Stiftung Bürgermut

Bürgerschaftliches Engagement schafft täglich neue, verblüffende und höchst erfolgreiche Lösungen. Das Problem: Häufig wirken diese bürgerschaftlichen Innovationen nur lokal. Das „Rad“ muss immer wieder neu erfunden werden. Es fehlte bisher ein systematischer Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen engagierten Bürgern und Organisationen. Mit den Projekten Weltbeweger, openTransfer und dem Enter Magazin fördert die Stiftung Bürgermut den digitalen und realen Erfahrungsaustausch und die Vernetzung von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Sie hat ein Portfolio von Projekten entwickelt, das bürgerschaftliche Leistungen nicht bloß anerkennt, sondern deren Initiatoren dazu qualifiziert, ihre Projekte und Methoden zu skalieren und zu übertragen.

IN KOOPERATION MIT DEM

Projekt Effektn der Bertelsmann Stiftung und des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Gemeinnützige Organisationen möchten eine größtmögliche Wirkung erzielen. Sie stellen sich gesellschaftlichen Problemen, um die Situation möglichst vieler zu verbessern. Häufig fehlt es jedoch an Wissen und Erfahrung, wirksame Lösungen zu verbreiten.Mit dem Projekt Effektn – Wachstum und Wirkung in der Zivilgesellschaft unterstützen die Bertelsmann Stiftung und der Bundesverband Deutscher Stiftungen gemeinnützige Akteure dabei, die eigene Wirkung zu analysieren und zu vergrößern.

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www.bertelsmann-stiftung.de

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www.stiftungen.org/projekttransfer

Inhalt

STRATEGIE: Die vielen Wege zur Verbreitung. Welcher passt zu mir?

Strategien – ein Überblick

Wichtige Fragen vor dem Transfer | Wie gern fahren Sie Bahn?

Auf die Strategie kommt es an | Viele Wege führen zum (Transfer-)Ziel

CASE: Greeter | Die Greeter machen‘s einfach

CASE: Rock Your Life! | Ein Social Franchise, das rockt

CASE: Arbeiterkind.de | Katjas grosse Tour

Digitalskalieren | Online-Tools als Schlüssel zum Projekterfolg?

CASE: elhana Lernpaten | Verbreiten oder vertiefen?

#NPO-Blogparade | Sechs Probleme und eine Lösung

Transfer transnational – ein Überblick

CASE: Barka | Ein Integrationsprojekt verbreitet sich in Europa

Ideengeber USA | Transatlantischer Transfer

CASE: Krass e.V. | Wie man ein Projekt nach China bringt

CASE: Kunst-Stoffe | Teil einer weltweiten Bewegung

Tipps & Tools | Videopodcasts: Fünf Transfer-Strategien

QUALITÄT: Gut bleiben und gemeinsam immer besser werden.

Qualität – ein Überblick

Die Erfolgsgeheimnisse von wellcome-Gründerin Rose Volz-Schmidt | „Es muss immer einen geben, der ‚Wir’ sagt“

Nachmachen – aber richtig | Was tun, wenn die Qualität nicht stimmt?

CASE: Youth Banks | Generationswechsel und Wissenstransfer

Qualität dokumentieren | Das Monitoringsystem

CASE: Seniorpartner in School | Qualität in der Expansion sichern

Hilfreich, aber arbeitsintensiv | Das Qualitätshandbuch

CASE: Viva con Agua | Ein digitales Netzwerk trägt die Verbreitung

Beim Wachstum helfen | „Wir zünden das Feuer an“

CASE: Discovering Hands | Höchste Anforderungen an die Qualität der Arbeit

Tipps & Tools | Der Qualitäts-Werkzeugkoffer

PARTNER: Vom ersten Flirt, der Partnerwahl und Beziehungsarbeit.

Partner – ein Überblick

CASE: Carrotmob Akademie | Tipps ja, Kontrolle nein

Weltbeweger | Partner online finden

CASE: Deutschland summt! | Vom Spagat zwischen Unabhängigkeit und Verbindlichkeit

Bürgerstiftungen | Organisierter Ideenklau immer beliebter

CASE: berlin teilt (:) | Jede Menge Spielraum bei der lokalen Adaption

Von Birmingham nach Berlin | Social Media Surgerys

Tipps & Tools | „Wir müssen reden“

RECHT: Die Spielregeln, ohne die es nun einmal nicht geht.

RECHT – ein Überblick

Verein, gGmbH, gAG | Ein Überblick über wichtige Rechtsformen

Verbindliche Partnerschaft | Vertragsformen

CASE: Sozialhelden | Immer Ärger mit den Trittbrettfahrern

Das Projekt schützen | Urheber- und Markenrechte

Nie von der Stange | Der Projekttransfervertrag

CASE: Erste Christliche Arbeitsvermittlung | Wie Gottes Arbeitsamt Karriere macht

In sieben Schritten | Die Vereinsgründung

Tipps & Tools | Checkliste – was beim Projekttransfer zu beachten ist

FINANZEN: Wo das Geld herkommt und wie es lange bleibt.

Finanzierung – ein Überblick

Den Dialog mit Förderern erfolgreich gestalten | Streicht das P-Wort

CASE: buddY e.V. | Kreativer Fördermix statt eines Hauptförderers

Risikokapital | Wie das Investment in Sozialunternehmen funktioniert

BonVenture | Drei Investment- Varianten

CASE: Studienkompass | Ein Trio mit vielen Partnern

Crowdfunding | Gemeinsam arbeiten, gemeinsam finanziert

Die richtige Kampagne | Fünf Tipps zum Crowdfunding

CASE: Kinderzentren Kunterbunt | Engpass in der Gründungsphase

Unterschiedliche Erwartungen | Wie man Konflikten mit dem Förderer vorbeugt

Klare Förderstrategie | Geld gibt es nur für Transfer-Projekte

CASE: CAP-Märkte | Wachsen mit Gebühren

Fluch oder Segen? | Die öffentliche Förderung und ihre Alternativen

Freiwillige Fachkräfte | So nutzen Sie Pro-bono-Dienstleistungen optimal

Tipps & Tools | Der Kosten- und Finanzierungsplan

KOMMUNIKATION: Der Draht zu Presse, Förderer, Partner& Team.

