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Nr. 56

 

Kampf der Immunen

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Immer noch zieht der mysteriöse Schwarm durch die Milchstraße; aufgrund der Strahlungswelle, die das kosmische Gebilde aussendet, werden die Bewohner der Galaxis in den Zustand der Verdummung versetzt. Auf zahllosen Welten herrschen Chaos und Verzweiflung. Nur wenige Immune gibt es, darunter Perry Rhodan, die terranischen Mutanten und die Zellaktivatorträger. Gemeinsam nehmen sie den Kampf gegen das grausame Schicksal und die unheimlichen Fremden auf, die den Sternenschwarm lenken.

 

Mit einem kleinen Raumschiff, der GOOD HOPE, und einer verzweifelten Gruppe von Gefährten folgt Perry Rhodan den Schiffen des Schwarms. Die Terraner erleben, wie die Besatzungen der Raumschiffe die Bevölkerung ganzer Welten auslöschen.

 

Die Mannschaft der GOOD HOPE wird zu ohnmächtigen Zeugen des Vernichtungszuges. Der Menschheit bleibt nur die Hoffnung, einen Schwachpunkt der Eroberer ausfindig machen zu können. Überall kämpfen Immune verzweifelt um das Überleben der galaktischen Zivilisationen ...

Vorwort

 

 

Wie versprochen, bietet der vorliegende 56. Band der PERRY RHODAN-Bibliothek die Gelegenheit zum Kennenlernen solch faszinierender, neuer Serienfiguren wie Sandal Tolk, der CheF, Tatcher a Hainu und Dalaimoc Rorvic. Weitere werden folgen, doch bereits sie bedeuten ein Stück neuer PERRY RHODAN-Geschichte. Ich meine, ihre besondere Art der Charakterisierung durch die Autoren beweist, mit wieviel Elan die PR-Schreiberlinge an den Schwarm-Zyklus (und ans zweite Halbtausend) herangegangen sind.

Um dies schnellstmöglich genießen zu können, soll diesmal das Vorwort auch gar nicht lange vom Lesegenuss abhalten, sondern nur noch verraten, welche Originalromane in diesem Buch enthalten sind, und zwar:

Die Ausgestoßenen (510) und Die Wächter der Einsamkeit (515) von William Voltz; Das Volk der Sklaven (511) und Sandal, der Rächer (516) von Hans Kneifel; Ein Platz für Verdammte (513) von Ernst Vlcek und Notruf des Unsterblichen (517) von Clark Darlton.

 

Ich bedanke mich wieder bei allen Lesern, die mit ihren Kritiken und wertvollen Anregungen maßgeblich zur Gestaltung der PERRY RHODAN-Buchreihe beitragen – auch wenn nicht alle Wünsche immer realisiert werden können.

 

Horst Hoffmann

Zeittafel

 

 

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe der arkonidischen Technik Einigung der Menschheit und Aufbruch in die Galaxis.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten Bedrohung durch die Posbi-Roboter und galaktische Großmächte wie Akonen und Blues.

2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel.

2435 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 Sieg über die Erste Schwingungsmacht.

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben.

3430 – Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Rhodan das Solsystem in die Zukunft versetzen. Bei Zeitreisen lernt er den Cappin Ovaron kennen.

3437/38 – Expedition mit der MARCO POLO in die Cappin-Galaxis Gruelfin. Ovaron wird von der Urmutter als Ganjo identifiziert. Der Riesenroboter opfert sich beim Kampf um das Solsystem selbst. Der Planet Pluto wird dabei zerstört.

3441 – Die MARCO POLO kehrt nach zeitlicher Verzögerung in die Milchstraße zurück; man findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Ein mysteriöser Sternenschwarm dringt in die Galaxis ein.

Prolog

 

 

Als Perry Rhodan Mitte des Jahres 3441 mit der MARCO POLO von Gruelfin in die Milchstraße zurückkehrt, findet er eine ihm fremd gewordene Galaxis vor. Mit Ausnahme relativ weniger Immuner sind alle Intelligenzen verdummt – auch auf Terra herrscht das Chaos. Verantwortlich für die Verdummung ist die Veränderung der galaktischen Gravitationskonstante durch die Vorhut eines ungeheuerlichen Gebildes aus Sternen, Planeten und Raumfahrzeugen, das sich über Tausende Lichtjahre ausdehnt und mit Transitionen in die Milchstraße hineinbewegt: der Schwarm!

Doch nicht nur vom Schwarm und seinen unbekannten Lenkern und Völkern droht Gefahr. Während Rhodans Abwesenheit hat sich eine Gruppe von Menschen in die Öffentlichkeit geschoben, die sich selbst als Homo superior bezeichnet, die nächste Stufe menschlicher Evolution. Die Angehörigen des Homo superior sind ebenfalls immun gegen die Verdummungsstrahlung und nutzen diesen Umstand aus, um die Abkehr von aller Technik und den bedingungslosen Pazifismus zu predigen.

Perry Rhodan schafft es, ein Stillhalteabkommen mit den Sprechern der Superiors zu schließen, um den Rücken frei zu haben für eine Expedition zum Schwarm. Mit dem Kreuzer GOOD HOPE II will er dessen Geheimnis ergründen und letztlich dafür sorgen, dass in der Milchstraße wieder normale Verhältnisse einkehren.

Reginald Bull versucht unterdessen, mit der INTERSOLAR so viele Immune wie möglich aufzulesen, denn nur mit ihnen kann den von der Verdummung Betroffenen geholfen werden.

Niemand ahnt, dass es auch immune Menschen gibt, die ihre eigenen Ziele verfolgen – und die zum Aufstand bereit sind ...

1.

 

Oktober 3441

Schwarm

 

 

Als Alaska Saedelaere die Zentrale betrat, war auf dem Panoramabildschirm ein seltsames Gebilde zu sehen. Es war eine etwa zwanzig Kilometer durchmessende Scheibe, über der sich ein halbkugelförmiger Energieschirm spannte. Auf der »unteren« Seite war die Scheibe glatt und in Dunkelheit gehüllt. Unter dem Energieschirm schienen mehrere Atomsonnen zu glühen. Schattenhaft waren die Umrisse von Bergen (oder Gebäuden) zu erkennen.

Saedelaere trat näher an die Kontrollen heran. Er wusste, dass dieses Gebilde den Alarm ausgelöst hatte.

Ohne mit jemand gesprochen zu haben, ahnte Alaska, dass dieses Ding zum Schwarm gehörte. Abgesehen von den Manips hatten sie bisher noch nichts gesehen, was aus dem Schwarm gekommen war, deshalb war dieses Zusammentreffen um so erregender.

Alaska schätzte, dass die GOOD HOPE II im Augenblick ein halbes Lichtjahr vom Randgebiet des Schwarms entfernt war. Auf den Bildschirmen war der Schwarm deutlich zu sehen.

Perry Rhodan saß im Pilotensitz, Icho Tolot stand hinter ihm. Der Haluter trug die Kette, die ihn vor der Verdummungsstrahlung schützte.

Auf der anderen Seite der Kontrollen saßen Fellmer Lloyd und Merkosh. Der Gläserne war im Sessel zusammengesunken und schien zu schlafen. Saedelaere wusste jedoch, dass diese Haltung tiefe Nachdenklichkeit andeutete.

Alaska trat hinter den Sitz von Lord Zwiebus. »Schon etwas erfahren?«, flüsterte er.

