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Band 179

 

Seuchenschiff der Azaraq

 

Rainer Schorm

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Vorspiel: Kette

1. Perry Rhodan

2. Das erste Bulletin

3. Eric Leyden

4. Tim Schablonski

5. Das zweite Bulletin

6. Perry Rhodan

7. Eric Leyden

8. Tim Schablonski

9. Das dritte Bulletin

10. Perry Rhodan

11. Eric Leyden

12. Das vierte Bulletin

13. Perry Rhodan

14. Tim Schablonski

15. Das fünfte Bulletin

16. Perry Rhodan

17. Eric Leyden

18. Das sechste Bulletin

19. Perry Rhodan

20. Tim Schablonski

21. Das siebte Bulletin

22. Perry Rhodan

23. Eric Leyden

24. Das achte Bulletin

25. Perry Rhodan

26. Tim Schablonski

27. Das letzte Bulletin

28. Perry Rhodan

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit erschließt er der Menschheit den Weg zu den Sternen. Nach vielen Fortschritten und Rückschlägen wird die Erde ab 2051 unbewohnbar, während Milliarden Menschen zu einem unbekannten Ort transportiert werden.

2055 reist Rhodan mit dem riesigen Fernraumschiff MAGELLAN in die Galaxis Andromeda, findet dort aber keine Spur zur vermissten Erdbevölkerung. Er kehrt in die Milchstraße zurück – doch die Passage schlägt fehl.

Die MAGELLAN strandet in der sogenannten Eastside. Die Besatzung begegnet den fremdartigen Blues und knüpft erste Freundschaften, findet sogar eine Spur zu der Weltraumarche, in der elf Milliarden Menschen im Tiefschlaf ruhen.

Um sie zu bergen, holt Rhodan Unterstützung. Aber bei seiner Rückkehr trifft er auf eine riesige Kriegsflotte. Um einen Kampf zu verhindern, begibt er sich auf das SEUCHENSCHIFF DER AZARAQ ...

Vorspiel

Kette

 

»Man fühlt sich wie in einer Schrottpresse!«

Serge Accola sprach zu sich selbst. Das war nur logisch, denn er war allein an Bord der MAGELLAN-DAEDALOS SCU-5V. Die kleine, schwer gepanzerte Kontrolleinheit war ursprünglich zur Koordination kleiner Sonnensatelliten entwickelt worden, sogenannter Ikaroiden. Das SCU stand für »Supervising Control Unit«, und nun überwachte sie einen Schwarm von Raumrelais. Man hatte zehn der bewährten DAEDALOS-Einheiten auf der MAGELLAN mitgeführt, um komplexe externe Sensoren- oder Funknetze aufbauen zu können.

»In diesem verdammten Höllenloch kann man nichts aufbauen«, schimpfte Accola. »Man kann höchstens hoffen, dass man nicht zerrissen wird.«

Die MAGELLAN hatte den ganzen DAEDALOS-Schwarm ausgesetzt. Eine gewaltige gatasische Kampfflotte stand lauernd im System der Sonne Ovi, und Kommandant Conrad Deringhouse war sorgsam darauf bedacht, jegliche kriegerische Konfrontation mit diesen Blues zu vermeiden. Also hatte er sich entschlossen, ein Frühwarn- und Kommunikationsrelaisnetz aufzuspannen, um dem Umstand entgegenzuwirken, dass Ortungssysteme im Umfeld des Gigantplaneten Moloch extrem gestört wurden, sowie um die Funkverbindungen nach Impos zu verbessern. Die äußerst kleinen DAEDALOS-Raumfahrzeuge waren für diese Aufgabe ideal geeignet, obwohl sie hierfür deutlich länger benötigen würden als ein Schwarm Space-Disks oder Korvetten. Sie waren jedoch im Chaos dieser Raumregion von den Blues kaum zu orten – falls doch, würde sie niemand als Bedrohung sehen.

»Genau deshalb sitze ich jetzt in dieser beschissenen Sardinenbüchse. Wunderbar!«

Das Innere einer DAEDALOS-Kapsel war mit zwei Wörtern ausreichend beschrieben: klaustrophobisch eng. Accola war zwar klein, wie alle DAEDALOS-Piloten, gerade mal 1,56 Meter. Allerdings war er ein Energiebündel, und die mangelnde Bewegungsfreiheit störte ihn enorm.

»Relaisdrohnenschwarm fünf ausgesetzt und auf stabilem Kurs. Formationsauflösung in fünf Sekunden«, meldete die Bordpositronik. »Keine Ausfälle bisher. Kette achtundzwanzig steht.«

Ohne die Algorithmen und Strömungsmodelle von Rufus Darnell wären wir längst Asche, dachte er. Oder etwas sehr viel Ekligeres!