Kommunikation – ein Überblick

Konsequent einbeziehen | Das Team im Skalierungsprozess

CASE: Fairnopoly | Wenn das Projekt durch die Decke geht

In der Krise | „Nur wer ehrlich kommuniziert, wird gehört“

CASE: DORV-Zentren | Wettbewerbe und Preise

Transparenz | Warum sie wichtig ist und wie man sie herstellt

CASE: Haus der kleinen Forscher | Kommunikation auf vielen Kanälen

Wachstumsschmerzen | Wenn Regeln zur Konfliktlösung fehlen

Tipps & Tools | Digitale Helfer für die Arbeit von sozialen Projekten

WIRKSAMKEIT: Was ein Projekt leistet und wie es noch besser wird.

Wirksamkeit – ein Überblick

Mehr bewirken | Wirkungsanalyse und Projekttransfer

Big Brothers Big Sisters | Ende mit Schrecken

CASE: StakeholderDialogues.net | Wissenstransfer durch Präsenzkurse und einen Projektepool

Dr. Christian Meyn im Interview | Wirkung statt Profilierung

Grow micro! | lokale Nestwärme befeuert Projekte

Video | So geht Wirkungsorientierung

Tipps & Tools | Wie man einen Wirkungsplan schreibt

INSPIRATION: OpenTransfer Camps: Gipfeltreffen der Ideenteiler.

#otc12 openTransferCAMP Berlin

#otc13 openTransferCAMP Köln

#otc13 openTransferCAMP München

#otc13 openTransferCAMP Berlin

Barcamps: neue Chancen für NPOs

Das war die NPO-Blogparade

Autoren

Editorial

Mehr und mehr Menschen wollen die Welt ein bisschen besser machen. Viele meinen, sie müssten dabei immer wieder ganz von vorn anfangen. Das Resultat sind einzelne Projekte, die allesamt hervorragende Arbeit leisten – allerdings nur an einem Ort. Damit bleibt auch die Wirkung lokal begrenzt.

Das muss nicht sein. Gutes verbreiten, statt neu erfinden – das spart Zeit, Geld und Kraft und ist der beste Hebel, um mit einer Idee viel zu bewirken. Der Transfergedanke, also die systematische Verbreitung eines bewährten Projekts, ist noch längst nicht überall angekommen. Aber es tut sich was.

Eine stetig wachsende Community glaubt, dass gute Ideen nur wachsen können, wenn Wissen weitergegeben und -entwickelt wird. So trafen sich im Laufe des vergangenen Jahres über 500 Projektmacher und Förderer aus allen Teilen Deutschlands auf vier openTransfer CAMPs, diskutierten über Herausforderungen beim Projekttransfer, gaben Erfahrungen weiter und lernten voneinander. Viele dieser Impulse wurden als Beiträge auf der Plattform www.opentransfer.de veröffentlicht und so allen zugänglich gemacht. Dort kann jeder Wissen teilen, kommentieren, weiterdenken und mithelfen, gute Ideen ganz groß zu machen. 87 dieser Beiträge von 56 Autoren liegen nun als E-Book vor.

Die freie Weitergabe und Zirkulation dieses Wissens ist nicht nur erlaubt, sondern auch explizit gewünscht.

Die erfolgreichen Transfer-Geschichten, Herausforderungen und ganz praktischen Tipps in diesem Buch sollen Ihnen bei der Verbreitung Ihres Projekts helfen. Alle Ideengeber, Projektinitiatoren, Engagierten und Förderer sind eingeladen, Teil der Community zu werden und so die Idee voranzubringen, Gutes einfach zu verbreiten.

2014 wird es auf mehreren Barcamps und der Plattform opentransfer.de jede Menge Gelegenheiten dazu geben.

Katarina Peranic und Henrik Flor, Stiftung Bürgermut

Gerald Labitzke, Bertelsmann Stiftung

Juliane Metzner, Bundesverband Deutscher Stiftungen

openTransfer ist eine Initiative der Stiftung Bürgermut in Kooperation mit Effektn, einem Projekt der Bertelsmann Stiftung und des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.

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STRATEGIE: Die vielen Wege zur Verbreitung. Welcher passt zu mir?

Welche Voraussetzungen muss man mitbringen?

Welche Transfer-Strategien gibt es?

Wie helfen digitale Tools?

Strategien – ein Überblick

Viele Wege führen zum Transfer von guten Ideen. Welchen Pfad man wählt, hängt vor allem davon ab, wie sehr man loslassen kann und wie viel Zeit und Geld man in die Verbreitung des Projekts stecken will. Gute Gründe gibt für jede der vielen Varianten.

Die Greeter sind eine inzwischen weltweite Bewegung. Die Mitglieder zeigen Besuchern ihre Stadt – kostenlos, authentisch und nachhaltig. Wer ein Greeter-Team in seiner Stadt gründen will, schreibt eine E-Mail an die globale Dachorganisation und bekennt sich zu den Grundwerten des Projekts. Danach kann er sofort loslegen. Ein einheitliches Logo gibt es absichtlich nicht. Den Vermittlungsprozess kann jeder organisieren, wie er will.