Zwiebus strich sich über die dunklen Haare. »Das Ding kommt aus dem Schwarm. Perry Rhodan vermutet, dass es ausgestoßen wurde.«

»Weshalb?«

Lord Zwiebus brummte vor sich hin.

»Sprechen Sie deutlicher!«, ermahnte ihn Alaska.

»Die Manips treten in Schwärmen auf, aber dieses Ding kam allein. Außerdem wirkten alle Manöver, die wir bisher beobachtet haben, mehr oder weniger hilflos, woraus sich auf eine Verwirrung der Besatzung schließen lässt.«

Saedelaere sah jetzt, dass die Bilder auf dem Panoramaschirm von der Fernortung übertragen wurden. Die Scheibe war also noch weit von der GOOD HOPE II entfernt.

»Wir hatten diesmal Glück«, bemerkte Fellmer Lloyd. »Wir hätten genausogut auf der anderen Seite des Schwarmes stehen können, dann hätten wir die Scheibe nie entdeckt.«

»Vielleicht ist es kein Zufall«, meinte Rhodan.

Die anderen blickten ihn fragend an.

Rhodan lächelte. Obwohl er einen Zellaktivator trug, waren die Strapazen der letzten Wochen nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Tiefe Linien hatten sich in sein Gesicht gegraben. Die Augen wirkten größer, und um die Lippen hatten sich mehrere Fältchen gebildet. Saedelaere fragte sich, was in diesem Mann vorgehen mochte, der nun mit ansehen musste, wie das Solare Imperium zerfiel.

»Vielleicht«, fuhr Perry Rhodan ruhig fort, »haben die Herren des Schwarmes das Ding absichtlich hier und jetzt ausgestoßen.«

»Daran glaube ich nicht«, dröhnte Tolots Stimme durch die Zentrale. »Bisher haben die Fremden durch nichts zu erkennen gegeben, dass sie Kontakt mit uns aufnehmen wollen. Warum sollte das plötzlich anders sein?«

»Jeder kann seine Meinung ändern«, sagte Lloyd. »Auch die Unbekannten.«

In der Zentrale der GOOD HOPE II trat einen Augenblick Stille ein.

GOOD HOPE II!, überlegte Alaska Saedelaere ironisch. Wer an Bord hatte schon noch Hoffnung, dass sich die Situation ändern würde? Sie arbeiteten verbissen und entschlossen, aber die Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen war nicht nur unterschwellig spürbar.

Die letzten Tage und Wochen waren ein Wirbel an Ereignissen gewesen, die sich kaum noch ordnen ließen.

Lord Zwiebus blickte zu dem Transmittergeschädigten hoch. »Vielleicht ist es eine Falle!«

»Eine Falle?«, wiederholte Saedelaere. »Glauben Sie wirklich, dass man sich im Schwarm an einem so kleinen Schiff stört? Sicher würde man nicht einen solchen Aufwand treiben, wenn man die GOOD HOPE II zerstören wollte.«

»Das ist richtig!«, gab Lord Zwiebus zu. »Trotzdem kann es eine Falle sein.«

»Zwiebus hat recht!«, stimmte Rhodan zu. »Wir werden deshalb mit der GOOD HOPE II der Scheibe fernbleiben.«

»Aber es ist eine einmalige Chance, etwas über den Schwarm zu erfahren«, sagte Ras Tschubai erregt. »Wenn Gucky und ich ...«

»Nein!«, lehnte Rhodan ab. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Ras.«

»Merkst du nicht, dass wir so bei ihm nicht ankommen?«, fragte Gucky, der auf Tschubais Knien saß. »Er braucht uns noch für wichtigere Aufgaben. Das glaubt er jedenfalls.«

»Sei still, Kleiner!«, befahl Rhodan. Niemand an Bord der GOOD HOPE II wusste, welche Gefahren in der Nähe der Scheibe existierten. Deshalb wäre es unverantwortlich gewesen, das Leben der beiden Teleporter zu gefährden. Rhodan wollte Gucky und Ras erst dann einsetzen, wenn es ihnen gelingen sollte, in den Schwarm einzudringen. Doch daran war jetzt noch nicht zu denken.

»Wir werden es mit einer Space-Jet versuchen«, entschied Rhodan. »Sie kann sich vorsichtig der Scheibe nähern. Alaska und Fellmer werden an Bord sein. Alaska, sind Sie einverstanden?«

»Natürlich«, sagte der Mann mit der Maske überrascht. Er schaute forschend zu Lloyd hinüber. Er ahnte, warum Rhodan den Telepathen als Begleiter für ihn ausgesucht hatte. Lloyd konnte mit seinen parapsychischen Fähigkeiten am ehesten feststellen, ob jemand unter dem Energieschirm über der Scheibe lebte.

Saedelaere wollte etwas sagen, schwieg aber, als von der noch sehr weit entfernten Scheibe neue Ortungsimpulse aufgefangen wurden.

»Etwas geschieht dort!«, stellte Rhodan fest. »Schade, dass wir nicht näher dran sind, dann könnten wir vielleicht Einzelheiten feststellen.«

Die Ortungstechniker bemühten sich, aber es war nicht genau feststellbar, was in der Nähe der Scheibe geschah. Der angepeilte Energieausstoß schien jedoch darauf hinzudeuten, dass bestimmte Energieanlagen des Objektes zu arbeiten begonnen hatten.

Etwas war aus dem Schwarm gekommen – oder, wie Rhodan glaubte, ausgestoßen worden.

Wenn die Theorie stimmte, dass der Schwarm aus unermesslichen Fernen kam, stammte vielleicht auch diese Scheibe aus diesem Gebiet. Aus einer fernen Galaxis oder vielleicht sogar aus einem anderen Universum.

Wieder wurde sich Saedelaere der völligen Fremdartigkeit des Eindringlings bewusst. Auf der Erde gab es eine Gruppe von Wissenschaftlern, die ernsthaft darüber diskutierten, ob es sich bei dem Schwarm vielleicht um ein Naturereignis handeln könnte. Sie wiesen darauf hin, dass ausgerechnet zum Zeitpunkt des Auftauchens der Unbekannten auch der Homo superior auf der Bildfläche erschienen war. Der Homo superior, so argumentierten die Forscher, war eine Schutzvorkehrung der Natur, die das Auftauchen des Schwarmes einkalkuliert hatte. Das konnte jedoch nur bedeuten, dass der Schwarm oder etwas Ähnliches schon einmal durch die Galaxis gezogen sein musste.

Diese Theorie erschien Saedelaere so richtig oder so falsch wie alle anderen, die sich mit dem Problem des Schwarmes befassten. Jede Erklärung konnte richtig sein. Sein eigenes Schicksal machte Saedelaere mehr als deutlich, dass oft unvorstellbare Dinge geschahen.

»Kommen Sie, Alaska«, drang Lloyds Stimme in seine Gedanken. »Wir wollen uns vorbereiten.«

Sie gingen nebeneinander in den Antigravschacht hinein und schwebten zu den Hangars hinab.

 

Das aus dem Schwarm gekommene Gebilde hatte seine Position nur unwesentlich verändert. Die Ortungsimpulse schwankten noch immer. Wenn jemand in oder auf der Scheibe lebte, schien er sich nicht darüber im klaren zu sein, was jetzt zu tun war. Diese Unschlüssigkeit konnte natürlich auch eine Täuschung sein.

