cover
T. Stern

A Fate of Growling & Hissing





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Titel

 

 

T. Stern

Handlung

 

Junis hatte es noch nie leicht. Gestraft als Spätzünder, was sein Naturell als Formwandler betrifft und noch dazu, ist er ‚nur‘ eine Katze.

Eric hingegen ist ein stolzer Wolf, mit einer leuchtenden Vorbestimmung. Sein Vater sieht ihn schon als seinen Nachfolger, als Alpha des Waldflussrudels, und an der Seite seines Sohnes eine Wölfin und Welpen.

Aber das Schicksal hat andere Pläne. Denn als der weiße Wolf Eric das schwarze Kätzchen Junis sieht … vereint es, was füreinander bestimmt ist, zusammen gehört und ein gemeinsames Leben teilen soll. Nur leider scheint ihrer beider Umfeld nicht gänzlich begeistert, von dieser schicksalhaften Fügung.

Als dann auch noch Junis Vergangenheit die beiden einholt … muss Eric ihrer beider Leben in die Pfoten nehmen.

Vorwort

Mit Eric und Junis in „A Fate of Growling and Hissing“ feiere ich meinen offiziellen Einstand im Bereich der Fantasy. Eigentlich das Areal, wo ich mich selbst am ehesten einsortieren würde. Nun habe ich es endlich gewagt.

Ich scheue nicht zu sagen, dass ich eine Inspirationsquelle hatte. Eine Kollegin, die mich mit ihren Wölfen gänzlich auf den Wolf gebracht hat. B. H. Bartsch mit ihrer wunderbaren Gay Fantasy Reihe. Im Reiter „Empfehlung“ findet ihr diese erwähnt.

Herauskam … das. Das, was du gerade in den Händen hältst. Eine Formwandler-Fantasy-Chaoskaterchen-Story. Mit etwas viel Drama, vielleicht. Also, es war nicht so geplant. Allerdings sind Pläne bei mir auch immer nur anfängliche Dekoration. Bei mir verpuffen Pläne irgendwie einfach. So … Piff und weg.

Dennoch muss ich gestehen, dass ich gerne an den beiden geschrieben habe und ich schon anfing sie zu vermissen, als ich das Wort ENDE getippt hatte.

Aber … nun hält das Schicksal von Officer Wuff mich auf Trab ^^ … doch das ist eine andere Geschichte.

In diesem Sinne wünsche ich euch einfach viel Vergnügen beim Abtauchen in meine kleine Welt, den Auftakt wahren Wahnsinns.

Und nehmt euch bitte Taschentücher mit … nur so für alle Fälle.

Danksagung

 

Hase & Hörnchen und Grace & Luca.

 

Zutiefst herzlicher Dank an die Test & Betagruppe: Diana B., Angelika J., Sabrina B., Ramona S., Traude P., Nakia S., Tirsi H., Bettina H. B., Diana W., Tanja B., Claudia M., Silke W., Anke L. und Sabine V. - fühlt euch bitte ganz doll gedrückt. Habt vielen Dank für eure Zeit, euer Engagement, eure Worte, Lob und anregende Kritik, viele Lacher, viele schöne Momente und … den Antrieb zur sportlichen Hochleistung am Ende. Danke für alles!

Diesmal gilt mein aufrichtiger Dank der wunderbaren, liebevoll verrückten „Traude Promont“, die sich des Chaos angenommen hat und in einem rasenden Tempo für ein wenig System, Ordnung und Fehlerfreiheit sorgte.

Sollten es dennoch Fehler ins Buch geschafft haben, so sind diese mein Verschulden.

 

Und wie eh und je lieber Leser natürlich dir, für deine Unterstützung. <3

Prolog

 Das Schicksal hat sich wohl etwas dabei gedacht, als es Eric ausgerechnet jetzt zu seinem Rudel zurückführte.

Ihm steht eine aufgabenreiche Zukunft bevor, wie jedem erwählten Wolf, der vom Schicksal bestimmt ist, der Alpha eines Rudels zu werden.

Erics Vater, derzeitiger Alpha-Wolf des Waldflussrudels, einem seit Jahrzehnten fest vereinten Familienverband aus überwiegend Timberwölfen, hat seinen Sohnemann nach einem Jahr Abwesenheit zurückbeordert.

Vorbei also die Freiheit, welche Eric in den letzten zwölf Monaten genießen konnte.

Man kann eben nicht vor seinem Schicksal fliehen, so sehr man das vielleicht auch möchte.

Nein. Eric scheut nicht die Verantwortung oder gar die Arbeit, die ein Alpha-Wolf hat. Vielmehr hat er versucht vor den Vorträgen seines Vaters zu fliehen, der natürlich auch eine strikte Vorstellung davon hat, wie das Rudel von seinem Sohn weitergeführt werden soll.

Als er vor drei Tagen in die Wildnis, den Schoß des Waldes zurückkehrte, war die Freude bei seiner Mutter und seinen Freunden größer, als bei seinem Vater. Der ließ sich nicht lumpen und fing bereits wenige Stunden nach Erics Rückkehr damit an, die im letzten vergangenen Jahr ausgefallenen Diskussionen nachzuholen.

