Manfredi, Valerio M. Alexander – Der Herrscher der Welt

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

 

Übersetzt aus dem Italienischen von Claudia Schmitt

 

ISBN: 978-3-492-98411-9

© dieser Ausgabe: Piper Verlag GmbH, 2018

Titel der italienischen Originalausgabe: »Aléxandros – Il Confine del Mondo«

© Arnoldo Mondadori Editore S.p.A., Mailand 1998, © 2015, Mondadori Libri SpA, Milano

© der deutschsprachigen Ausgabe: Kabel Verlag GmbH, München 2000, Piper Verlag GmbH, München 2002

Covergestaltung: Favoritbüro, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

 

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

 

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Piper Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.

 

Et siluit terra in conspectu eius.

Und die Erde verstummte bei seinem Anblick.

Makkabäer 1,3

Karte_01

 

Karte_02

 

1

Im Spätfrühling nahm der König die Wüstendurchquerung wieder auf. Der Weg führte von der Oase Siwa direkt ans Nilufer, nahe der Stadt Memphis. Stundenlang ritt Alexander auf seinem sarmatischen Fuchs alleine dem langen Heereszug voraus und ließ Bukephalos ohne Sattelzeug und Zügel neben sich hertraben; er wollte ihn schonen, denn mittlerweile war ihm klargeworden, daß sie noch einen unendlich weiten Weg vor sich hatten.

Obwohl erst nach drei Wochen härtestem Marsch unter der sengenden Sonne ein schmaler Streifen Grün zum erstenmal die fruchtbaren Nilufer verkündete, schien der König weder Müdigkeit noch Hunger oder Durst zu verspüren, während er in Gedanken und Erinnerungen versunken dahinritt.

Die Gefährten störten ihn nicht, sie hatten begriffen, daß er in den grenzenlosen Weiten der Wüste allein sein wollte mit den Regungen seiner Seele, dem Gefühl der Unendlichkeit, seinem Drang nach Unsterblichkeit. Nur abends war er ansprechbar, und manchmal kam einer seiner Freunde in sein Zelt und leistete ihm Gesellschaft, während Leptine ihn badete.

Eines Tages überraschte Ptolemaios ihn mit einer Frage, die im Grunde längst fällig gewesen war: »Was hat dir Zeus Ammon eigentlich durch das Orakel gesagt?«

»Er hat mich seinen ›Sohn‹ genannt«, erwiderte Alexander.

Ptolemaios hob einen Schwamm, der Leptine aus den Händen geglitten war, vom Boden auf und reichte ihn der jungen Frau. »Und du? Was hast du ihn gefragt?«

»Ob noch einer der Mörder meines Vaters am Leben ist oder alle tot sind.«

Ptolemaios erwiderte nichts. Er wartete, daß der König aus der Wanne stieg, legte ihm ein Tuch aus frischem Linnen über die Schultern und begann ihn abzureiben. Erst als er sich nach ihm umdrehte, sah Ptolemaios ihm in die Augen und fragte: »Dann liebst du deinen Vater Philipp also immer noch – ich meine, wo du doch jetzt ein Gott bist …«

Alexander seufzte. »Solche Fragen stellen mir gewöhnlich nur Kallisthenes oder Kleitos. Gib mir dein Schwert.« Ptolemaios sah ihn verblüfft an, zog jedoch widerspruchslos das Schwert aus der Scheide und reichte es ihm. Alexander ritzte sich mit der Spitze in den Unterarm, so daß er ein wenig zu bluten begann, und streckte ihn dann Ptolemaios hin. »Was ist das deiner Meinung nach?« fragte er.

»Blut, natürlich.«

»Eben – Blut, kein ›Ichor‹, wie er in den Adern der seligen Götter fließen soll«, fuhr der König, Homer zitierend, fort. »Versuch also, mich zu verstehen, mein Freund. Ich habe Kummer genug …«

Ptolemaios schlug die Augen nieder und entschuldigte sich mehrmals für seine ungelegene Frage, während Leptine die Wunde an Alexanders Arm mit Wein auswusch und verband.

Wie Alexander den Freund so zerknirscht sah, lud er ihn zum Abendessen ein, wenngleich er nicht viel anzubieten hatte: trockenes Brot, Datteln und säuerlich schmeckenden Palmwein, sonst nichts.