Senco Ahrat, Erster Emotionaut an Bord der GOOD HOPE II, nahm die SERT-Haube vom Kopf. Er wurde von Mentro Kosum abgelöst.

Joak Cascal, der den Vorgang beobachtet hatte, sagte zu dem neben ihm stehenden Icho Tolot: »Zumindest hätte der drittbeste Pilot an diesem Einsatz teilnehmen müssen.«

»Und Sie glauben, dass Sie das sind?«, fragte der Haluter dröhnend.

Cascal grinste schief. »Man hat es mir oft genug gesagt!«

»Verschwenden Sie Ihr Talent nicht an Icho Tolot«, sagte Toronar Kasom. »Er kann die Doppeldeutigkeit Ihrer Worte nicht erkennen.«

»Da entgeht ihm aber sehr viel«, meinte Cascal.

»Vielleicht haben Sie später noch Gelegenheit, Ihre hervorragenden Fähigkeiten unter Beweis zu stellen«, mischte Atlan sich ein. »Wenn diese Scheibe so interessant ist, wie sie auf den Ortungsschirmen aussieht, wird Saedelaeres Besuch bestimmt nur der erste sein.«

Cascal verbeugte sich mit einem Lächeln. »Ich bedanke mich für Ihre trostreichen Worte, Lordadmiral.«

Das Gespräch verstummte, als auf einem Bildschirm das von der Maske bedeckte Gesicht Saedelaeres erschien.

»Wir bitten um Starterlaubnis.«

Rhodan schaute zu Kosum.

»Alles in Ordnung!«, erklärte der Pilot.

»Starterlaubnis wird erteilt!«, rief Perry.

Die Hangarschleuse öffnete sich. Wenige Augenblicke später erschien die diskusförmige Space-Jet auf den Bildschirmen in der Zentrale.

»Da fliegt sie!«, sagte Senco Ahrat nüchtern.

In der Zentrale der GOOD HOPE II wuchs die Spannung. Würde jetzt endlich eine Kontaktaufnahme mit Bewohnern des Schwarmes gelingen?

 

Saedelaere meldete sich, als das Funkgerät summte. Lordadmiral Atlans Gesicht blickte ihm entgegen. Der Arkonide gab neue Auswertungsergebnisse durch und befahl der Space-Jet-Besatzung, sich der Scheibe nur mit äußerster Vorsicht zu nähern und im Falle eines Angriffs sofort umzukehren.

Dann wurde das Gespräch abgebrochen.

Alaska konzentrierte seine Gedanken auf das fremdartige Gebilde, dem sie sich näherten.

»Wollen wir landen, wenn es eine Möglichkeit dazu gibt?«, fragte er nach einer Weile.

»Das hängt von den Umständen ab«, erwiderte Fellmer Lloyd ausweichend.

Als die Hälfte der Strecke zurückgelegt war, meldete sich die GOOD HOPE II abermals über Funk. Diesmal erschien Rhodans Gesicht auf dem Bildschirm der Funkanlage.

»Können Sie schon Einzelheiten erkennen?«, fragte Rhodan.

»Nicht mehr als von Bord der GOOD HOPE aus«, antwortete der Transmittergeschädigte. »Natürlich wirkt alles größer, aber der Energieschirm über der Scheibe lässt keine gute Beobachtung zu. Es sieht jedoch so aus, als befände sich unter diesem Schirm eine Landschaft. Es gibt mindestens zwei künstliche Sonnen.«

Als die Space-Jet noch fünfzig Millionen Kilometer von der Scheibe entfernt war, geschah etwas Ungewöhnliches. Der Energieschirm war jetzt deutlich zu sehen. Aus diesem Schirm schien langsam ein kleiner Körper auszutreten.

»Da kommt etwas heraus!«, rief Lloyd warnend.

Die beiden Männer an Bord beobachteten die Ortungsgeräte.

Sie sahen, wie ein schalenförmiges Gebilde von etwa fünfzig Meter Durchmesser aus dem Schirm in den Weltraum glitt. Der Schirm schloss sich hinter ihm, als hätte es nie eine Lücke gegeben.

»Haben Sie einen Strukturriss erkennen können?«, wandte Saedelaere sich an den Telepathen.

Lloyd schüttelte den Kopf.

»Es war etwas anderes, aber das Ding kam einwandfrei heraus. Es ist ein Flugkörper.«

Von Bord der GOOD HOPE II aus hatte man den Vorfall ebenfalls beobachtet, wenn auch nicht mit der Deutlichkeit, mit der ihn die Besatzung der Space-Jet erlebte.

Rhodan warnte Saedelaere: »Passen Sie auf, dass man Sie nicht angreift.«

Alaska beobachtete den neu aufgetauchten Flugkörper eingehend. Das Ding sah plump aus. Die hohle Rundung der Schale schien mit irgend etwas beladen zu sein. Der Flugkörper entfernte sich langsam von der Scheibe, schlug aber nicht die Richtung zur Space-Jet ein.

»Ich glaube nicht, dass dieses Manöver uns gilt«, erklärte Saedelaere gedehnt. »Was halten Sie davon, Lloyd?«

Der Mutant zog es vor zu schweigen.

Als sich der schalenförmige Flugkörper etwa fünftausend Kilometer von der Scheibe entfernt hatte, kippte er seinen Inhalt in den Weltraum.

»Ein Müllschiff!«, rief Saedelaere überrascht. »Es hat Abfälle aus dem Gebiet unter dem Energieschirm in den Weltraum transportiert und dort ausgeleert. Vermutlich kehrt es jetzt zurück.«

»Sie haben recht«, stimmte Lloyd zu. »Das Auftauchen dieses Dinges hat bestimmt nichts mit unserer Annäherung zu tun.«

Alaska gab eine entsprechende Nachricht an die GOOD HOPE II.

Wie er vorhergesagt hatte, kehrte der schalenförmige Flugkörper zur Scheibe zurück. Unmittelbar vor dem Energieschirm verringerte er seine Fluggeschwindigkeit auf ein Minimum.

»Passen Sie jetzt genau auf!«, rief Saedelaere. »Vielleicht kann einer von uns erkennen, ob es eine Art Schleuse gibt.«

Doch sie konnten weder eine Schleuse noch etwas Ähnliches feststellen. Es gab auch keinen Strukturriss. Der fremde Flugkörper verschwand durch den Schirm wie durch eine Wasserwand.

»Eigenartig«, meinte Saedelaere. »Während des Übergangs hat sich der Schirm völlig um den Flugkörper geschlossen. Wie ist so etwas möglich?«

»Es handelt sich bestimmt um eine uns unbekannte Energieform«, vermutete Lloyd.

Saedelaere lehnte sich im Sitz zurück. Er schien sich zu entspannen. Aus seinen Maskenschlitzen leuchtete das Cappinfragment.

»Glauben Sie, dass der Schirm jeden Flugkörper auf diese Weise passieren lässt?«

»Das ist schwer zu beantworten«, meinte der Telepath. »Bestimmt gibt es eine Möglichkeit, unliebsame Besucher abzuwehren.«

»Untersuchen wir das Zeug, das die Fremden im Weltraum ausgeladen haben«, schlug Saedelaere vor.

Lloyd war einverstanden. Niemand in der GOOD HOPE II hatte etwas gegen die Pläne der Space-Jet-Besatzung einzuwenden.

»Wir drehen ab, sobald etwas aus dem Energieschirm schlüpft«, sagte Lloyd.