Diese Gefechte, war und ist Eric leid.

Das Schicksal spielt in ihrer Kultur eine große Rolle. Auch gewisse Rituale sind durchaus über die Jahrzehnte erhalten geblieben.

Ein Alpha hat die Verantwortung für ein ganzes Rudel. Er muss Entscheidungen treffen, die über sein eigenes Leben hinausgehen. Um mit dieser Last nicht alleine zu sein, empfiehlt es sich, einen engen Vertrauten und eine Gefährtin an seiner Seite zu haben.

Die Hierarchie ist ein wenig anders, als bei normalen Wolfsrudeln, schließlich beherbergen sie auch einen großen Teil Mensch in sich.

Der Mensch hat andere Rituale, hier gewinnt nicht nur der Stärkste und wird Alpha, hier zählt vor allem, was für die Zukunft des Rudels getan wird. Kämpfe sind selten. Aber Existenzsicherung ist wichtig.

Eric weiß das alles. Er hat es Hunderttausendmal gehört. Es ändert allerdings nichts daran, dass er bisher nicht die richtige Gefährtin gefunden hat.

Da waren alle Versuche seines Vaters ihn zu verkuppeln und an die Wölfin zu bringen, vergebens. Bei Eric sprang der Funke bisher einfach nicht über.

Weder der auf menschlicher, noch der auf animalischer Ebene.

Es ist seltsam, aber Eric spürt, dass das Schicksal sich etwas dabei gedacht hat, ihm die Gefährtin noch nicht zu präsentieren.

Diesmal kehrte er mit einem seltsamen Gefühl zurück in die Bergwälder seiner Heimat.

Eine seltsame Schwere lastete auf seinem Herz. Und sie tut es noch immer.

Eric weiß, diesmal hat er nicht nur seine Freiheit in der Stadt zurückgelassen, sondern auch den letzten Funken an Unbeschwertheit.

Der Moment des Wandels naht unaufhörlich.

Die Zukunft wird sich offenbaren, das Schicksal sich zeigen und ihm, Eric, dem baldigen Alpha des Waldflussrudels, seine Vorbestimmung eröffnen.

Eric hofft, dass sein Schicksal nicht das verheißt, was er seit drei Jahren befürchtet. Nämlich, dass er sich dem Willen seines sturen Vaters beugen muss und jener ihn in ein aufgezwungenes Leben führt, welchem er sich fügen soll. Viel lieber möchte Eric an die alten Werte glauben und abwarten, was die Vorsehung für ihn bestimmt hat.

Bisher hielt sich Eric stets zurück, was etwaige Kämpfe um den Posten des Alphas betraf. Aus Respekt vor seinem Vater und dessen Leistungen dem Rudel gegenüber. Aber diesmal spürt er einfach, dass es so nicht weitergehen kann.

In Eric brodelt der Alpha und er will sich endlich in allen Belangen behaupten. Vor allem, vor seinem Vater. Eric will sein Schicksal erfüllen … und fordert es dazu heraus, endlich die richtigen Bahnen einzuschlagen.

Der letzte Streit macht ihm genau das auch wieder deutlich. Es kann nicht so weitergehen.

Zusammen mit seinem besten Freund Millow, der bereits jetzt die Rolle als engster Vertrauter eingenommen hat, da sie sich, seit sie Welpen waren, kennen, durchstreift Eric in animalischer Gestalt den dichten Wald. Abreagieren funktioniert immer noch am besten, wenn man jagen geht. Millows Nachwuchs wird das rohe Fleisch begrüßen, denn sie müssen lernen, frisch erlegte Beute zu fressen.

Langsam und gemächlich schreiten die Pfoten ihres Weges, hinterlassen kaum sichtbare Spuren im satten Moos, welches den ganzen Boden bedeckt. Kleine Äste knicken und knacken, als die Last der massigen Körper sie zerstört.

Aufmerksam überfliegen braune Augen die Umgebung, mustern jeden Busch, jeden Grashalm, jeden Ast, jeden Baum, denn auf der Suche nach einem Beutetier, ist es wichtig, mit allen Sinnen zu arbeiten.

Die Ohren lauschen und nehmen jedes kleine Rascheln wahr. Der Geruchssinn erfasst jede verräterische Nuance, die zu einem leckeren Essen führen könnte.

Abrupt stoppt der braune Wolf und neigt den Kopf hastig zur Seite, hört genauer hin und vernimmt erneut ein Geräusch, welches seine volle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es klingt, als würde etwas aufgebracht über den Boden springen. Vielleicht ein Karnickel, das mit einer Pfote in der Drahtschlinge einer Falle hängt?

Sein weißer Kollege gesellt sich dichter neben ihn und reckt die Nase in die Luft, versucht zu erschnüffeln, was heute noch auf dem Speiseplan der Welpen stehen würde.

