Siegfried

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Personen:

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Siegfried

Mime

Der Wanderer

Alberich

Fafner

Erda

Brünnhilde

Waldvogel

Erster Aufzug

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Erste Szene

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Mime, Siegfried

Mime Zwangvolle Plage! Müh ohne Zweck! Das beste Schwert, das je ich geschweißt, in der Riesen Fäusten hielte es fest: doch dem ich’s geschmiedet, der schmähliche Knabe, er knickt und schmeißt es entzwei, als schüf’ ich Kindergeschmeid! Es gibt ein Schwert, das er nicht zerschwänge: Notungs Trümmer zertrotzt’ er mir nicht, könnt’ ich die starken Stücke schweißen, die meine Kunst nicht zu kitten weiß! Könnt’ ich’s dem Kühnen schmieden, meiner Schmach erlangt’ ich da Lohn! Fafner, der wilde Wurm, lagert im finstren Wald; mit des furchtbaren Leibes Wucht der Nibelungen Herr hütet er dort. Siegfrieds kindischer Kraft erläge wohl Fafners Leib: des Nibelungen Ring erränge ich mir. Nur ein Schwert taugt zu der Tat; nur Notung nützt meinem Neid, wenn Siegfried sehrend ihn schwingt: und ich kann’s nicht schweißen, Notung, das Schwert! Zwangvolle Plage! Müh ohne Zweck! Das beste Schwert, das je ich geschweißt, nie taugt es je zu der einzigen Tat! Ich tappre und hämmre nur, weil der Knabe es heischt: er knickt und schmeißt es entzwei und schmäht doch, schmied’ ich ihm nicht!

Siegfried Hoiho! Hoiho! Hau ein! Hau ein! Friß ihn! Friß ihn, den Fratzenschmied! Hahahaha!

Mime Fort mit dem Tier! Was taugt mir der Bär?

Siegfried Zu zwei komm’ ich, dich besser zu zwicken: Brauner, frag nach dem Schwert!

Mime He! Laß das Wild! Dort liegt die Waffe: fertig fegt’ ich sie heut.

Siegfried So fährst du heute noch heil! Lauf, Brauner, dich brauch’ ich nicht mehr!

Mime Wohl leid’ ich’s gern, erlegst du Bären: was bringst du lebend die braunen heim?

Siegfried Nach beßrem Gesellen sucht’ ich, als daheim mir einer sitzt; im tiefen Walde mein Horn ließ ich hallend da ertönen: ob sich froh mir gesellte ein guter Freund, das frug ich mit dem Getön! Aus dem Busche kam ein Bär, der hörte mir brummend zu; er gefiel mir besser als du, doch beßre fänd’ ich wohl noch! Mit dem zähen Baste zäumt’ ich ihn da, dich, Schelm, nach dem Schwerte zu fragen.

Mime Ich schuf die Waffe scharf, ihrer Schneide wirst du dich freun.

Siegfried Was frommt seine helle Schneide, ist der Stahl nicht hart und fest! Hei! Was ist das für müß‘ger Tand! Den schwachen Stift nennst du ein Schwert? Da hast du die Stücken, schändlicher Stümper: hätt’ ich am Schädel dir sie zerschlagen! Soll mich der Prahler länger noch prellen? Schwatzt mir von Riesen und rüstigen Kämpfen, von kühnen Taten und tüchtiger Wehr; will Waffen mir schmieden, Schwerte schaffen; rühmt seine Kunst, als könnt’ er was Rechts: nehm’ ich zur Hand nun, was er gehämmert, mit einem Griff zergreif’ ich den Quark! Wär’ mir nicht schier zu schäbig der Wicht, ich zerschmiedet’ ihn selbst mit seinem Geschmeid, den alten albernen Alp! Des Ärgers dann hätt’ ich ein End’!

Mime Nun tobst du wieder wie toll: dein Undank, traun, ist arg! Mach’ ich dem bösen Buben nicht alles gleich zu best, was ich ihm Gutes schuf, vergißt er gar zu schnell! Willst du denn nie gedenken, was ich dich lehrt’ vom Danke? Dem sollst du willig gehorchen, der je sich wohl dir erwies. Das willst du wieder nicht hören! Doch speisen magst du wohl? Vom Spieße bring’ ich den Braten: versuchtest du gern den Sud? Für dich sott ich ihn gar.

