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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Print:ISBN: 978-3-7910-4165-0Bestell-Nr.: 20158-0002
ePDF:ISBN: 978-3-7910-4166-7Bestell-Nr.: 20158-0151
ePub:ISBN: 978-3-7910-4167-4Bestell-Nr.: 20158-0100

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März 2018

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
Ein Tochterunternehmen der Haufe Gruppe

1   Einleitung

1.1   Führung von Mitarbeitern in Fällen

Das vorliegende Buch ist der Weiterbildung von Führungskräften der Wirtschaft und Verwaltung verpflichtet. Es bezieht sich inhaltlich auf das Buch „Führung von Mitarbeitern, Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement“, das seit 1991 (7. Auflage 2014) im Schäffer-Poeschel Verlag von Lutz von Rosenstiel, Erika Regnet und Michel E. Domsch herausgegeben wird. Innerhalb dieses Textbuchs wird die Thematik der personalen Führung theoretisch und empirisch begründet sowie praxisbezogen ausgerichtet aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Folgende sieben zentrale Schwerpunkte wurden dabei gesetzt:

IBasiswissen und Perspektiven
IIFührung der eigenen Person
IIIDie Führungskraft und ihr Mitarbeiter/ihre Mitarbeiterin
IVFührung und Arbeit in Gruppen
VPersonalentwicklung und Personalpolitik
VIOrganisationsstrukturen und ihre Veränderung
VIIDas gesellschaftliche Umfeld

Damit wird das komplexe Phänomen der Führung, ausgehend von Grundüberlegungen, in einen immer umfassenderen Rahmen gestellt: Beginnend vom Umgang mit sich selbst bis hin zur Berücksichtigung des gesellschaftlichen Umfeldes, innerhalb dessen Unternehmen tätig sind, die der Führung bedürfen.

Die einzelnen Beiträge innerhalb dieser sieben Teilbereiche sind dem Ziel verpflichtet, aktuelles und praxisrelevantes Wissen für Führungskräfte konzentriert aufzubereiten und der Weiterbildung und Personalentwicklung von Führungskräften nützlich zu machen. Die Wissensbestandteile innerhalb der Beiträge sind in diesem Sinne Elemente einer angewandten Wissenschaft. Im Gegensatz zur Grundlagenwissenschaft geht es bei den dort getroffenen Aussagen nicht nur darum, ob es sich um „Wahrheit“ handelt. Im Gegensatz zum spontanen Handeln in der Praxis geht es aber auch nicht nur um die „Nützlichkeit“. Angewandte Wissenschaft sucht mit Forschungsmethoden, die sich meist nicht sehr von jenen der Grundlagenwissenschaft unterscheiden, Fragen aus der Praxis zu beantworten. Diese Antworten müssen sich einem doppelten Kriterium stellen: Sie sollen „wahr“ und „nützlich“ sein.[6]

Sobald der Begriff der Nützlichkeit fällt, stellt sich nach kurzer Überlegung die Frage: „Nützlich für wen?“ Aus der Zielsetzung des Handbuchs „Führung von Mitarbeitern“ ergibt sich eine relativ klare Antwort: Nützlich für die Qualifikation von Führungskräften. Ihre Arbeit soll durch das dort bereitgestellte Handlungswissen erfolgreicher werden – erfolgreich in einem allerdings weiten Sinne. Die eigene persönliche Entwicklung soll gefördert werden, aber auch der Erfolg der Führungsarbeit in weit verstandenem Sinne. Die eigene Arbeit soll in größerer Harmonie mit den Anforderungen privater Lebensbereiche ökonomisch und stressfrei unter Erleben persönlicher Zufriedenheit geleistet werden. Die unterstellten Mitarbeitenden sollen, ihren Eignungen und Neigungen gemäß, den Anforderungen der Organisation genügen, um auf diese Weise angemessen zu deren Zielerreichung beizutragen. Sie sollen allerdings im Zuge dieser Leistungserstellung, die – aus höherer Warte betrachtet – Bedürfnisbefriedigung in der Gesellschaft ist, auch selbst Befriedigung erleben, Zufriedenheit finden und sich ihren Fähigkeiten entsprechend entwickeln können.[7]