Eigentlich konnte er sich auf seinen ausgeprägten Geruchssinn immer verlassen, aber gerade da schien er nicht spezifizieren zu können, was seine und die Aufmerksamkeit seines Begleiters erweckte. Es riecht nicht wirklich nach einem vertrauten Beutetier.

Skeptisch setzt er sich dennoch langsam in Bewegung und folgt einfach den lauten Geräuschen. Was auch immer sie verursacht ist sehr leichtsinnig. Jäger, wie man an ihm und seinem Begleiter erkennen kann, haben ein sehr leichtes Spiel die Ursache dafür zu finden.

Langsam schleichen beide Wölfe vorwärts und pirschen sich an, den Blick geschärft, den Atem schier angehalten, um sich nicht zu verraten und ihre Beute zu verschrecken.

Doch kaum haben die beiden eine sichere Position gefunden, aus welcher sie beobachten aber nicht entdeckt werden können, erstarren sie.

Der braune Wolf neigt sein Haupt leicht zur Seite und betrachtet, was sich vor ihnen abspielt.

Ein Blick sagt mehr als Worte es gekonnt hätten.

Ja, der Weiße versteht und dennoch kann er nicht wegsehen, sondern richtet den Blick sofort wieder zu dem vor ihnen stattfindenden Spektakel.

Es ist ein erheiterndes Schauspiel, dem beide mit wachsamen Augen folgen.

Da hüpft ein aufgebrachtes schwarzes Kätzchen wild über den Boden und hechtet, hetzt, jagt, springt und wirbelt einer Maus hinterher.

Dieses unscheinbare kleine, graue Tier flitzt flink über den Boden, durch das Moos, unter einigen Blättern hindurch, ab durchs Geäst, über kleine und große Steine und alles, was seiner Flucht im Wege ist.

Ein wenig wirkt es, als würde die Maus mit der Katze spielen. Jede normale Katze hätte das Beutetier schon lange gefangen und erlegt. Das Exemplar vor ihnen allerdings scheint, obwohl es anmutig und grazil ist, nicht besonders helle zu sein. Oder seine Fähigkeiten bei der Jagd sind einfach miserabel. Es würde zumindest erklären, warum die Maus vor der Katze fliehen kann. Immer wieder, wohlgemerkt.

Der ratlose Blick des weißen Wolfes trifft auf den aus braunen Augen. Sein Nebenmann, der braune Wolf, scheint ebenso nicht ganz zu begreifen, warum das Kätzchen die Maus nicht einfach erlegt.

So schwer kann das doch nicht sein. In seinem Kopf hat der Wolf schon viermal geschafft, die Maus zu fangen. Aber gut. Die Katze scheint damit so ihre Schwierigkeiten zu haben.

Und doch, beide Wölfe beobachten sie weiterhin. Warum?

Nun … zumindest der weiße Wolf kann dem Anblick der rabenschwarzen Katze nicht widerstehen. Es ist auf eine gewisse Art schon faszinierend, wie dieser komplett schwarze Miniaturpanther durch die Luft wirbelt, wenn er springt und Saltos schlägt. Mit welcher Eleganz die vier Pfoten immer wieder auf dem Boden aufkommen. Es wirkt, als habe die Katze einfach etwas Spaß.

Sich so etwas erlauben zu können … nun … der weiße Wolf erhebt sich, denn Spaß war ihm nicht vergönnt. Auch seinem Begleiter nicht. Beide sind eigentlich auf einer Jagdtour. Allerdings ist die Ausbeute bisher sehr überschaubar. Neben einigen zu jungen Hasen und einem Bären haben sie nichts gesehen.

Der Weiße ist einfach nicht bei der Sache und sein brauner Begleiter merkt das und nimmt es erstmal hin.

Das schwarze Bündel zu beobachten ist eine wunderbare Ablenkung und schafft es für ein paar Minuten, das Gemüt des Weißen zu erheitern.

Gerade will der weiße Wolf sich wegdrehen, erhebt sich sein braun befellter Begleiter etwas unvorsichtiger und lauter als sein Kollege, und schon hören sie ein durch Mark und Bein rauschendes Fauchen.

Irritiert richtet er den Blick wieder zurück und was er sieht, übertrifft das bisherige Amüsement.

Das schwarze Fellbündel, so klein es auch wirkt, stemmt alle vier Pfoten in den Boden, macht einen Katzenbuckel und sträubt das Fell, während es die beiden Wölfe anfaucht.

Bedrohlich? Nein. Nicht ein Stück.

Aber irgendwie … niedlich?

Just in dem Moment rennt die Maus ausgerechnet über die Pfote des weißen Wolfes, der sofort reagiert und gezielt nach dem Tier schnappt, es mit einem leichten Biss seines mächtigen Kiefers kurz und schmerzlos tötet.

Da steht er nun, der mächtige weiße Wolf mit einer Maus zwischen den Zähnen, gegenüber entspannt sich der Körper der schwarzen Katze. Hungrige goldene Augen sehen ihn an und er weiß nicht, ob das Knurren, welches er vernimmt, von der Katze oder ihrem leeren Bäuchlein kommt.