Siegfried Braten briet ich mir selbst: deinen Sudel sauf allein!

Mime Das ist nun der Liebe schlimmer Lohn! Das der Sorgen schmählicher Sold! Als zullendes Kind zog ich dich auf, wärmte mit Kleiden den kleinen Wurm: Speise und Trank trug ich dir zu, hütete dich wie die eigne Haut. Und wie du erwuchsest, wartet’ ich dein; dein Lager schuf ich, daß leicht du schliefst. Dir schmiedet’ ich Tand und ein tönend Horn; dich zu erfreun, müht’ ich mich froh: mit klugem Rate riet ich dir klug, mit lichtem Wissen lehrt’ ich dich Witz. Sitz’ ich daheim in Fleiß und Schweiß, nach Herzenslust schweifst du umher: für dich nur in Plage, in Pein nur für dich verzehr’ ich mich alter, armer Zwerg! Und aller Lasten ist das nun mein Lohn, daß der hastige Knabe mich quält und haßt!

Siegfried Vieles lehrtest du, Mime, und manches lernt’ ich von dir; doch was du am liebsten mich lehrtest, zu lernen gelang mir nie: wie ich dich leiden könnt’. Trägst du mir Trank und Speise herbei, der Ekel speist mich allein; schaffst du ein leichtes Lager zum Schlaf, der Schlummer wird mir da schwer; willst du mich weisen, witzig zu sein, gern bleib’ ich taub und dumm. Seh’ ich dir erst mit den Augen zu, zu übel erkenn’ ich, was alles du tust: seh’ ich dich stehn, gangeln und gehn, knicken und nicken, mit den Augen zwicken: beim Genick möcht’ ich den Nicker packen, den Garaus geben dem garst’gen Zwicker! So lernt’ ich, Mime, dich leiden. Bist du nun weise, so hilf mir wissen, worüber umsonst ich sann: in den Wald lauf’ ich, dich zu verlassen, wie kommt das, kehr’ ich zurück? Alle Tiere sind mir teurer als du: Baum und Vogel, die Fische im Bach, lieber mag ich sie leiden als dich: wie kommt das nun, kehr’ ich zurück? Bist du klug, so tu mir’s kund.

Mime Mein Kind, das lehrt dich kennen, wie lieb ich am Herzen dir lieg’.

Siegfried Ich kann dich ja nicht leiden, vergiß das nicht so leicht!

Mime Des ist deine Wildheit schuld, die du, Böser, bänd’gen sollst. Jammernd verlangen Junge nach ihrer Alten Nest; Liebe ist das Verlangen: so lechzest du auch nach mir, so liebst du auch deinen Mime, so mußt du ihn lieben! Was dem Vögelein ist der Vogel, wenn er im Nest es nährt, eh’ das flügge mag fliegen: das ist dir kind’schem Sproß der kundig sorgende Mime, das muß er dir sein!

Siegfried Ei, Mime, bist du so witzig, so laß mich eines noch wissen! Es sangen die Vöglein so selig im Lenz, das eine lockte das andre: du sagtest selbst, da ich’s wissen wollt’, das wären Männchen und Weibchen. Sie kosten so lieblich und ließen sich nicht; sie bauten ein Nest und brüteten drin: da flatterte junges Geflügel auf, und beide pflegten der Brut. So ruhten im Busch auch Rehe gepaart, selbst wilde Füchse und Wölfe: Nahrung brachte zum Neste das Männchen, das Weibchen säugte die Welpen. Da lernt’ ich wohl, was Liebe sei: der Mutter entwandt’ ich die Welpen nie. Wo hast du nun, Mime, dein minniges Weibchen, daß ich es Mutter nenne?

Mime Was ist dir, Tor? Ach, bist du dumm! Bist doch weder Vogel noch Fuchs?

Siegfried Das zullende Kind zogest du auf, wärmtest mit Kleiden den kleinen Wurm: wie kam dir aber der kindische Wurm? Du machtest wohl gar ohne Mutter mich?

Mime Glauben sollst du, was ich dir sage: ich bin dir Vater und Mutter zugleich.