In völligem Schweigen näherten sie sich der Ladung, die das schalenförmige Schiff in den Weltraum geleert hatte. Es handelte sich um unförmige Klumpen.

»Dreck!«, stellte Saedelaere lakonisch fest. »Wie wir vermuteten.«

Keiner der im Weltraum schwebenden Gegenstände wies Besonderheiten auf. Ein kurzer Test ergab, dass die Brocken auch keine Eigenstrahlung besaßen.

»Es ist tatsächlich nichts als Dreck«, bemerkte Fellmer Lloyd in seiner knappen Art. »Auch eine Methode, seinen Müll loszuwerden.«

»Das Produzieren von Müll ist eine fast menschliche Eigenschaft«, sagte Saedelaere nachdenklich.

Der Mutant winkte ab.

»Alle möglichen Arten von Intelligenzen produzieren Abfallstoffe und wissen hinterher nicht, wie sie sie loswerden sollen.«

Die Space-Jet flog jetzt mitten durch den im Weltraum treibenden Abfallhaufen. Einzelne Brocken trieben dicht über der Kuppel aus Panzerplast dahin. Im Licht der Scheinwerfer sahen sie porös und grau aus.

»Kunststoffabfälle«, meinte Saedelaere.

»Ich bin nicht so sicher!«, antwortete Lloyd.

»In Ordnung«, sagte Saedelaere. »Wir nehmen eines dieser Dinger an Bord.«

Die beiden Männer stiegen nicht aus. Sie angelten einen der vorbeitreibenden Gegenstände mit einer Magnettrosse. Danach wurde die Trosse eingezogen.

»Das Ding kann draußen bleiben, bis wir zurückgekehrt sind«, sagte Lloyd.

Saedelaere nahm wieder den Pilotensitz ein.

»Das sollte genügen!«, meinte er, nachdem sie ein zweites Mal durch den Abfall geflogen waren. »Jetzt kümmern wir uns um die Scheibe.«

Sie ließen den im Weltraum treibenden Müll hinter sich.

Alaska berichtete an die GOOD HOPE II, dass sich die Space-Jet jetzt der Scheibe näherte. Der Maskenträger blickte aus der Kanzel. Er konnte die Scheibe jetzt schon mit bloßen Augen erkennen. Sie war ein Lichtpunkt, der schnell größer wurde. Auf den Bildschirmen waren bereits Einzelheiten zu erkennen. Einer der Berge (oder war es ein Gebäude?) unterhalb des Energieschirms reichte bis zu den Kunstsonnen hinauf. Es musste ein gewaltiges Massiv sein. Alaska merkte, dass ihn der Anblick zu faszinieren begann.

»Jetzt müssen wir doppelt vorsichtig sein!«, sagte Lloyd. »Sobald etwas durch den Schirm kommt, ziehen wir uns zurück.«

Die Jet näherte sich der Scheibe von schräg »oben«. Wie bereits die Fernortung von Bord der GOOD HOPE II aus ergeben hatte, durchmaß die Scheibe zwanzig Kilometer. Sie war etwa vier Kilometer dick und wies an den Rändern Unregelmäßigkeiten auf. Alaska konnte nicht genau erkennen, wie die einzelnen Erhebungen geformt waren, denn sie lagen zum größten Teil im Schatten.

Dafür sah er den Schutzschirm über der Scheibe um so besser. Und er sah Einzelheiten unter dem Schirm.

2.

 

 

Die Space-Jet hatte sich dem seltsamen Gebilde bis auf wenige Kilometer genähert und umkreiste langsam den Energieschirm. Es war ein riskantes Manöver, das jedoch mit Billigung Perry Rhodans ausgeführt wurde. Die Systeme der Jet übertrugen die aufgenommenen Bilder über Hyperfunk an die GOOD HOPE II, so dass die Besatzung in der Zentrale des Mutterschiffs ohne Zeitverlust mitbeobachten konnte.

Der Schutzschirm über der Scheibe verhinderte einen einwandfreien Einblick in das Gebiet, über dem die Space-Jet kreiste. Was die beiden Männer jedoch durch die Panzerplastkuppel des Diskusschiffs erblickten, war phantastisch genug.

Den Mittelpunkt der »Landschaft« unter dem Schutzschirm bildete ein festungsähnliches Gebäude, das auf den ersten Blick wie ein riesiger Berg aussah. Es bedeckte eine Fläche von etwa dreißig Quadratkilometern und verlief pyramidenförmig bis zur Spitze. Überall ragten Türme und Gebäude aus dem Massiv. Rund um die Festung, deren höchste Spitzen fast den Schutzschirm berührten, zogen sich serpentinenförmige, seltsam gewölbte Straßen, die alle in dunklen, runden Löchern mündeten. Das Gebilde schien aus gelbem Stahl zu bestehen. Das Gelb besaß eine starke Leuchtkraft und reflektierte das Licht der künstlichen Sonnen. Um die Spitzen der Festung kreisten drei riesige schwarze Flugkörper. In ihrem Aussehen erinnerten sie Saedelaere an Vögel, aber er bezweifelte, dass es unter dem Energieschirm Tiere solcher Größe gab.

Die Landschaft rund um dieses Gebäude bestand aus sauber angelegten Feldern, auf denen farnähnliche Pflanzen angebaut wurden. Zwischen den einzelnen Feldern standen siloähnliche Gebäude. Auf der anderen Seite der Festung lag ein kleines Dorf mit mehreren kuppelförmigen Häuschen. Diese Gebäude waren kreisförmig um eine große Feuerstelle gruppiert.

Alaska Saedelaere brach schließlich das Schweigen. »Was halten Sie davon?«

»Ich empfange schwache Gedankenimpulse, Alaska. Dieses seltsame Land wird also bewohnt.«

»Das Ganze sieht nach einem autarken System aus«, erklärte Saedelaere. »Ich möchte wissen, wer es erschaffen hat. Schade, dass wir nicht besser erkennen können, was sich dort unten abspielt. Wurde die Festung auf der Scheibe oder die Scheibe unter der Festung gebaut?«

Lloyd schien die Frage durchaus ernst zu nehmen, denn er dachte lange nach, bevor er antwortete.

»Das Gebilde ist autark, aber es kann trotzdem Teil eines größeren Gefüges sein.«

»Das große Gebäude besteht aus gelbem Material – sicher Metall.« Alaska schüttelte sich. »Welcher Mensch möchte schon in einem gelben Haus wohnen?«

Das alles trug er in seiner schleppenden Sprechweise vor, wobei sich seine dürren Arme beinahe beschwörend bewegten.

Rhodan meldete sich von der GOOD HOPE II.

»Die Positronik hat alle Daten durchgerechnet«, sagte er ohne Umschweife, »vermutlich halten sich unter dem Energieschirm die Angehörigen von zwei oder auch drei Völkern auf. Die mögliche Bewaffnung der Farmer kann nur primitiv sein. Über die Festung gibt es keine Aussagen. Keine Standardwerte. Auch der Zusammenhang zwischen Festung und Farmen ist ungeklärt.« Er fügte etwas leiser hinzu: »Im Grunde genommen gibt es nichts, was Ihnen weiterhelfen könnte.«

»Der Schutzschirm«, erinnerte Alaska grimmig, »verhindert exakte Messungen und Beobachtungen.«

Er konnte sehen, dass Rhodan sich zur Seite wandte. Die Lippen des Großadministrators bewegten sich, aber Saedelaere konnte nicht hören, was Rhodan sagte. Vielleicht sprach er mit Atlan.