Der braune Wolf wendet sich ab und auf seinem Gesicht liegt wohl so etwas wie ein erheiterter Ausdruck.

Leise fiept der Weiße und macht zwei kleine, vorsichtige Schritte auf das schwarze Tier zu, welches fauchend zurückweicht und ihn aus großen Augen anstarrt.

Behutsam legt der Wolf die Maus auf den Boden, leckt sich das Maul und sieht ein letztes Mal in die überraschten, goldenen Augen des Kätzchens, ehe er sich ebenso umdreht und seinem Begleiter folgt.

Auf halber Strecke aber wirft er einen prüfenden Blick hinter sich und ist zufrieden, als er sieht, dass das Kätzchen sich gänzlich ausgehungert auf die Maus stürzt, und anfängt diese hastig kauend und wild schlingend, zu verspeisen. Als habe es schon lange nichts mehr zu fressen gehabt.

Irgendwas an dem Vierbeiner ist anders. Ein seltsamer Duft geht von dem schwarzen Tierchen aus. Einer, der seine Sinne betört und ihn irgendwie in einen magischen Bann zieht.

Dem Blick seines braunen Kollegen weicht er aus und rollt kurz mit seinen Augen.

Ja, er weiß, was dieser denkt. Aber er will nun nicht darauf eingehen, beschleunigt sein Tempo und trabt alsbald mit lockeren Bewegungen vorwärts, wohl wissend, sein Freund folgt ihm. Denn das tat der Braune immer.

Der Weiße hat ein gutes Herz und darin ist Platz für alle Lebewesen. Wenngleich einige davon auf seinem Speiseplan stehen. Aber so ist das nun mal. Er musste auch lernen, dass es manchmal unausweichlich ist, ein anderes Tier zu töten. Lieber er, als ein anderes Raubtier. Denn er tötet schnell und nur bei Bedarf. Andere töten aus Gefallen am Sterbeprozess. Der Mensch, zum Beispiel.

Den Kopf schüttelnd wird er erneut schneller. Sein brauner Freund ihm folgend, ebenso.

Ein wenig hat er die Natur und dieses Gefühl der Freiheit doch vermisst. Zumindest sein animalischer Teil.

Der weiße Wolf, Eric, ist endlich wieder zu Hause.

Und das Schicksal … nimmt seinen Lauf.

 

1. Eric

Der Weg durch die dichten Wälder führt uns auf den großen, breiten Fluss zu, der sich unermüdlich unterhalb der sich in die Höhe erstreckenden, südlichen Bergkette, entlang schlängelt.

Der strahlend blaue Himmel betont die leicht braungrauen Töne des Gesteins der Gipfel und die vereinzelten, weißen Wolken rauben diesem sonnigen Tag keinen Funken seiner Schönheit.

Die Sonne scheint und lässt alles in ihrem Glanz des Lichts erstrahlen, erzeugt ein wildes Funkeln auf der Oberfläche des Wassers, bringt die feinen Wirbel und aufmüpfigen Wellen der dahinplätschernden Wassermassen zum Glitzern.

Auf den ersten Blick beeindruckt das Gewässer nicht, doch ist es mit Vorsicht zu genießen. Denn es ist gefährlich. Im Kern fast vier Meter tief, durchsetzt von unzähligen rutschigen Steinen und scharfkantigen Felsen, welche bei einem Sturz, eine Bewusstlosigkeit oder schwere Verletzungen hervorrufen und damit verbunden, das sichere Ertrinken bedeuten können. Ganz abgesehen von der Strömung, die man oberflächlich gar nicht wirklich wahrnimmt, die aber immer vorhanden ist. Je nach Jahreszeit und Wasserspiegelhöhe, ist diese sogar noch variabel in ihrer Gefahr.

Für die geschickten und festen Pfoten von uns Wölfen, die wir geradewegs auf den Flusslauf zusteuern, ist jedoch kaum eine Gefahr vorhanden. Wir wuchsen hier auf. Den Fluss und die Umgebung kennen wir auswendig. Wir wissen, wo die Schwachstelle liegt, an der wir beinahe gefahrlos auf die andere Seite gelangen können. Natürlich muss man diese Stelle kennen und wissen, wie man sie nutzt. Fremden wird der Zutritt in den dahinter befindlichen, abgesicherten Waldkessel schier unmöglich gemacht.

Im Rücken gesichert durch eine kaum überwindbare Bergkette, von vorne durch den Fluss und ein dichtes, großes Waldareal geschützt, ist diese kleine Bucht der Heimatort eines der stärksten Wolfsrudel im Land.

Dem Jordisson Rudel.

Meinem Rudel.

Kaum haben wir den Fluss passiert, legen mein Begleiter und ich, die Beute aus unseren Mäulern vor uns auf den Boden. Ich richte den Blick neben mich, sehe, wie mein treuer Freund sich wandelt.

