Heinrich von Kleist: Robert Guiskard

 

 

Heinrich von Kleist

Robert Guiskard

Herzog der Normänner

 

 

 

Heinrich von Kleist: Robert Guiskard. Herzog der Normänner

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Robert Guiscard wird von Papst Nikolaus II. zum Herzog gekrönt. (Darstellung aus der Nuova Cronica des Giovanni Villani, 14. Jahrhundert, Ausschnitt)

 

ISBN 978-3-7437-0038-3

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-86199-646-0 (Broschiert)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Entstanden 1802–1808, Erstdruck in: Phöbus (Dresden) 1. Jg., 1808, 4. und 5. Stück. Uraufführung am 6.4.1901 in Berlin.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Herausgegeben von Siegfried Streller in Zusammenarbeit mit Peter Goldammer und Wolfgang Barthel, Anita Golz, Rudolf Loch, Berlin und Weimar: Aufbau, 1978.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

Robert Guiskard

Herzog der Normänner

Fragment aus dem Trauerspiel

Personen

Robert Guiskard, Herzog der Normänner.

 

Robert, sein Sohn,

Abälard, sein Neffe, Normännerprinzen.

 

Cäcilia, Herzogin der Normänner, Guiskards Gemahlin.

 

Helena, verwitwete Kaiserin von Griechenland, Guiskards Tochter und Verlobte Abälards.

 

Ein Greis.

 

Ein Ausschuss von Kriegern.

 

Das Volk der Normänner.

 

[212] Szene: Zypressen vor einem Hügel, auf welchem das Zelt Guiskards steht, im Lager der Normänner vor Konstantinopel. Es brennen auf dem Vorplatz einige Feuer, welche von Zeit zu Zeit mit Weihrauch, und andern starkduftenden Kräutern, genährt werden. Im Hintergrunde die Flotte.[213]

 

Erster Auftritt

Ein Ausschuß von Normännern tritt auf, festlich im Kriegsschmuck. Ihn begleitet Volk, jeden Alters und Geschlechts.

 

DAS VOLK in unruhiger Bewegung.

Mit heißem Segenswunsch, ihr würd'gen Väter,

Begleiten wir zum Zelte Guiskards euch!

Euch führt ein Cherub an, von Gottes Rechten,

Wenn ihr den Felsen zu erschüttern geht,

Den angstempört die ganze Heereswog'

Umsonst umschäumt! Schickt einen Donnerkeil

Auf ihn hernieder, daß ein Pfad sich uns

Eröffne, der aus diesen Schrecknissen

Des greulerfüllten Lagerplatzes führt!

Wenn er der Pest nicht schleunig uns entreißt,

Die uns die Hölle grausend zugeschickt,

So steigt der Leiche seines ganzen Volkes

Dies Land ein Grabeshügel aus der See!

Mit weit ausgreifenden Entsetzensschritten[213]

Geht sie durch die erschrocknen Scharen hin,

Und haucht von den geschwollnen Lippen ihnen

Des Busens Giftqualm in das Angesicht!

Zu Asche gleich, wohin ihr Fuß sich wendet,

Zerfallen Roß und Reuter hinter ihr,

Vom Freund den Freund hinweg, die Braut vom Bräut'gam,

Vom eignen Kind hinweg die Mutter schreckend!

Auf eines Hügels Rücken hingeworfen,

Aus ferner Öde jammern hört man sie,

Wo schauerliches Raubgeflügel flattert,

Und den Gewölken gleich, den Tag verfinsternd,

Auf die Hülflosen kämpfend niederrauscht!

Auch ihn ereilt, den Furchtlos-Trotzenden,

Zuletzt das Scheusal noch, und er erobert,

Wenn er nicht weicht, an jener Kaiserstadt

Sich nichts, als einen prächt'gen Leichenstein!

Und statt des Segens unsrer Kinder setzt

Einst ihres Fluches Mißgestalt sich drauf,

Und heul'nd aus ehrner Brust Verwünschungen

Auf den Verderber ihrer Väter hin,

Wühlt sie das silberne Gebein ihm frech

Mit hörnern Klauen aus der Erd hervor![214]

 

Zweiter Auftritt

Ein Greis tritt auf. Die Vorigen.

 

EIN KRIEGER.

Komm her, Armin, ich bitte dich.