Nicht jeder Transfer verläuft so unkompliziert und bei längst nicht jedem Projekt wäre eine solch unverbindliche Art der Verbreitung sinnvoll. Wie steht es mit dem ambulanten Hospizdienst oder dem Berufsberatungsprojekt für Jugendliche ohne Schulabschluss? Die Engagierten in diesen Projekten schultern jede Menge Verantwortung. Sie müssen intensiv geschult werden, brauchen kompetente Ansprechpartner, Austauschforen, Weiterbildungen und einen verlässlichen organisatorischen Rahmen. Will man eines dieser Projekte in die Fläche bringen, braucht es ein planvolles Vorgehen, detaillierte Absprachen und Verträge, Qualitäts-Monitoring und ein Sicherungsnetz bei Problemen. Der Initiator des Projekts wird eher mehr als weniger Kontrolle ausüben wollen und ist dafür bereit, die sogenannten Transferkosten in Form von Personal und Geld bereitzustellen.

Dies sind zwei sehr unterschiedliche Varianten, wie ein Transfer organisiert werden kann. Zwischen diesen Polen existiert eine Vielzahl von Abstufungen und Mischformen. Aus dem breiten Repertoire an Transferwegen kann sich jedes Projekt denjenigen aussuchen, der seinen Bedürfnissen am meisten entspricht.

Noch vor den Überlegungen, wie eine Übertragung konkret aussehen könnte, sollte allerdings eindeutig geklärt werden, ob diese überhaupt sinnvoll ist. Wer nicht ein bestimmtes Set an Voraussetzungen erfüllt, wird sehr wahrscheinlich nicht weit kommen – hierzu zählt insbesondere der Erfolg des Ausgangsprojekts, aber auch die Bereitschaft des Projektteams, sich auf ein ganz neues Abenteuer einzulassen, das nicht nur jede Menge Arbeit mit sich bringt, sondern auch die gewohnte Rollenverteilung gründlich durcheinanderbringen kann.

Im folgenden Kapitel berichten Transfer-Praktiker, wie sie die Skalierung ihres Projekts in Angriff genommen haben, wo Schwierigkeiten lauerten und wie Herausforderungen gemeistert wurden.

Wichtige Fragen vor dem Transfer | Wie gern fahren Sie Bahn?

Janet Thiemann und Claudia Leißner arbeiten daran, gute Lösungen für Familien mit kleinen Kindern zu verbreiten. Für alle, die ebenfalls mit ihrem Projekt wachsen wollen, haben sie sechs Transfer-Tipps zusammengestellt, bei denen die BahnCard 100 eine besondere Rolle spielt.

Alle Eltern in Deutschland wollen gute Eltern sein. Seit 2005 bietet die MAPP-Empowerment GmbH mit ihrem Programm ELTERN-AG Kurse für sozial benachteiligte Familien mit kleinen Kindern an. Über ein Social-Franchise-System ermöglicht die MAPP-Empowerment GmbH Partnern vor Ort, die ELTERN-AG-Methode zu lernen und eigenständig durchzuführen. Die Verbreitung wird von der gemeinnützige Auridis GmbH unterstützt. Während der Zusammenarbeit zwischen MAPP und Auridis haben wir viel über Projekttransfer in Deutschland reflektiert und auch Dinge infrage gestellt. Dabei haben wir fünf Beobachtungen gemacht, die anderen Organisationen beim Nachdenken darüber helfen können, ob sie ihr Projekt verbreiten wollen.

1. Ein Skalierungsmodell ist noch kein Geschäftsmodell

In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Kultur der „Projektitis“ eingeschlichen, die gemeinsam mit der Overhead-Phobie die Finanzierung für gesellschaftlich relevante Vorhaben schwierig macht. Ein Projekttransfer wird dieses Problem eher noch verstärken. Denn Projekttransfer ist zu großen Teilen Overhead-Tätigkeit, die ungern von sozialen Investoren finanziert wird. Gut, wenn eine Organisation auf eigene Einnahmen bauen kann. Ein Skalierungsmodell macht noch kein Geschäftsmodell.

Ein Geschäftsmodell heißt, dass Sie ein Produkt oder ein Angebot für einen bestimmten Preis verkaufen und dadurch stetige Einnahmen erzielen. Diese Einnahmen können durch Schulungs-, Franchise-, Mitglieds- oder Lizenzgebühren, über Materialverkauf, eine Umlage der Gemeinkosten oder Beratungssätze erzielt werden. Die Partner der MAPP entrichten zum Beispiel eine einmalige Schulungsgebühr, um die Methode zu erlernen, sowie eine fortlaufende Qualitätssicherungsgebühr, um die Kurse unter dem Namen ELTERN-AG anbieten zu können und an der regelmäßigen Qualitätssicherung teilzunehmen.

Solche Einnahmen können Sie eher erzielen, wenn Ihre Transferpartner vor Ort ebenfalls eigene Einnahmen erzielen. Dies können Teilnahme- oder Schulungsgebühren, kommunale Leistungen (Präventionsleistungen des Jugendamts) oder zum Beispiel die Finanzierung über eine Krankenkasse sein. Die Partner der ELTERN-AG beispielsweise finanzieren ihre Kurse vor Ort durch kommunale Leistungen.

2. Die Essenz destillieren

Wenn Sie anfangen, über einen Transfer Ihres Projekts nachzudenken, werden Sie schnell auf die Frage nach dem Grad an Offenheit stoßen. Geben Sie Ihre Erkenntnis in einem Open Source-Handbuch weiter, bieten Sie Ihr Programm als Social Franchise an oder bauen Sie eigene Filialen auf? Egal für welche Verbreitungsform Sie sich entscheiden, Ihr Ziel ist es, bei allen Transferpartnern eine gleichbleibende Qualität gewährleisten zu können (wofür Sie mit dem Namen Ihres Programms bürgen).

Dafür ist es wichtig, die Essenz Ihres Angebots herauszufiltern und zu bestimmen, in welcher Komplexitätsstufe an anderen Orten und durch welche anderen Teams dieses Angebot konsistent erbracht werden kann. Dafür können Sie sich fragen, welche gesellschaftliche Wirkung Ihr Angebot anstrebt. Lösen Sie sich gedanklich für einen Moment von Ihrem bestehenden Angebot und fragen Sie sich, auf welchen Wegen Sie ein ähnliches Ergebnis, eine ähnliche gesellschaftliche Wirkung erzielen könnten. Fragen Sie sich auch, welcher Teil Ihres Angebots tatsächlich essenziell für die gesellschaftliche Wirkung, die Sie anstreben, ist.