Ein faszinierender Prozess. Immer noch. Nach all den Jahren bin ich es immer noch nicht leid geworden, einer Wandlung zuzusehen. Die animalische Form weicht der menschlichen und offenbart einen vollkommen anderen Anblick, und ich weiß, im Grunde steht nach wie vor mein bester Freund vor mir – ob in Wolfsgestalt oder als Mann.

Das Auge Außenstehender wird den Unterschied niemals wahrnehmen. Sie sehen nur, was sie sehen können. Entweder den Menschen oder das Tier.

Doch mir genügt ein Blick in die Augen meines Freundes um ihn zu erkennen, egal, in welcher Gestalt er vor mir steht. Eine Gabe, die uns gegeben ist. Ebenso wie die gesteigerten Wahrnehmungssinne, die wir aus unserer animalischen mit in die humanoide Form nehmen.

Man nennt uns Formwandler, Gestaltwandler oder auch Metamorph.

Ich zähle ebenso dazu.

Mein Name ist Eric Jordisson. Ich bin der vierundzwanzigjährige Sohn des Alphas des Jordisson Rudels, besser bekannt als ‚Das Waldflussrudel‘. Meine Rolle in diesem Rudel ist … ja …

„Eric! Ich guck dir deinen Lümmel schon nicht weg“, belustigt sich mein bester Freund und grinst auf mich herab, der ich mich noch immer in meiner Wolfsform befinde.

Millow. Treuer und loyaler Freund. Wir kennen uns, seit wir Welpen waren, haben eigentlich unsere ganze Zeit gemeinsam verbracht. So etwas verbindet auch und natürlich hat es dazu geführt, dass er es ist, den ich mir als engsten Vertrauten erwählt habe. Sollte ich irgendwann wirklich der Alpha dieses Rudels werden, so wird Millow meine rechte Hand … meine rechte Pfote sein. Je nach Form.

Seinen Spruch nehme ich ihm nicht übel. Es würde mich eher verwundern, wenn er anders wäre. Millow eckt gerne an, durch seine aufgeweckte, freche Art. Nicht jeder Wolf kommt damit klar. Und erst recht nicht jeder Mensch. Ich habe mich nie daran gestört und um ganz ehrlich zu sein, habe ich es ein wenig vermisst.

Ich war ein Jahr lang weg, in der Stadt. Erst vor drei Tagen kam ich zurück. Das Rudel braucht mich. Hieß es.

Aber mittlerweile glaube ich eher, mein Vater braucht mich … um mal wieder seinen Frust über den unfähigen Sohn loszuwerden.

Ich gewähre meinem inneren Wolf den Rückzug und offenbare damit wenige Augenblick später, mein menschliches Erscheinungsbild.

Nackt. Wie wir es als Tiere eben auch sind.

Scham? Nein. Nicht im Rudel. Weder vor Mann noch vor Frau. Dennoch schleichen wir hier nicht pausenlos nackt herum. Es gibt gewisse Plätze, an denen Bademäntel oder gar Kleidung gelagert wird, wenn man sich spontan verwandeln muss oder will. Eigentlich beschränken sich solche Wandlungen immer auf ein vertrautes Areal, wo man seine Kleidung vorher ablegen, verstauen und zu einem späteren Zeitpunkt eben wieder anlegen kann.

Warum Millow sich schon hier gewandelt hat, muss einen Grund haben. Es ist außerhalb seiner Komfortzone und auch die meine liegt ein gutes Stück entfernt.

Dennoch habe ich nicht gezögert, es ihm gleichzutun. Warum nicht? Nun … eine weitere positive Sache, die sich entwickelt, wenn man sich an einen Freund bindet. Eine Art … sichtbare Aura. Man hat sie zu Familienmitgliedern, zu engsten Vertrauten und eben zur vom Schicksal bestimmten Liebe seines Lebens.

„Hör mal … ich weiß, du willst nicht darüber reden, aber ich sehe es als meine Pflicht es anzusprechen. Ich bin dein Freund und du der meine, das weißt du hoffentlich. Und doch stehe ich auch dem Rudel gegenüber in einer Pflicht – du verstehst.“

Natürlich verstehe ich. Das leidige Thema. Auch Millow macht sich langsam Gedanken deswegen. Kein Wunder. Wahrscheinlich ist mein Vater ihm während meiner Abwesenheit damit in den Ohren gelegen.

Dabei war ich doch zu Besuchen hier. Zum Beispiel vor drei Monaten, um meinem besten Freund und seiner Gefährtin zu gratulieren.

„Ich möchte dir keinen Vortrag halten, Eric. Das tut dein Vater zur Genüge. Ich mache mir nur Sorgen um dich. Sobald dein Vater oder jemand anderes dieses Thema anspricht, wird es immer offensichtlicher. Du strahlst diese bedrohliche Aura aus. Deine Abneigung, die Wut. Du sträubst das Fell wie ein auf Angriff gedrillter Wolf.“

Ja. Er hat Recht. Vor ihm streite ich es auch nicht ab. Ich vertraue Millow. Schon immer. Er kennt mich, weiß alles über mich und … durch die innige Bindung, die wir seit dem Welpenalter pflegen, kann er mich lesen und deuten wie ein offenes Buch.