Ein schmetternder Schlag traf die Kapsel. Trotz der künstlichen Gravitation wurde Accola hin und her geschleudert. Die Systeme waren aufs reine Überleben ausgelegt. Eine DAEDALOS-Kapsel hielt schwerste Belastungen aus – von Komfort allerdings war keine Rede, was ihrem Piloten einiges abverlangte. Die körperlichen Belastungen waren deutlich größer als auf einem normalen Raumschiff. Das war einer der Gründe, warum sich der Kommandant der MAGELLAN für ihren Einsatz entschieden hatte: In der hyperphysikalischen Hölle, die im Ovisystem tobte, hatten die kleinen, dick gepanzerten Einheiten gute Überlebenschancen.

Accola stöhnte. Er fühlte sich beinahe wie zu Zeiten seiner Kindheit in einer dieser Schleuderbahnen, die damals populär geworden waren. Er starrte auf die holografische Wiedergabe des umgebenden Weltraums. Ein allgegenwärtiges rotes Glühen vermittelte ihm den Eindruck, als blute das All.

»Positionen erreicht. Netz baut sich auf!« Die Stimme der Positronik war tröstlich sachlich und kompensierte die latente Panik in Accolas Gemüt.

»Meldung an die MAGELLAN!«, befahl Accola. »Teilsegment vierzehn steht. Kopplung mit Nachbarsegmenten läuft.«

»MAGELLAN bestätigt«, sagte die Positronik. »Netzkapazität erreicht den minimalen Funktionalwert von dreißig Prozent.«

Wieder traf ein heftiger Schlag das kleine Raumboot. Ungläubig sah Accola einen bizarr verbogenen Blitz, der um seine DAEDALOS-Einheit herumzuckte. Ein unangenehmes Knirschen zog sich durch die kleine Pilotenklause, gefolgt von einem tiefen, dumpfen Wummern. Es roch metallisch. Etwas Bitteres stieg in seinem Hals nach oben.

Serge Accola war ganz und gar kein religiöser Mensch, aber in diesem Moment hätte er gern gebetet. Er schwitzte.

Von Störungen und einem penetranten Rauschen untermalt, hörte er die Stimme von Mischa Petuchow, des Funk- und Ortungschefs der MAGELLAN. »Wir haben ein Netz! Rückkehrsequenz einleiten. Das Netz konfiguriert sich im Weiteren von selbst. Die Kommunikationsqualität ist ausreichend, wenn auch schlecht. Das geht leider nicht besser. Uns erreichen Nachrichten von Impos – einige davon fragmentiert, aber immerhin. Die FERNAO ist zurück. Die Strukturtaster haben den Rücksturzimpuls gerade angemessen.«

»Na, dann nichts wie nach Hause!«, sagte Accola zu sich selbst. »Solange die Blues unsere Relais nicht abschießen, wird das reichen. Und die kleinen Biester in diesem Chaos zu orten, wird schwierig werden.«

Die Kapsel erzitterte. Drei Schläge schmetterten in schneller Folge gegen die dicke Panzerhaut. Eine Alarmpfeife gellte, und am liebsten hätte sich Serge Accola die Ohren zugehalten. Die Kopfhörer, die er trug, machten das unmöglich. Ihm war schlecht und schwindlig.

»Das ist so dermaßen zum Kotzen!«, klagte er laut.

Dann übergab er sich.

1.

Perry Rhodan

Rückfall

 

»Mein Gott, es sind unfassbar viele!«

Perry Rhodan nahm das Bild der Ortung in sich auf. Die Zahl der Raumschiffe war das eine, das Wissen darum, was eine solche Riesenflotte anrichten konnte, das andere. In der Darstellung der Positronik ballten sich unzählige Impulse zu einem gewaltigen Schwarm. Gelb eingefärbt, erinnerten sie ihn an Bienen, die sich sammelten.

Rhodan hatte genug Erfahrung mit den Blues gemacht, seit die Menschen die Eastside der Galaxis erreicht hatten, nach dem fehlgeleiteten Sprung durch den Sechsecktransmitter im Zentrum Andromedas. Die molkexgepanzerten Diskusschiffe mochten nicht auf dem technischen Niveau der FERNAO sein, aber das war bei dieser Menge nicht ausschlaggebend.

»Viele blaue Hasen sind des Hundes Albtraum!«, hörte Rhodan Rufus Darnell sagen.

Er drehte sich um. »Machen Sie Kogaddu Konkurrenz, Rufus?«, fragte er.

