cover

images

Inhalt

Alte und neue Obstarten

Geschichte der Obstvielfalt

Altes und neues Obst – was ist das?

Moderne Anforderungen an Obst

Bodenständig und neu

Rare Klassiker

Plumcots, Cherrycots, Percoches – sanfte Biotechnologie

Ebereschen & Co. – eine russische Erfolgsgeschichte

Holunder – Österreichs Exportschlager

Dirndl am Strauch

Berberitzen – sauer für salzig

Schneeballbeeren – süß wie ein russisches Mädchen

Sonnenanbeter

Feige – Gruß aus dem Süden

Kaki & Co.

Orientalisches: Granatapfel

Gefährlicher Wunderwuzzi Goji

Hitzeflüchter

Kiwis im Norden?

wǔ wèi zi – Spaltkölbchen und Kugelfaden

Indianerbananen

Hier finden Sie …

Obstgehölz-Raritäten

Weiterführende Informationen

Vorwort

images

©shutterstock/Sasa Komlen

Liebe Leserin, lieber Leser,

an Obstbüchertypen findet man meist zweierlei: einmal die von Pomologen geschriebenen, voll mit Schnittanweisungen oder Anbausystemen, und solche für Anwender, die meist etwas „rezeptlastig“ sind. Dieses Buch ist keines von beiden. Es ist ein Buch für Naturgartenbegeisterte, die neues Obst kennenlernen wollen. Ein Nachlesebuch, das die unterschiedlichen Facetten einer Obstart, von seiner Geschichte, Mythologie und Kultur bis zu Inhaltsstoffen und Verarbeitungsideen kurz anreißt und das Interesse an ihr wecken soll. Zumeist sind es Arten, für die weder Anbausysteme entwickelt wurden noch alle Verwendungsmöglichkeiten ausgelotet sind.

Oder letztere sind in Vergessenheit geraten. Deshalb: Experimentieren Sie!

Das Buch spannt den Bogen von alten, vergessenen Obstarten bis zu neuen, teils auf menschliche Züchtungsarbeit zurückgehende, teils erst kurz genutzte. Genauso wie weder Evolution noch menschliche Geschichte zu Ende sind, sondern weitergehen, ist auch das Obstsortiment nicht „fertig“. Es gibt kein Gegeneinander alter oder neuer Arten und Sorten, keinen Glaubenskrieg. Beide sind nebeneinander wichtig, ergänzen einander. In diesem Sinne: Seien Sie neugierig, probieren Sie neue Wege!

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Gregor Dietrich

Alte und neue Obstarten

images

©shutterstock/successo images

Unsere Ess- und Konsumgewohnheiten sind einem beständigen Wandel unterzogen. Auch die Anforderungen, die an Obst gestellt werden, ändern sich. Verfügbarkeit, Essgewohnheiten, Markterfordernisse und Anbau im Hausgarten stehen in Wechselwirkung zueinander.

Geschichte der Obstvielfalt

Obst wird als Wildobst seit Beginn der Menschheit geerntet. Gezielt kultiviert wird es als Beikost nicht so lange wie Getreide (Hauptnahrungsmittel). Die Domestizierung von Obst passierte in mehreren Wellen. Frühgeschichtlich waren es Äpfel, Birnen, Rundpflaumen, Wein, Feigen, Granatäpfel und andere, die vorwiegend im Orient domestiziert wurden und nichts mit heimischen Verwandten zu tun haben.

Die ältesten kultivierten Obstarten in Mitteleuropa sind Apfel, Birne und Myrobalane (Kirschpflaume) in der Jungsteinzeit. Der Kulturapfel stammt nicht vom heimischen wilden Holzapfel ab, sondern aus Zentralasien, die Kulturbirne nicht von der heimischen Wildbirne, sondern aus Südwestasien. Die Myrobalane kommt vom Kaukasus bis zur Balkanhalbinsel wild vor. Ob sie dort überall ureinheimisch war, ist nicht mehr zu ermitteln.

In der Bronzezeit folgten Maroni (Kastanie) und Kriecherl. Erstere kam aus Südosteuropa zu uns. Kriecherl oder Kriech(en)pflaume entstand als erste heimische Kulturart in Mitteleuropa aus Kreuzungen der eingeführten Myrobalane und der heimischen Schlehe. Wie bei den Elternarten ist die Frucht kugelförmig und der Kern breit.