Es wundert mich also nicht im Geringsten, dass er es von sich aus anspricht.

„Du wehrst dich gegen die Verpaarung. Seit Jahren schon, kämpfst du gegen deinen Vater und gegen jede Wölfin an, die er für dich als passabel erachtet. Das hat dich wohl so unter Druck gesetzt, dass du mittlerweile einfach nur noch die Zähne fletscht, wenn jemand das Thema nur anspricht. Ich möchte dir nicht sagen, dass du dir endlich eine Wölfin, eine Gefährtin suchen sollst … denn das Schicksal entscheidet, wann diese auftaucht. Die für dich bestimmte Seele irrt gerade auch noch unwissend über ihr Glück durch diese Welt. Du wirst sie schon rechtzeitig finden. Ich stehe also hinter dir, egal was kommt. Ob mit oder ohne Gefährtin. Du bist mein Alpha.“

Millow. Mein liebster Freund. Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber ich möchte selbst daran glauben, dass irgendwo da draußen die Seele herumirrt, die für mich bestimmt ist. Was ich allerdings so lange machen soll, bis es soweit ist, nun, daran möchte ich gerade nicht wirklich denken müssen.

„Ich danke dir, mein Freund“, sage ich, ringe mir ein Lächeln ab und er nickt mir zu, stemmt beide Hände in die Hüfte. Er hat sich verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Kein Wunder, denn in seinem Leben hat sich auch sehr viel verändert.

„Dennoch, das Schicksal sollte sich beeilen. Mein Vater ist kurz davor mir mein Schicksal vorzuschreiben. Meiner einjährigen Abwesenheit in der Stadt hat er auch nur unter dem nebensächlichen Vorwand zugestimmt, indem ich vorgab nach einer Gefährtin zu suchen. Wir wissen … das ich das nicht getan habe. Es scheint, als habe das Schicksal sein ganzes Potenzial an Glück und Liebe bereits an dich gegeben, mein Bester.“

Millow lächelt, denn er versteht mich. Aus eben diesem Grund verkneift er sich wohl auch ein Gegenargument. Denn es steht nicht mal annähernd zur Debatte, dass er unwahrscheinlich großes Glück hatte und hat, was seine Gefährtin betrifft.

Ja. Millow hat eindeutig seinen Teil zum Erhalt des Rudels beigetragen, ganz abgesehen davon, dass sich sein Schicksal wohl schon erfüllt hat. Zwar hat es ein wenig Hilfe meinerseits gebraucht, um die erwählte Wölfin ins Rudel zu holen, aber wenn ich mir den Erfolg ansehe, hat es sich gelohnt. Ich war es Millow einfach schuldig. Ich sah sein Glück und wusste … ich musste ihm helfen. Ihm und seiner geliebten Wölfin. Immerhin stand Millow mir auch immer zur Seite und tat sein Bestes, um auch mir zu ermöglichen, dass sich meine Vorbestimmung ohne Einwirkungen von außerhalb erfüllen konnte. Nun, leider schläft sie dabei wohl ein wenig ein. Ich habe ein komatöses Schicksal.

„Du hast eine wunderschöne Frau, eine starke Wölfin und zwei atemberaubende Welpen. Du bist ein richtiger Wolf geworden. Ich hingegen verkrieche mich in der Stadt und flehe mein Schicksal an, sich endlich zu offenbaren.“

Eine sanfte Geste lässt mich auf meine Schulter schauen, sehe ich Millows Hand, die dort weilt. Seine Finger üben sanften Druck aus und kurz darauf finde ich mich auch schon in seinem Blick wieder.

„Du bist der baldige Alpha dieses Rudels. Ob mit Gefährtin oder ohne ist mir dabei latent egal. Du hast genug Mühe und Arbeit gehabt, eine neue Zeit für unser Rudel einzuläuten. Eine Bindung zwischen unserem Dorf und der Stadt herzustellen, den Fortschritt endlich zu festigen, das ist vielen vor dir nicht gelungen. Dass du im ganzen letzten Jahr genau dafür gekämpft hast, scheint dein Vater gerne zu vergessen. Du hast das getan, was er seit Antritt seiner Alphazeit vergebens versuchte. Dass er diese dämliche Verpaarung dauernd über deine Leistungen stellt, behagt auch mir nicht, Eric.“

Millow schafft es immer wieder, mir in den dunkelsten Stunden ein Licht vor Augen zu führen. Wer, wenn nicht er, hat den Titel ‚Bester Freund‘ verdient?

„Du wirst die Richtige schon noch finden. Deine Gefährtin ist da draußen irgendwo. Oder dein Gefährte. Man weiß ja nie. Man steckt ja nicht drin.“ Das teuflische Grinsen auf den Lippen meines Nebenmannes beschert mir eine Gänsehaut und einen eiskalten Schauer, der mir über den Rücken jagt. Es dauert einen Moment, dann fange ich mich und knurre ihm entgegen: „Lass das bloß meinen alten Herrn nicht hören. Der steinigt mich und zwar ohne zu hinterfragen, ob da was Wahres dran ist.“

Gerade will ich mich bücken, um nach dem erlegten Hasen zu greifen, als mich Millow doch noch mal ablenkt.

