Cover

Kurzbeschreibung:


"Das Lied des Paradiesvogels - Die Polynesien Saga" 

Hamburg, 1890. Die Zwillinge Thea und Daniel sind unzertrennlich. Als Daniel vom Vater auf eine Expedition in die deutschen Südseegebiete geschickt werden soll, erscheint allein der Gedanke an Trennung den Geschwistern kaum vorstellbar. Sie fassen einen Entschluss: Wenn sie gehen, dann nur gemeinsam und so schmieden sie einen gefährlichen Plan ... 

Auch der junge Hamburger Reeder Leopold Saarner macht sich mit dem Schiff auf den Weg nach Polynesien. Er muss auf der fernen Insel seinen unehelichen Halbbruder finden und zu seinem Vater bringen. Aber er hat eigentlich kein Interesse daran, sein Erbe zu teilen .. Der in Richtung Südsee fahrende Dreimaster beherbergt die Hoffnungen, Wünsche und Ängste der Hamburger - es beginnt eine lange Fahrt in eine ungewisse Zukunft.


Rebecca Maly

Das Lied des Paradiesvogels IV

Die Polynesien -  Saga


Edel Elements

KAPITEL 14

Thea schrie, als die Welle auf das kleine Kanu traf, und schluckte Wasser. Der schmale Schiffsrumpf schnitt mühelos hindurch. Noch ein paarmal schaukelten sie über heranrollende Wogen, dann war der Spuk vorbei.

Das Wasser unter ihnen war nun nicht mehr türkisfarben, sondern dunkler, der Boden nicht mehr zu sehen.

Thea hustete und rang nach Luft. Das salzige Nass brannte schmerzhaft in ihrer Lunge.

Baptiste drehte sich geschickt im Boot zu ihr um, sodass sie voreinander saßen. Im Gegensatz zu ihr kannte er die Angst herauszufallen wohl gar nicht. Seine grünen Augen blitzten vor Vergnügen.

„Das war gemein!“, krächzte Thea. „Sie haben gewusst, dass das passieren würde!“ Sie trat ihm vors Knie, wie sie es bei Daniel gemacht hätte, wenn er ihr einen Streich spielte.

„Jetzt bist du getauft – auf unsere Weise.“ Baptiste grinste.

Thea wollte etwas erwidern, musste jedoch erneut husten. Umständlich zog sie ein besticktes Taschentuch aus ihrem Ärmel, um es sich vor den Mund zu halten, doch das war genauso feucht wie ihre restliche Kleidung. Die Unterröcke trieften vor Nässe.

„Spuck es einfach aus“, sagte Baptiste, „raus damit. Wenn du willst, drehe ich mich auch weg.“ Wieder hatte er sie geduzt, als sei sie seit der unfreiwilligen Dusche wie seinesgleichen. Ihre Lunge zog sich schmerzhaft zusammen, das Salzwasser musste hinaus.

Thea konnte den Reiz nicht länger unterdrückten, hustete und spuckte einen Wasserschwall über Bord. Sofort ging es ihr besser. „Meine Mutter würde mich lynchen, wenn ich irgendwo hinspucke.“

„Aber sie ist nicht hier. Geht es wieder?“

Thea nickte und musste plötzlich lachen. „Du hast gewusst, dass das passieren würde. Jeder hat es gewusst.“ Sie zog sich mit spitzen Fingern den nassen Stoff vom Körper. „Deshalb haben alle gelacht, als ich versucht habe, trocken in dein Boot zu kommen.“ Nun redete sie ihn auch formlos an, das hatte er nun davon.

Baptiste drehte den Kopf zur Seite, sodass sie sein Profil bewundern konnte. Mehr Antwort würde sie scheinbar nicht bekommen, aber es war Antwort genug. Die Dörfler hatten sich einen Spaß mit ihr erlaubt. Ihre Gedanken sprangen zu einem anderen Thema. „Ich hätte dich von der Seite fotografieren sollen.“

„Heute nicht. Das Meer ruft“, sagte er bestimmt.

„Und jetzt?“, fragte sie übermütig.

In Baptistes Augen blitzte der Schalk. Er schnellte auf seinem Platz herum und begann zu paddeln. Zügig ging es voran, immer weiter weg vom rettenden Ufer. Das Kanu schien sich bei jedem Paddelschlag ein wenig aufzubäumen, wie ein Pferd, das begierig war zu laufen.

„Ich kann wirklich nicht schwimmen“, sagte Thea noch einmal und sah dabei auf seinen Rücken, in dem sich die Muskeln mit jedem Ruderschlag unter der honigbraunen Haut spannten.

Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sie die Hände auf seine Schultern legte?

Als Thea sich bei dieser für eine Dame gänzlich ungebührlichen Fantasie ertappte, wurde ihr flau und kribbelig in der Magengegend. Sie war ganz allein mit einem fremden Mann, vor dem die Mönche sie sogar gewarnt hatten.

Doch statt sich zu fürchten, wuchs in ihr eine angenehme Aufregung. Was für ein Abenteuer! Nur sie beide, mitten auf dem Meer.

„Hier sind wir!“, verkündete Baptiste mit einem Mal und legte das Paddel beiseite.

„Wir sind wo? Hier ist doch nichts, weit und breit nichts als Wasser“, entgegnete Thea ungläubig. „Das stimmt doch gar nicht, schau“, meinte Baptiste, rutschte zu ihr und zeigte am Bootsrand hinab. Unter ihnen breitete sich eine Fabelwelt aus bunten Bäumen und Blumen aus, Fische schwammen darin umher, kleine farbenfrohe und graubraune große, lang wie ein Männerarm.