Die Römer brachten dann etliche neue Obstarten über die Alpen, wie etwa die ersten Zuchtformen der Kirsche, die wild auch hier heimisch ist und war. Lucius Licinius Lucullus (* 117 v. Chr.; † 56 v. Chr.) importierte aus der pontischen Stadt Giresun die ersten Kulturkirschen nach Rom, die dann innerhalb von 120 Jahren bis Britannien verbreitet wurden. Mispel, Speierling, Marille, Walnuss, Mandel, Zwetschke, Pfirsich und natürlich Wein waren weitere Einführungen der Römer nördlich der Alpen. Die Zwetschke hat angeblich dieselben Vorfahren wie das Kriecherl, entstand aber in Kleinasien und zeichnet sich durch eine neue Eigenschaft, die längliche Fruchtform mit schmalem Kern aus. Dort entstand auch die Kulturart Mandel aus ihrem wilden Vorfahren (Prunus webbii), Mispel und Walnuss kommen aus Bereichen zwischen der Balkanhalbinsel und Zentralasien, Speierling aus dem Mittelmeerraum. Marille und Pfirsich kamen aus China.

Im Mittelalter waren heimische Himbeeren das erste kultivierte Beerenobst. Auch die heimische Kornelkirsche und die südwestasiatische Quitte gesellten sich noch im Frühmittelalter dazu. Im Spätmittelalter begann man auch alle drei heimischen Erdbeerarten zu kultivieren.

images

Die Schlehe ist eine bekannte heimische Wildobstart.

©shutterstock/ Christian Jung

Mit der Neuzeit gelangte auch Beerenobst aus Übersee zu uns, doch zunächst waren es ausschließlich Erdbeeren, von denen man auch exotische Arten kultivierte. Die Renaissance brachte mit verschiedenen Erdbeerkreuzungen, von denen nur die Ananas-Erdbeere erhalten blieb, die ersten Kulturarten (also in Kultur entstandene, nicht wild vorkommende Arten) beim Beerenobst. Rote Ribiseln wurden vermutlich erst im 15. Jahrhundert in Kultur genommen, im 17. Jahrhundert kam die Stachelbeere auch in Mitteleuropa dazu, nachdem sie in England schon länger Ansehen genoss. Im 19. Jahrhundert begann der rege Austausch von Schadorganismen zwischen Europa und Nordamerika. Darauf folgte der Beginn der gezielten Kreuzung amerikanischer und europäischer Arten zur Resistenzzüchtung und der Entstehung von neuen Kulturarten (moderne Stachelbeeren, Kulturhimbeeren, Jochelbeere, Loganbeere …) und die Suche nach neuen Kulturobstarten. Zum Beispiel wurden Brombeeren erst im 19. Jahrhundert in Kultur genommen. Den größten Zuwachs an (bei uns) neuen Obstarten und -hybriden brachte bisher das 20. Jahrhundert.

Altes und neues Obst – was ist das?

Wenn man sich mit seltenerem Obst beschäftigt, so stößt man bald auf zwei wesentliche Begriffe: „Alte Sorten“ und „Wildobst“. Der letzte der beiden Begriffe wird sehr beliebig, also üblicherweise falsch verwendet, nämlich durchaus auch für Zuchtsorten, die der Früchte wegen kultiviert werden. Um zu verdeutlichen, was die Begriffe bedeuten, wollen wir den Werdegang von Obst nachvollziehen.

Zuerst wird Obst von wild wachsenden Pflanzen geerntet. Dann spricht man völlig korrekt von Wildobst. Wird dieses Obst geschätzt und ist nicht in der Lebensumgebung verfügbar, wird es in Kultur genommen, zunächst ohne Sortenzüchtung. Landläufig spricht man noch von „Wildobst im Garten“. Auch (exotische) Ziergehölze im Garten können Obst liefern. Hier von Wildobst zu sprechen ist tatsächlich verfehlt. „Gelegenheitsobst“ wäre eine passende Alternative. Spätestens dann, wenn eigene Fruchtsorten ausgelesen oder aktiv gezüchtet werden, kann man nicht mehr von Wildobst sprechen. „Neues Obst“ ist ein adäquater Begriff, der als Obst neu kultivierte Arten und auch neu importierte, schon züchterisch veränderte Obstarten bezeichnet. Schließlich schaffen es viele Obstarten, sich zu etablieren und marktfähig zu werden. So wird Obst zu Standard- oder Marktobst. Üblicherweise ist damit die Entstehung einer großen Sortenvielfalt verbunden, oft allerdings mit Verzögerung. Anfänglich genügen einige marktfähige Sorten. Markterfordernisse, Kulturführung und Geschmacksgewohnheiten können zu starker Einschränkung der Sortenvielfalt führen. Bei den ausgeschlossenen Sorten wie vergessenen Obstarten spricht man dann von „Altem Obst“. Aus all diesen Gruppen gibt es Obstarten, die bei uns rar in Kultur sind. Es gibt mehr davon, als ein Buch dieses Umfanges fassen kann. Die Auswahl der behandelten Arten ist daher subjektiv.