Siegfried Das lügst du, garstiger Gauch! Wie die Jungen den Alten gleichen, das hab ich mir glücklich ersehn. Nun kam ich zum klaren Bach: da erspäht’ ich die Bäum’ und Tier’ im Spiegel; Sonn’ und Wolken, wie sie nur sind, im Glitzer erschienen sie gleich. Da sah ich denn auch mein eigen Bild; ganz anders als du dünkt’ ich mir da: so glich wohl der Kröte ein glänzender Fisch; doch kroch nie ein Fisch aus der Kröte!

Mime Greulichen Unsinn kramst du da aus!

Siegfried Siehst du, nun fällt auch selbst mir ein, was zuvor umsonst ich besann: wenn zum Wald ich laufe, dich zu verlassen, wie das kommt, kehr’ ich doch heim? Von dir erst muß ich erfahren, wer Vater und Mutter mir sei!

Mime Was Vater! Was Mutter! Müßige Frage!

Siegfried So muß ich dich fassen, um was zu wissen: gutwillig erfahr’ ich doch nichts! So mußt’ ich alles ab dir trotzen: kaum das Reden hätt’ ich erraten, entwandt ich’s mit Gewalt nicht dem Schuft! Heraus damit, räudiger Kerl! Wer ist mir Vater und Mutter?

Mime Ans Leben gehst du mir schier! Nun laß! Was zu wissen dich geizt, erfahr es, ganz wie ich’s weiß. O undankbares, arges Kind! Jetzt hör, wofür du mich hassest! Nicht bin ich Vater noch Vetter dir, und dennoch verdankst du mir dich! Ganz fremd bist du mir, dem einzigen Freund; aus Erbarmen allein barg ich dich hier: nun hab’ ich lieblichen Lohn! Was verhofft’ ich Tor mir auch Dank? Einst lag wimmernd ein Weib da draußen im wilden Wald: zur Höhle half ich ihr her, am warmen Herd sie zu hüten. Ein Kind trug sie im Schoße; traurig gebar sie’s hier; sie wand sich hin und her, ich half, so gut ich konnt’. Groß war die Not! Sie starb, doch Siegfried, der genas.

Siegfried So starb meine Mutter an mir?

Mime Meinem Schutz übergab sie dich: ich schenkt’ ihn gern dem Kind. Was hat sich Mime gemüht, was gab sich der Gute für Not! »Als zullendes Kind zog ich dich auf.«

Siegfried Mich dünkt, des gedachtest du schon! Jetzt sag: woher heiß’ ich Siegfried?

Mime So hieß mich die Mutter, möcht’ ich dich heißen: als »Siegfried« würdest du stark und schön. »Ich wärmte mit Kleiden den kleinen Wurm.«

Siegfried Nun melde, wie hieß meine Mutter?

Mime Das weiß ich wahrlich kaum! »Speise und Trank trug ich dir zu.«

Siegfried Den Namen sollst du mir nennen!

Mime Entfiel er mir wohl? Doch halt! Sieglinde mochte sie heißen, die dich in Sorge mir gab. »Ich hütete dich wie die eigne Haut.«

Siegfried Dann frag’ ich, wie hieß mein Vater?

Mime Den hab’ ich nie gesehn.

Siegfried Doch die Mutter nannte den Namen?

Mime Erschlagen sei er, das sagte sie nur; dich Vaterlosen befahl sie mir da. »Und wie du erwuchsest, wartet’ ich dein; dein Lager schuf ich, daß leicht du schliefst.«

Siegfried Still mit dem alten Starenlied! Soll ich der Kunde glauben, hast du mir nichts gelogen, so laß mich Zeichen sehn!

Mime Was soll dir’s noch bezeugen?

Siegfried Dir glaub’ ich nicht mit dem Ohr, dir glaub’ ich nur mit dem Aug’: welch Zeichen zeugt für dich?

Mime Das für gab mir deine Mutter: für Mühe, Kost und Pflege ließ sie’s als schwachen Lohn. Sieh her, ein zerbrochnes Schwert! Dein Vater, sagte sie, führt’ es, als im letzten Kampf er erlag.