»Wie geht es jetzt weiter? Was machen wir als nächstes?« wollte Ptolemaios wissen.

»Wir kehren nach Tyros zurück.«

»Und dann?«

»Keine Ahnung … Vermutlich erhalten wir in Tyros Nachricht von Antipatros über die Lage in Griechenland. Außerdem werden unsere Informanten bis dahin berichten können, was Dareios vorhat, und davon hängt alles weitere ab.«

»Eumenes hat dich über den Tod deines Schwagers Alexander von Epeiros unterrichtet, nicht?«

»Ja. Meine Schwester Kleopatra wird am Boden zerstört sein – und meine Mutter auch; sie haben ihn sehr geliebt.«

»Genau wie du …«

Der König nickte traurig.

»Was hat euch beide eigentlich so eng miteinander verbunden – außer der Tatsache, daß er dein Onkel und Schwager war?«

»Ein großer Traum«, erwiderte Alexander. »Jetzt liegt es allein an mir, ihn zu verwirklichen. Aber eines Tages ist es soweit, Ptolemaios. Dann setzen wir nach Italien über und vernichten die Barbaren, die Alexander von Epeiros getötet haben.«

Er schenkte dem Gefährten ein wenig Palmwein ein.

»Hättest du Lust, ein paar Gedichte anzuhören?« fragte er ihn dann. »Ich habe Thessalos eingeladen …«

»Mit großem Vergnügen. Was trägt er uns vor?«

»Gedichte übers Meer von verschiedenen Dichtern. Ich habe sie ausgesucht, weil mich die grenzenlose Wüste täglich daran erinnert … und weil die Hitze es mich herbeisehnen läßt.«

Nachdem Leptine die beiden kleinen Eßtische entfernt hatte, betrat der Schauspieler das Zelt. Er war verkleidet und geschminkt; die Augen hatte er sich mit schwarzem Bister umrandet und die Lippen mit zinnoberrotem Minium nachgezogen, um den bitteren Zug der tragischen Masken zu imitieren. Zunächst schlug er ein paar leise Akkorde auf seiner Kithara an, dann begann er zu rezitieren:

 

»Winde, Winde des Meeres,

Die seefahrende, schnelle Barken

Hin über die Meereswoge tragen,

Wohin führet ihr mich, die Arme?«

 

In der tiefen Stille der Nacht lauschte Alexander verzückt der Stimme, die alle menschlichen Gefühle und Leidenschaften zum Klingen bringen, das Rauschen des Windes und das Dröhnen des Donners nachahmen konnte, das Wimmern einer weinenden Frau und den Schlachtruf der Helden. Bis in die frühen Morgenstunden hörten der König und sein Freund dem grandiosen Schauspieler wortlos zu, und als er schließlich fertig war, stand Alexander auf und umarmte ihn: »Danke«, sagte er mit glänzenden Augen. »Du hast die Träume heraufbeschworen, die mich heute nacht begleiten werden. Doch jetzt geh schlafen; morgen steht uns ein langer Marsch bevor.«

Ptolemaios blieb noch auf einen letzten Becher Wein. »Denkst du je an Pella?« fragte er ihn plötzlich. »An deine Mutter, deinen Vater, an unsere Kindheit, als wir durch die makedonischen Wälder gestreift sind? An unsere herrlichen Flüsse und Seen?«

Alexander überlegte einen Augenblick. »Ja, oft«, sagte er dann. »Aber all das scheint mir ewig zurückzuliegen. Unser Leben ist so abwechslungsreich und intensiv, daß mir jede Stunde wie ein Jahr vorkommt.«

»Das heißt, daß wir vor der Zeit altern …«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die Lampe im Saal, die am hellsten scheint, erlischt als erste; aber alle Gäste werden ihr schönes, freundliches Licht in Erinnerung behalten.«

Alexander schlug die Zeltplane zurück und begleitete Ptolemaios hinaus. Der Himmel über der Wüste war sternenübersät, und die beiden jungen Männer betrachteten ihn staunend.