Dabei ist offensichtlich, dass in einer komplexen und vielfältig gegliederten Organisation Führungsverhalten sich nicht auf die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in einem bilateralen Sinne beschränken kann. Beide sind eingebettet in soziale Netzwerke, in Intra- und Intergruppenbeziehungen. So gilt es, darauf zu achten, dass das, was in einem derartigen Zweierbezug geschieht, nicht zur Konfliktursache anderer Zweierbeziehungen wird. Wichtig ist weiterhin, dass Teams so aufgebaut und entwickelt werden, dass die Arbeit in ihnen bei gutem zwischenmenschlichen Klima erfolgreich verläuft und unvermeidliche Konflikte angemessen bearbeitet werden, ganz gleich, ob diese sich nun zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oder aber auf derselben Ebene abspielen.

Die Verantwortung der Vorgesetzten für die ihnen unterstellten Menschen reicht dabei weit; sie darf nicht von der Linie an die Personalabteilung delegiert werden. Personalentwicklung und Personalpolitik sind somit konkrete Führungsaufgaben. Führungskräfte müssen lernen, in langfristiger Perspektive ihre Mitarbeiter für kommende Aufgaben zu qualifizieren und die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen. Diese bestehen u. a. in steigender Internationalisierung, in der Digitalisierung, in vermehrter Mitarbeit von Frauen in qualifizierten Fach- und Führungspositionen, in der Integration auch älterer Menschen in den Arbeitsprozess.[8]

Die Veränderung der vielfältigen Anforderungen bringt die Notwendigkeit neuer Rahmenbedingungen und Strukturen im Betrieb mit sich. Führungskräfte sind dafür mitverantwortlich. Sie können diese Veränderungen weder der Organisationsabteilung noch internen Beratern überlassen. Kenntnis über verschiedene Alternativen der Organisation ist erforderlich. Die Wahrnehmung und Bewertung der Organisation durch die Mitarbeiter kann nützlicher Ausgangspunkt für künftiges Handeln sein. Kooperative Veränderungsstrategien, die die betroffenen Mitarbeiter zu Beteiligten machen, können bei der Organisationsveränderung des eigenen Verantwortungsbereichs nötig sein und zugleich einen Beitrag zur Personalentwicklung darstellen.

„Weiche“ Anforderungen, die sogenannten „soft facts“, die aus Werthaltungen und Ansprüchen der Mitarbeiter erwachsen, müssen dabei ebenso berücksichtigt werden wie „harte“ Anforderungen, die sich insbesondere aus Innovationen, Kundenanforderungen und Kostenüberlegungen innerhalb des Arbeitslebens ergeben. Wo immer Veränderungen notwendig sind, werden verschiedenartige Interessen in unterschiedlicher Weise berührt, was wiederum vom Vorgesetzten fordert, beispielsweise mit dem Betriebsrat vertrauensvoll und effektiv zusammenzuarbeiten. Im Zuge dieser vielfältig vernetzten Prozesse entsteht sodann ein ganz spezifisches Klima in der Organisation, das wiederum ein Teil der für das Unternehmen typischen Kultur werden kann. Die Organisation befindet sich dabei nicht in einem Freiraum. Anforderungen von außen – weit über den Absatz-, Beschaffungs-, Personal- und Finanzmarkt hinaus – wirken auf die Organisation ein und müssen vom Führenden berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für jene Anforderungen an die Wirtschaft, die sich aus der gefährdeten natürlichen Umwelt, die der Gesellschaft zunehmend bewusst wird, ergeben, aber auch aus dem Wiedererstarken und Bewusstwerden ethischer Grundsätze, aus nachhaltig gewandelten Werteorientierungen der jüngeren Generationen, aus den Anforderungen einer alternden Gesellschaft sowie aus dem veränderten Umgang mit der Zeit.[9]