Siegfried Und diese Stücke sollst du mir schmieden: dann schwing ich ein rechtes Schwert! Auf! Eile dich, Mime! Mühe dich rasch; kannst du was Rechts, nun zeig deine Kunst! Täusche mich nicht mit schlechtem Tand: den Trümmern allein trau’ ich was zu! Find’ ich dich faul, fügst du sie schlecht, flickst du mit Flausen den festen Stahl, dir Feigem fahr’ ich zu Leib, das Fegen lernst du von mir! Denn heute noch, schwör’ ich, will ich das Schwert; die Waffe gewinn’ ich noch heut!

Mime Was willst du noch heut mit dem Schwert?

Siegfried Aus dem Wald fort in die Welt ziehn: nimmer kehr’ ich zurück! Wie ich froh bin, daß ich frei ward, nichts mich bindet und zwingt! Mein Vater bist du nicht; in der Ferne bin ich heim; dein Herd ist nicht mein Haus, meine Decke nicht dein Dach. Wie der Fisch froh in der Flut schwimmt, wie der Fink frei sich davonschwingt: flieg’ ich von hier, flute davon, wie der Wind übern Wald weh’ ich dahin, dich, Mime, nie wieder zu sehn!

Mime Halte! Halte! Halte! Wohin? He! Siegfried! Siegfried! He! Da stürmt er hin! Nun sitz’ ich da: zur alten Not hab’ ich die neue; vernagelt bin ich nun ganz! Wie helf’ ich mir jetzt? Wie halt’ ich ihn fest? Wie führ’ ich den Huien zu Fafners Nest? Wie füg’ ich die Stücken des tückischen Stahls? Keines Ofens Glut glüht mir die echten: keines Zwergen Hammer zwingt mir die harten. Des Niblungen Neid, Not und Schweiß nietet mir Notung nicht, schweißt mir das Schwert nicht zu ganz!

Zweite Szene

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Mime, Wanderer (Wotan)

Wanderer Heil dir, weiser Schmied! Dem wegmüden Gast gönne hold des Hauses Herd!

Mime Wer ist’s, der im wilden Walde mich sucht? Wer verfolgt mich im öden Forst?

Wanderer »Wand’rer« heißt mich die Welt; weit wandert’ ich schon: auf der Erde Rücken rührt’ ich mich viel.

Mime So rühre dich fort und raste nicht hier, nennt dich »Wand’rer« die Welt!

Wanderer Gastlich ruht’ ich bei Guten, Gaben gönnten viele mir: denn Unheil fürchtet, wer unhold ist.

Mime Unheil wohnte immer bei mir: willst du dem Armen es mehren?

Wanderer Viel erforscht’ ich, erkannte viel: Wicht’ges konnt’ ich manchem künden, manchem wehren, was ihn mühte, nagende Herzensnot.

Mime Spürtest du klug und erspähtest du viel, hier brauch’ ich nicht Spürer noch Späher. Einsam will ich und einzeln sein, Lungerern lass’ ich den Lauf.

Wanderer Mancher wähnte weise zu sein, nur was ihm not tat, wußte er nicht; was ihm frommte, ließ ich erfragen: lohnend lehrt’ ihn mein Wort.

Mime Müß‘ges Wissen wahren manche: ich weiß mir grade genug. Mir genügt mein Witz, ich will nicht mehr: dir Weisem weis’ ich den Weg!

Wanderer Hier sitz’ ich am Herd und setze mein Haupt der Wissenswette zum Pfand: Mein Kopf ist dein, du hast ihn erkiest, erfrägst du dir nicht, was dir frommt, lös’ ich’s mit Lehren nicht ein.

Mime Wie werd’ ich den Lauernden los? Verfänglich muß ich ihn fragen, Dein Haupt pfänd’ ich für den Herd: nun sorge, es sinnig zu lösen! Drei der Fragen stell’ ich mir frei.

Wanderer Dreimal muß ich’s treffen.

Mime Du rührtest dich viel auf der Erde Rücken, die Welt durchwandertst du weit; nun sage mir schlau: welches Geschlecht tagt in der Erde Tiefe?

Wanderer In der Erde Tiefe tagen die Nibelungen: Nibelheim ist ihr Land. Schwarzalben sind sie; Schwarz-Alberich hütet’ als Herrscher sie einst! Eines Zauberringes zwingende Kraft zähmt’ ihm das fleißige Volk. Reicher Schätze schimmernden Hort häuften sie ihm: der sollte die Welt ihm gewinnen. Zum zweiten was frägst du, Zwerg?