Moderne Anforderungen an Obst

Transportfähigkeit

Für den Werdegang sind ganz unterschiedliche Faktoren maßgeblich. In der heutigen Zeit ist für den Erfolg von Obstarten und -sorten zuallererst der Handel wichtig. Was aus dem Handel verschwindet, verschwindet auch aus der Küche und in der Folge aus den Gärten. Was im Handel erfolgreich wird, wird, klimatische Möglichkeiten vorausgesetzt, bald in den Gärten auftauchen. Doch was macht Erfolg oder Misserfolg im Handel aus?

Geschmack ist eine nicht so wesentliche Eigenschaft, wie man annehmen sollte. Zuallererst ist die Logistik wichtig: Früchte müssen transport- und lagerfähig sein. Aus diesem Grund gibt es etwa keine Herzkirschen im Handel. Knorpelkirschen haben sich durchgesetzt. Der sinkende Bekanntheitsgrad der Herzkirschen hat zu sinkender Bekanntheit, damit zu rückläufigen Verkaufszahlen in den Baumschulen und zum Verschwinden aus neu bepflanzten Gärten geführt. Und das, obwohl Herzkirschen für den Hausgarten weitaus besser geeignet sind, werden sie doch kaum von der Kirschfruchtfliege befallen und benötigen somit keine teuren, zeitaufwendigen und mitunter gesundheitsgefährdenden Pflanzenschutzmaßnahmen. Herzkirschen können heutzutage schon als Obstrarität gelten.

images

Diese weißfleischige Pfirsichmutation mit flacher Fruchtform wird im Handel oft als „Weingartenpfirsich“ angeboten.

©shutterstock/Jana Behr

Ähnlich erging es den Pfirsichen: Aufgrund des festeren Fruchtfleisches wurden für den Handel ausschließlich gelbfleischige Sorten produziert. Die weißfleischigen Sorten sind allerdings eindeutig aromatischer. Eine Trendwende im Konsumentenverhalten Mitte der 1990er hin zu mehr Geschmack hat Weingartenpfirsiche gärtnerisch wieder modern werden lassen. Der Handel reagierte mit einem Jahrzehnt Verspätung: Eine flachfruchtige Mutation bei Pfirsichen führte zur Möglichkeit, sich den aufwendigeren Transport vom Kunden vergüten zu lassen. Somit gelangen auch wieder weißfleischige Sorten – oft fachlich falsch als Weingartenpfirsiche oder unter der erfundenen Bezeichnung Weinbergpfirsiche – in den Handel.

Zuletzt sei das Beispiel Marille genannt, wo traditionelle Sorten zur Reife umfärben. Dann sind die Früchte nicht mehr gut transportfähig. Unreif geerntete Marillen haben die unangenehme Eigenschaft, ungleichmäßig nachzureifen. Moderne Sorten färben hingegen schon zwei Wochen vor der Reife in ein kräftiges Goldorange um. Nachgereift bringen Marillen nie ihr volles Aroma. Die modernen Sorten können reif geerntet durchaus mit einigen alten Sorten mithalten, verlieren aber oft ihr Aroma bei der Verarbeitung.

Beispiele dieser Art betreffen die meisten Obstarten, auch Beerenobst wie Erdbeeren oder Himbeeren, wobei aber bei Erdbeeren die ganz neuen Sorten im Geschmack der berühmten ‘Mieze Schindler’ keineswegs nachstehen. Die Anforderungen an Hausgartenobst sind durchaus andere als an Obst für den Handel. Dennoch prägt uns der Handel: Was wir aus dem Supermarkt kennen, setzen wir in den Garten.