Als der Ton wieder zugeschaltet wurde, fragte Rhodan: »Glauben Sie, dass Sie mit der Space-Jet den Schutzschirm durchdringen können?«

»Das käme auf einen Versuch an«, gab Lloyd zurück. »Ich kann keine feindlichen Gedankenimpulse spüren, obwohl man uns sicher schon geortet hat.«

»Ich überlasse die Entscheidung Ihnen«, sagte Rhodan. »Sie können umkehren, dann schicken wir zunächst ein paar Sonden los. Sie können aber auch versuchen, den Energieschirm mit der Space-Jet zu durchdringen.«

»Wir versuchen es«, erklärte der Mutant nach kurzer Beratung mit Alaska.

»Sie wissen, dass wir dringend Informationen über den Schwarm benötigen.« Rhodan hatte offenbar keine andere Entscheidung erwartet. »Das bedeutet nicht, dass Sie ein großes Risiko eingehen müssen.«

»Ich schätze, der Flug durch den Schutzschirm ist in jedem Fall ein Risiko«, betonte Lloyd.

»Viel Glück!«, wünschte Rhodan.

Die Space-Jet änderte ihren Kurs. Sie beendete die Umkreisung des Schutzschirms und verringerte die Geschwindigkeit. Saedelaere steuerte sie auf den Energieschirm über der Scheibe zu.

»Das Müllschiff ist in halber Höhe eingedrungen«, erinnerte Lloyd. »Vielleicht sollten wir es ebenfalls dort versuchen. Weiter oben kommen wir zu dicht an die Atomsonnen heran, und weiter unten befinden wir uns sofort im Blickfeld der dort vielleicht lebenden Wesen.«

Saedelaere nickte.

Die Space-Jet blieb, als sie nur noch wenige hundert Meter vom Schutzschirm entfernt war, fast im Weltraum stehen.

Der Schutzschirm über der Scheibe sah jetzt aus wie eine glühende Wand. Das Kleinstraumschiff schien darauf zuzufallen.

Hundert Meter vor der lohenden Wand brachte der Mann mit der Maske das Beiboot zum Halten.

»Alles bleibt ruhig!«, sagte Lloyd. Seine Stimme klang gedämpft.

Obwohl sie jetzt ganz nahe waren, konnten sie durch den Schirm kaum etwas erkennen. Er glänzte und blendete die drei Beobachter. Nur die Umrisse der seltsamen Festung waren zu sehen.

»Ich spüre differenzierte Mentalimpulse«, sprach Lloyd weiter. »Es gibt verschiedene Gruppen. Ich kann Erregung spüren. Sie hat nichts mit uns zu tun. Irgendein Ereignis innerhalb des Schutzschirms beschäftigt die Bewohner der Scheibe. Genauere Informationen bekomme ich nicht.«

»Ich denke, dass wir es jetzt riskieren können«, meinte der Transmittergeschädigte. Seine knochigen Hände waren fest um die Steuerung geschlossen. Das Triebwerk der Space-Jet summte verhalten.

»Ich funke eine letzte Nachricht an die GOOD HOPE II, dass wir jetzt den Durchbruch versuchen!«, verkündete Saedelaere. »Wenn wir wirklich durchkommen, könnte der Funkkontakt abreißen.«

Von der GOOD HOPE II kam nur eine kurze Bestätigung. Das Beiboot nahm wieder Fahrt auf.

Der Diskus flog dennoch so langsam, dass die Bewegung vom Innern der Zentrale aus kaum wahrnehmbar war.

Dann berührte die Außenfläche des Beibootes den Energieschirm. Die äußere Kante des Schiffes verschwand. Sie wurde unsichtbar für die Männer in der Zentrale. Der Schirm schloss sich darum.

»Es ist, als würden wir in eine Wolke eindringen!«, sagte Saedelaere.

Langsam schob sich das gesamte Schiff durch den Schirm. Es entstanden weder zusätzliche Geräusche, noch zeigten die eingeschalteten Ortungsgeräte irgendwelche Reaktionen.

Der Außenrand der Kuppel berührte den Schirm.

Alaska schloss die Augen und wartete mit angehaltenem Atem.

Als er die Augen wieder öffnete, wurde er vom hellen Licht der Atomsonnen unterhalb des Energieschirmes geblendet.

»Wir sind da!«, sagte Lloyd.

 

Die Space-Jet schwebte viertausend Meter über dem fremdartigen Land. Unmittelbar vor ihr ragte die gigantische Festung in die Höhe. Alles lag im hellen Sonnenlicht. Vom ersten Augenblick an war Saedelaere sicher, dass es außerhalb des Beibootes eine atembare Atmosphäre geben musste.

Die Felder, über die sie flogen, waren in gleichmäßige Quadrate unterteilt. In Abständen von zehn Feldern standen dreißig Meter hohe, dunkelgraue Gebäude, die offenbar als Lagerhallen dienten.

Saedelaere steuerte den Diskus in Richtung des kleinen Dorfes. Die beiden Männer sahen, dass von der Festung aus eine breite Hochstraße bis zu den kuppelförmigen Hütten führte. In der Nähe des Dorfes wurde die Straße von Eingeborenen belagert. Es waren untersetzte Wesen mit zwei Beinen und zwei Armen. Die Arme waren übermäßig lang und muskulös. Der Kopf war in zwei schräg abstehende Zylinder unterteilt, an deren oberen Enden sich die Sinnesorgane befanden. Der größte Teil der Eingeborenen trug aus getrockneten Blättern angefertigte Röcke, die anderen waren nackt. Ihre Hautfarbe war schwer zu bestimmen, sie wechselte von einem hellen Braun an verschiedenen Körperstellen in Grün und Blau.

Das große Feuer zwischen den Hütten wurde von zwei Eingeborenen bewacht. Die Gebäude schienen verlassen zu sein. Alle Eingeborenen hatten sich zu beiden Seiten der Straße versammelt. Sie schienen auf etwas zu warten.

»Merkwürdig«, sagte Saedelaere. »Sie müssen uns längst gesehen haben, aber sie beachten uns nicht.«

»Sie sind aufgeregt«, erklärte Lloyd. »Ich kann nur ihre Gefühle, nicht aber ihre Gedanken verstehen. Es sind mehrere ungewöhnliche Dinge geschehen.«

Er hob den Kopf und deutete auf die drei schwarzen Flugkörper, die um die Spitze der Festung kreisten.

»Diese Dinger leben ebenfalls. Ich spüre ihre Mentalimpulse.«

Alaska blickte zur Festung hinauf. Die drei träge dahinfliegenden Riesenvögel schienen ihre Bahn niemals zu verändern. In gleichmäßigen Abständen umkreisten sie die Spitze der Festung. Was hielt sie dort oben? Gehörten sie ebenso wie die Eingeborenen einem bestimmten Lebenssystem an?

»Ich hätte geschworen, dass es Flugkörper sind«, gestand er. »Aber wenn man sie länger beobachtet, erkennt man, dass es sich um Lebewesen handelt.«

Er schätzte, dass jeder der Vögel eine Spannweite von zehn Metern besaß. Unter den schwarzen, deltaförmigen Flügeln waren weiße Krallen zu erkennen. Ein Schnabel war nicht zu sehen, der eiförmige Kopf war steil nach unten gerichtet, so dass deutlich ein linsenförmiges Auge zu erkennen war.