„Weißt du an was ich gerade denken muss?“, fragt er mich und ich verharre in meiner Position und sehe ihn fragend an.

„Nein, an was denn?“, entgegne ich überrascht und beobachte die leichte Sorge in seiner Mimik.

„An das Kätzchen“, seufzt er leise und wirkt ganz schön geknickt. „Wir hätten es mitnehmen sollen. Alleine hat es kaum eine Chance, so verpeilt wie es war. Ganz schön mager war es. Ich kann diese goldenen Augen nicht vergessen, die so voller Freude waren … wegen einer Maus. Es ist bestimmt ein Stadtkätzchen. Entweder es hat sich verlaufen, oder wahrscheinlicher sogar, es wurde ausgesetzt. Chancenlos, in der freien Natur zu überleben. Nicht jeder kann in beiden Lebensräumen bestehen.“

Ich kann es. Ja. Aber kann es das Kätzchen?

Millows Worte bringen auch mich zum Grübeln. War es vielleicht falsch, das kleine Wesen zurückzulassen?

Wie groß muss der Hunger dieses kleinen Vierbeiners gewesen sein, wenn es vor lauter Fressen gänzlich seine Deckung hat fallen lassen? Vor allem wenn man bedenkt, wie es uns anfauchte, als es von uns Notiz nahm. Ein ungewöhnliches Bild war das.

Ja, nun muss auch ich an diese goldenen Augen denken. An den grazilen Körper, das glänzende, schwarze Fell. Die anmutigen und flinken Bewegungen … die dennoch nicht ausreichten, um die Maus zu fangen.

Das schwarze Stupsnäschen, die rosa Zunge, die darüber leckte, das Mäulchen schleckte, als ich die Maus hinlegte. Ausgehungert. Die kleine Katze hat kaum eine Chance.

Zwar wimmelt es im Wald vor Ratten und Mäusen … aber leider sind die Jagdtalente des Miniaturpanthers ja nicht gerade die besten gewesen. Und die Gefahr lauert überall. Es gibt auch andere Jäger. Und manche scheuen nicht davor zurück selbst Tiere zu erlegen, die nicht zwingend zur natürlichen Flora und Fauna eines Waldes gehören, denn gerade solche sind leichte Beute.

Außerdem haftete dem fremden Tier ein sehr eigener Geruch an. Etwas Liebliches, was meiner Nase schmeichelte. Ungewöhnlich. Ich habe noch nie so einen einnehmenden Geruch wahrgenommen.

Aus meinen Gedanken werde ich gerissen, als das leise Fiepen kampferprobter Miniwölfe mein Gehör erreicht. Ich blicke auf und sehe zwei kleine Welpen auf uns zustürmen.

Beide gerade mal drei Monate alt, aber schon kräftig und stark. Kleine Jäger. Die zu Beginn so kleinen, zarten Wölfchen hatten sich gut gemacht. Ana war eine aufopfernde Mutter. Sie tat alles für ihre Welpen. Und es hatte sich ausbezahlt.

Die kleinen Pfötchen fliegen schier über den Boden und voller Freude stürmen die beiden braunen Wölfchen auf ihren Vater zu. Niemand Geringeren als Millow.

„Angelina! Robin! Nicht so stürmisch, ihr stolpert nur wieder über eure eigenen …“

Ich kann gar nicht hinsehen, denn das Übel ist greifbar … autsch!

Schon schlagen die kleinen Welpen Purzelbäume und landen sitzend, schauen verwirrt drein, murren unzufrieden, schütteln kurz ihre Köpfchen, stehen auf und düsen weiter, als wäre nichts gewesen.

„ … Pfoten.“ So vollendet Millow seinen Satz, wirft mir einen kurzen Blick zu, zwinkert keck und nimmt seine animalische Form wieder an, schnappt sofort nach den von uns beiden erlegten Hasen und bringt diese zu seinen beiden kleinen Nachkömmlingen. Denen folgt niemand Geringeres als Millows Gefährtin, das Muttertier.

Ana. Einst eine fremde Wölfin. Aus einem anderen Rudel, aus einem anderen Land. Sie schien damals keinen wirklich festen Platz zu haben, irrte von Stadt zu Stadt auf der Suche nach ihrem Gefährten. Als sie sich in den Wäldern hier herumtrieb, war es Millow, der sie angriff … und von ihr mit der Nase tief ins Moos gedrückt wurde.

Es war wohl Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden. Zuerst auf animalischer Ebene und dann auch auf menschlicher.