»Und vielleicht ist das auch den Sternen beschieden, die dort oben am hellsten strahlen. Ich wünsche dir eine angenehme Nacht, mein Freund.«

»Ich dir auch, Alexander«, erwiderte Ptolemaios und schlenderte in sein Zelt am Rand des Lagers zurück.

 

Fünf Tage später erreichten sie das Nilufer bei Memphis, wo Parmenion und Nearchos sie bereits erwarteten, und noch in derselben Nacht sah Alexander auch Barsine wieder. Sie war in einem prächtigen Pharaonenpalast untergebracht; ihre Gemächer befanden sich in den oberen Stockwerken, den Etesien ausgesetzt, die abends eine angenehme Kühle brachten und die zarten Gardinen aus hellblauem Byssus wie Schmetterlingsflügel bewegten.

Sie erwartete ihn mit einem leichten, ionischen Morgenmantel angetan und auf einem Stuhl sitzend, dessen Armlehnen mit Emailmalereien und Ornamenten in Gold verziert waren. Das schwarze Haar mit dem veilchenfarbenen Schimmer fiel ihr offen auf Schultern und Brust, ihr Gesicht war nach ägyptischer Art geschminkt, wenn auch sehr dezent.

Zum Fenster drang warmes Mondlicht herein, das sich mit dem honigfarbenen Schimmer von Alabasterlampen zu einer ganz zauberhaften Atmosphäre verwob. Betörender Lavendel- und Aloenduft schwängerten die Luft, in großen Wasserbecken aus Onyx schwammen Rosenblätter und Lotusblüten, und durch eine Stellwand, die mit kunstvollen Mustern in Form von Efeuranken und fliegenden Vögeln durchbrochen war, flutete leise Flöten- und Harfenmusik. Die Wände waren mit alten ägyptischen Fresken geschmückt – Tanzszenen, auf denen nackte Mädchen zum Klang von Lauten und Tamburen vor dem auf seinem Thron sitzenden Königspaar umherwirbelten. In einer Ecke schließlich stand ein großes Bett, dessen himmelblauer Baldachin von goldenen Säulen mit Kapitellen in Form von Lotusblüten getragen wurde.

Alexander trat ein und warf Barsine einen langen, glühenden Blick zu. Er hatte noch das blendende Licht der Wüste in den Augen, die geheimnisvollen Laute des Ammon-Orakels in den Ohren, und sein ganzer Körper strahlte eine magische Aura aus. Das golden schimmernde Lockenhaar fiel ihm weich auf die Schultern, die muskulöse Brust war mit Narben übersät, seine Augen hatten die übliche schillernde Farbe, und aus den Rücken seiner schmalen, sehnigen Hände traten dicke, blaue Venen hervor. Er trug nichts als eine leichte Chlamys, die auf der linken Schulter mit einer antiken Silberfibel – einem uralten Erbstück des makedonischen Königshauses – gerafft war. Ein goldenes Band schmückte seine Stirn.

Barsine stand auf und fühlte sich sofort verloren im Licht seiner Augen. »Aléxandre«, murmelte sie, während er sie in die Arme schloß, ihre Lippen küßte, die weich und feucht waren wie reife Datteln, und sie aufs Bett legte, um ihre duftenden, warmen Brüste zu liebkosen.

Doch plötzlich spürte er, wie ihre Haut unter seinen Händen gefror und ihre Glieder steif wurden. Ein bedrohlicher Hauch wehte ihn an und weckte seinen schlafenden Kriegerinstinkt. Blitzartig drehte er sich um und schnellte hoch – gerade rechtzeitig, um den Körper abzufangen, der mit einem wilden, schrillen Schrei auf ihn zugeflogen kam.

Alexander sah eine Hand, in der ein Messer blitzte, und hörte Barsines verzweifeltes Schluchzen, doch er hatte den Angreifer schnell überwältigt. Mit einem Ruck warf er ihn auf den Boden, verdrehte ihm so lange das Handgelenk, bis er die Waffe fallen ließ, und vermutlich hätte er ihn mit dem schweren Silberleuchter erschlagen, der auf einem kleinen Tisch neben ihm stand, wenn er in dem Attentäter nicht einen fünfzehnjährigen Jungen erkannt hätte: Eteokles, den älteren Sohn von Memnon und Barsine! Der Junge gebärdete sich wie ein Löwe, der in die Falle gegangen ist. Er biß und kratzte und überschüttete Alexander mit allen nur erdenklichen Schimpfwörtern.