Der Leitende Ingenieur der FERNAO bleckte die Pferdezähne. »Das wäre aussichtslos«, sagte er. »Aber wo er recht hat, hat er recht. Das war ein Zitat aus der Zeit, als uns in Andromeda die Hetzgeschwader auf den Fersen waren. Ich habe nur eine farbliche Anpassung vorgenommen.«

Cel Rainbow grinste schmal. »Die Meute von damals als Hasen zu bezeichnen, ist ... ziemlich lässig. Außerdem sind diese Hasen da vor uns schwarz und nicht blau.«

Das war ein Hinweis auf die Molkexpanzerungen der Bluesraumschiffe, die sie so effektiv schützten wie jeder Schutzschirm. Durch dieses exotische Material wirkten die Diskusse schwarz. Der Kommandant der FERNAO beobachtete die Schiffsbewegungen sehr genau.

Das Einsatzschiff des Protektors stand nach der Transition in den äußeren Bereichen des Ovisystems. Sogar in einer Entfernung von über 15 Lichtstunden zu der roten Riesensonne war die Raum-Zeit in Aufruhr. Der Gigantplanet Moloch und seine Wolke aus 42 Monden zogen das Kontinuum als solches in Mitleidenschaft. Dort geschah etwas Unheimliches, dessen Auswirkungen nicht einmal hochkarätige Wissenschaftler vom Range eines Eric Leyden im ganzen Ausmaß verstanden. Dieses System war ein Albtraum. Die Sonne, groß wie der bekannte Antares, stand wie ein rot glühendes Auge im Zentrum des Systems. Droo Karuuhm, das »Schwarze Ei«, wie die Azaraq das Raumgebiet nannten. Durch die von Moloch induzierte Verformung des Zentralgestirns ähnelte sie tatsächlich einem Ei, und der Vergleich mit einem Auge drängte sich geradezu auf. Auf Impos, einem der Monde war die Menschheit in der Memeterarche gestrandet. Die Sonne war der beste Beweis, dass das nicht das einzige Problem war.

»Sie hat sich verändert, oder kommt mir das nur so vor?«, fragte Rhodan.

Freder Karminski schob Rhodan ein holografisches Datenfeld zu. Die darin aufbereiteten Ortungswerte waren mit unverhältnismäßig großen Unsicherheiten behaftet. Für den Ortungs- und Funkoffizier war eine Umgebung wie diese eine ständige Herausforderung. Aber Rhodan sah trotzdem, dass er mit seiner Vermutung richtiglag. Er glaubte, ein leichtes Vibrieren zu spüren.

»Die Leistung der Antigravaggregate ist kräftig nach oben geschnellt«, sagte Darnell gepresst. »In der Nähe von Moloch ist die Hölle los. Dort möchte ich nicht unterwegs sein müssen.«

»Die Flotte?«, fragte Rhodan.

»Absatzbewegungen«, meldete Zohra Rahimi, die Pilotin der FERNAO. »Sie verlegen große Teile ihrer zehntausend Einheiten.«

»Zehntausend«, wiederholte Rhodan ungläubig. »Was soll das werden?«

»Kommen wir ihnen in die Quere?«, wollte Limber Baldivieso wissen. Das Unbehagen, sich einer derart riesigen Gataserflotte gegenüberzusehen, war der Ersten Offizierin anzumerken. Rhodan teilte ihre Besorgnis.

»Nein«, antwortete Rainbow und musterte die multiplen Ortungsergebnisse intensiv. »Eher das Gegenteil ist der Fall. Es sieht beinahe aus, als wollten sie sich von uns absetzen.«

»Das wohl kaum«, murmelte Rhodan. »Sie messen genau dasselbe an wie wir. Ich wette, sie fliegen sicheres Terrain an. Falls es so etwas in diesem vermaledeiten System überhaupt gibt.«

Die Stimme der Hauptpositronik drang durch die Zentrale. »Warnung: Individuelle Sicherheitsvorkehrungen nötig. Eine Welle diskordanter Gravitationsschübe erreicht uns in etwa zwanzig Sekunden.«

Die Zentralebesatzung nahm ihre Plätze ein und sicherte sich mit individuellen Prallfeldern. Rhodan fühlte den sanften Druck. Sekunden später schüttelte sich die FERNAO wie ein waidwundes Tier. Die Schwerkraftschübe mussten gewaltig sein, wenn die Antigravaggregate sie in dieser Stärke durchließen. Aber ein Großteil der Bordenergie war für die Prallfeldschirme reserviert, die das immer wieder auftretende Kreellgestöber fernhielten.

»Sie haben recht«, sagte Rainbow langsam. »Sie setzen sich ab.«

»Sollten wir ebenfalls verschwinden?«, fragte Rhodan.

