Mondlichtkrieger

Mondlichtkrieger

Ava Reed

Drachenmond Verlag

Für das Leben und die Hoffnung.

Für die Liebe und das Glück.

Für zweite Chancen.

Für dich.

Inhalt

Vorwort

1. Juri

2. Lynn

3. Juri

4. Juri

5. Malik

6. Juri

7. Juri

8. Lynn

9. Juri

10. Malik

11. Juri

12. Juri

13. Lynn

14. Malik

15. Juri

16. Juri

17. Malik

18. Juri

19. Juri

20. Malik

21. Juri

22. Juri

23. Juri

24. Lynn

25. Juri

26. Lynn

Epilog

Übersicht

Danksagung

Über die Autorin

Bücher von Ava Reed

Vorwort

Für alle, die Mondprinzessin nicht gelesen haben: Legt dieses Buch am besten erst einmal zur Seite, denn Mondlichtkrieger ist der zweite und finale Teil.


Mondlichtkrieger war nie geplant, denn Mondprinzessin war für mich der Anfang der Geschichte und auch das Ende.

Bis ihr kamt.

Dieses Buch hier habe ich für euch geschrieben. Für jeden Leser, der Lynn in sein Herz geschlossen hat, für jeden, der auch eine Tia möchte und sich in Juri verliebte. Für jeden, der mehr sieht als nur Sterne, wenn er den Blick hebt.

Danke. Danke für all eure zauberhaften Worte.


Egal, ob ihr das Ende von Mondprinzessin mochtet oder nicht: Für mich gab es nie ein anderes. Es hat sich richtig angefühlt, damals und heute. Weil es trotz allem Hoffnung in sich trägt, weil man, wenn man die Augen schließt, alles weiterspinnen und seiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Weil man sich selbst aussuchen kann, was weiter passiert und wie. Manche von euch haben sich dennoch gewünscht, dass ich es aufschreibe. Und das habe ich getan. Ich habe die Hoffnung, die Verzweiflung und Trauer, den Wunsch nach Rache, die am Ende des ersten Teils bleiben, genommen und daraus einen zweiten Teil gemacht. Für jeden, der am Ende von Teil eins nicht glauben wollte, dass es das wirklich gewesen ist, geht es nun weiter mit Juri.


Ich weiß nicht, ob ich euch hiermit die Geschichte und das Ende geben konnte, das ihr euch wünscht oder vorstellt, aber ich hoffe, Mondlichtkrieger wird euch berühren. Ich hoffe, er kann eurer Fantasie und vor allem euren Herzen gerecht werden. Denn die Mondprinzessin war von Beginn an gedacht für alle Träumer und Romantiker. Für jeden mit Mut im Herzen und Liebe in der Seele. Für alle, die es schaffen, in jedem Tag die versteckten Wunder dieser Welt zu sehen.


Ihr seid ein Teil davon. Vergesst das nicht.

Rache


vengeance

revenge

intikam

месть

vendetta

venĝo

‹÷‚¬

hämnd

wraak

vingança

oтмъщение

venganza

Und der Mond schuf

sich Kinder aus seinem Staub,

aus seinem Herzen und aus den Sternen …

Wenn sie starben, vergingen sie nicht.

Sie wurden wieder zu dem, was sie waren.

Zu Licht, Staub und Herz. Zu einem leuchtenden,

funkelnden Stern am Himmelszelt, mit Erinnerungen

aus vergangener Zeit, ohne Körper, aber voller Sehnsucht.

Bis wieder alles vergessen ist, bis aus Licht,

Staub und Herz wieder ein Kind wird.

Ein ewiger Kreislauf, bis heute.

Tag um Tag.

Kapitel 1

Juri

Wenn man etwas verliert, das man aufrichtig und innig liebte, ist es möglich, dass man einen Teil seiner selbst ebenso verliert.

Einen Teil … oder alles.

»Ich verlasse dich nicht. Ich werde da oben sein und für dich leuchten – jede Nacht. Ich werde auf dich warten. Hab Mut im Herzen und Liebe in der Seele.«

Meine Hände greifen nach dir, halten dich fest. Ich höre deine Worte, sie sind wie ein Flüstern. Ich schreie und schreie, bis meine Lunge sich anfühlt, als würde sie Feuer fangen. Ich sehe dein Lächeln, ich sehe das letzte Mal dein Gesicht – bevor du mit Tia verblasst. Ich kann dir nicht helfen. Ich kann dich nicht retten.

Ich verliere dich!


Schweißgebadet wache ich auf. Mein keuchender Atem erfüllt das Zimmer, das T-Shirt klebt an mir, alles dreht sich, mir wird übel und ich kneife die Augen zusammen, um mich nicht übergeben zu müssen. Verfluchte Scheiße!

So leise wie möglich hebe ich die Beine über die Bettkante und setze mich aufrecht hin. Kira schläft am Ende des Bettes, so wie jede Nacht. Dort oder direkt neben mir.