Mime Viel, Wanderer, weißt du mir aus der Erde Nabelnest: nun sage mir schlicht, welches Geschlecht ruht auf der Erde Rücken?

Wanderer Auf der Erde Rücken wuchtet der Riesen Geschlecht: Riesenheim ist ihr Land. Fasolt und Fafner, der Rauhen Fürsten, neideten Nibelungs Macht; den gewaltigen Hort gewannen sie sich, errangen mit ihm den Ring. Um den entbrannte den Brüdern Streit; der Fasolt fällte, als wilder Wurm hütet nun Fafner den Hort. Die dritte Frage nun droht.

Mime Viel, Wanderer, weißt du mir von der Erde rauhem Rücken. Nun sage mir wahr, welches Geschlecht wohnt auf wolkigen Höh’n?

Wanderer Auf wolkigen Höh’n wohnen die Götter: Walhall heißt ihr Saal. Lichtalben sind sie; Licht-Alberich, Wotan, waltet der Schar. Aus der Welt-Esche weihlichstem Aste schuf er sich einen Schaft: dorrt der Stamm, nie verdirbt doch der Speer; mit seiner Spitze sperrt Wotan die Welt. Heil’ger Verträge Treuerunen schnitt in den Schaft er ein. Den Haft der Welt hält in der Hand, wer den Speer führt, den Wotans Faust umspannt. Ihm neigte sich der Niblungen Heer; der Riesen Gezücht zähmte sein Rat: ewig gehorchen sie alle des Speeres starkem Herrn. Nun rede, weiser Zwerg: wußt’ ich der Fragen Rat? Behalte mein Haupt ich frei?

Mime Fragen und Haupt hast du gelöst: nun, Wand’rer, geh deines Wegs!

Wanderer Was zu wissen dir frommt, solltest du fragen: Kunde verbürgte mein Kopf. Daß du nun nicht weißt, was dir frommt, des fass’ ich jetzt deines als Pfand. Gastlich nicht galt mir dein Gruß, mein Haupt gab ich in deine Hand, um mich des Herdes zu freun. Nach Wettens Pflicht pfänd’ ich nun dich, lösest du drei der Fragen nicht leicht. Drum frische dir, Mime, den Mut!

Mime Lang schon mied ich mein Heimatland, lang schon schied ich aus der Mutter Schoß; mir leuchtete Wotans Auge, zur Höhle lugt’ es herein: vor ihm magert mein Mutterwitz. Doch frommt mir’s nun, weise zu sein, Wandrer, frage denn zu! Vielleicht glückt mir’s, gezwungen zu lösen des Zwergen Haupt.

Wanderer Nun, ehrlicher Zwerg, sag mir zum ersten: welches ist das Geschlecht, dem Wotan schlimm sich zeigte und das doch das liebste ihm lebt?

Mime Wenig hört’ ich von Heldensippen; der Frage doch mach’ ich mich frei. Die Wälsungen sind das Wunschgeschlecht, das Wotan zeugte und zärtlich liebte, zeigt’ er auch Ungunst ihm. Siegmund und Sieglind’ stammten von Wälse, ein wild-verzweifeltes Zwillingspaar: Siegfried zeugten sie selbst, den stärksten Wälsungensproß. Behalt’ ich, Wand’rer, zum ersten mein Haupt?

Wanderer Wie doch genau das Geschlecht du mir nennst: schlau eracht’ ich dich Argen! Der ersten Frage wardst du frei. Zum zweiten nun sag mir, Zwerg: ein weiser Niblung wahret Siegfried; Fafnern soll er ihm fällen, daß den Ring er erränge, des Hortes Herrscher zu sein. Welches Schwert muß Siegfried nun schwingen, taug’ es zu Fafners Tod?

Mime Notung heißt ein neidliches Schwert; in einer Esche Stamm stieß es Wotan: dem sollt’ es geziemen, der aus dem Stamm es zög’. Der stärksten Helden keiner bestand’s: Siegmund, der Kühne, konnt’s allein: fechtend führt’ er’s im Streit, bis an Wotans Speer es zersprang. Nun verwahrt die Stücken ein weiser Schmied; denn er weiß, daß allein mit dem Wotansschwert ein kühnes dummes Kind, Siegfried, den Wurm versehrt. Behalt’ ich Zwerg auch zweitens mein Haupt?

