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DR. MED. AXEL-JÜRG POTEMPA

»WAS HAT SIE DENN DA GERITTEN?«

DR. MED. AXEL-JÜRG POTEMPA

»WAS HAT SIE DENN DA GERITTEN?«

Ein Sexualmediziner erzählt von seinen skurrilsten Fällen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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1. Auflage 2018

© 2018 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© Copyright der deutschen Originalausgabe 2013 by riva Verlag. Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des 2013 erschienenen Titels Was Sie besser nicht über Sex wissen sollten.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Manuskriptbearbeitung: Stephan Handel

Redaktion: Werner Wahls, Ulrich Mihr

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/Nutnarin Khetwong

Layout: Kristin Hoffmann

Satz: Georg Stadler

Druck: CPI books GmbH, Leck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-7423-0660-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0367-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0368-1

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

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INHALT

Vorwort

Ring of Pain

So ein Hund

Übers Netz gegangen

Lippenrot

Die norwegische Entspannung

Rasta-Erfahrung

Biss zum Bluterguss

Schau mich an!

Schattenspiele

Quell der Erregung

Faust I

Schön hässlich

Sex vs. Steuer

Ein präsidialer Effekt

Blaue Bälle

Komm bitte später

Gyros für alle

Wie viel ist genug?

Ein besonderer Sekt

Der Schnippler

L m a A

Bäumchen, Bäumchen, wechsel dich

Umgebundene Lust

Das Ritual

Der falsche Weg

An der Leine

Der verhinderte Flug

Ausgebremst!

Faust II

Ennyi!

Samenerguss im Café

Die Ersatzgeliebte

Die sexy Samariterin

Der Spritzer

Zum Sadismus missbraucht

Die Wand des Cäsars

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VORWORT

Warum haben Sie dieses Buch gekauft? Wollen Sie es verschenken? Ein paar skurrile Geschichten lesen, die man gut im Freundeskreis erzählen kann, Kategorie »Was es nicht alles gibt«? Seien wir ehrlich: Kein anderes Thema interessiert und bewegt die Menschen so sehr wie ihre Sexualität. Die Suche nach dem richtigen Partner, das Leid, wenn jemand verlassen wird, die Einsamkeit, wenn sich gerade niemand lieben lassen will – all das hat im Leben eine überragende Bedeutung und ist viel wichtiger als Reichtum, Karriere oder andere Äußerlichkeiten. Umso schlimmer, wenn das, was uns so viel Lust bereitet und so viel Spaß macht, plötzlich nicht mehr funktioniert. Es ist ein kompliziertes Zusammenspiel zwischen den rein körperlichen Funktionen und dem Geist, zwischen den Hormonen und der Seele, zwischen unserem Wollen und unserem Können. Und wenn da etwas nicht mehr flutscht und nicht mehr steht, wenn’s juckt und brennt und anschwillt – dann quält uns das mehr als ein entzündeter Zahn oder ein eingewachsener Zehennagel. Denn die betreffen nicht unsere Persönlichkeit.

Wenn jedoch unsere Sexualität uns im Stich lässt, dann gerät unser Selbstbild ins Wanken: Bin ich denn überhaupt noch der tolle Hengst, die begehrenswerte Frau, als der/die ich mich bislang gesehen habe? Werde ich noch geliebt werden und lieben dürfen, wenn ich in einem so existentiellen Bestandteil einer Partnerschaft nicht mehr den Erwartungen entspreche? Hinzu kommt, dass uns allen tagtäglich auf allen Medienkanälen erzählt wird, wie das denn geht mit der Liebe – von der kitschigen, aber völlig unrealistischen Soap im Fernsehen bis zur jederzeit verfügbaren Pornografie, voll von allzeit bereiten Männern und allzeit willigen Frauen. Diese Bilder nehmen wir mit, wenn wir abends ins Bett gehen – nur liegt dort dann wahrscheinlich nicht die Frau, die vor Begehren und Sinnlichkeit dahinschmilzt, und der Mann denkt vielleicht nicht daran, auf wie viele verschiedene Arten er sie heute durchs Universum fliegen lassen wird, sondern an den Anschiss, den ihm am Nachmittag sein Chef verpasst hat.

