussten Absetzung von der vermeintlich männlichen Weltdeutung in den Wissenschaften, in der Literatur und in der Kunst setzte die Suche nach einer weiblichen Weltsicht ein und führte zur Entstehung einer grundsätzlichen feministischen Kritik an den politischen und sozialen Verhältnissen.

Während sich die erste und die zweite Frauenbewegung am Ideal der Gleichberechtigung im Sinne von Gleichheit vor dem Gesetz und Chancengleichheit orientierten, wurde die Gleichstellung im Sinne von Ergebnisgleichheit zum erklärten Ziel der sogenannten dritten Phase der Frauenbewegung. Sie entstand in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts und geht einher mit einer konsequenten Ausblendung und Diskreditierung der Wahrnehmungen von Männern, sofern diese sich nicht explizit zum Feminismus bekennen. Um in allen relevanten Bereichen der Gesellschaft im Idealfall ein Geschlechterverhältnis mit mindestens 50 Prozent Frauenanteil zu erreichen, wurde die Strategie des Gender-Mainstreamings entwickelt.

Grundlegend für Gender-Mainstreaming sind die Thesen des Psychologen John Money und der Feministin Judith Butler, denen zufolge das Geschlecht nur ein soziales Konstrukt sei. Auf der Grundlage dieser Behauptung wird gefordert, den »heteronormativen«, dichotomen Geschlechtsbegriff der Biologie (sex) durch die Vorstellung sozialer Geschlechter (gender) abzulösen und damit jedem Versuch, geschlechtliche Unterschiede biologisch zu erklären, den Boden zu entziehen.5 Indem die geschlechtliche Identität vom biologischen Körper getrennt und als frei wählbar angesehen wird, sollen auch Homo­sexuelle und Transgender vom Konzept des Gender-Mainstrea­mings vereinnahmt werden.

Auf der Vierten UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 wurde Gender-Mainstreaming als politische Ideologie etabliert. Diese besagt, dass das Geschlecht zur zentralen sozialgesellschaftlichen Kategorie wird und in allen gesellschaftlichen Bereichen berücksichtigt werden soll oder, wie es auf der Konferenz in Peking formuliert wurde, »dass es keine geschlechtsneutrale Realität gibt und die Belange der Geschlechter in allen Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen Berücksichtigung zu finden haben«. Zwar soll das Programm des Gender-Mainstreamings theoretisch die Belange beider Geschlechter berücksichtigen, doch im Hinblick auf die Berichte der Vierten Weltfrauenkonferenz sowie auf andere internationale und nationale Erklärungen und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Programms wird offensichtlich, dass Frauen »die zu Begünstigenden« sind. In der Aktionsplattform von Peking heißt es: »Zur Umsetzung der Aktionsplattform wird es notwendig, dass die Regierungen einzelstaatliche Einrichtungen auf höchster politischer Ebene zur Förderung der Frau, geeignete ressortinteressierte und ressortübergreifende Verfahren mit entsprechender personeller Ausstattung sowie andere Institutionen schaffen beziehungsweise deren Wirksamkeit verbessern, die damit beauftragt und dazu in der Lage sind, die Teilhabe der Frau auszuweiten und eine gesellschaftsdifferenzierte Analyse in Politiken und Programmen einzubeziehen.«6 Hier ist bereits als zentrales Mittel zur Umsetzung der Gender-Mainstreaming-Ideologie die Konzeption des Top-down-Prozesses festgeschrieben, also die per Anweisung von oben nach unten durchzusetzende Umgestaltung der Gesellschaft.

Seit Gender-Mainstreaming 1995 auf der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking zur Richtlinie politischen Handelns wurde, hat es einen beispiellosen Siegeszug angetreten und ist mit Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam am 1. Mai 1999 zu einem erklärten Ziel der Europäischen Union geworden. Auch auf nationaler Ebene hat Gender-Mainstreaming sich in allen Bereichen etabliert, auf die der Staat Einfluss nehmen kann (genannt seien etwa Regierung, Verwaltung, Justiz, Bundeswehr, Polizei, staatliche Medien, staatliche Schulen und Hochschulen). Damit hat Gender-Mainstreaming einen erheblichen Einfluss auf die gesamte staatliche Verwaltung einschließlich des Wissenschaftsbetriebes und der Bildungs- und Erziehungseinrichtungen. Es ist das erklärte Ziel der Vertreter des Gender-Mainstreamings, mittels pädagogischer Einflussnahme im Sinne der Genderpolitik gerade auf die Weltanschauung der jüngeren Generation einzuwirken. Hier spielen Schulen, Hochschulen und Medien eine besondere Vermittlungsrolle.