Eine gleichbleibende Qualität, nicht die allerhöchste Qualität, ist für Ihr Transfervorhaben entscheidend. Manchmal beschleicht uns das Gefühl, dass wir Qualitätssicherung mit unserem persönlichen Kontrollwahn verwechseln und dass wir es nur schwer aushalten können, wenn andere Menschen anders an Problemstellungen herangehen. Die ELTERN-AG macht ihren Partnern vor Ort bewusst, welche Bausteine des Konzepts unveränderbar sind und welche Bausteine sie an die Bedingungen vor Ort anpassen können.

In der Regel haben auch Sie nicht das Rad neu erfunden. Akzeptieren Sie die Expertise anderer und wertschätzen Sie diese! Seien Sie mutig und lassen Sie zu, dass andere Ihre Ideen aufgreifen, weiterentwickeln und verändern! Ihrer Angst, dass Ihre Idee in schlechterer Qualität angeboten wird, können Sie zwar durch Verträge und umfangreiches Regelwerk entgegenwirken. Sie werden aber erfolgreicher sein, wenn Sie es schaffen, die Kollegen vor Ort, die Experten in ihrem Arbeitsfeld und ihrer Region sind, in die Entwicklung einzubeziehen.

3. Huckepack – existierende Strukturen nutzen

Erfolgreichem Projekttransfer gelingt es, eine gesellschaftliche Lösung zu skalieren und nicht die Organisation. Besonders erfolgreich sind Angebote, die es schaffen, an existierenden Strukturen anzudocken und diese für sich zu nutzen.

Viele ELTERN-AGs werden vor Ort von den etablierten Trägern der Freien Wohlfahrtspflege, wie zum Beispiel AWO, DRK oder die christlichen Wohlfahrtsorganisationen, durchgeführt. Der Aufbau von neuen Strukturen ist immer kostspielig und langwierig. Die entscheidende Frage ist: Wo sind die Menschen, die Sie erreichen möchten? In Deutschland gibt es die großen Wohlfahrtsverbände, die zusammen wesentliche Teile des sozialen Sektors ausmachen. Weit über 50 Prozent aller sozialen Einrichtungen in Deutschland sind in Trägerschaft der Freien Wohlfahrt. Als kleine Organisation ist es ratsam, sich nicht vom Wohlfahrtssystem abzugrenzen, sondern gezielt die Zusammenarbeit zu suchen.

4. Andere Kompetenzen sind gefragt

Deutschland leistet sich mit seinem Sozialsektor viele Innovationen, die jedoch immer wieder zulasten der Qualität gehen. Natürlich macht es mehr Spaß, vor Ort das passende Angebot zu entwickeln. Doch häufig fehlen die Ressourcen, neu entwickelte Programme so wirkungsvoll und nachhaltig aufzustellen, dass der Aufwand gerechtfertigt wäre.

Bei der Verbreitung der ELTERN-AG brauchten wir die Offenheit, mit Experten, Beratern und Unternehmern in Kontakt zu kommen, die unterschiedlichen Sprachen zu verstehen und die betriebswirtschaftlichen Methoden an unser eigenes Geschäftsmodell anzupassen. Wir merkten schnell, dass sich die Herausforderungen wachsender Sozialunternehmen gar nicht so sehr von denen konventioneller Unternehmen unterscheiden. Kompetenzen in Vertrieb, Marketing und Personalmanagement sind absolut notwendig.

Erfolgreicher Projekttransfer hat mit Innovation wenig zu tun. Genauer gesagt hat er mit Produktinnovation wenig am Hut. Es geht vielmehr um Prozessinnovation: die Arbeit an einem Projekttransferhandbuch, etwas konzeptionelle Arbeit und viel Prozess- und Detailarbeit.

5. Wie gern fahren Sie mit der Bahn?

Projekttransfer heißt reisen, sehr viel reisen. Sind Sie bereit, in den nächsten Jahren bis zu 100 Tage im Jahr in ganz Deutschland unterwegs zu sein? Damit andere Menschen von Ihnen lernen können, ist es wichtig, sehr viel Zeit vor Ort bei den Partnern zu verbringen und den Spirit Ihrer Ideen lebendig werden zu lassen. Ich [Janet Thiemann] sagte beim jährlichen Auridis-Gespräch fünf Jahre in Folge den Satz: „Dieses Jahr waren wir so viel unterwegs, ich kann mir nicht vorstellen, dass es im nächsten Jahr noch mehr werden kann“ – und es wurde jedes Jahr mehr.

Wenn Sie Ihre Vision verwirklichen möchten, dann braucht es viel Zeit und Energie. Es ist ein Trugschluss, dass der erfolgreiche Aufbau eines Sozialunternehmens – weil es „sozial“ ist – mehr Work-Life-Balance zulässt als die Gründung eines For-Profit-Unternehmens.

Fragen Sie sich, ob Sie bereit für diese Veränderungen sind!

Das Aufgabenspektrum einiger Kollegen wird sich verschieben, weg von der inhaltlichen Arbeit mit Ihrer Zielgruppe hin zur Transferarbeit, dem Management von Kooperationen, der Weiterbildung von Kollegen und dem Vertrieb, um neue Partner zu gewinnen.

Das alles schreckt Sie nicht? Wunderbar, dann auf ins Abenteuer Projekttransfer.

www.eltern-ag.de

Claudia Leißner

Janet Thiemann

Auf die Strategie kommt es an | Viele Wege führen zum (Transfer-)Ziel

Die eigene Wirkung mit einem Transfer zu erhöhen, ist kein Selbstzweck und sicher nicht für jeden und zu jeder Zeit ein sinnvolles Unterfangen. Drei wesentliche Fragen müssen gestellt werden: Habe ich die Bereitschaft und Voraussetzungen, das Projekt zu verbreiten? Gibt es auch an anderen Orten einen Bedarf und ein Umsetzungsinteresse für unser Anliegen? Und letztlich: Ist unser Projekt in andere Regionen übertragbar?