»Nein«, erwiderte der Lakotaindianer. »Die Gataser verlegen ihre Flotte, weil Teile von ihr in deutlich unruhigere Gebiete driften. Bei der Größe ihres Aufmarschs ist das kein Wunder. Wir jedoch können hierbleiben. Wenn wir anfangen, größere Manöver zu fliegen, machen wir sie nur auf uns aufmerksam.«

»Die haben uns längst bemerkt«, widersprach Darnell. »Macht keinen Unterschied.«

»Selbstverständlich haben die Gataser unseren Wiedereintritt registriert«, konstatierte Rainbow. »Aber sie haben momentan genug mit sich selbst zu tun. Eine Gefahr sehen sie bestimmt nicht in uns. Aber wir müssen ja nicht unbedingt zusätzlich rufen: Hallo, wir sind hier!«

Rhodan lächelte dünn. »Das wird sich kaum vermeiden lassen, wenn in Kürze fünfhundert Schiffe der Apasos in die normale Raum-Zeit zurückstürzen. Das werden die Gataser auf gar keinen Fall ignorieren. Hoffen wir, dass sie ihr Absetzmanöver bis dahin so weit abgeschlossen haben. Ich werde über jede zusätzliche Lichtminute froh sein.«

»Sehen Sie.« Rainbow vergrößerte ein Holo der Außenbeobachtung. Die Ortungsergebnisse waren darin positronisch ergänzt und extrapoliert. Das Bild schien beinahe real. »Dieses Segment der Flotte hat Probleme.«

Rhodan kniff die Augen zusammen. »Turbulenzen. Sie fliegen mitten rein!«

Etwa einhundert der schwarzen Diskusschiffe, hauptsächlich Einheiten mittlerer Größe, deren Durchmesser etwa 500 Meter betrug, hatten Kurs auf etwas genommen, was man am ehesten als raumzeitliche Stromschnellen bezeichnen konnte. Die Gravitationswerte dort waren derart instabil, dass ein geordnetes Navigieren kaum möglich war. Die Trajektorien der Bluesschiffe verwandelten sich aus mehr oder weniger geraden Linien in ein zielloses Torkeln. Die Raum-Zeit selbst kochte geradezu.

»Die Blues beschleunigen!«, sagte Rainbow leise. »Hochachtung. Angst haben sie keine. Ich hätte welche. Die werden sicher gewaltig durchgeschüttelt.« Der Lakota strich sich eine lange, schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht.

Die Schiffe drängten sich zu einem kompakten Keil zusammen, als wollten sie einander wechselseitig Schutz geben. Dabei stieg die Gefahr einer Kollision an, obwohl der Abstand zwischen den einzelnen Schiffen groß genug blieb. Rhodan ahnte, dass das Risiko dennoch enorm war. Die Gravitationsanomalien waren nicht vorhersehbar. Auftauchendes Kreell war eine weitere Unwägbarkeit.

»Das ruckelt!«, murmelte Darnell. »Wenn sie Pech haben, zieht sie ein großer Gravitationsimpuls zu einem Klumpen zusammen.«

»Wie bei einem ihrer typischen Raumkämpfe«, kommentierte Rhodan. »Vielleicht ist das für sie nicht so ungewöhnlich, wie wir glauben.«

Die Azaraq beschleunigten stärker. Als sie die gefährliche Raumzone beinahe verlassen hatten, geschah genau das, was Darnell befürchtet hatte. Eine mächtige Schwerkraftwelle wirbelte die Flugordnung durcheinander. Drei der Diskusschiffe kollidierten.

»Das gibt blaue Flecken«, äußerte Karminski. »Sie haben aber Glück gehabt. Der Impuls hat sie nur am Rande erwischt. Ich würde sagen, das war ein Warnschuss für sie ... mehr nicht!«

»Sie stabilisieren ihre Flugbahn wieder.« Rhodan atmete auf.

»Ich glaube, gleich haben wir ein Problem!«, erklang die alarmierte Stimme von Rahimi.

»Keine Unregelmäßigkeiten in unserer Nähe«, erwiderte Karminski ruhig.

»Ich rede nicht davon ...«, sagte Rahimi.

Ein schrilles Pfeifen unterbrach die Pilotin. Die Strukturtaster schlugen an. Etwas zerriss das Raum-Zeit-Kontinuum und stürzte aus dem Hyperraum zurück.

»Das sind die Apasos!«, erkannte Rhodan. »Sie kommen.«

Von einem Augenblick zum nächsten waren im Außenbeobachtungsholo Hunderte Objekte zu sehen, die sich in etwa zwei Lichtsekunden Entfernung zu einem Rudel zusammenballten. Die Positronik markierte sie rot.