All diese vielfältigen Themen sind in komprimierter, aber nicht abstrakter Form im Handbuch „Führung von Mitarbeitern“ für die Weiterbildung von Führungskräften vorgestellt worden. Diese Beiträge dienen dem Lernen. Das Lernen für die Praxis ist allerdings ein vielfältiges Geschehen. Es erfolgt – vereinfacht ausgedrückt – nicht allein durch den Kopf, sondern auch durch das Gefühl und das eigene Handeln. Das Handbuch „Führung von Mitarbeitern“ spricht in erster Linie den Kopf an: Es vermittelt aktuelles und praxisrelevantes Wissen. Die Texte können gelesen oder im Rahmen von Führungsseminaren diskutiert werden. Zwar können derartige Diskussionen – man denke an Gespräche mit Führungskräften über Partizipation, gewandelte Werte, Ökologie oder Ethik – das Gefühl heftig ansprechen, doch wird allein dadurch das konkrete Handeln noch nicht grundsätzlich berührt.[10]

Das hier vorliegende Buch, das eine Sammlung von Fallstudien aus der Praxis enthält, ist nun gezielt auf das konkrete Handeln bezogen. Während das Handbuch in erster Linie den Kopf, in zweiter Linie das Gefühl und nur am Rande die Handlung anspricht, ist es hier umgekehrt. Handeln – zunächst innerhalb der Weiterbildungsmaßnahme, dann aber auch in der alltäglichen Praxis – steht im Vordergrund; das Gefühl soll dabei ebenfalls stark angesprochen werden, während die reine Information, das Kognitive, erst an dritter Stelle steht. Hierzu kann man im Handbuch nachschlagen, wenn man Begründungen und theoretische Fundierungen sucht.

Das wohl zentrale und gewichtigste Problem von Weiterbildungsmaßnahmen für Führungs(nachwuchs)kräfte liegt im Transfer. Was ist darunter zu verstehen? Man bezeichnet damit die Übertragung des in der Lehrveranstaltung Gelernten in die alltägliche Praxis. Und diese Übertragung, dieser Transfer, scheitert häufig. Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen auf diesem Gebiet konnte nun zeigen, dass die Transferprobleme am ehesten überwunden werden, wenn vielfältige Methoden in adäquater Kombination zum Einsatz kommen. Der Vortrag allein, auch wenn er noch so viel aktuelles und fundiertes Wissen enthält, bewirkt wenig. Dies gilt aber gleichfalls für die noch so hitzige Diskussion über ein Problem, deren Ergebnisse nicht zusammengefasst, begründet und generalisiert werden. Und es gilt sogar für das aktivierende Rollenspiel, wenn die dabei zu beachtenden Prinzipien nicht bewusst gemacht und deren Anwendungen in der Praxis nicht aufgezeigt werden. Lerntransfer – das zeigen Forschungsergebnisse – wird insbesondere dann begünstigt, wenn[11]

In diesem Sinne will das vorliegende Buch ein Beitrag zur Transfersicherung bei der Entwicklung und Verbesserung von Führungsverhalten sein.

1.2   Aufbau des Buches

Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Fallbeispielen. Die Mehrzahl der Fälle wurde in der Praxis erhoben. Bei der Darstellung wurden geringe Modifikationen vorgenommen: zum einen, damit darin beschriebene Organisationen und Personen nicht zu erkennen sind, zum anderen, um prägnant bestimmte didaktische Zielsetzungen zu erreichen. Die Minderheit der Fälle wurde aus typischen, in der Praxis immer wieder vorkommenden Geschehnissen abstrahiert.[12]

Die Anordnung der Fallstudien innerhalb des Buches orientiert sich – was das Gliederungskonzept betrifft – am Handbuch „Führung von Mitarbeitern“. Es geht also zunächst um Basiswissen und Perspektiven zur Führung, um die Führung der eigenen Person, dann um das, was sich zwischen der Führungskraft und dem einzelnen Mitarbeitenden abspielt, danach um Führung und Arbeit in Gruppen, sodann um Personalentwicklung und Personalpolitik, im Anschluss daran um Organisationsstrukturen und ihre Veränderung sowie schließlich um das gesellschaftliche Umfeld. Zwar sind die einzelnen Fälle nicht im Verhältnis eins zu eins den einzelnen Beiträgen innerhalb des Handbuchs zuzuordnen, doch ist in aller Regel die Lektüre der Artikel innerhalb der jeweiligen Teile des Handbuchs eine hilfreiche Hintergrundinformation für die Bearbeitung der Fälle (entsprechende Textverweise sind angegeben). Man wird im Einzelnen so vorgehen können, dass entweder zunächst ein Fall bearbeitet wird und sodann die Ergebnisse mit Hilfe der Textpassagen im Handbuch begründet und generalisiert werden. Man kann aber auch mit dem Grundsätzlichen, dem Allgemeinen, dem Theoretischen beginnen; d. h. Texte des Handbuchs zur Bearbeitung vorausschicken oder einen entsprechenden fachlichen Input vorbereiten, um sich anschließend mit exemplarischen Fällen auseinanderzusetzen.