Es ist also alles nicht so einfach mit dem Sex, und es geht beileibe nicht nur darum, dass »jeder Hans seine Grete finde«, wie Arthur Schopenhauer schrieb. Der Arzt, der sich mit der Sexualität beschäftigt, muss mehr können als ein Orthopäde, der ein Röntgenbild anschaut und dann den gebrochenen Arm eingipst, mehr als ein Zahnarzt, der gründlich die Karies herausbohrt und eine schöne Füllung einsetzt. Meine Patienten kommen nicht nur zu mir, weil sie Schmerzen haben oder etwas in ihrem Körper nicht so funktioniert, wie es sollte – sie kommen zu mir, weil sie als Person wieder ganz werden wollen, weil sie neben der Heilung ihrer Beschwerden von mir die Wiederherstellung ihres Selbstbildes erwarten.

Ursprünglich wollte ich Frauenarzt werden. Zum einen gab es in meiner Familie schon zwei Urologen, meinen Vater und meinen Bruder, und zwei von einem Fach, das reicht, dachte ich mir. Zum anderen fand ich es faszinierend, Menschen, Babys zur Welt zu bringen. Als ich dann aber nach dem Studium in der Geburtshilfe einer Klinik arbeitete, merkte ich schnell, dass diese kleinen Wesen sich leider nicht an Dienstpläne halten und nicht an das, was ich gerade so vorhatte – vorzugsweise nachts, besonders gerne am Wochenende entschieden sie sich, nun das Licht der Welt erblicken zu wollen. Vor der kompletten Facharztausbildung wollte ich sowieso noch ein Jahr in der Urologie arbeiten – und dort fand ich schnell heraus, dass mir das doch mehr Spaß machte als alle anderen Fächer, in die ich schon hineingeschnuppert hatte.

Der Urologe gilt fälschlicherweise als »Männerarzt«, was daran liegt, dass Gynäkologen in manchen Bereichen unser Geschäft mit erledigen. Aber natürlich behandeln Urologen auch Frauen, etwa bei Erkrankungen der Blase oder der Nieren. Ich habe mich daneben schon früh für Störungen der Sexualfunktionen interessiert – ein Gebiet, an das zumindest damals viele Kollegen mit einer Haltung des »Da kann man ja eh nichts machen« herangingen. Das stimmte damals schon nicht, und es stimmt heute noch viel weniger. Für die Erektile Dysfunktion – landläufig: Impotenz – gab es schon in meinen Anfangsjahren Therapien, wenn auch mit zum Teil martialisch anmutenden Apparaturen. Einen großen Schritt vorwärts machte die Medizin Ende der 90er Jahre, als die sogenannten PDE-5-Hemmer auf den Markt kamen, das bekannteste dieser Medikamente trägt den Handelsnamen Viagra. Zu dieser Zeit – ich hatte 1996 dem Klinikbetrieb Ade gesagt und mich in München mit einer eigenen Praxis niedergelassen – war ich in der ganzen Stadt der einzige Arzt, der im Telefonbuch als Spezialgebiet »Sexualmedizin« angab. Bald jedoch erkannte ich, dass es in den wenigsten Fällen reicht, den Mann und seine Symptome zu behandeln: Er und seine Frau bilden ein System, wenn in diesem Störungen auftreten, dann muss das System therapiert werden. Deshalb bezeichne ich das, was ich mache, heute als »Partnerschaftsmedizin«. Dass dafür Bedarf besteht, zeigt mir nicht nur der Zulauf in meiner Praxis. Immer wieder bin ich verwundert, wie wenig Wissen in diesem so existentiellen Gebiet vorhanden ist. Das ist umso bedauerlicher – und gefährlicher –, als die Sexualität heute ja zum größten Teil von der Reproduktion befreit ist und fast alleine als Mittel zum Lustgewinn angesehen wird. Wenn jemand nun meint, er müsse mit möglichst vielen Partnern Sex haben, dann soll er das tun, darüber habe ich nicht zu richten. Aber zum Schutz seiner selbst und seiner Partner sollte man doch erwarten können, dass er Bescheid weiß über Hygiene, über sexuell übertragbare Krankheiten, über die Gefahren von Aids und HIV, und vor allem: wie er sich und andere vor solchen Erkrankungen schützen kann.