Erst wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, sollte über den Weg nachgedacht werden. Bekanntlich führen nicht nur unterschiedliche Wege nach Rom, sondern auch zum Transfer-Ziel. Die einfachste Form der Verbreitung ist sicherlich, das Wissen beispielsweise durch ein Handbuch weiterzugeben. Gleichwohl können Sie auch mit Kooperationsverträgen das Projekt an andere Partner übertragen oder Sie beschließen, das Projekt in Eigenregie in anderen Regionen zu etablieren.

Zwei wichtige Fragen helfen Ihnen dabei, den richtigen Weg zu finden:

1. Sind wir bereit, unser Projekt mit anderen zu teilen und damit auch Kontrolle abzugeben? Oder ist es für uns wesentlich, selbst die uneingeschränkte Kontrolle über den Projektansatz und dessen Umsetzung zu behalten?

2. Wie viel Zeit und Geld sind wir bereit, in die Verbreitung des Projekts zu investieren? Jeder Projekttransfer hat seine Kosten: Ein Handbuch muss geschrieben, neue Partner müssen gefunden und überzeugt werden und oft Verträge geschlossen und anschließend kontrolliert werden. Auch wenn die Höhe dieser Transferkosten nicht auf Heller und Pfennig im Voraus berechnet werden kann, so ist die Frage wesentlich, ob Sie für den Projekttransfer eher geringe oder hohe Kosten veranschlagen müssen.

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Während „Wissenstransfer“ und „Kooperation mit Verträgen“ insbesondere auf die Weitergabe des Projekts an andere Organisationen zielen, beziehen sich „Aufbau von Kapazitäten“ und „Strategische Ausdehnung“ auf die Verbreitung innerhalb einer bestehenden Organisation.

Wissenstransfer

Wenn Sie Ihr Projekt durch „Wissenstransfer“ verbreiten möchten, bedeutet dies, dass Sie Ihr Projektkonzept anderen Organisationen frei zur Verfügung stellen, die es dann eigenverantwortlich in vergleichbarer oder etwas angepasster Form bei sich vor Ort umsetzen. Während Sie als Projektgeber den Projektnehmern am Anfang zum Beispiel durch Informationen, (technische) Unterstützung oder Beratung helfen, findet später in der Regel keine weitere Zusammenarbeit statt. Diese Form der Übertragung ist relativ stark verbreitet. Sie birgt die geringsten Kosten und ermöglicht eine schnelle Verbreitung und optimale Anpassungsmöglichkeiten des Konzepts an lokale Gegebenheiten. Dafür bietet diese Form der Verbreitung aber kaum Kontrollmöglichkeiten für den Projektgeber.

Kooperation mit Verträgen

Sie können ein Projekt auch mithilfe von Kooperationsverträgen an andere Organisationen weitergeben. Diese setzen das Projekt bei sich vor Ort um. Sie als Projektgeber haben hierbei Kontrollmöglichkeiten, denn in den Verträgen sind Rechte und Pflichten von Projektgeber und -nehmer festgelegt. Beispielsweise können darin die Bereitstellung von Ressourcen und Know-how durch den Projektgeber oder Berichtspflichten, Lizenzkosten, Bedingungen für die Nutzung von Markenrechten und einzuhaltende Qualitätsstandards für die Projektnehmer geregelt sein. Während der Projektgeber hier stärker gestalten kann, bringt eine Kooperation mit Verträgen gleichzeitig höhere Kosten und standardisierte Abläufe mit sich, und es bestehen weniger Spielräume für lokale Anpassungen als bei der Verbreitungsmethode des offenen Wissenstransfers.

Vier Vertragsarten werden für die Weitergabe von Projekten unterschieden: Weitergabe innerhalb von Netzwerkvereinen bzw. -verbänden, Lizenz-, Social-Franchise- oder Joint-Venture-Verträge.

Auch für die Verbreitung eines Projektes innerhalb einer bestehenden Organisation gibt es zwei Wege:

Kapazitäten in einer Region erweitern

Ein Projekt zu verbreiten, muss nicht immer bedeuten, dass der Ansatz an andere Organisationen weitergegeben wird. Vielleicht möchten Sie die Wirksamkeit Ihres Projekts in einer Region vergrößern, in der Sie bereits tätig sind, und dadurch mehr Menschen erreichen? Dies können Sie erreichen, indem Ihre Organisation regional – in der Regel an einem Standort – wächst oder Sie bestehende Prozesse und Strukturen so optimieren, dass Sie mit der gleichen Menge an Ressourcen mehr Menschen erreichen können. Viele Pilotprojekte beginnen damit, die Wirksamkeit des eigenen Handelns in einer Region zu optimieren und erst danach eine überregionale Verbreitung anzustreben. Die Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten bei dieser Verbreitungsstrategie sind groß.

Strategische Ausdehnung

Um mehr Menschen auch in anderen Regionen zu erreichen, können Sie auch Filialen beziehungsweise Büros Ihrer Organisation an anderen Standorten eröffnen. Die Filialen sind nicht unabhängig, sondern rechtlich Teil Ihrer Organisation. Das bedeutet auch, dass Ihre Organisation aus eigener Kraft die Kosten für die Verbreitung aufbringen muss, dafür behält sie aber auch die wesentliche Kontrolle über die Umsetzung, da das Projektkonzept nicht an andere Organisationen weitergegeben wird. Eine strategische Ausdehnung eines Projekts kann auch bedeuten, dass Sie Ihre Aktivitäten auf andere Zielgruppen ausdehnen oder um andere Angebote erweiteren.