Wie an unsichtbare Schnüre gebunden, umkreisten sie die Festung.

»Auch aus der Festung kommen Mentalimpulse«, berichtete Lloyd. »Sie unterscheiden sich von denen der Eingeborenen und von denen der Vögel. Ich bin sicher, dass die Wesen, die in der Festung leben, intelligenter sind als die beiden anderen Arten.«

Alaska schaute zu den gelben Festungsmauern hinüber.

Was mochte sich dahinter verbergen? Längst vergessene Geschichten aus seiner Kindheit kamen ihm in den Sinn, alte Sagen, über die er später gelächelt hatte. Jede der alten Geschichten aus der Vergangenheit der Menschheit hatte eine bestimmte Verbindung zur Wirklichkeit.

Aber diese Scheibe kam aus unermesslichen Fernen. Sie konnte nichts mit der Menschheit zu tun haben.

Und trotzdem!, dachte er. War nicht jeder Mensch unentrinnbar mit der Schöpfung verbunden? War er nicht Teil eines wunderbaren Ganzen und daher in der Lage, bestimmte Zusammenhänge zumindest zu erahnen?

Saedelaere schüttelte unwillkürlich den Kopf.

Auf was für Gedanken kam er da? Er musste sich auf die Realitäten konzentrieren. Er war mit Lloyd hier, um das Geheimnis dieser Scheibe zu ergründen.

»Wir werden weiterhin nicht beachtet!«, stellte Saedelaere fest. Er versuchte, Funkverbindung zur GOOD HOPE II zu bekommen, doch ein starkes Rauschen im Empfänger übertönte alle anderen Geräusche. Er war überzeugt davon, dass man an Bord des Mutterschiffs ihre Signale nicht empfangen konnte.

»Was jetzt?«, fragte Lloyd. »Ich kann nicht viel helfen, die Gedanken der Fremden sind schwer zu belauschen. Sie besitzen natürliche Abwehreinrichtungen. Und ihre Gefühle sind schwer zu verstehen.«

Saedelaere schwieg. Er steuerte die Space-Jet näher an die Festung heran. Das Beiboot folgte den gewundenen Linien einer Straße. Sie war verlassen. Jetzt fiel ihm auf, dass alle Straßen rund um die Festung verlassen waren. Ihre Oberflächen glänzten im Licht der Atomsonnen. Wozu dienten sie, wenn sie von niemandem befahren wurden?

Die Jet sank ein paar hundert Meter tiefer. Saedelaere flog dicht an eines der runden Löcher heran, in das eine Straße mündete. Es war nichts zu sehen, das Licht schien nicht durch die Öffnung dringen zu können.

Alaska konnte sich dieses Phänomen nicht erklären.

Plötzlich ertönte ein durchdringender Schrei.

Alaska zuckte zusammen und blickte um sich. Draußen war nichts Ungewöhnliches zu sehen.

»Was war das?«, entfuhr es dem Transmittergeschädigten.

Lloyd deutete mit dem Daumen nach oben. »Einer der drei Vögel! Eine erstaunliche Lautstärke!«

Der Schrei hatte sich wie der eines Menschen in Todesangst angehört.

»Die Eingeborenen kümmern sich nicht darum«, stellte Lloyd fest. »Sie scheinen an diese Art von Lärm gewöhnt zu sein.«

Wie kann man sich an solche Geräusche jemals gewöhnen?, fragte Saedelaere sich verwirrt.

Er nahm einen Plastikstreifen aus dem Ausgabeschlitz des Bordcomputers und betrachtete ihn kurz.

»Automatische Auswertung!«, gab er bekannt. »Die Atmosphäre unter dem Schutzschirm ist atembar. Die Schwerkraft beträgt knapp ein Gravo.«

Die Space-Jet raste schräg nach unten, direkt auf das Eingeborenendorf zu. Saedelaere wollte die Fremden mit diesem Manöver auf sich aufmerksam machen. Doch das gelang ihm nicht, die gesamte Aufmerksamkeit der Eingeborenen richtete sich weiterhin auf die Straße.

Saedelaere fluchte wild. »Sind die Burschen stumpfsinnig?«

Lloyd antwortete nicht. Er schien sich zu konzentrieren. Alaska blickte sich um, dann flog er die Space-Jet auf eines der siloähnlichen Gebäude zu. Er landete den Diskus auf dem Dach. Niemand griff sie an. Alle Wesen, die auf der Scheibe lebten, schienen die Ankömmlinge zu ignorieren. Das war verwirrender als jeder Angriff.

Ein paar Minuten später öffnete Saedelaere die Schleuse und schaltete den Schutzschirm aus. Von draußen kam frische Luft herein. Es war angenehm warm.

»Wir gehen beide, Alaska.« Lloyd schloss den Gürtel seines Schutzanzugs. »Während unserer Abwesenheit legen wir den Schutzschirm um die Jet.«

Sie verließen gemeinsam das kleine Schiff. Vom Dach des Silos aus konnten sie die Felder und einen Teil des Dorfes überblicken. Von der Spitze der Festung wehte ein warmer Wind. Auch das war ein Rätsel dieses Landes.

Saedelaere sah, dass zwischen den einzelnen Feldern schmale Pfade angelegt waren, auf denen sich Maschinen oder Eingeborene bewegen konnten. Der überall angepflanzte Farn war etwa eineinhalb Meter hoch. Die Stiele der Pflanzen waren daumendick und durchsichtig wie Glasröhren. Blätter, die wie Fischgräten aussahen, ragten in drei verschiedene Richtungen aus den Stielen. Die Blätter wurden von unten nach oben breiter und länger. Der Boden, in dem die Pflanzen wuchsen, hatte eine graubraune Farbe.

Alaska konnte keine Tiere zwischen den Pflanzen entdecken. Er ging zum Rand des Daches, wo Lloyd stand und das Dorf beobachtete. Durch eine Lücke zwischen den Hütten konnte er die Feuerstelle sehen. Die Eingeborenen verbrannten gepresste Ballen, die neben dem Feuer gestapelt wurden. Der Rauch stieg fast senkrecht nach oben.

»Wie friedlich hier alles aussieht«, sagte Saedelaere. Unwillkürlich hatte er seine Stimme gedämpft.

»Zu friedlich!«, bemerkte Lloyd. »Ich spüre eine Drohung. Sie kommt aus der Festung.«

Er schien plötzlich zu erstarren. Seine Augen weiteten sich.

»Da ist noch eine vierte Art!«, rief er alarmiert. »Ein einzelnes Wesen, deshalb habe ich es bisher nicht lokalisieren können. Es scheint schuld an der Aufregung der Eingeborenen zu sein.«

Unwillkürlich ging Saedelaere in Verteidigungsstellung. Plötzlich hatte er ein sehr schlechtes Gefühl.

»Wir sollten zum Dorf gehen«, schlug Lloyd nach einiger Zeit vor. »Ich habe das Gefühl, dass dort etwas Interessantes geschehen wird.«

»Gut«, sagte Saedelaere. »Fliegen wir los.«

Hoch über ihnen schrie einer der Riesenvögel.

3.