1.3   Empfehlungen zur Arbeit mit den Fallstudien

Im Rahmen der Trainings- und Schulungsarbeit können die einzelnen Fallstudien in unterschiedlicher Weise bearbeitet werden:[13]

Empfehlenswert ist, die Teilnehmer darauf hinzuweisen, dass es nicht um schauspielerisches Talent oder ein „Überzeichnen“ der Rolle geht. Vielmehr sollten sie sich verhalten wie in der Realität und so, als ob sie mit den anderen Beteiligten auch weiterhin zusammenarbeiten würden.[17]

Bei kleineren Fallstudien, die voraussichtlich zu einem nur kurzen Rollenspiel führen, kann es ratsam sein, den Fall – z. B. als Gespräch unter vier Augen – von verschiedenen Rollenspielern unabhängig voneinander spielen zu lassen, da der Vergleich verschiedener Vorgehensweisen zur gleichen Situation häufig besonders lehrreich ist und die Diskussion im Plenum stimuliert.

Ergänzend zum soeben geschilderten Simulieren der Fälle im Rollenspiel kann die Videoaufnahme mit anschließendem Videofeedback eingesetzt werden. Dies ist allerdings ein sehr zeitaufwendiges Vorgehen, wodurch die für die Fallanalyse benötigte Zeit nicht selten verdoppelt wird. Hat das Rollenspiel zu langen Gesprächsphasen geführt, so ist ein lückenloses Feedback für die Seminarteilnehmer – abgesehen von den jeweils gerade Beteiligten – meist langweilig. Hier empfiehlt es sich, für die relevanten und interessanten Passagen bei der Aufnahme Zeitmarkierungen vorzunehmen, um sodann jeweils die wirklich entscheidenden positiven und negativen kritischen Ereignisse für das Videofeedback rasch zur Hand zu haben.

1.4   Umgang mit Widerständen

Eine häufige Erfahrung in Seminarveranstaltungen besteht darin, dass zu Beginn gegenüber der Bearbeitung von Fällen, insbesondere aber bezogen auf das Rollenspiel, Widerstände beobachtet werden können. Im Schlussgespräch bei Ende des Seminars wird dann aber nicht selten von den Teilnehmern angeführt, dass weniger „Theorie“ und mehr Fälle und insbesondere zahlreichere Rollenspiele wünschenswert gewesen wären. Rückblickend sieht es also häufig anders aus.[18]

Warum diese Widerstände vorweg? Nicht selten steht dahinter Ängstlichkeit. Sich als „gestandene“ und selbstbewusste Führungskraft im Kollegenkreis zu präsentieren, durch diese und den fachkundigen Trainer Kritik hinnehmen zu müssen, erzeugt Unsicherheit und Furcht. Das ist mit dem eigenen Selbstbild und der Rollenwahrnehmung als erfolgreiche Führungskraft schwer vereinbar.

Es ist viel leichter, über ein Problem klug zu sprechen, als der Einsicht entsprechend konkrete Probleme anzugehen oder sie gar in der Simulation zu behandeln und zu lösen. Gerade aber das soll gelernt werden, und das sollte auch vom Trainer oder Moderator verdeutlicht und betont werden, damit die Akzeptanz für das Vorgehen gesteigert wird.