Letztendlich führen unterschiedliche Wege zum Ziel. Die Entscheidungsmatrix kann dabei helfen,rock eine erste Idee zu entwickeln, welcher Weg für Sie der Beste ist. Es macht in jedem Fall Sinn, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen.

Einen Fragebogen, ob eine Verbreitung für Ihre Organisation sinnvoll ist, finden Sie unter „Tipps & Tools“ am Ende des Kapitels.

Gerald Labitzke

CASE: Greeter | Die Greeter machen‘s einfach

Greeter zeigen Besuchern ihre Stadt – kostenlos, nachhaltig und digital vermittelt. Die Bewegung breitet sich derzeit ohne detaillierte Regeln und mit jeder Menge Spielraum auf der ganzen Welt aus.

Vor zwei Jahren ist Philipp Wilimzig über einen Zeitungsartikel gestolpert. Dort wurde über ein Stadtmarketing-Projekt der anderen Art berichtet: In Paris fanden sich immer mehr Freiwillige, die Besuchern ihre Stadt zeigen wollten – kostenlos, ohne Vorgaben, selbstbestimmt. Die Paris Greeter sind Teil einer weltweiten Bewegung, die so etwas wie authentischen Tourismus verspricht – auf der Basis von online organisierten Begegnungen, den Greets.

Da es noch keine Greeter in Berlin gab, nahmen Wilimzig und Geschäftspartnerin Stefanie Jost das Heft selbst in die Hand. Einzige Voraussetzung für die Gründung einer Greeter-Gruppe: Man muss sich zu den Grundsätzen, den sogenannten core values, des Global Greeter Network bekennen. Ansonsten hat jede Gruppe völlig freie Hand. So verzichtet der Dachverband auch auf ein einheitliches Logo und Design. Jede Greeter-Gruppe präsentiert sich unabhängig, in Logo und Design soll sich die Stadt, nicht der Verband widerspiegeln. Bevor es in Berlin losging, zögerten die Initiatoren noch.

Stefanie Jost: „Wir dachten damals, ohne Flyer, eingespielte Strukturen und ausreichend Greeter können wir nicht starten. Dann entschieden wir uns aber, einfach loszulegen.“ Der harte Kern der informellen Gruppe bestand aus insgesamt fünf Leuten, den erweiterten Kreis bildeten die heute 70 Freiwilligen, die die Greets durchführten. „Wir haben die große Freiheit beim Start sehr genossen. Wir konnten die Berlin Greeter in unserer eigenen Geschwindigkeit aufbauen und in dem Tempo wachsen, das zu uns passt“, meint Stefanie Jost. Bald kam eine Anfrage aus Hamburg, ob man das dortige Greeter-Gründungsteam nicht unterstützen könne. „Die Hamburger beschäftigten sich mit den gleichen Fragen wie wir ein Jahr zuvor. Wir konnten unsere Erfahrungen direkt weitergeben“, erinnert sich Stefanie Jost. Inzwischen treffen sich Greeter aus ganz Deutschland regelmäßig. Es geht um Themen wie Wissenstransfer unter den Greetern, das Erstellen von Anleitungen zum Thema Öffentlichkeitsarbeit oder Freiwilligenmanagement. Holger Bottling von Berlin Greeter ist noch einen Schritt weitergegangen. Er ist Mitglied des Boards des Global Greeter Network geworden. Das Gremium entwickelt auf internationalen Meetings die Greeter-Idee weiter. Völlig ungesteuert entstanden bis heute Greeter-Gruppen in mindestens 40 Städten weltweit, mehrere Hundert sind in Gründung.

www.globalgreeternetwork.info

Henrik Flor

CASE: Rock Your Life! | Ein Social Franchise, das rockt

Bei ROCK YOUR LIFE! engagieren sich inzwischen Hunderte Studierende und vermitteln Hauptschülern Begeisterung für Bildung. Das Sozialunternehmen wurde an einer Uni gegründet und funktioniert heute als Social Franchise.

Für Christina Veldhoen, Elisabeth Hahnke und Stefan Schabernak, damals Studierende an der privaten Zeppelin Universität in Friedrichshafen, war ein Vortrag von Peer Steinbrück über die Barrieren im deutschen Bildungssystem im Herbst 2008 der zündende Funke. Die Studierenden, die sich ihrer privilegierten Situation durchaus bewusst waren, taten sich mit zehn weiteren Studierenden zusammen, um ein bereits existierendes Grobkonzept auszuarbeiten und umzusetzen: ROCK YOUR LIFE!.

Die Idee: Hauptschülern wird über eine Zeit von zwei Jahren ein Studierender als persönlicher Coach zur Seite gestellt. Er soll dabei helfen, die Talente des Schülers zu entwickeln, dessen berufliche Ziele umzusetzen und die eigene Begeisterung für Bildung weiterzugeben. Nicht die Herkunft soll über den Bildungserfolg entscheiden. Das Pilotprojekt und später die Verbreitung des Konzepts wurde zuerst noch von den drei Initiatoren als studentisches Engagement betrieben, seit 2009 steuert die gemeinnützige GmbH ROCK YOUR LIFE! den Transfer.

Die Unternehmung war von Anfang an als Social Franchise angelegt – die Initiatoren wurden direkt nach dem Universitätsabschluss zu Sozialunternehmern und managen inzwischen 30 Standorte in ganz Deutschland. Charakteristisch für ein Franchisesystem: Bevor ein neues Team unter der Marke ROCK YOUR LIFE! an den Start gehen darf, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein und Vereinbarungen getroffen werden. Grundvoraussetzung ist das Akquirieren von Unternehmenspartnern. Sie stellen das Geld für die Aktivitäten der Gruppe zur Verfügung. Dieses fließt zu einem Teil an die gGmbH, um Grundlagenseminare, Materialien wie Flyer und Handbücher gegenzufinanzieren. Ist die Finanzierungsperspektive da, konstituiert sich das Gründungsteam als Verein und macht einen Vertrag mit der gGmbH.