 

 

Seit die Funkverbindung zur Space-Jet abgerissen war, herrschte in der Zentrale der GOOD HOPE II gespannte Erwartung. Die Scheibe hatte ihre Position nur unwesentlich verändert. Sie trieb am Rand des Schwarms entlang. Auch der Schwarm zeigte keine ungewöhnlichen Reaktionen. Es waren keine weiteren Flugkörper aufgetaucht. Die Ortungsgeräte der GOOD HOPE tasteten den Weltraum ab. An Bord wurde ständig mit dem Auftauchen von Manips oder anderer gefährlicher Flugkörper gerechnet.

»Glauben Sie, dass den beiden Männern etwas geschehen ist?«, fragte Senco Ahrat, der nach einer kurzen Ruhepause in seiner Kabine wieder in die Zentrale gekommen war.

Rhodan schüttelte den Kopf.

»Die Verbindung ist abgerissen, als die Jet den Schutzschirm über der Scheibe durchdrang. Ich denke nicht, dass etwas passiert ist.«

Gucky, der auf Tolots Schulter saß, deutete auf den Panoramabildschirm.

»Ras und ich könnten versuchen, unter den Schirm zu teleportieren.« Bevor Rhodan ablehnen konnte, fuhr er fort: »Ich weiß, dass du es nicht zulassen wirst, großer Meister. Aber wenn wir in ein paar Stunden keine Verbindung mehr zu Alaska bekommen sollten, wirst du keine andere Wahl haben, als uns loszuschicken.«

»Darüber können wir später noch reden«, meinte Perry.

»Man könnte auch eine zweite Space-Jet losschicken«, schlug Joak Cascal vor. »Sie könnte den Schutzschirm umkreisen und beobachten.«

»Dabei denkst du natürlich an einen bestimmten Piloten«, vermutete der Mausbiber argwöhnisch.

»An den drittbesten!«, meinte Cascal.

Gucky sprang mit einer kurzen Teleportation von Tolots Schulter auf Rhodans Schoß.

»Wenn du diesem aufgeblasenen Burschen den Vorzug geben solltest, werde ich dir nie verzeihen!«

Rhodan lächelte. »Ich werde es mir noch überlegen.«

Der diensttuende Funker meldete, dass alle Versuche, mit der ausgeschleusten Space-Jet in Verbindung zu treten, fehlgeschlagen waren. Im Empfänger waren nur starke Störgeräusche zu hören.

»Alaska und Fellmer sind zwei erfahrene Männer«, sagte Atlan. »Wir brauchen uns keine Sorgen um sie zu machen. Sie werden umkehren, sobald es gefährlich wird.«

»Wenn sie noch umkehren können«, unkte Merkosh. Er gab sich große Mühe, seine Stimme nicht zu schrill klingen zu lassen, weil sich immer ein paar Besatzungsmitglieder die Ohren zuhielten, wenn er zu sprechen begann.

»Was meinen Sie damit?«, fragte Tolot den Gläsernen.

Merkoshs rüsselähnlicher Mund zitterte.

»Vom Weltraum aus sind sie leicht durch den Schutzschirm gekommen«, erklärte er. »Doch wenn sie fliehen müssen, kann der Energieschirm völlig anders reagieren.«

Auch Rhodan hatte schon an diese Möglichkeit gedacht. Er war sich darüber im klaren, dass er Saedelaere und die beiden anderen Männer nicht zurücklassen würde, wenn sie nach einiger Zeit nicht von allein zurückkehrten. Er hatte noch keinen festen Plan, wie er in einem solchen Fall handeln sollte, doch darüber konnte er sich später noch Gedanken machen.

Rhodan fragte sich, ob der Ausstoß der Scheibe aus dem Schwarm ein Kontaktversuch der Fremden war. Da sie nichts über die Mentalität der Schwarmbewohner wussten, mussten sie mit allen Möglichkeiten rechnen.

»Woran denkst du?«, erkundigte sich Atlan.

»Woran schon?«, gab Rhodan zurück.

Der Arkonide blickte auf die Bildschirme.

»Alle unsere Probleme hängen mit dem Schwarm zusammen«, sagte er. »Wenn wir die Verdummungswelle beseitigen wollen, müssen wir das Rätsel des Schwarmes lösen.«

Rhodan nickte verbissen. Die bisher erlittenen Fehlschläge hatten seine Entschlusskraft nicht erlahmen lassen. Zusammen mit seinen Freunden hatte er zahllose Theorien durchgedacht und auswerten lassen. Am wahrscheinlichsten war, dass der Schwarm die Galaxis durchwandern und so geheimnisvoll wieder verschwinden würde, wie er gekommen war. Doch das konnte Jahrhunderte dauern. Eine zweite Möglichkeit war, dass der Schwarm aus irgendwelchen Gründen in der Milchstraße Station machen würde. Das war nur relativ gesehen ein größeres Problem.

Vielleicht brachten Alaska und Fellmer Lloyd die ersten Hinweise.

 

Die Männer, auf die sich Perry Rhodans Hoffnungen konzentrierten, flogen dicht über den Farnfeldern auf das Dorf mit den kuppelförmigen Hütten zu.

Fellmer Lloyd flog voran. Alaska beobachtete die Straße, die vom Dorf aus zur Festung hinaufführte. Auf der Straße näherte sich ein seltsames Gefährt den Hütten. Vier mit Tüchern behängte Tiere zogen einen käfigähnlichen Wagen aus Metall. Das Fahrzeug war noch zu weit entfernt, so dass Saedelaere keine weiteren Einzelheiten feststellen konnte.

Anders Fellmer Lloyd, dessen parapsychische Fähigkeiten sich wieder einmal bewährten.

»Im Wagen befindet sich ein Gefangener!«, berichtete er. »Er ist vor kurzer Zeit als Missionar hierhergekommen, aber die Religion, die er verbreiten wollte, stieß auf wenig Gegenliebe. Deshalb wurde er gefangen genommen. Er denkt ständig an seinen Gott. Auf diese Weise kann er Widrigkeiten, die mit seiner Gefangenschaft verbunden sind, am leichtesten überstehen.«

Alaska schloss zu ihm auf. »Was für ein Gott ist das?«

»Es muss sich um irgendeinen Götzen handeln«, erwiderte Lloyd. »Vielleicht einen, wie er uns schon begegnet ist – denken Sie an Bullys Berichte. Die Gedankenbilder des Fremden sind leider nicht sehr deutlich. Er denkt an eine hässliche Riesenfigur, die rote Steine weint und dabei tötet.«

»Das klingt sehr mystisch«, meinte Saedelaere.

»Allerdings«, stimmte Lloyd zu. »Ich kann sogar den Namen des Gottes ermitteln. Der Fremde nennt ihn Y'Xanthonier oder so ähnlich. Er wollte die Religion dieses Gottes hier verbreiten.«

Sie hatten das Dorf inzwischen erreicht und schwebten langsam über den verlassenen Hütten auf die Feuerstelle zu. Die beiden Eingeborenen, die dort Wache hielten, blickten nur einmal kurz auf und kümmerten sich nicht weiter um die beiden Fremden.

»Sie haben uns gesehen«, bemerkte Lloyd. »Aber sie nehmen kaum Notiz von uns.«

»Das kann sich noch ändern«, meinte Alaska.