Geschmack

Doch welche Rolle spielt der Geschmack? Fehlender Geschmack ist also kein Handelshindernis. Oft ist die Geschmackserwartung kaufentscheidend, schlechte Erfahrungen führen aber nicht zum Kaufboykott. Wie schaut es mit neuartigem, unerwartetem Geschmack aus?

Über Geschmack kann man bekanntlich (nicht) streiten. Und tatsächlich scheint er mehr Gewohnheitssache als ausschlaggebend für den Erfolg einer Obstart zu sein.

Durchschnittliche Reaktionen bei Verkostungen neuer oder exotischer Obstarten sind meist verhalten. Gelangen sie aber in den Handel und sind preislich erschwinglich, steigt ihre Anhängerschaft rasch. Geschmack ist Gewohnheitssache.

Ein Beispiel ist die Kiwi: 1906 nach Neuseeland gebracht, war sie in den 1930ern fertig zur Plantagenkultur. Aussehen und Geschmack ließen sie nicht gerade zum Renner für den Export werden. Erst die Vermarktung der „Chinesischen Stachelbeere“ mit dem von einem Großhändler erfundenen Namen „Kiwi“ erregte Interesse und führte gemeinsam mit gutem Marketing zu internationalem Erfolg. Das zunächst fremdartige Obst gehört heute zum Standard in jeder Obstabteilung.

Resistenzen

Gerade im Naturgarten sind widerstandsfähige Pflanzen wichtig. Da auch in der industriellen Landwirtschaft aus Image- und Kostengründen eine Reduktion des Pestizidverbrauches zunehmend gewünscht wird, ist Resistenzzüchtung heute ein brennendes Thema. So sind moderne Sorten zum Teil widerstandsfähiger als alte. Resistenzzüchtung kann aber erst beginnen, wenn Krankheiten oder Schädlinge da sind. Neue Obstarten aus anderen Weltgegenden „verweichlichen“ bei uns oft. Erst wenn Schadorganismen eingeschleppt werden, können resistente Sorten ausgelesen werden. Das gilt auch für alteingesessene Obstarten und neue Schadorganismen: Es gibt keine Resistenzzüchtung gegen Schaderreger, die noch nicht da sind. Im Allgemeinen kann man aber davon ausgehen, dass Pflanzen umso unempfindlicher gegen Schaderreger sind, je weniger sie züchterisch bearbeitet wurden.

Resistenz wird oft falsch verstanden. Wir müssen erstens einmal zwischen Resistenz im eigentlichen Sinn und Toleranz unterscheiden. Ist eine Pflanze resistent gegen einen Schaderreger, so hat es der Schaderreger schwer, sich auf ihr zu etablieren. Die Pflanze ist als Wirt/Nahrung ungeeignet. Wird eine Pflanze jedoch genauso befallen wie ihre Artgenossen, kann aber mit dem Schaderreger so gut umgehen, dass kaum Schäden merkbar werden, dann ist sie tolerant gegenüber diesem Schadorganismus.

Zweitens beziehen sich Resistenz/Toleranz immer auf bestimmte Schadorganismen oder eine bestimmte Organismengruppe. Eine Pflanze kann resistent gegen einen Schaderreger und empfindlich gegen einen anderen sein. Weiters können Resistenzen absolut oder relativ sein. Die eine Pflanze ist für einen Schadorganismus gänzlich unbrauchbar, die andere nur eingeschränkt, was der Normalfall ist. Das bedeutet, dass bei hohem Befallsdruck oder schlechten Bedingungen für die Pflanze sehr wohl Schäden auftreten.

images

Frostschutzberegnung schützt Apfelplantagen vor Schäden durch Spätfrost.

©Haneburger, Wikimedia Commons

Oft wird der Befall einfach stark hinausgezögert. Schlechte Bedingungen können sowohl ein falscher Standort, also dauerhaft sein, als auch kurzzeitige Einflüsse, etwa standortuntypische Wetterbedingungen etc. Für die Kaufentscheidung für eine Obstsorte sollte daher wesentlich sein, welche Schaderreger in einem Gebiet überhaupt vorkommen und was für Standortbedingungen herrschen. Bei veredelten Obstarten spielen Bodenverhältnisse inklusive Feuchtigkeit für die Wahl der Unterlage, Klimaverhältnisse für die Wahl der Edelsorte eine Rolle.