»Es tut mir leid«, dringt ihre verschlafene Stimme zu mir. Ich will sie nicht immerzu wecken, auch heute nicht. Genauso wenig wie ich wieder und wieder dasselbe träumen will. Aber das liegt nicht in meiner Macht, ich kann es nicht verhindern.

Wie kann etwas so schön und gleichzeitig so grausam sein? Ich bin zerrissen. Jede Nacht sehe ich Lynns Gesicht vor mir – ihres und Tias. Jede Nacht stirbt Lynn in meinen Armen und ich kann nichts dagegen tun. Es fühlt sich real an. Der Traum gibt mir das Gefühl, ich könne noch etwas ändern, es besser machen. Er ist eine Lüge.

Ich stütze mich auf meinen Oberschenkeln ab, beuge mich vornüber und warte. Darauf, dass mein Puls sich beruhigt, mein Herz weniger und gleichmäßiger schlägt und die Übelkeit abklingt. Darauf, dass aus der Hitze Kälte wird und mein Körper versteht, dass nichts davon passiert ist – nicht heute Nacht.

Aber es wird nicht besser. Jetzt ist einer dieser Augenblicke, der mich unter sich begräbt und mir keine Chance lässt, ihm zu entkommen. Leise stöhnend hebe ich meinen Kopf und drücke mich mit beiden Händen von der Matratze ab. Ich gehe einen Schritt – dann umfasst mich bereits ein Hauch von Nichts.

Mein Zimmer habe ich hinter mir gelassen. Ich stehe woanders, habe mich teleportiert so weit es ging. Ein Schritt, ein weiterer. Ein tiefer Atemzug.

Jedes Mal ist es wie eine Reise in die Vergangenheit. Wie ein neuer Versuch, zu ändern, was nicht mehr zu ändern ist. Jedes Mal höre ich sie in meinem Kopf: Mut im Herzen, Liebe in der Seele. Und ich antworte still: Hoffnung im Herzen und Träume in der Seele.

Gute Träume, die viel zu selten da sind. Und starke Hoffnung. Weil es das ist, was ich brauche. Weil ich ohne beides nicht mehr hier wäre. Nicht aufrecht stehen könnte oder die Kraft finden würde, Tag um Tag aufzustehen und zu kämpfen.

Vielleicht werde ich am Ende nicht stark genug sein. Doch nichts und niemand dieser oder anderer Welten wird mich davon abhalten können, es zu versuchen.

Alles in mir schreit nach Rache!

Alles in mir will Malik für das büßen lassen, was er getan hat. Egal, wie er es rechtfertigte.

Alles in mir will Lynn zurück.

Seit dem Moment, in dem sie zu Sternenstaub wurde. Seit einundachtzig Tagen, drei Stunden und unzähligen Minuten und Sekunden. Seit einer Ewigkeit.

Hier, in diesem Raum, zwischen diesen Wänden und auf diesem Boden, weiß ich, dass dieses Ziel das einzige ist, das mich zusammenhält.

Meine Aufmerksamkeit lässt Momenten wie diesen, in denen vergangene Zeiten mich einholen, nach, meine Reaktionen sind nicht so gut wie üblich, deshalb bemerke ich die Schritte hinter mir erst sehr spät. Dumpfe, vertraute Schritte, die an diesem Ort beinahe so oft erklingen wie meine. Im Augenwinkel sehe ich Faras eintreten, während ich mitten im Raum stehend verharre und auf diesen einen Punkt auf dem Boden blicke. Er ist immer noch rot. Der ganze Raum ist wie zuvor, nichts wurde verändert. Wir wollten es so, als Mahnmal, als Erinnerung. Als Andenken an sie, das niemand kennt oder gesehen hat, außer uns beiden und unseren Seelentieren. Aber in Nächten wie diesen ist der Drang, das Blut aus dem Gestein des Bodens zu reißen, so stark, dass ich mich kaum traue zu atmen.

»Einundachtzig Tage«, sagt Faras nur, als er neben mich tritt. »Ich wünschte, ich hätte etwas tun können.«

Ich antworte nicht. Diese Unterhaltung, die eigentlich keine ist, führen wir beinahe jedes Mal, wenn wir uns hier begegnen. Er nennt mir die Tage von Lynns Abwesenheit und wünscht sich mehr und mehr, es wäre nicht passiert. Obwohl er leidet, wird er wie die anderen niemals verstehen können, wie sehr ich mir wünsche, dass es anders gelaufen wäre. Besser aufgepasst zu haben.

Fehler verfolgen einen – die einen mehr, die anderen weniger. Wir können sie verdrängen oder aus ihnen lernen. Die größten Fehler sind die, von denen man sich mit allem, was einen ausmacht, wünscht, sie wären nie passiert. Weil sie etwas schlimmer gemacht haben. Weil sie nicht klein und unbedeutend waren, nicht dazu da, um etwas zu lernen. Nein. Nur um dich zu zerstören. Und das Leben hat keinen Knopf, mit dem man es anhalten oder gar zurückspulen kann. Es läuft weiter und weiter, es zieht dich mit. Egal wohin.