Wanderer Der witzigste bist du unter den Weisen: wer käm’ dir an Klugheit gleich? Doch bist du so klug, den kindischen Helden für Zwergenzwecke zu nützen, mit der dritten Frage droh’ ich nun! Sag mir, du weiser Waffenschmied: wer wird aus den starken Stücken Notung, das Schwert, wohl schweißen?

Mime Die Stücken! Das Schwert! O weh! Mir schwindelt! Was fang’ ich an? Was fällt mir ein? Verfluchter Stahl, daß ich dich gestohlen! Er hat mich vernagelt in Pein und Not! Mir bleibt er hart, ich kann ihn nicht hämmern; Niet’ und Löte läßt mich im Stich! Der weiseste Schmied weiß sich nicht Rat! Wer schweißt nun das Schwert, schaff’ ich es nicht? Das Wunder, wie soll ich’s wissen?

Wanderer Dreimal solltest du fragen, dreimal stand ich dir frei: nach eitlen Fernen forschtest du; doch was zunächst dir sich fand, was dir nützt, fiel dir nicht ein. Nun ich’s errate, wirst du verrückt: gewonnen hab’ ich das witzige Haupt! Jetzt, Fafners kühner Bezwinger, hör, verfall’ner Zwerg: »Nur wer das Fürchten nie erfuhr, schmiedet Notung neu.« Dein weises Haupt wahre von heut: verfallen lass’ ich es dem, der das Fürchten nicht gelernt!

Dritte Szene

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Mime, Siegfried

Mime Verfluchtes Licht! Was flammt dort die Luft? Was flackert und lackert, was flimmert und schwirrt, was schwebt dort und webt und wabert umher? Dort glimmert’s und glitzt’s in der Sonne Glut! Was säuselt und summt und saust nun gar? Es brummt und braust und prasselt hieher! Dort bricht’s durch den Wald, will auf mich zu! Ein gräßlicher Rachen reißt sich mir auf: der Wurm will mich fangen! Fafner! Fafner!

Siegfried Heda! Du Fauler! Bist du nun fertig? Schnell, wie steht’s mit dem Schwert? Wo steckt der Schmied? Stahl er sich fort? Hehe! Mime, du Memme! Wo bist du? Wo birgst du dich?

Mime Bist du es, Kind? Kommst du allein?

Siegfried Hinter dem Amboß? Sag, was schufest du dort? Schärftest du mir das Schwert?

Mime Das Schwert? Das Schwert? Wie möcht’ ich’s schweißen? »Nur wer das Fürchten nie erfuhr, schmiedet Notung neu.« Zu weise ward ich für solches Werk!

Siegfried Wirst du mir reden? Soll ich dir raten?

Mime Wo nähm’ ich redlichen Rat? Mein weises Haupt hab’ ich verwettet: verfallen, verlor ich’s an den, »der das Fürchten nicht gelernt«.

Siegfried Sind mir das Flausen? Willst du mir fliehn?

Mime Wohl flöh’ ich dem, der’s Fürchten kennt! Doch das ließ ich dem Kinde zu lehren! Ich Dummer vergaß, was einzig gut: Liebe zu mir sollt’ er lernen; das gelang nun leider faul! Wie bring’ ich das Fürchten ihm bei?

Siegfried He! Muß ich helfen? Was fegtest du heut?

Mime Um dich nur besorgt, versank ich in Sinnen, wie ich dich Wichtiges wiese.

Siegfried Bis unter den Sitz warst du versunken: was Wichtiges fandest du da?

Mime Das Fürchten lernt’ ich für dich, daß ich’s dich Dummen lehre.

Siegfried Was ist’s mit dem Fürchten?

Mime Erfuhrst du’s noch nie und willst aus dem Wald doch fort in die Welt? Was frommte das festeste Schwert, blieb dir das Fürchten fern?

Siegfried Faulen Rat erfindest du wohl?

Mime Deiner Mutter Rat redet aus mir; was ich gelobte, muß ich nun lösen: in die listige Welt dich nicht zu entlassen, eh du nicht das Fürchten gelernt.

Siegfried Ist’s eine Kunst, was kenn’ ich sie nicht? Heraus! Was ist’s mit dem Fürchten?