Natürlich sind die Geschichten in diesem Buch – hoffentlich – lustig, absurd und manchmal nur zum Kopfschütteln. Sie haben jedoch einen durchaus ernsten Hintergrund: Wenn jemand zum Arzt muss, dann ist etwas schiefgelaufen. Glücklicherweise sind Urologie und Sexualmedizin meistens in der Lage, schnell und effektiv zu helfen. Aber wäre es nicht besser, die Menschen wüssten ausreichend Bescheid, um gar nicht erst in solche Situationen zu kommen?

Neben diesen Fällen aus meiner Praxis, die kurzzeitig lästig, aber genauso schnell auch geheilt sind, gibt es auch andere, die komplizierter sind, weil es nicht nur darum geht, den Körper zu kurieren, sondern weil im Kopf, in der Psyche des Patienten etwas falsch gepolt ist. Glücklicherweise kann aber auch hier die Medizin oft rasch etwas bewirken. Bei der Erektilen Dysfunktion zum Beispiel befindet sich der Patient ja in einer Spirale der Angst und des Versagens: Einmal klappt es nicht mit der Erektion, beim nächsten Mal denkt er an nichts anderes, sodass wieder nichts geht, schließlich findet er sich damit ab, nun »impotent« zu sein. Oft reicht hier schon ein kleiner medikamentöser Anstoß, ein Erfolgserlebnis, zum Beispiel durch Viagra, und der Patient ist in der Lage, die Spirale zu verlassen, die ihn gefangen hielt. Manchmal allerdings, auch solche Geschichten gibt es in diesem Buch, haben sich falsche Vorstellungen so festgesetzt im Kopf eines Menschen, dass sie nicht mehr mit einer Tablette herauszubekommen sind – dann schicke ich ihn oder sie, sofern sie das wollen, weiter zu einem Psychologen oder Psychotherapeuten; in vielen Fällen können diese Fachleute dann, manchmal auch als Begleitung meiner Therapie, helfen.

Nun wünsche ich den Lesern dieses Buches zweierlei: zum einen natürlich Vergnügen und Unterhaltung bei den Einblicken in die manchmal skurrilen Abgründe der menschlichen Sexualität. Zum anderen aber: Erkenntnis, Selbsterkenntnis am besten darüber, wie unsere Sexualität funktioniert, wie sie uns antreibt und hindert, was wir besser machen können und was wir besser nicht mehr machen sollten. Verboten ist sowieso (fast) nichts, sofern nur ein jeder Hans zu dem, was er will, die passende Grete findet.

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RING OF PAIN

Ein stolzer Mann, ein starker Mann, ein Südländer – ein Spanier saß da mitten in der Nacht vor mir in der Ambulanz jener Klinik, in der ich damals arbeitete. Sein Blick allerdings war gerade dabei, von der Verzweiflung in die Panik zu kippen. Der Grund dafür war etwas tiefer an seinem Körper zu finden: ein glänzendes Ding aus zwei Millimeter dickem, solidem Stahl.

Der Spanier lebte mit Frau und Kind in Österreich, aber er kam viel herum als Kundendienst-Mechaniker einer Firma für Klimaanlagen. Dabei hatte er sich vor einiger Zeit in München ein Gspusi zugelegt. Die Liebschaft war zwar irgendwann eingeschlafen, aber jetzt hatte sie ihn angerufen, ob er nicht mal wieder vorbeikommen wolle, wenn er in der Stadt sei. Er erinnerte sich an den großartigen Sex, den er mit ihr gehabt hatte, und sagte zu.