»Der fremde Missionar nennt die Eingeborenen in seinen Gedanken Siloten.« Lloyd verhielt über dem Feuer. Seine Gestalt war in hellen Rauch gehüllt. »Es sieht so aus, als würden auch die Bewohner der Festung wenig von diesem Y'Xanthonier und seiner Lehre halten. Sie haben mitgeholfen, den Missionar festzusetzen. Als Strafe wurde die Scheibe dann aus dem Schwarm ausgestoßen. Es ist also so, wie Perry Rhodan vermutet hat: Innerhalb des Schwarmes existieren zahlreiche Völker, die sich nicht unbedingt freundlich gegenüberstehen. Abgesehen davon scheinen sie auch verschiedenen ideologischen und religiösen Gemeinschaften anzugehören.«

»Aber dieser Y'Xanthonier scheint einer der mächtigsten Götter innerhalb des Schwarmes zu sein«, vermutete Saedelaere. »Sonst wäre er sicher nicht fähig gewesen, die Scheibe mit ihren Bewohnern aus dem Schwarm zu verstoßen.«

Sie landeten neben dem Feuer. Die beiden Siloten kümmerten sich auch jetzt nicht um sie. Sie blickten in Richtung der Straße, als hofften sie, von ihrem Platz aus etwas von den Vorgängen außerhalb des Dorfes beobachten zu können.

Saedelaere schaltete den Translator ein, den er am Gürtel trug. Er hatte wenig Hoffnung, dass es zu einer Verständigung mit den Eingeborenen kommen würde, aber er wollte einen Versuch wagen.

Er näherte sich einem der Siloten.

Das Wesen war sehr hässlich. Sein Körper war mit nässenden Pusteln bedeckt, die einen unangenehmen Geruch verbreiteten. Das flache Gesicht des Siloten leuchtete grünlich. Saedelaere konnte kaum einen Unterschied zwischen den beiden Kopfhälften feststellen. Der Silote hielt in einer seiner vierfingrigen Hände einen Metallstab, mit dem er ab und zu im Feuer stocherte oder einen gepressten Ballen in die Flammen zog.

Saedelaere hob beide Hände und zeigte die leeren Handflächen. Der Silote beachtete ihn nicht.

»Wir gehören nicht zu den Bewohnern des Schwarmes«, sagte Alaska Saedelaere.

Natürlich konnte der Translator diese Worte noch nicht übersetzen, denn es fehlten alle Anhaltspunkte der silotischen Sprache. Saedelaere hoffte jedoch, dass er den Fremden aus der Reserve locken konnte.

Es geschah jedoch nichts. Auch der zweite Silote blieb unnahbar. Saedelaere war ratlos.

»Es scheint, dass wir sie erst herausfordern müssen, bevor sie reagieren.«

»Dazu würde ich nicht raten!«, warnte Lloyd. »Wir wissen zu wenig über sie. Kümmern wir uns jetzt um die Vorgänge auf der Straße.«

Sie verließen das Dorf, ohne noch einmal die Flugaggregate zu benutzen.

Die Hütten der Eingeborenen schienen aus Metall zu bestehen. Saedelaere bezweifelte, dass die Siloten ihre Unterkünfte selbst hergestellt hatten. Wahrscheinlich hatten sie sie von den Festungsbewohnern erhalten.

Alaska dachte, dass die Bezeichnung »Eingeborene«, für die Siloten falsch war, denn sie konnten sich unmöglich auf dieser Scheibe entwickelt haben. Sie waren irgendwann einmal von einer anderen Welt hierhergebracht worden. Aber weshalb? Und wer hatte sie hierhergebracht?

Der Lärm, den die Siloten zu beiden Seiten der Straße machten, lenkte ihn von diesen Gedanken ab.

Die Eingeborenen trugen getrocknete Stiele jener Pflanzen mit sich, die auf den Feldern wuchsen. Sie schlugen diese Stiele gegeneinander und erzeugten auf diese Weise trommelnde Geräusche. Alaska schätzte, dass sich auf jeder Seite der Straße etwa drei- bis vierhundert Siloten versammelt hatten. Sie warteten auf den Wagen, der langsam die Straße hinabrollte. Von den Tieren, die das Fahrzeug zogen, war unter den dicken Tüchern und Decken kaum etwas zu sehen. Vielleicht waren es sogar Roboter.

Saedelaere hob den Kopf, aber er konnte den Gefangenen noch immer nicht sehen. Obwohl er wusste, dass es bei Unkenntnis der Situation absurd war, ergriff er gefühlsmäßig Partei für den Missionar. Das Wesen hatte sich allein hierhergewagt, um seine Überzeugung zu vertreten und Anhänger für seinen Glauben zu gewinnen. Vielleicht hatten die Bewohner der Festung in ihm eine Gefahr gesehen und ihn deshalb in den Käfigwagen gesetzt.

Was würde jetzt mit dem Fremden geschehen?

Die Siloten, die auf den Wagen warteten, kümmerten sich ebenfalls nicht um die Raumfahrer. Saedelaere war versucht, seinen Helm zu schließen. In der Nähe der Siloten stank es fürchterlich. Sie alle schienen an dieser Hautkrankheit zu leiden. Vielleicht gehörte sie auch zu ihrem Metabolismus.

Die beiden Männer stiegen auf einen kleinen Hügel, so dass sie die Straße überblicken konnten.

Der Lärm der Siloten schwoll an. Je näher der Wagen kam, desto verrückter gebärdeten sich die Eingeborenen. Alaska sah, dass sie Wurfgeschosse bereithielten. Allmählich begriff er, was den Missionar im Dorf erwartete. Der Fremde würde einen Spießrutenlauf erleben, den er wohl kaum überstehen würde.

»Die werden ihn umbringen!«, prophezeite er.

Lloyd sah ihn von der Seite an. »Was erwarten Sie?«, fragte er. »Etwa, dass wir eingreifen?«

Von der Spitze der Burg ertönte der heisere Schrei eines Riesenvogels. Eine Sekunde lang verstummte der Lärm der Siloten.

Lloyd sagte überrascht: »Die drei seltsamen Vögel dienen den Eingeborenen als Zeitmesser. Jeder Schrei beendet eine gewisse Zeitspanne.«

»Fliegende Uhren«, bemerkte Saedelaere. »Ich frage mich, ob die Siloten erst an diese Art von Zeitmessung gewöhnt wurden oder schon immer danach lebten.«

Der Wagen mit dem Missionar darin hatte die ersten Siloten erreicht. Die Eingeborenen begannen zu schreien und bewarfen den Gefangenen mit Gegenständen aller Art.

Saedelaere konnte das Wesen im Käfig jetzt sehen.

Es war etwa eineinhalb Meter hoch. Sein gesamter Körper war von purpurfarbenen Hornplatten bedeckt. Dazwischen zeichneten sich Haut- und Muskelpartien ab. Alaska erkannte, dass der Missionar je sieben Finger und sieben Zehen an Händen und Füßen besaß, die mit gefährlich aussehenden Nägeln ausgerüstet waren. Auf dem fast kahlen Schädel spross ein Haarbüschel, das in einen Pferdeschwanz auslief. Das Gesicht des Fremden wirkte steinern und bösartig. Statt Brauen besaß das Wesen Knochenleisten über den Augen.

Saedelaere fand, dass der Missionar vom menschlichen Standpunkt aus noch hässlicher war als die Siloten. Das Gesicht besaß jedoch in seiner steinernen Ruhe eine gewisse Anziehungskraft.

Der Wagen blieb jetzt mitten unter den Siloten stehen, die den Gefangenen mit erbitterter Wut angriffen. Der Missionar hockte in einer Ecke des Käfigs und rührte sich nicht. Auch als die Siloten Wasser über ihn gossen, zeigte er keine Reaktion.