Mime Fühltest du nie im finstren Wald, bei Dämmerschein am dunklen Ort, wenn fern es säuselt, summt und saust, wildes Brummen näher braust, wirres Flackern um dich flimmert, schwellend Schwirren zu Leib dir schwebt: fühltest du dann nicht grieselnd Grausen die Glieder dir fahen? Glühender Schauer schüttelt die Glieder, in der Brust bebend und bang berstet hämmernd das Herz? Fühltest du das noch nicht, das Fürchten blieb dir noch fremd.

Siegfried Sonderlich seltsam muß das sein! Hart und fest, fühl’ ich, steht mir das Herz. Das Grieseln und Grausen, das Glühen und Schauern, Hitzen und Schwindeln, Hämmern und Beben: gern begehr’ ich das Bangen, sehnend verlangt mich der Lust! Doch wie bringst du, Mime, mir’s bei? Wie wärst du, Memme, mir Meister?

Mime Folge mir nur, ich führe dich wohl: sinnend fand ich es aus. Ich weiß einen schlimmen Wurm, der würgt’ und schlang schon viel: Fafner lehrt dich das Fürchten, folgst du mir zu seinem Nest.

Siegfried Wo liegt er im Nest?

Mime Neidhöhle wird es genannt: im Ost, am Ende des Walds.

Siegfried Dann wär’s nicht weit von der Welt?

Mime Bei Neidhöhle liegt sie ganz nah.

Siegfried Dahin denn sollst du mich führen: lernt’ ich das Fürchten, dann fort in die Welt! Drum schnell! Schaffe das Schwert, in der Welt will ich es schwingen.

Mime Das Schwert? O Not!

Siegfried Rasch in die Schmiede! Weis, was du schufst!

Mime Verfluchter Stahl! Zu flicken versteh’ ich ihn nicht: den zähen Zauber bezwingt keines Zwergen Kraft. Wer das Fürchten nicht kennt, der fänd’ wohl eher die Kunst.

Siegfried Feine Finten weiß mir der Faule; daß er ein Stümper, sollt’ er gestehn: nun lügt er sich listig heraus! Her mit den Stücken, fort mit dem Stümper! Des Vaters Stahl fügt sich wohl mir: ich selbst schweiße das Schwert!

Mime Hättest du fleißig die Kunst gepflegt, jetzt käm sie dir wahrlich zugut: doch lässig warst du stets in der Lehr; was willst du Rechtes nun rüsten?

Siegfried Was der Meister nicht kann, vermöcht’ es der Knabe, hätt’ er ihm immer gehorcht? Jetzt mach dich fort, misch dich nicht drein: sonst fällst du mir mit ins Feuer!

Mime Was machst du denn da? Nimm doch die Löte: den Brei braut’ ich schon längst.

Siegfried Fort mit dem Brei! Ich brauch’ ihn nicht: mit Bappe back’ ich kein Schwert!

Mime Du zerteilst die Feile, zerreibst die Raspel: wie willst du den Stahl zerstampfen?

Siegfried Zersponnen muß ich in Späne ihn sehn: was entzwei ist, zwing’ ich mir so.

Mime Hier hilft kein Kluger, das seh’ ich klar: hier hilft dem Dummen die Dummheit allein! Wie er sich rührt und mächtig regt! Ihm schwindet der Stahl, doch wird ihm nicht schwül! Nun ward ich so alt wie Höhl’ und Wald und hab’ nicht so was gesehn! Mit dem Schwert gelingt’s, das lern’ ich wohl: furchtlos fegt er’s zu ganz. Der Wandrer wußt’ es gut! Wie berg’ ich nun mein banges Haupt? Dem kühnen Knaben verfiel’s, lehrt’ ihn nicht Fafner die Furcht! Doch weh mir Armen! Wie würgt’ er den Wurm, erführ’ er das Fürchten von ihm? Wie erräng’ ich mir den Ring? Verfluchte Klemme! Da kleb’ ich fest, fänd’ ich nicht klugen Rat, wie den Furchtlosen selbst ich bezwäng’.

Siegfried He, Mime! Geschwind! Wie heißt das Schwert, das ich in Späne zersponnen?

Mime Notung nennt sich das neidliche Schwert: deine Mutter gab mir die Mär.

Siegfried