„Wie ein Wald unter den Wellen, kaum zu glauben, dass es so etwas gibt. Wie hast du die Stelle gefunden?“

„Wiedergefunden trifft es wohl eher. Dafür präge ich mir die anderen Inseln ein. Der Stand der Sonne und die Strömungen geben auch Hinweise, wo sich Korallenbänke befinden. Ich fische hier schon seit Jahren.“

„Dann ist das da unten eine Korallenbank?“ Thea beugte sich noch weiter vor, um besser sehen zu können. „Wenn man dort nur hinunter könnte.“

„Aber das kann man doch, was denkst du, warum wir hier sind?“ Baptiste nahm seinen Speer und sprang über Bord. Prustend kam er wieder hoch, direkt vor ihr. Beinahe wären sie mit den Köpfen zusammengestoßen.

Thea erschrak, dann musste sie lachen. Baptiste streifte sich das Haar zurück und sah sie an. Diese grünen Augen schienen bis in ihre Seele blicken zu können. Hätte er sie in diesem Moment etwas gefragt, sie würde kein Wort herausbekommen. In seinen Wimpern hingen Wasserperlen. Tropfen auf seinen Lippen.

Er tauchte ab, drehte sich elegant wie ein Fisch um die eigene Achse und sank tiefer, während sein Körper durch Wellenbewegungen vorankam. Musste er denn gar nicht atmen?

Thea hielt schon die Luft an, wenn sie nur zusah.

Dann sah es aus, als würde er an einer Stelle verweilen. Er steckte den Kopf zwischen einige Korallenbäume, die nun gar nicht mehr so groß aussahen. Plötzlich schnellte seine Hand vor, dann zog er etwas aus einem Hohlraum und tauchte auf.

In seiner Hand zappelte ein bläuliches Krustentier mit vielen Beinen und langen Fühlern. Baptiste kam mit wenigen Zügen zu ihr geschwommen, zog sich am Bootsrand hoch und steckte seine Beute in einen Flechtkorb im Bug.

„Was hast du da gefangen, und wie ist es dort unten?“

„Eine Languste, und dort unten ist es wunderbar. Du solltest es dir ansehen.“

Thea gab es einen leisen Stich. „Das kann ich nicht. Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass ich nicht schwimmen kann.“

„Und wer hält dich davon ab, es zu lernen? Außerdem könntest du mit dem Tauchen anfangen. Ich habe das Reiten auch im Galopp gelernt.“ Er grinste schief. Offenbar dachte er an eine Kindheitserinnerung zurück, schön und schmerzhaft zugleich.

Mühelos schwamm er auf einer Stelle, indem er nur mit den Füßen trat. Thea packte der Ehrgeiz, so schwierig konnte das doch nicht sein. Aber, oh weh, sie besaß nicht einmal eine passende Bekleidung zum Schwimmen.

Baptiste schien ihre Gedanken zu lesen. „Du müsstest schon ein paar Schichten ablegen, sonst bist du unbeweglich und sinkst wie ein Stein.“

„Ich kann mich doch nicht nackt ausziehen!“ Allein die Vorstellung trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht. „Aber das ist doch sicher nicht die einzige Schicht, die du anhast. Soll ich mich jetzt umdrehen?“ Er lachte, und Thea hatte wieder einmal das Gefühl, viel zu viel Aufhebens um Dinge zu machen, die an diesem Ende der Welt kaum von Bedeutung waren. „Na gut, aber du versprichst mir, dass ich nicht ertrinke.“

„Versprochen.“ Baptiste warf seinen Fischspeer ins Boot und wandte ihr dann den Rücken zu.

Er hatte recht, sie trug einige Schichten mehr am Leib. Sich auf dem schmalen Kanu aus dem Überrock zu schälen gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht.

Schließlich hatte Thea nur noch Mieder und Unterrock an. Ihre bloßen Arme waren weiß wie Schnee. Sie hatten noch nie die Sonne gesehen, und es sah aus, als trage sie ein dünnes weißes Obergewand, das an ihren Handgelenken abschloss.

Wie merkwürdig das auf Baptiste wirken musste. Und fand er ihre bleiche Haut überhaupt schön? Und warum war ihr das so wichtig?

Thea räusperte sich. Ihr Herz raste schon jetzt wie verrückt. Sie würde schwimmen! „Ich bin so weit.“

Baptiste drehte sich um. Er sagte nichts, aber sie spürte seinen Blick wie Berührungen. Einladend hielt er ihr seine Hand hin. Sie nahm sie und zögerte dann.

„Ich glaube, ich kann nicht.“

„Doch, du kannst.“

„Aber es schwankt doch schon jetzt. Was, wenn ich das Boot umkippe?“

„Es kippt nicht um, solange du auf der Seite mit dem Ausleger aussteigst. Stütz dich an meiner Schulter ab und an der Querstrebe.“ Das sagte er so leicht. Aber ein Zurück gab es nicht, außerdem wollte sie wirklich gerne ihre Hand auf seine Schulter legen, selbst wenn sie dafür Salzwasser schlucken musste.

Entschlossen schwang sie die Beine über den Rand, zupfte den Rock darüber. Dann rutschte sie so weit vorwärts, dass sie auf der Kante saß. Der Ausleger tauchte kurz unter und kam wieder hoch.

„Los jetzt! Nur Mut.“

Mut … Seine Haut fühlte sich warm an, darunter feste Muskeln. Ja, er würde sie halten. Thea stieß sich ab, und plötzlich war sie von Wasser umschlossen. Es war angenehm warm und reichte ihr bis zum Kinn.