»Das nenne ich mal einen exakten Sprung«, würdigte Rainbow das Ereignis und winkte Rahimi auffordernd zu. Die Pilotin beschleunigte. Rainbow selbst zeigte keine Regung. »Eine Direkttransition vom Pahlsystem hierher. Legen wir besser ein bisschen mehr Distanz zwischen uns und sie. Nicht dass uns einer der blauen Jungs auf dem Kopf landet.«

»Tun Sie das!«, sagte Rhodan abwesend.

»Apasische Kennung«, ließ Karminski sie wissen. »Die Positronik meldet den Rücksturz von fünfhundertsieben Einheiten aus dem Hyperraum. Wir empfangen den verabredeten Kode. Die Reorganisation des Verbands läuft bereits. Die sind wirklich gut.«

Er drehte sich zu Rhodan. »Keine Verluste, wie's aussieht. Das ist in dieser chaotischen Umgebung beinahe ein Wunder. Ich schicke gerade eine Warnung mit einigen Spezifika an das Leitschiff. Das mit den Verlusten soll so bleiben, wenn möglich.«

Rhodan nickte. Etwas anderes zog seine Aufmerksamkeit auf sich. »Was tun die Gataser? Haben Sie so etwas schon mal gesehen?«, fragte er.

Rainbow stutzte. Die Wiedergabe des gatasischen Flottenaufmarschs zeigte eine ungewöhnliche Anordnung. Die Azaraqschiffe in den Geschwadern, die der FERNAO am nächsten lagen, aktivierten nun ebenfalls ihre Triebwerke, ohne dass ein Grund hierfür ersichtlich war.

»Keine Raum-Zeit-Anomalien, soweit ich sehe«, murmelte Karminski. »Dort ist es ruhig. Beinahe zu ruhig für diesen verdammten Höllenpfuhl. Was soll das werden?«

»Wenn Sie's mir nicht sagen können ...« Rhodan verfolgte verblüfft, wie die Raumschiffe Fahrt aufnahmen und neue Positionen ansteuerten. Bald formte sich aus der Menge der Diskusse eine gewaltige Hohlhalbkugel, die in Richtung der FERNAO offen war. Zur restlichen Flotte bildete sich eine Halbsphäre, als wolle man etwas abschirmen. »Was machen die Gataser?«, rätselte Rhodan erneut. Die Formation war von bestechender Präzision und blieb stabil.

»Ihre Navigatoren sind gut!«, stellte Rainbow anerkennend fest. »Ich wette, die haben die Anpassungsmanöver selbst geflogen. Für rein positronisch errechnete Trajektorien sind die Vektoren zu unpräzise ... für lebende Piloten hingegen sind sie beeindruckend. Wenn wir jemals Zweifel hatten, ob die Blues gute Raumfahrer sind – jetzt wüssten wir's besser.«

Rhodan lachte leise. »Denken Sie an das Verremsystem und die Knotennester: bei diesem furchtbaren Unfall ... Das Navigieren in einem trümmergefüllten Orbit war sicher kein Vergnügen.«

»Das erklärt aber nicht diese sonderbare Manöveranordnung«, sagte Karminski. Er musterte die Bildwiedergabe intensiv.

Rhodan sah, dass Darnell, der unter anderem Spezialist für Strömungsberechnungen in Atmosphären oder dichten Medien war, einige seiner Algorithmen über die Daten laufen ließ. »Haben Sie was, Rufus?«, fragte Rhodan.

Darnell fuhr sich mit der Linken frustriert durch den wirren Haarschopf. »Nein. Leider nicht. Egal was die Gataser dort draußen abziehen, es hat keine raumphysikalische Ursache. Sie formen einfach nur ... eine hohle Halbkugel. Das war's!«

»Die Apasos bilden eine flache Linsenformation«, fügte Rainbow hinzu. »Sie sind weit genug von den Gatasern entfernt. Zu zufälligen Scharmützeln wird es kaum kommen, solange keine der beiden Parteien Streit sucht.«

»Bei den Apasos bin ich sicher, dass es nicht so ist. Sie sind dermaßen deutlich unterlegen, dass ein Angriff Selbstmord wäre. Die Blues sind alles andere als Angsthasen, aber selbstmordsüchtig sind sie ebenfalls nicht.«

Darnell grinste. »Womit wir wieder bei den Hasen gelandet wären!«

»Scherzkeks!«, murmelte Rahimi.

»Damit ist unsere Ausgangslage etwas besser geworden«, urteilte Rhodan. »Das Katlyk ist vor Ort, und wir haben endlich die Möglichkeit, die Arche aus ihrer Kreell- und Molkexkruste zu befreien. Sofern uns die Gataser nicht in die Quere kommen.«

Karminski bekam etwas zu tun. Ein Signal, das seinen Ursprung eindeutig in den Schiffen der Halbsphäre hatte, wurde stärker und stärker. »Was zur Hölle soll das nun wieder?« Der Ortungsoffizier war sichtlich überrascht. »Sie koordinieren sich. Der entstehende Brennpunkt liegt genau in der Mitte der fiktiven Kugel.«

»Halbkugel«, korrigierte Darnell und erntete dafür einen bösen Blick.