Im Bereich der öffentlichen Medien wird dies durch die ­direkte Einflussnahme der staatlichen Gleichstellungspolitik verstärkt. So kommt es, dass in den Medien neben den immer wiederholten falschen Aussagen zur angeblichen Geschlechterungerechtigkeit noch die absurdesten Meldungen zu dieser Thematik aufgegriffen werden, also etwa Beiträge über Frauen als die besseren Minenlastwagenfahrer (FAZ 26.10.2016) oder über die Frage nach der Art der Dialoge zwischen Frauen und Männern in den Oscar-prämierten Filmen der letzten Jahre (SZ 18./19.2.2017).

Eine Vorreiterrolle bei der Durchsetzung der Gleichstellungspolitik spielen die etablierten Parteien in Deutschland, die durch die Einführung von parteiinternen Quoten die Frauenanteile in den Führungsgremien so erhöht haben, dass diese deutlich über den Frauenanteilen unter den Mitgliedern der jeweiligen Parteien liegen. Diese Quotierungen verschaffen Frauen durchwegs bessere Karriere­chancen in der Politik und beeinflussen so demokratische Wahlprozeduren. Die Auswirkungen dieser Parteipolitik werden im vorliegenden Band am Beispiel der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ausführlich analysiert.

In weiten Teilen der Bevölkerung ist der Siegeszug der Gender-­Mainstreaming-Ideologie als Richtlinie staatlichen Handelns bisher bewusst kaum wahrgenommen worden, da sie mit der Ausrichtung auf Führungspositionen in Politik, Wissenschaft und Medien nur eine kleine gesellschaftliche Elite betraf. Erst mit dem Versuch, diese Strukturen auch auf die Wirtschaft zu übertragen, und zuletzt mit der Neugestaltung der Lehrpläne im Bereich Sexualkunde ist das Thema verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Die Vertreter der Gender-Mainstreaming-Ideologie haben es dabei durch ihre direkte Einbindung in Politik und Medien geschafft, die Debatte in ihrem Sinne zu dominieren. Das hat dazu geführt, dass sich in der Bevölkerung die diffuse Vorstellung einer grundsätzlichen Benachteiligung von Frauen als gesellschaftliche Gruppe in Vergangenheit und Gegenwart herausgebildet hat, die allerdings selten auf historischer Sachkenntnis gründet.7

Als Belege für eine gegenwärtige Benachteiligung von Frauen werden im Wesentlichen zwei Argumente gebetsmühlenartig wiederholt: Dies sind die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und die angeblich deutlich schlechtere Bezahlung von Frauen für gleiche Arbeit. Beide Argumente werden im vorliegenden Band mehrfach in unterschiedlichen Zusammenhängen analysiert. Es zeigt sich, dass weder die geringe Zahl von Frauen in Führungspositionen noch die Lohndifferenz überzeugend auf eine strukturelle Benachteiligung von Frauen zurückgeführt werden können. Sie sind vielmehr Ausdruck individueller Entscheidungen und Lebensentwürfe, die – bei Frauen öfter als bei Männern – Biografien bedingen, deren Schwerpunkt nicht auf der Erwerbstätigkeit liegt.

Seit mittlerweile fünf Jahrzehnten versucht der Feminismus vergeblich, die Differenzen zwischen den Lebensentwürfen von Männern und Frauen zu nivellieren. Vielfältige Lebensmodelle sind dabei interessanterweise gerade nicht angestrebt, sondern eine ganz an beruflichen Erfolgen ausgerichtete Weltsicht. Hier ergibt sich eine Überschneidung mit ökonomischen Interessen, die verständlich macht, wie Gender-Mainstreaming auch in wirtschaftsliberalen und politisch konservativen Kreisen Fuß fassen konnte. Auch der Staat hat arbeitsmarktpolitisch ein eindeutiges Interesse: Frauen und Männer als steuerzahlende Vollzeitarbeiter, die damit die Wirtschaftsleistung steigern, Geld in die Staatskasse spülen und Sozialleistungen minimieren. Aber obwohl mittlerweile ein Heer von Gleichstellungs- und Frauenbeauftragen überall im Lande darüber wacht, dass Frauen bei der Vergabe von Arbeitsplätzen »bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung«8 bevorzugt werden, hat sich das gewünschte Ergebnis nicht eingestellt: Noch immer entsprechen die Präferenzen von Männern und Frauen bei der Berufswahl weitgehend den tradierten Mustern, noch immer arbeiten mehr Frauen in Teilzeit als Männer, noch immer besetzen hauptsächlich Männer die Spitzenpositionen der Wirtschaft. Dies bedingt im Wesentlichen auch die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern in der Gesamtstatistik.9

Um das Ziel der Gleichstellungspolitik doch noch erreichen zu können, ist zuletzt die Forderung nach Zwangsmaßnahmen erhoben und am 24. April 2015 mit dem »Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst« durchgesetzt worden. Die damit festgeschriebene Einführung von Frauenquoten setzt in rechtlicher Hinsicht das Individualrecht zugunsten des Kollektivrechts außer Kraft; Menschen werden somit nicht als Individuen, sondern als Angehörige von Kollektiven angesehen. Da das Grundgesetz weitgehend individualrechtlich ausgerichtet ist, wird es durch solche Frauenquoten verletzt. Gleichzeitig werden durch Quotenregelungen das Leistungsprinzip und die Auswahl nach Qualifikation abgeschafft, indem nicht die Leistung eines Individuums, seine Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen, sondern die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht zu einem entscheidenden Beurteilungs- und Einstellungskriterium wird. Die unternehmerische Freiheit wird eingeschränkt, indem Unternehmer sich an einem Proporzprinzip orientieren müssen.