Die Zentrale organisiert die Qualifizierung der Coaches. Christina Veldhoen: „Jeder Coach nimmt über die beiden Jahre an sechs Seminaren teil, dazu gibt es angeleitete Teamworkshops und zusätzlich Grundlagenseminare für die Standortleiter.“ Die Zentrale in Friedrichshafen ist in regelmäßigem Kontakt mit den Standorten. Sie berät, greift bei Problemen ein und evaluiert deren Arbeit. Der Austausch der ROCK YOUR LIFE!-Standorte untereinander funktioniert – unabhängig von der Zentrale – über Wikis und Foren.

www.rockyourlife.de

Gerald Labitzke

CASE: Arbeiterkind.de | Katjas grosse Tour

Wenn man heute über erfolgreiche Non-Profit-Organisationen spricht, fällt zwangsläufig irgendwann der Name Katja Urbatsch. In einem Land, dem mit jedem Bildungsbericht aufs Neue attestiert wird, ein besonders undurchlässiges Bildungssystem zu haben, macht sie sich für Schüler und Studierende aus Nichtakademiker-Familien stark. Das Ganze funktioniert als Filialsystem.

Katja Urbatschs Organisation Arbeiterkind.de berät Jugendliche und junge Erwachsene, die als Erste in ihrer Familie studieren, und begleitet Bildungsaufsteiger im Rahmen eines Mentorensystems. Was vor fünf Jahren als lokale Initiative startete, ist heute eine schlagkräftige Organisation mit vier hauptamtlichen Kräften und 5.000 Freiwilligen, die sich in 70 regionalen Gruppen organisiert haben. Die Verbreitung läuft inzwischen fast von selbst. Regelmäßig melden sich Studierende bei Arbeiterkind.de, die Interesse haben, eine Ortsgruppe zu gründen – meist aus eigener Betroffenheit.

Erste Gespräche finden mit der Zentrale in Berlin statt, man überlegt gemeinsam, wie die Gründung vorangetrieben werden kann. Weitere Schritte sind dann das Aufsetzen einer Gruppe im eigenen sozialen Netzwerk. Hier können sich die Freiwilligen intern vernetzen, aber auch für die Außendarstellung eine konfektionierbare Website mit Inhalten füllen. In der ganz realen Welt ist oft ein informeller Stammtisch der Grundstein für eine neue Ortsgruppe. Die Aktivität, die damit demonstriert wird, reicht zunächst, um die Aufnahme ins Netzwerk zu finden. Die Arbeitsteilung der Organisation erklärt Katja Urbatsch so: „Wir wollen die Gruppen vor allem von dem bürokratischen Aufwand befreien. Wir wünschen uns von den Engagierten, dass sie aktiv für die Sache arbeiten und sich nicht mit Fundraising oder Vereinssatzungen auseinandersetzen müssen. Schließlich sollen sie ja ‚nebenbei‘ auch noch studieren oder arbeiten.“

Rechtlich gesprochen bleiben die lokalen Gruppen unselbstständig und schlüpfen unter das Dach der gemeinnützigen UG, als die Arbeiterkind.de firmiert. Für die Zentrale in Berlin bedeutet das, dass sie sich größtenteils um Fundraising und Förderungen kümmern muss. Das Filialsystem funktioniert auch deshalb so gut, weil die lokalen Gruppen fast keine Kosten verursachen. Kosten fallen vor allem in der Zentrale an: für Werbematerialien, hauptamtliche Mitarbeiter. Urbatschs System will Qualitätssicherung nicht durch eine hohe Einstiegshürde erreichen, sondern durch eine intensive Betreuung der Gruppen. Rund 40 Trainings im Jahr bietet Arbeiterkind.de an. Das sind Basistrainings für jeden, der sich bei Arbeiterkind.de engagieren will.

Bei Konflikten oder bestimmten Problemen organisiert die Zentrale Moderationstage, die von professionellen Trainern durchgeführt werden. Beratung findet aber auch zwischen den Gruppen statt. Die Hamburger Ortsgruppe etwa unterstützt aktiv die Gründung der Lübecker Sektion. Das geht direkt oder über die Online-Community. In einigen Bundesländern, wie in Nordrhein-Westfalen, gibt es Regionalkoordinatoren, die bestehenden und neuen Gruppen helfen. Katja Urbatsch bringt es auf den Punkt: „Die Verbreitung findet organisch statt. Es gibt keinen Masterplan. Wir aktivieren nur punktuell Gruppen und kümmern uns derzeit vor allem darum, die jetzigen Gruppen zu unterstützen und stabil zu halten.“ Katja Urbatsch war anfangs mit dem Anspruch angetreten: Wenn sie die Biografie nur eines Menschen positiv verändere, habe sich ihr Einsatz gelohnt. Bei vielen Tausend Schülern und Studierenden, die informiert, beraten und gecoacht wurden, kann nicht nur Katja Urbatsch, sondern können auch die vielen Freiwilligen höchst zufrieden mit sich sein.

www.arbeiterkind.de

Henrik Flor

Digitalskalieren | Online-Tools als Schlüssel zum Projekterfolg?

Gute Ideen können sich durch Online-Plattformen und Tools schnell und ohne große Kosten weiterverbreiten – wir nennen das Digitalskalieren. Das heißt: Lösungen für soziale Probleme müssen nicht immer wieder neu gefunden werden, sondern können einfach mit virtueller Anleitung lokal angepasst werden. Doch wie genau funktioniert das eigentlich? Ein Beispiel aus dem betterplace lab Trendreport.