»Wie auch immer. Ich fresse einen gemütskranken Blue, wenn das kein Leuchtfeuer ist.«

»Guten Appetit.« Rahimi schmunzelte. »Ein Leuchtfeuer für was ... oder wen?«

Karminski seufzte. »Woher soll denn ich das wissen? Glauben Sie, die Gataser schicken eine Gebrauchsanweisung mit?«

Darnell zog die Augenbrauen nach oben, als er die Werte studierte. »Das ist ein richtig kräftiges Signal. Sehr viel stärker als nötig. Außerdem scheint dort eine Art Hyperraumrelais zu stehen. Die Blues bauen eine Hyperfunkverbindung auf. Sie rufen jemanden hierher.«

»Noch mehr Schiffe?«, äußerte Baldivieso verdutzt. »Wozu brauchen die Gataser noch mehr Kampfschiffe? Die haben bereits zehntausend Einheiten in diesem System stehen. Die paar Apasos jagen ihnen sicher keine Angst ein. Wir tun das erst recht nicht.«

»Gegen diese mörderische Umgebung nützt weitere Verstärkung ohnehin nichts«, stellte Rainbow klar. »Einen Krieg gegen die Sonne oder Moloch werden sie kaum führen.«

»Antwort?«, fragte Rhodan nur.

Karminski schüttelte den Kopf, ließ die Anzeigen aber keine Sekunde lang aus den Augen. »Nichts. Bis jetzt wenigstens. Aber die Bake hat ihre Arbeit gerade erst aufgenommen. Warum liegt der Fokus im Zentrum dieser Hohlkugel ...?« Er unterbrach sich und grinste Darnell an. »Ja. Ich weiß: Halbkugel!«

»Es ist beinahe so, als wollten sie etwas abschirmen ...«, überlegte Darnell.

»Wir können nicht ewig warten.« Rhodan wandte sich an Rainbow und kennzeichnete per Gestensteuerung ein Raumareal im Holo als Zielgebiet. »Fliegen Sie uns an einen Punkt zwischen den Gatasern und den Apasos.«

»Wollten wir Aufsehen nicht vermeiden?«, fragte Darnell.

Rhodan nickte. »Grundsätzlich ja, aber wenn ich eins ganz bestimmt nicht will, ist das zu viel Aufmerksamkeit für die Apasos und ihre Fracht. Sie wissen, wie wertvoll das Enzym Katlyk ist. Ich bin sicher, es wäre ein Anreiz für die Gataser. Also lenken wir ihre Aufmerksamkeit stattdessen ein wenig auf uns. Nehmen Sie Kontakt zur MAGELLAN auf, sobald das möglich ist. Wir koppeln die FERNAO an. Ich wette, dass jeder Schiffskommandant der gatasischen Flotte über unsere Transformkanone informiert wurde. Wir sollten also dafür sorgen, dass wir sie zur Abschreckung so intensiv wie möglich einsetzen können. Zudem wirkt die FERNAO aufgrund ihres Baumusters für die Blues zu vertraut, als dass sie das abschrecken würde. Bei einem Riesen wie der MAGELLAN hingegen ist das anders.«

»Bin schon dabei!« Rainbows Versuche, das gewaltige Kugelschiff per Funk zu erreichen, waren aber offenbar nicht sehr erfolgreich. Sogar in den Randbezirken des Ovisystems machten sich die Störungen durch Moloch und die ständigen Redrift-Ereignisse bemerkbar.

»Ich hab sie!«, rief der Kommandant kurz darauf erleichtert.

»Gut«, sagte Rhodan. »Die beiden Gelege dürfen auf keinen Fall aufeinander losgehen. Wenn hier ein Krieg zwischen Gatasern und Apasos ausbricht, ist unsere Chance, die AVEDANA-NAU freizubekommen, gleich null. Also zeigen wir mal, dass wir da sind.«

»Die MAGELLAN ist auf dem Weg zu uns«, meldete Rainbow. »Kommandant Deringhouse wird einen indirekten Kurs einschlagen und sich uns sozusagen von hinten nähern. Er hält einen Durchflug durch die Flotte der Gataser für zu gefährlich.«

Rhodan musterte erneut die Hohlkugel aus Azaraqdiskussen und nickte. »Ja. Gute Entscheidung. Egal was das da sein soll, es ist für die Gataser auf irgendeine Weise von Bedeutung. Vermeiden wir zusätzliches böses Blut. Dafür haben wir mit dem Entwenden des Kreellblocks ohnehin gesorgt. Wie lange noch?«