Widerstand in größeren Seminarrunden gegen das Rollenspiel kann auch daher rühren, dass gemeinsame negative Erfahrungen vorliegen. Wurde z. B. in einem früheren Seminar oder in einer vorausgehenden Seminareinheit ein Fall bearbeitet, ein Rollenspiel durchgeführt und sodann aus Zeitmangel die Diskussion der Arbeits- bzw. Spielergebnisse unterbrochen, so entstehen daraus „Frust“ und Widerstand, was die künftige Fall- oder Rollenspielarbeit belastet. In derartigen Situationen ist es für den Trainer wichtig, die entsprechenden Übungen nicht zu erzwingen, sondern zunächst eingehend in der Gruppe eine Widerstandsanalyse vorzunehmen, um aus gemachten Fehlern zu lernen.[19]

In größeren Seminargruppen erwächst speziell gegen das Rollenspiel Widerstand nicht selten daraus, dass über eine längere Phase einige Seminarteilnehmer aktiv und engagiert beschäftigt sind, während die anderen in die Rolle der schweigenden Beobachter zurückgedrängt werden. Dies kann langweilig werden und zudem mit dem Erlebnis der Zurücksetzung verbunden sein. Hier empfiehlt es sich, entweder innerhalb der Großgruppe sehr kleine, wenig zeitaufwendige Fälle einzusetzen oder aber das Plenum in Parallelgruppen aufzuspalten und die länger dauernden Problemfälle getrennt zu bearbeiten, sodass mehr Seminarteilnehmer zur aktiven Übung – etwa zur Übernahme einer Rolle – kommen. Allerdings sollte in diesem Fall dafür gesorgt werden, dass mehrere Trainer das Seminar begleiten, da sich sonst jene Teilgruppen zurückgesetzt fühlen, bei denen der Trainer nicht zugegen ist.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die im Rollenspiel gerade nicht aktiven Seminarteilnehmer als Beobachter oder Jury zu verpflichten und sie dadurch stärker in die Analyse einzubinden.

1.5   Abschluss

Das vorliegende Buch verfolgt nicht das Ziel, umfassende Informationen zu bieten. Es enthält allerdings viel Grundsätzliches – gekleidet in die Form konkreter Fallstudien. Jeder, der in der Personalentwicklung von Fach- und Führungskräften in der Praxis oder in der Ausbildung von Nachwuchskräften an Hochschulen tätig ist, kann im Rahmen von Weiterbildungs- und Trainingsmaßnahmen dieses Material verwenden. Es hat sich innerhalb von Seminarveranstaltungen für Fach- und Führungskräfte (inkl. Führungsnachwuchskräfte und Studierende) vielfach bewährt. Hintergrundinformationen dafür bietet das bereits mehrfach genannte Buch „Führung von Mitarbeitern – Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement“. Die Kombination beider Schriften sorgt in der Personalentwicklung der Fach- und Führungskräfte dafür, dass über Kopf, Emotion und Handlung gelernt und damit einem zentralen Ziel aller Weiterbildung nähergekommen wird: dem Transfer des im Seminar Erlernten in die Praxis des Führungsalltags, um damit eine gute Personalführung zu erreichen.[20]

Teil I – Führung: Basiswissen und Perspektiven

1   Einleitung

Unter Führung von Menschen versteht man die zielbezogene und bewusste Verhaltensbeeinflussung. Im Unternehmen kann dies durch strukturelle Maßnahmen – Technikgestaltung, Organigramme, Stellenbeschreibungen, Anreizsysteme etc. – erfolgen, aber auch durch personale Maßnahmen – spezifisch durch Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Entsprechend wird Führung in den verhaltensorientierten Organisationswissenschaften häufig definiert als unmittelbare, absichtliche und zielorientierte Einflussnahme von Führungskräften auf Unterstellte mit Hilfe der Kommunikationsmittel.

Dieses personale Verhalten zeigt verschiedene Facetten, hat verschiedene Dimensionen, die dann zu einem für die Person des Führenden und für die jeweilige Situation typischen Führungsstil verschmelzen. Entsprechend setzen sich die ersten Fälle mit Indikatoren des Führungsverhaltens eines Vorgesetzten auseinander. Die Besonderheiten dieses Führungsverhaltens gilt es zu erkennen, die Konsequenzen sind abzuleiten (Fälle von Michel E. Domsch[21]) und dabei alle Beteiligten zu beachten (Fall „Ein ärgerlicher Fehler“ von Jörg Felfe). Der Fall „Der Karrieresprung“ von Lutz von Rosenstiel thematisiert den Aufstieg von der Fach- in eine erste Führungsposition und die Überforderung der Nachwuchskräfte, die sich vielfach einstellt.