Als er eintraf, hatte sie schon alles arrangiert: Kerzen, Prosecco, ein wenig Antipasti. Dass Alkohol nicht gerade potenzfördernd ist, daran dachte er nicht, und dass für Essen das Gleiche gilt, wusste er nicht: Wenn der Mensch mit der Verdauung beschäftigt ist, braucht er das Blut im Darm und hat nichts davon für andere Körperteile übrig. Trotzdem ging alles den Gang, den es gehen sollte, die Frau wurde »touchy«, und irgendwann wollte sie ihm an die Hose – jedoch nur um festzustellen, dass sich da leider nichts rührte: tote Hose im wahrsten Sinne des Wortes.

Diese peinliche Situation gerade beim ersten Mal kommt so häufig vor, dass die Wissenschaft sogar einen eigenen Begriff dafür geprägt hat – man spricht vom »First-Night-Effekt«, und der soll angeblich in 80 Prozent der Fälle für Enttäuschung statt Ekstase verantwortlich sein. Der Grund liegt meistens in viel zu hohen Ansprüchen des Mannes an die Situation und an sich selbst. Dann bemerkt er, dass das nicht so funktioniert, wie er sich’s vorgestellt hat, und schon geht sie los, die Spirale aus Angst und Versagen und Versagen und Angst …

Völlig falsch wäre es in dieser Situation, mit der Frau anzufangen zu diskutieren, sich zu entschuldigen und zerknirscht auf der Bettkante zu sitzen. Viel gescheiter: Der Mann könnte sich daran erinnern, dass es ja durchaus noch andere Methoden gibt, eine Frau zu befriedigen. Er wird in der überwiegenden Zahl der Fälle sehr viel später in der Nacht mit einer gewaltigen Erektion aufwachen, weil die Libido und die Lust ja nur verschüttet waren unter Nervosität und Angst – und die Frau wird sicher nichts dagegen haben, aufgeweckt zu werden von dem feurigen Liebhaber, auf den sie zuvor schon gehofft hatte.

Das alles wusste unser stolzer Spanier nicht. Er erinnerte sich aber an einen Freund, der ihm einige Zeit zuvor von einem sexuellen Erlebnis erzählt hatte, das durch die Verwendung eines Penisringes unvergesslich geworden war. Ein Penisring ist ein Accessoire zumeist aus Kautschuk, das an die Peniswurzel geschoben wird. Dort verhindert es, dass das Blut in den Schwellkörpern zu schnell wieder abfließt. Die Folge ist eine sehr viel länger andauernde und meistens auch härtere Erektion.

Nur: Wo ein solches Ding herbekommen mitten in der Nacht? Dem Mann fiel ein, dass er ja Handwerker war, er ging zu seinem Auto, um nachzuschauen, ob er dort nichts habe, was den gleichen Dienst erfüllen konnte. Er fand eine Schraubmuffe, wie sie zum Verbinden von Rohren verwendet wird – sie schien ihm geeignet. Die Geliebte war zunächst wohl ein bisschen irritiert, aber als sie sah, dass das Hilfsmittel offenbar seinen Zweck erfüllte, da war es ihr dann doch recht.

Nun also konnte geschehen, was den ganzen Abend schon hatte geschehen sollen, und es geschah. Es geschah auch noch ein zweites Mal, aber da bemerkte der Mann schon, dass er Schmerzen hatte, er kam auch nicht mehr zum Orgasmus, zudem bekam sein Penis eine unnatürliche rote Farbe, und die Eichel wurde weich. Kurz gesagt: Als er sich des stählernen Dings entledigen wollte, ging es nicht mehr ab. Denn dass der Penis, der unerigiert leicht durch den Ring passte, nun einiges an Durchmesser zugelegt hatte, das hatte der Mann nicht bedacht.

Andere Gedanken machen. Kalt duschen. Vaseline. Nichts half – der Ring saß fest. Das ist weniger lustig, als es sich anhört: Eine »Priapismus« genannte Dauererektion ist nicht nur äußerst schmerzhaft, sie kann auch, wenn sie länger als vier Stunden andauert, zur Schädigung der Schwellkörper führen, weil diese mit venösem, also sauerstoffarmem Blut gefüllt sind und deshalb nicht ausreichend arterielles Blut nachfließen kann. Bleibende Impotenz ist die Folge.