Rainbow projizierte den übermittelten Kurs der MAGELLAN. »Wenn nicht etwas dazwischenkommt: etwa fünf bis zehn Minuten. Ich kann den Beschleunigungsfaktor nicht exakt prognostizieren.«

»Warten wir's ab«, sagte Rhodan. »Versuchen Sie in der Zwischenzeit rauszukriegen, was es mit dieser Formation auf sich haben könnte.«

»Wir schöpfen die interne Blueskommunikation ab, so gut es geht«, berichtete Karminski. »Allerdings benutzen die Gataser eine extrem hochwertige Verschlüsselung. Kein Zweifel, das ist eine militärische Aktion. Sie gehen kein Risiko ein. Unsere Kryptografie ist ziemlich leistungsfähig, aber diese Kodes sind eine echte Herausforderung. Das kann also dauern.«

»Was sagen die Apasos?«, fragte Rhodan. »Ich hoffe, dass sie sich nicht zu Kurzschlusshandlungen hinreißen lassen.«

»Ganz ehrlich«, kommentierte Darnell. »Bei einer solchen Flotte wäre ich für eine ganz bestimmte Kurzschlusshandlung durchaus zu haben.«

Rhodan grinste. »Welche?«

»Nichts wie weg hier!«, antwortete Darnell trocken und rieb sich das linke, abstehende Ohr. »Ganz einfach.«

»Keine Angst«, beruhigte Limber Baldivieso. »Die MAGELLAN ist im Anflug. Kommandant Deringhouse hat einen Leitstrahl aktiviert. Ich habe die Trajektorie bestätigt und starte den Anflug in ... zwanzig Sekunden.«

Rhodan kniff die Augen zusammen. »Rahimi, bleiben Sie unbedingt zwischen dem Aufmarschgebiet der Gataser und unseren apasischen Helfern. Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, wir würden das Feld räumen und den Weg für einen Kampf freimachen.«

»Verlassen Sie sich auf mich«, sagte die afghanische Pilotin nur.

In den taktischen Hologrammen erschien ein grellroter Punkt. Die MAGELLAN näherte sich schnell und bremste hinter der FERNAO ab. Der terranische Diskusraumer nahm Fahrt auf und flog die Nordpolregion des riesigen Kugelschiffs an. Die Kuhle, in der sich der Diskus verankern würde, wurde in der Normalbeobachtung sichtbar. Für Rhodan war es immer ein beeindruckendes Erlebnis, sich der beinahe zweieinhalb Kilometer durchmessenden Kugel der MAGELLAN zu nähern. Das Expeditionsschiff war imposant ... nein, Ehrfurcht gebietend: das größte Raumfahrzeug, das Menschen von der Erde jemals erbaut hatten.

»Kursangleichung abgeschlossen«, verkündete Rainbow. »Andockvorrichtung gibt Grünwert, Halteklammern aktiv ... und greifen. Kontakt bestätigt.«

»Die MAGELLAN meldet den Abschluss der Ankopplung«, drang eine Stimme aus den Akustikfeldern. »Der Aufbau der Versorgungsverbindungen läuft. Abschluss in fünf ... vier ... drei ... zwei ... einer Sekunde. Klarmeldung!«

Cel Rainbow richtete sich auf und reckte sich. »Gut zu wissen. Ich bin wirklich gern mit unserem Diskus unterwegs, aber in dieser Umgebung bin ich froh, dass wir endlich fest auf unserem Mutterschiff sitzen. Ich gebe die Transformkanone für Tya Sentaku frei.«

Karminski war sichtlich erleichtert. Troy Sterling eher nicht. Der Waffenleitoffizier der FERNAO wurde mit diesem Vorgang zur Nummer zwei degradiert.

Im gleichen Augenblick drang die energische Stimme von Gabrielle Montoya aus den Akustikfeldern. »Protektor, wir registrieren einen Funkanruf. Er ist persönlich an Sie gerichtet.«

»Woher?«, fragte Rhodan kurz.

»Der Oberkommandierende der gatasischen Flotte verlangt ein Gespräch mit Ihnen.«

»Verlangt?«, wiederholte Rainbow. »Das klingt nicht gerade diplomatisch.«

»Ist es nicht!«, bestätigte die Erste Offizierin der MAGELLAN trocken. »Kein bisschen!«

»Conrad ...«, fragte Rhodan.

»Der Admiralleutnant ist zurzeit unabkömmlich«, gab Montoya zurück. »Er instruiert gerade die Beibootflottille. Nehmen Sie das Gespräch an?«

»Wie könnte ich da Nein sagen?« Rhodan lächelte dünn. »Ich glaube, ich weiß, wer mich da unbedingt sprechen will. Es wundert mich beinahe, dass er sich mit Reden aufhält.«

»Ich schalte das Gespräch in fünf Sekunden durch«, informierte Montoya.