Klimawandel

Eine weitere Herausforderung für den Obstbau ist der Klimawandel. Man spricht zwar oft von Klimaerwärmung, das bedeutet aber nicht, dass es unbedingt an jedem Ort zu jeder Zeit einfach wärmer wird. Genau genommen sollte man von Erderwärmung sprechen, denn die weltweite Durchschnittstemperatur steigt jedenfalls an. Es kommt nicht nur zu Verschiebungen der Klimazonen, sondern zu nach-haltigen Klimaänderungen. Vieles bleibt unprognostizierbar. Wie etwa wird sich die Niederschlagsverteilung ändern? Trockene oder feuchte Hitze macht für die Vegetation wie für die Landwirtschaft einen großen Unterschied. Erderwärmung kann auch zum Versiegen des Golfstromes, oder allgemein gesprochen zu gravierenden Änderungen der Meeresströmungen führen. Die Folge wäre kontinentales Klima in Mitteleuropa, das heißt klirrende Kälte im Winter. Für den Obstbau bedeutet es aber, dass langfristige Planungen kaum möglich sind. Prinzipiell können wir aber annehmen, dass Pflanzen kontinentaler Gebiete, die sowohl mit trocken- bis feucht-heißen Sommern als auch mit harten Frösten im Winter umgehen können, die beste Wahl für langlebige Pflanzungen darstellen. Auch mildere Winter schaden ihnen meist wenig, ausgenommen eventuell, einer warmen Tauphase folgt im Spätwinter noch eine starke Frostphase, wie das in den letzten Jahren öfters der Fall war.

images

Die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) wird als Bestäuber in Obstgärten ausgebracht.

©Gilles San Martin, Wikimedia Commons

Kulturführung

Vorbei sind die Zeiten händischer Arbeit im mitteleuropäischen Obstbau. Maschineneinsatz, Kunstdünger und Pestizide führen zu starker Veränderung der Kulturlandschaft. Viele Tier- und Pflanzenarten, die durch Jahrhunderte bis Jahrtausende als Kulturfolger in enger Bindung an den Menschen gelebt und in Wildnis kaum Überlebenschancen haben, verlieren plötzlich ihre Lebensgrundlagen in der Kulturlandschaft. Das macht sich auch in den Kulturen bemerkbar, etwa der Einbuße von 75 Prozent der Bestäubungsleistung. Früher glaubte man an die Symbiose von Imkern und Obstbauern. Nun, da die Wildbienen fehlen, bemerkt man, dass das exotische Nutztier Honigbiene zwar ein effizienter Honigerzeuger, aber kein effizienter Bestäuber ist. Die wichtigste Obstbestäuberin, die im März/April fliegende Gehörnte Mauerbiene, wird nun gezüchtet. Ihre Puppen werden in den Obstplantagen ausgebracht. Da sie sich gut einfrieren und gezielt einsetzen lassen, werden sie auch für später im Jahr blühende Kulturen eingesetzt.

Eigentlich verrückt, dass wir Wildtiere industriell produzieren müssen, um in Kulturen ausreichend ernten zu können. Im Naturgarten setzen wir auf „Insektenhotels“. Dennoch kann uns die Bestäubermisere zu schaffen machen. Gibt es andere Auswege?

In der landwirtschaftlichen Kiwiproduktion werden männliche Pflanzen der zweihäusigen Art getrennt kultiviert. Der Pollen wird geerntet und über Kulturen weiblicher Pflanzen verblasen. Da Pollen lagerfähig ist, erspart man sich, für jede Sorte eine geeignete, exakt zur selben Zeit blühende Befruchtersorte zu züchten und zu kultivieren. Bei Kiwis und Verwandten lässt sich das im Hausgarten dadurch bewerkstelligen, dass man abgeschnittene blühende männliche Zweige gegen weibliche Pflanzen schlägt. Der Pollen staubt und es gelangt genug davon auf die Narben der weiblichen Blüten. Doch nicht alle Pflanzen sind dafür geeignet. Bei Arten mit klebrigerem Pollen ist diese Art der Bestäubung nicht möglich.

images

Manche Kaki-Sorten sind jungfernfrüchtig.

©shutterstock/MilaCroft

An Standorten mit Bestäubermangel, etwa in Großstädten, könnten parthenocarpe, also jungfernfrüchtige Arten und Sorten gepflanzt werden. Wir kennen das von Kulturbananen: keine Bestäubung, keine Kerne – ein weiterer Vorteil. Gibt es so etwas auch bei winterfestem Obst? Ja. Einige Sortengruppen der Feige und der Persimonen/Kakis können das.