Ich engagierte mich für Anas Aufnahme ins Rudel. Zuerst war mein Vater dagegen, ich verstand nicht warum. Den geistigen und verbalen Kampf gegen ihn, dem Alpha, zu führen, war nicht leicht. Letztlich verhalf mir das Argument, dass auch ich kein reiner Timberwolf bin, da meine Mutter eine Tundrawölfin ist, zum Sieg. Ana, die russische Wölfin, wurde akzeptiert und Millow band sich an sie. Und vor drei Monaten krönte der erste Wurf Welpen ihre Liebe.

Seufzend verfolge ich Millow, der zu Ana geht, dieser sofort die Beute präsentiert und dafür einen herzlichen Kopfschmeichler erhält.

Es wäre schon schön, jemanden zu haben, der zuhause auf einen wartet und einen dann so verwöhnt. Aber leider …

Das Schicksal wird geschrieben, sobald das Leben mit dem ersten Atemzug beginnt. Dieses Dorf, bestehend aus ungefähr vierzig Häusern und Höhlen, ist meine Heimat. Ich bin mit diesem idyllischen Ort verbunden, weil das Schicksal es so beschlossen hat. Nicht jeder hier geborene Wolf ist auch hiergeblieben. Manche hat es weggezogen. Ihr Schicksal offenbarte andere Wege, als die zuvor vermuteten.

Mein Vater differenziert das Schicksal ein wenig. Er sieht mich als seinen Nachfolger, da es so vorbestimmt sei, doch er tut sich schwer damit, zu akzeptieren, dass ich auf mein Schicksal vertraue, was das Finden einer Gefährtin betrifft. Ich sträube mich gegen ihn, da ich sein Eingreifen als störend empfinde, flüchte ein wenig, um den leidlichen Diskussionen aus dem Weg zu gehen.

Früher oder später aber wird es zu einer Kollision kommen. Um meinen Posten als Alpha antreten zu können … werde ich meinen Vater von seinem Thron stoßen müssen. Und so langsam brennt alles in mir danach, genau das zu tun.

Die Überzeugung mein Rudel führen zu können ist im letzten Jahr gewachsen.

Die Hitze, die meinen Körper wie eine Wallung heimsucht, lässt mich keuchen. Der Alpha brennt sich langsam aber sicher immer tiefer in mein Denken.

Auf Dauer bereitet auch das mir ein wenig Kopfschmerzen. Es ist ein Prozess und bald wird er abgeschlossen sein. Meine animalische Seite wird dann dominanter und ich werde den Konflikt zu meinem Vater suchen, um ihn in die Knie zu zwingen. Ja.

Ich spüre einen schier stechenden Blick auf mir ruhen und spitzle vorsichtig in die Richtung, aus der ich diesen vermute. Es offenbart sich mir niemand Geringerer als mein Vater.

Dieser steht erhaben, den Kopf hochgezogen, die Körperhaltung voller Spannung und Stolz, an seinem Stammplatz nahe dem Haus, in welchem ich aufgewachsen bin.

Alleine der Blick suggeriert mir den Druck der Erwartungen, welcher seit Jahren von seiner Seite aus, auf mir lastet. Von mir wird erwartet, dass ich mich dem beuge, was er als mein Schicksal erachtet. Eine Gefährtin nehmen und Nachkommen zeugen. Danach erst wird er mich als Alpha akzeptieren.

Es ist schwer. Wer nicht in dieser Lage steckt, wird kaum verstehen, wie ich mich fühle.

Er ist mein Vater und hat viel für dieses Rudel getan. Natürlich würde es mich freuen, wäre er mal stolz auf mich. Aber ich habe es nie von ihm erwartet.

Ich weiß, dass ich das Rudel führen kann. Ich zweifle lediglich daran, dass ich es nur dann kann, wenn ich eine Gefährtin habe. Ich muss mich nicht binden, um meine Kraft entfesseln zu können. Oder?

Ich bin es leid und des Themas an sich müde. So oft habe ich es gewälzt und danach sinnlose Diskussionen mit meinem Vater geführt. Meine Mutter versteht uns beide. Ich bin immer noch überzeugt, dass eigentlich sie die Alphawölfin dieses Rudels ist. Ihre Herzlichkeit und Liebe hält hier alles zusammen.

Mit einem sanften Lächeln wandle ich meine Gestalt und ziehe mich zurück. Ich muss meinem Vater aus dem Weg gehen … wieder mal.

Den Weg, den ich gerade eigentlich erst gekommen bin, gehe ich zurück. Kaum über den Fluss auf der anderen Seite kommen mir Millows Worte wieder in den Sinn.

Das Kätzchen mit den goldenen Augen.

Dieser feine, liebliche Duft. Die Wärme, die mich innerlich erfüllte.

Ich muss diesen Miniaturpanther finden, hoffe einfach, das Tier ist noch da, damit ich ihm irgendwie helfen kann.

Während ich so dem Weg folge, meine Pfoten das sanfte Moos spüren, ich berauscht werde durch die Geräuschkulisse des Waldes, das sanfte Wiegen der großen Tannen, das leise Rascheln der Laubbäume, das Singen der vielen Vögel, spüre ich die Leichtigkeit der Freiheit langsam zurückkehren.