Rhodan wies Rainbow an, sich in den Kommandantensessel zu setzen. Er selbst blieb stehen. Gleich darauf baute sich die holografische Bildverbindung auf.

»Tagrep Kerrek«, sagte Perry Rhodan laut. »Ich habe mit Ihrem Anruf gerechnet.«

Der gatasische Tharvis, der die MAGELLAN nach ihrer Rückkehr aus Andromeda aufgegriffen und ins Verthsystem eskortiert hatte, war erkennbar schlecht gelaunt. Seine vierzehn Finger bewegten sich in einem wirren Rhythmus, und er zeigte seine Querzähne. Gleichzeitig griff er nach dem bronzefarbenen Amulett, das unterhalb seines Halses hing, und nestelte daran herum.

»Perry Rhodan«, begann er langsam. »Ich wusste, dass wir uns wiedersehen. Haben Sie Ihre Diebeszüge andernorts fortgesetzt?«

Er hat uns nicht verziehen, dass wir den Kreellblock, in dem Tuire Sitareh gefangen war, entwendet haben, dachte Rhodan. Er scheint das persönlich zu nehmen – nach wie vor! Dabei sollte er mittlerweile begriffen haben, dass wir das tun mussten.

Rainbow hielt es nicht mehr in seinem Sitz. Er trat neben Rhodan. »Der hat definitiv schlechte Laune, Protektor.«

Der Azaraq hatte der Akustiksperre wegen nichts von diesen Worten mitbekommen. Er fixierte Rhodan und Rainbow mit dem vorderen Augenpaar.

Rhodan fiel auf, dass in Hüfthöhe des Blues ein neues Symbol prangte. »Ich sehe, Sie sind befördert worden, Tagrep Kerrek.« Es war ein Schuss ins Blaue. »Eigentlich müssten Sie sich bei uns bedanken.«

»Wohl kaum!«, zischte der Gataser. »Es stimmt, ich habe nicht mehr denselben Rang. Ich bin Megral-Tharvis. Dank Ihres frechen Diebstahls habe ich nun die Möglichkeit, Sie bezahlen zu lassen. Gefällt Ihnen meine Flotte?«

»Das war keine Beförderung«, murmelte Rainbow. »Sie haben ihn heruntergestuft. Aber er verfügt nach wie vor über die Autorität, diese Flotte zu führen. Die genaue Übersetzung lautet: Tharvis-Rekonvaleszent. Wir haben kein Äquivalent dafür. So eine Art Tharvis auf Wiedergutmachungs-Tour. Das mit der Beförderung hat ihn wütend gemacht.«

Rhodan blieb gelassen. »Beeindruckend.«

Kerreks Katzenaugen weiteten sich. »Das stimmt. Und jetzt hab ich Sie und Ihre diebische Bande. Endlich kann ich mich rehabilitieren.«

Rhodan bemerkte ein Blinken hinter dem wütenden Blue. Etwas lenkte seinen Gesprächspartner offenbar ab, obwohl Kerrek sich keinen Millimeter bewegte. Alles, was darauf hinwies, war ein polyfones Zischen. Es hat seinen Vorteil, den Kopf nicht drehen zu müssen, dachte Rhodan. Irgendetwas beschäftigt ihn mehr als die Freude, uns erwischt zu haben.

Kerrek schaltete ohne weiteres Wort ab.

»Nein«, bekannte Rhodan leicht verblüfft. »Das war definitiv nicht diplomatisch.«

Karminski meldete sich. »Das Bakensignal wird stärker. Ich habe bisher keine Antwort auffangen können. Aber was auch immer da kommt, es wird bald hier sein. Reines Bauchgefühl.«

Rahimi prustete. »Ja. Du hast häufiger Hyperfunksignale im Bauch. Das ist bekannt. Könnten es nicht ganz einfach Blähungen sein?«

Karminski ignorierte sie. Stattdessen projizierte er das Bakensignal in eine Holografik. Der Impuls war außergewöhnlich energiereich.

Rhodan überlegte kurz. »Karminski. Fragen Sie bei unseren apasischen Freunden nach. Vielleicht wissen die, was da abläuft. Die einzelnen Gelege haben zwar eine jeweils eigene Kultur, aber wir sollten es versuchen. Vielleicht finden wir etwas heraus, bevor wir eine böse Überraschung erleben.«

Karminski tat wie geheißen. Währenddessen zeigte die Projektion einige gewaltige Signalstärkespitzen. Die Ausschläge waren enorm.

Er hatte recht, dachte Rhodan. Da kommt etwas!