Quotierungen erweisen sich so als gesamtgesellschaftlicher Irrweg – als eine Falle für Männer, die sich der sogenannten positiven Diskriminierung ausgesetzt sehen, und als Falle für Frauen, die sich dem Verdacht ausgesetzt sehen, ihren Erfolg der Quote zu verdanken, mithin eine »Quotenfrau« zu sein.

Wer nun glaubt, dass mit der Erfüllung der gesetzlich festgeschriebenen Quoten das Ziel der Gleichstellung erreicht wäre, dürfte sich getäuscht sehen: Die Gender-Mainstreaming-Ideologie erfährt seit einiger Zeit eine folgenschwere Erweiterung, indem in argumentativer Bündelung unter dem soziologischen Diversitätsbegriff (neudeutsch: Diversity) alle Formen angeblicher Diskriminierung aufgrund Geschlecht, sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft, Religion, Behinderung und Alter subsumiert und vereinnahmt werden. Während im ökonomischen Rahmen Diversity Management den Versuch umschreibt, aus der individuellen Vielfalt der Mitarbeiter Kapital zu schlagen, erweitern die Vertreter der Gleichstellungspolitik mit dem Konzept der Diversity ihren Vertretungsanspruch auf alle Gruppen, die nicht der angeblichen männlichen weißen Führungsschicht angehören. Folgerichtig werden auch für andere Gruppen bereits Zielquoten diskutiert und gefordert, so etwa am Jahresbeginn 2017 für Menschen mit Migrationshintergrund durch eine im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung eingesetzte Kommission unter Leitung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özoğuz.

Im vorliegenden Band wird gezeigt, dass die Forderungen nach anteiliger Beteiligung in Form von Quoten nur dann erhoben werden, wenn es sich um Führungspositionen oder andere prestigeträchtige Tätigkeiten handelt und wenn Frauen oder die durch den Diversitätsbegriff vereinnahmten Gruppen betroffen sind. Es geht gar nicht um ein gleichberechtigtes Miteinander, sondern um Macht und Lobbyismus! Niemanden kümmert es, dass es fast ausschließlich männliche Bauarbeiter, Gleisarbeiter oder Müllwerker gibt. Niemand inte­ressiert sich für die Quoten im Reinigungsgewerbe, kaum jemand ruft nach Quoten für männliche Lehrer oder Zahnärzte. Stattdessen gibt es detaillierte Studien und weitreichende Forderungen nach weiblichen Führungskräften in den Vorständen der Unternehmen, im akademischen Bereich oder auf Regierungsebene.

Ein grundlegendes Problem der Quotierung stellt die Annahme dar, alle Menschen strebten unter allen Umständen nach Führungspositionen. Dies ist natürlich nicht der Fall, weder unter Frauen noch unter Männern. Da diese »Karriere­verweigerung« aber schwer messbar ist, sagen die reinen Bestandszahlen noch gar nichts aus über angebliche strukturelle Ungerechtigkeiten. Werden einmal, wie bei dem großen »Gender-Report 2016. Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen« im Teil C zum »Gender Gap in der Hochschulmedizin« diejenigen befragt, die keine Karriere als Medizinprofessor anstreben, dann zeigt sich, dass Frauen ihre Karriere deutlich häufiger aus privaten Gründen zurückstellen. Man kann dies bedauern, wenn man die Gesellschaft und die Biografien ihrer Mitglieder vorwiegend unter dem ökonomischen Aspekt der größtmöglichen Ausschöpfung menschlicher Ressourcen sieht, aber es ist letztlich ein Ausdruck individueller Freiheit, den man weder Frauen noch Männern nehmen sollte. Mit der Neuregelung der Elternzeit ist seit 2015 auch der letzte strukturelle Nachteil beseitigt, der Frauen aus ihrer Möglichkeit zur Mutterschaft erwachsen mag. Damit sollte sich der Staat vollständig aus diesem privatbürgerlichen Bereich freier Entscheidungen zurückziehen. Es muss Schluss sein mit dem Zwangskollektivismus und den Zwangsbeglückungen der Gender­politik. Vielfältige Beziehungen zwischen Menschen bilden sich nicht aufgrund ideologischer Vorgaben und staatlicher Anordnungen, sondern im freiwilligen freiheitlichen Miteinander.

Die Herausgeber