Einer der derzeit radikalsten Digitalskalierungsansätze wird von KaBoom verfolgt. Die US-amerikanische NGO baut Spielplätze in sozial benachteiligten Stadtvierteln und stellt ihr Wissen frei ins Netz. Das tut sie vor allem, weil sie auf die Hilfe von Freiwilligen überall in den USA angewiesen ist. Denn das Ziel von KaBoom ist es, dass irgendwann jedes Kind in Amerika einen Spielplatz in der Nachbarschaft hat, wo es zu Fuß hingehen kann. Damit diese Idee Wirklichkeit wird, sind Freiwillige gefragt (zum Beispiel Lehrer, Schüler, Jugendeinrichtungen), die die Initiative in ihrer Stadt ergreifen und genügend Helfer zum Spielplatzbau motivieren. Nur so können sie sich für das KaBoom-Programm bewerben. Zur Online-Bewerbung bei KaBoom müssen die Bewerber ihre Motivation beschreiben, eine Standortanalyse einreichen sowie ein Planungskomitee mit 15 Leuten einrichten. Dieses Video zeigt, wie ein KaBoom-Projekt abläuft:

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Die Initiative, die Anwohnern hilft, Spielplätze zu bauen, hat schon über 1 Million Freiwillige mobilisiert

Projektplanung mit Online-Anleitung

Während der Bewerbung und der Projektplanung lässt KaBoom die Interessierten aber nicht allein, sondern bietet auf einer eigens eingerichteten Website Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Video-Tutorials und Beispiele. Alles nach dem Do-it-yourself-Prinzip (DIY). Das Informationsmaterial reicht von Online-Trainings über Themen wie „Wie man Schulen motiviert“, „Erfolgreiches Fundraising“ oder „Was ist gute Pressearbeit?“ bis hin zu einfachen Bauanleitungen für Spielgeräte.

Diese „take it and run“-Strategie entwickelte die Organisation mit dem Ziel, ihre Problemlösungen möglichst wirksam zu verbreiten, und sie hat sich bei der Projektevaluierung 2011 als ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs herausgestellt: In einer Umfrage bewerteten die Projektteilnehmer die Leistung der Online-Ressourcen und kamen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass vor allem die Online-Trainings und die Website eine große Erleichterung bei der Durchführung des eigenen KaBoom-Projekts waren.

Ist das Projekt so weit gekommen, dass es realisiert werden kann, wird es von einem KaBoom-Projektmanager für zwei Monate in der Planung der großen Bauaktion unterstützt. In dieser Zeit müssen sie gemeinsam tatkräftige Bauhelfer rekrutieren und rund 8.500 US-Dollar auftreiben, damit der neue Spielplatz gebaut werden kann.

Das scheint dank der ausführlichen Materialien und der großen Professionalität gut zu klappen: Bisher wurden Spielplätze für rund 6,6 Millionen Kinder gebaut. Mehr als 1 Million Freiwillige hat sich engagiert. Auf jeden von KaBoom selbst initiierten und gebauten Spielplatz kommen mittlerweile zehn, die selbstständig nach der Online-Anleitung entstehen. Und das Projekt verselbstständigt sich weiter. So wetteifern die DIY-Projekte in einem Leaderboard darum, als erfolgreichste Fundraiser gelistet zu werden und sich eine virtuelle Auszeichnung zu verdienen.

Was kostet die digitale Skalierung?

KaBoom ist mit seiner Skalierungsstrategie eines der radikalsten Beispiele, da die Organisation alles tut, um möglichst vielen Menschen eine Nachahmung zu ermöglichen. Aber diese Radikalität hat auch einen Preis. Allein sechs der 60 KaBoom-Mitarbeiter sind mit der Redaktion der Vorlagen und Anleitungen beschäftigt. Website-Entwicklung und Betreuung kosten jährlich etwa 1 Million US-Dollar.

Die Kosten für vergleichbare digitale Lösungen variieren allerdings enorm. Die digitalen Tools des Encore Fellowship Network, einem Volunteering-Programm, sind beispielsweise sehr kostengünstig. Zwei Vollzeitmitarbeiter betreiben das ganze Netzwerk und nutzen dabei fast ausschließlich kostenlose Standardprogramme, wie zum Beispiel Wikis. Dadurch können die Kosten für das Programm sehr niedrig gehalten werden und steigen mit dem Wachstum des Netzwerks nur unwesentlich.

Eine weitere, innovative Lösung hat das Online-Mentoring-Programm iMentor gefunden. Für die Online-Matching Plattform hat die Organisation beachtliche Ressourcen in ihre digitale Infrastruktur gesteckt: Das Programm wird von zehn Mitarbeitern betreut und die Plattform hat bislang circa 1,5 Millionen US-Dollar gekostet. Diese Softwarelösung verkauft sie einfach an andere Organisationen mit vergleichbaren Anforderungen und verdient an den Lizenzierungen.

Es ist absehbar, dass immer mehr IT-Infrastruktur günstig zu haben ist: Heute schon nutzt Kickstarter einfach die Bezahlfunktion von Amazon und Spenden sammelnde Organisationen können zum Beispiel ein kostenloses Online-Spendenformular von betterplace.org auf der eigenen Webseite integrieren. Projektmanagement wird mit Google Drive, Dropbox, Trello und ähnlichen Tools immer einfacher und günstiger. Werden diese Entwicklungen weiter zur digitalen Skalierung sozialer Projekte beitragen?

Weiterlesen im Trend „Digitalskalieren“ im betterplace lab Trendreport. Trendpate und Sponsor dieses Trends ist die Bertelsmann Stiftung mit ihrem Projekt Effektn – Wachstum und Wirkung in der Zivilgesellschaft.

www.betterplace-lab.org/de

Kathleen Ziemann

CASE: elhana Lernpaten | Verbreiten oder vertiefen?

Die elhana Lernpaten überlegten wegen der großen Nachfrage nach Patenschaften, ob sie die Kapazitäten massiv erweitern sollten oder lieber das bestehende Angebot vertiefen. Es ist eine entscheidende Weichenstellung, die viele Projekte umtreiben dürfte.

Akteure bzw. Organisationen gelöst werden kann. Der Fokus für diestarken Partnern weiter voranzutreiben und ein sinnvolles Ineinander

www.elhana-lernpaten.de

Vera Klauer