Der Spanier hatte zwei Stunden lang in Heimarbeit versucht, seinen Penis zu befreien. Dann endlich machte er sich auf den Weg in die Klinik, und die Angst um sein bestes Stück stand ihm ins Gesicht geschrieben. In solchen Fällen habe ich ein abgestuftes Behandlungsmodell zur Verfügung. Zunächst einmal versuchte ich – nachdem ich mich überzeugt hatte, dass alle manuellen Versuche aussichtslos waren – eine Punktion des Penis. Das heißt: Mittels einer Spritze zog ich dreimal 20 Milliliter Blut ab. Das nützte jedoch überhaupt nichts, wahrscheinlich weil mehr Blut nachfloss, als ich abziehen konnte. Der nächste Schritt war die Injektion eines sympathomimetischen Medikaments. Das bewirkt eine Verengung der Arterien, sodass die Blutzufuhr vermindert wird. Allerdings ist diese Therapie nicht ganz ungefährlich, denn durch die engeren Adern steigt der Blutdruck, er muss also genau beobachtet werden.

Aber auch das half nicht – der Penis blieb geschwollen und schaute wirklich nicht mehr appetitlich aus. Nun war guter Rat teuer, noch dazu, weil wir uns schon bedenklich jenen vier Stunden näherten, nach denen ernsthafte Schädigungen zu befürchten waren. Alle Zangen, Winkelschleifer und anderes Gerät, das in einer solchen Ambulanz zur Verfügung steht, hatten wir ausprobiert, ohne Erfolg, denn es war nicht möglich, ohne weitergehende Verletzungsgefahr zwischen Ring und Penis einzudringen. Da fiel mir glücklicherweise ein, dass in der Klinik auch eine zahnärztliche Ambulanz angesiedelt war und dass Zahnärzte mit sehr viel feineren Instrumenten hantieren und darin auch geübt sind. Ich rief den Kollegen an und schilderte ihm den Fall. Seine Reaktion schwankte zunächst zwischen Belustigung und Skepsis, schließlich konnte ich ihn aber doch vom Ernst der Lage überzeugen, und er kam mit einem Diamantbohrer herüber.

Ich weiß nicht, wer von beiden nervöser war: der Mann, an dessen Penis sich der Zahnarzt nun mit einem Gerät zu schaffen machte, das einige 10.000-mal in der Minute rotierte – oder der Kollege selbst, der sich ja vorstellen konnte, was geschehen würde, wenn seine Hand anfangen würde zu zittern. Beide schwitzten, aber nach einigen Minuten war der Ring durchgefräst und konnte endlich entfernt werden.

Ganz knapp hatten wir die vier Stunden unterschritten, und ich kam mir ein bisschen vor wie James Bond, der die Bombe ja auch immer erst wenige Sekunden vor der Detonation entschärft. Dennoch wollte ich natürlich wissen, ob wir den Mann vor bleibenden Schäden bewahrt hatten, und bat ihn, mich doch zwei Wochen später anzurufen. Das tat er dann auch und meldete freudigst: Alles in Ordnung, sein Penis arbeite wie gewohnt. Nur seine Freundin in München, die wolle er nicht mehr besuchen – die Lust darauf sei ihm gründlich vergangen.

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SO EIN HUND

Die Prostatavorsorge ist eine unkomplizierte Untersuchung, zu der sich jeder Mann spätestens ab dem 45. Lebensjahr einmal jährlich überwinden sollte: Der Arzt tastet mit dem Finger im After nach der Drüse (was deutlich weniger unangenehm ist, als es sich anhört) und kann bestenfalls schon dann Entwarnung geben, wenn er nämlich keine unnatürliche Vergrößerung oder Verhärtung feststellt. Sollte ihm doch etwas merkwürdig vorkommen, dann geben der Ultraschall, eine Urin- und eine Blutuntersuchung weiteren Aufschluss. Stellt sich dabei tatsächlich eine Erkrankung heraus, dann kann sie gut behandelt werden: Die gutartige Prostatavergrößerung betrifft eine ganze Menge Männer in fortgeschrittenem Alter; hier helfen Medikamente. Und wenn doch etwas Ernsteres vorliegt, dann ist es umso besser, je früher mit der Therapie begonnen wird.