Meine Brust wird enger, schnürt sich zu, das Blut vor mir verflüssigt sich, breitet sich über dem Boden aus und fließt auf mich zu. Meine Erinnerung und meine Angst vermischen sich mit meiner Vorstellungskraft. Ich schlafe schlecht. Ich weiß das. Trotzdem kann mich erst Faras’ Hand auf meiner Schulter zurück in die Realität holen, in der das Blut längst getrocknet ist und wie alte Farbe auf kühlem Stein liegt.

»Ich werde Malek finden und ich werde Lynn wiedersehen.« Jedes Mal, wenn ich hier bin, spreche ich die Worte aus, damit ich fester daran glauben kann. Sie sind während jedes Atemzugs mein Anker, auch wenn mir klar ist, dass sie sich wie ein Gift in mir ausgebreitet haben. Das weiß ich, weil ich sie in jeder Faser meines Körpers spüre, weil sie sich in jeden Moment der Ruhe drängen. Sie sind wie ein Stück Gefängnis und Freiheit zugleich. Sie sind ein Antrieb – und es ist mir egal, ob er mich am Ende ganz zerstören wird.

»Ich weiß«, sagt Faras und der Griff seiner Hand wird stärker, bevor er sie von meiner Schulter hebt und ohne ein weiteres Wort den Raum verlässt.

Mein Kopf dreht sich in seine Richtung, es ist das erste Mal, dass ich ihn anblicke, und dabei sehe ich nur noch seinen Rücken und wie er von seiner Teleportation verschluckt wird. Wir sehen uns beim nächsten Albtraum, schießt es mir durch den Kopf. Spätestens aber in zwei Tagen zur offiziellen Beisetzung der Königsfamilie. Zu Lynns. Zu Tias.

Tief einatmend schließe ich für einen Moment die Augen, genieße die Stille und die kalte, abgestandene Luft, bevor ich ein letztes Mal meinen Blick durch den dunklen Raum schweifen lasse. Trotz der Dunkelheit ist mir klar, wo welcher Stein sitzt, wie er geformt ist. Zu oft schon war ich hier, habe mir alles durch den Kopf gehen lassen. Bin von Seite zu Seite getigert, wahnhaft, um alles zu analysieren und Wege zu finden, wie es hätte verhindert werden können. Seitdem lasse ich das Licht aus. Nur die wenigen Strahlen des Korridors sind da und fallen auf den Boden vor mir.

Ich trete zurück, drehe all dem Übel meinen Rücken und gehe aus dem Raum, um mich vor der Tür zurück in mein Zimmer zu teleportieren, in dem Kira auf mich wartet. Sie liegt auf dem Bett, an dem Platz, an dem ich sie zurückgelassen habe. Ich wäre ein Narr, wenn ich glauben würde, dass sie nach meinem Verschwinden erneut Ruhe gefunden hat. Eine Entschuldigung wäre angebracht, aber mein Mund ist versiegelt, meine Lippen fühlen sich an, als hätte man sie zusammengeschweißt, der Geschmack in meinem Mund ist widerlich, mein Magen rumort. Kira sagt so wenig wie ich, aber es wäre auch nicht nötig gewesen, dass sie Worte für mich findet. Sie macht sich Sorgen, sie ist in Trauer, ist genauso wenig sie selbst wie ich. Vielleicht wegen mir.

Als ich mich erneut ins Bett lege, die Arme hinter dem Kopf verschränke, kriecht Kira vorsichtig zu mir und legt ihren Kopf auf meinen Bauch. Sie tröstet mich, auf ihre Weise, bevor sie etwas sagt, das mich erneut zu Boden reißt. Kira war schon immer beides: der Anker und der Sturm. Sie ist meine Wahrheit, mein bester Freund und mein größter Kritiker. Sie ist die, die mich ausgleicht.

»Was ist, wenn wir es nicht schaffen?«, flüstert sie und ich finde keine Antwort auf ihre Frage. Weil ich es nicht in Erwägung ziehen, nicht glauben will.

Ich weiß es nicht.

Kapitel 2

Lynn

Wenn man gefangen ist zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen jetzt und immer, ohne Zeit und ohne Herzschlag. Wenn man nicht ist und trotzdem etwas fehlt. Wenn man fühlt, und nicht erklären kann, was oder weshalb …

Ich bin anders. Ich sehe mich um, sehe all die anderen Sterne und frage mich, ob sie in ihrer Stummheit so laut schreien wie ich. Ob sie in ihrer Ruhe so aufgewühlt sind und sie so viele Fragen plagen. Bis ich hinabsehe und etwas erblicke, das ich zu kennen glaube. Etwas, das mich berührt und alle Gedanken vertreibt. Alle Fragen, bis auf eine:

Wer bist du?