Die Führung eines einzelnen Vorgesetzten vollzieht sich nicht im „luftleeren Raum“. Sie ist abhängig von der jeweiligen Situation, den organisationalen Rahmenbedingungen und hier vor allem vom Verhalten des nächsthöheren Vorgesetzten. Dies wird in einem weiteren Fall – „Das erste Jahr in einer anderen Abteilung“ von Lutz von Rosenstiel – thematisiert, in dem auf den ersten Blick angesichts der Kündigungsdrohung eines Mitarbeiters allein Führungsfehler des unmittelbaren Vorgesetzten die Ursache des Problems zu sein scheinen, bis man erkennt, dass auch der Kontext, spezifisch die Verhaltensweise des nächsthöheren Vorgesetzten, eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Führungskräfte sind mit vielen neuen Anforderungen konfrontiert: Agile Unternehmen benötigen flexible Formen der Zusammenarbeit und Führung, die fortschreitende Arbeitsteilung trägt dazu bei, dass unterstellte Mitarbeiter als Spezialisten auf ihrem Fachgebiet im Detail mehr wissen als der Vorgesetzte, der – relativ verstanden – als Generalist und Moderator zu sehen ist. Welche spezifischen Herausforderungen bei der „Führen von agilen Scrum-Teams“ entstehen können, kann anhand des Falls von Mahena Stief[22] diskutiert werden. Im Fall „Wer wird Opfer der Digitalisierung?“ von Désirée H. Ladwig werden Ängste auch der Führungskräfte bei Veränderungsprozessen deutlich, die zu Gewinnern und Verlierern führen. Der Fall „Der Motor“ von Christian Lebrenz veranschaulicht beispielhaft Dilemmata und widersprüchliche Erwartungen, die Führungskräfte immer wieder auszubalancieren haben, ohne dass es eine dauerhafte und endgültige Lösung geben könnte.

Unterstützung können Vorgesetzte durch gezielte Trainingsmaßnahmen gewinnen. Doch nicht immer wird dies als Wohltat verstanden. Ein Lernerfolg kann aber nur dann erzielt werden, wenn die zu Trainierenden Bereitschaft zur Überprüfung ihrer bisherigen Verhaltensweisen mitbringen (Fall „Ärger im Führungsseminar“ von Rudolf Bögel). Mitunter scheint auch gerade in der Trainingssituation die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf, d. h. zwischen ausformulierten Führungsleitbildern und dem gelebten Führungsverhalten (Fall von Lutz von Rosenstiel „Kooperativ führen als Bestandteil des Unternehmenskonzepts“). Nicht immer muss die Entwicklung von Führungskräften von Dozenten und Trainern geleistet werden. Zunehmend erfolgt dies durch kollegiale Fallberater, wie der entsprechende Fall von Michel E. Domsch zeigt.

Eine zielgruppenspezifische Personalarbeit ist auch im Bereich der Fachkräftesicherung auf der Basis einer überzeugenden Arbeitgeberattraktivität erfolgreich. Darauf zielen die Fälle von Michel E. Domsch[23] „Bindungsnotstand“ und von Erika Regnet„Bekannt – aber nicht beliebt“. Anhand des Falls „Personalcontrolling in einem mittelständischen Produktionsbetrieb“ von Silke Wickel-Kirsch kann am Beispiel des Personalbeschaffungsprozesses die Sinnhaftigkeit von Kennzahlen behandelt werden.

Schließlich ist qualitative Personalarbeit gerade in Krisen- und Übergangszeiten ein wichtiger Beitrag zur Absicherung eines Unternehmens. Flexibilität und ein effektives Konfliktmanagement sind erforderlich, wie die Fälle von Arjan Kozika „Krisen im Wachstum und die Flexibilisierung von Personalstrukturen“, Stephan Kaiser „Früher war alles besser“ und Michel E. Domsch„Die Obdachlosen“ zeigen.