Die Appelle zur regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung hatte sich auch ein 42-jähriger Landwirt zu Herzen genommen und einen Termin in meiner Praxis vereinbart. Seine Prostata war so weit in Ordnung – mir war aber eine halbrunde gerötete Stelle an seinem Po aufgefallen, keine richtige Wunde, aber doch etwas, was da nicht hingehörte. Auf meine Frage wollte er mir keine richtige Antwort geben, nur dass er es beim Sex gelegentlich etwas heftiger möge. Dabei ließ ich es dann auch bewenden.

Zehn Tage später war er aber schon wieder da – und dieses Mal zeigte er eine behandlungsbedürftige Wunde vor, ähnlich der, die mir beim ersten Mal schon aufgefallen war, dieses Mal aber an einer ungleich sensibleren Stelle: zwischen After und Hodensack, am sogenannten Damm, also gefährlich nahe an dem Körperteil, das die meisten Männer für ihr wertvollstes halten. Jetzt wollte ich es doch genauer wissen, und schließlich rückte er mit der Sprache heraus.

Seit einiger Zeit hatte er eine Freundin, 38 Jahre alt, die nicht nur über alles verfügte, was er sich an einer Frau erträumte – Sex-Appeal, Intelligenz, Humor –, sondern auch noch einen Hund besaß, einen Jack-Russell-Terrier, der gemeinhin als kühn und furchtlos, freundlich mit ruhigem Selbstvertrauen beschrieben wird. Dieses Selbstvertrauen hatte jedoch einen Knacks erlitten, seit sein Frauchen mit dem Landwirt liiert war und deshalb weniger Zeit für den Hund hatte. Zuvor war er, was Haustiere für Frauen ja oft sind, Freund, Vertrauter, Lebensinhalt.

Nun aber gab es jenen Mann – und der Hund reagierte fast menschlich, nämlich mit Eifersucht. Besonders wenn das frischgebackene Paar Sex hatte, gewann wohl der Beschützerinstinkt im Hund die Übermacht, er knurrte und kläffte, und ihn aus dem Schlafzimmer auszusperren nützte gleich gar nichts – dann veranstaltete er einen Radau, von dem das ganze Haus aufzuwachen drohte. Erst wenn er wieder hereindurfte und sah, dass es seinem Frauchen offensichtlich gut ging, beruhigte er sich wieder.

Aber nicht für lange – als Mann und Frau nach einigen Tagen mal wieder taten, was Frischverliebte halt so tun, begann der Hund, zu knurren und zu bellen, schließlich attackierte er den Mann sogar. Der fand das, gelinde gesagt, sehr irritierend. Seine Freundin aber missdeutete seine unkoordinierten Bewegungen, mit denen er dem Hund zu entkommen versuchte, als große Leidenschaft und wand sich unter ihm vor Lust.

Nun ist der Mensch nicht dafür geschaffen, unter Stress Sex zu haben – wenn die Situation gefährlich wird, dann pumpt der Körper sein Blut in die Organe, die er zum Überleben braucht, und in die Muskeln, um sich wehren zu können, das ist ein Mechanismus, der seit der Steinzeit und wahrscheinlich noch früher funktioniert: Wenn der Säbelzahntiger angriff, hatte der Urmensch genügend Probleme am Hals, da konnte er nicht auch noch an Sex denken. Ein Jack Russell ist natürlich deutlich ungefährlicher als so ein antiker Tiger, aber der Reflex ist der gleiche: wildes Tier, kein Sex. Und so ging auch zunächst mal nichts mehr bei meinem Patienten.