Von dem lärmenden Aufruhr alarmiert, kamen Alexanders Leibwächter hereingerannt und stellten den Eindringling still. Als dem leitenden Offizier klarwurde, was da vorgefallen war, schrie er: »Mordanschlag auf den König! Bringt ihn runter, damit er gefoltert und gerichtet wird!« Aber Barsine warf sich weinend vor Alexanders Füße: »Rette ihn, mein Herr, rette meinem Sohn das Leben, ich flehe dich an!«

Eteokles warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Nein, es ist besser, du tötest mich«, sagte er dann zu Alexander. »Denn was ich soeben getan habe, werde ich wieder und wieder tun, wenn nötig tausendmal, bis ich den Tod meines Vaters gerächt und seine Ehre wiederhergestellt habe.« Der Junge zitterte vor Haß und Erregung.

Alexander bedeutete seinen Leibwächtern, sich zurückzuziehen.

»Aber, Herr …«, widersprach der Offizier.

»Raus!« schrie Alexander. »Seht ihr nicht, daß das nur ein Kind ist?« Die Männer gehorchten, und Alexander drehte sich wieder nach Eteokles um. »Die Ehre deines Vaters ist intakt, und sein Leben hat er durch eine unheilbare Krankheit verloren.«

»Lüge!« schrie der Junge. »Du hast ihn vergiften lassen, und jetzt … jetzt nimmst du dir seine Frau. Du bist ein Mann ohne Ehre!«

Alexander trat dicht an ihn heran und sagte mit fester Stimme: »Ich habe deinen Vater bewundert, er war der einzige Gegner, den ich meiner für würdig hielt, und ich habe davon geträumt, ihm eines Tages im Zweikampf zu begegnen. Niemals hätte ich ihn vergiften lassen: Ich trete meinen Feinden offen und mit Schwert und Lanze gegenüber. Und was deine Mutter betrifft, so bin ich ihr Opfer, denn sie hat mich um den Schlaf und die innere Ruhe gebracht. Es vergeht kein Augenblick, in dem ich nicht an sie denke. Die Liebe ist eine Gewalt, Eteokles, der keiner entrinnt, die Gewalt eines Gottes. Der Mensch kann sie nicht fliehen, noch kann er sie meiden, wie er Sonne und Regen, Geburt und Tod nicht meiden kann.«

Barsine schluchzte immer noch hinter vorgehaltenen Händen.

»Hast du deiner Mutter nichts zu sagen?« fragte der König.

»Seit du sie berührt hast, ist sie nicht mehr meine Mutter; sie existiert nicht mehr für mich. Laß mich töten, das ist besser für dich. Andernfalls werde ich dich töten und dein Blut dem Schatten meines Vaters weihen, damit er im Hades Frieden findet.«

Alexander wandte sich Barsine zu: »Was soll ich tun?«

Barsine trocknete sich die Augen und schaffte es, die Selbstbeherrschung zurückzuerlangen: »Laß ihn frei, ich bitte dich«, sagte sie leise. »Gib ihm ein Pferd und Proviant und laß ihn ziehen. Tu es mir zuliebe.«

»Ich warne dich«, wiederholte der Junge. »Wenn du mich freiläßt, werde ich zum Großkönig gehen und ihn um ein Schwert und eine Rüstung bitten, damit ich an seiner Seite gegen dich kämpfen kann.«

»Gut, so soll es denn sein«, erwiderte Alexander, rief die Leibwache wieder herein und befahl, den Jungen freizulassen und ihm ein Pferd und Proviant mitzugeben.

Eteokles versuchte die heftigen Gefühle zu verbergen, mit denen er innerlich kämpfte, während er schweigend zur Tür schritt, aber seine Mutter hielt ihn zurück: »Warte!« Der Junge zögerte einen Augenblick, doch dann gab er sich einen Ruck und ging weiter.

»Eteokles, warte, bitte!« wiederholte Barsine, trat vor eine Truhe, öffnete sie und entnahm ihr ein Schwert in seinem glänzenden Futteral. »Hier«, sagte sie und reichte es dem Jungen. »Das ist das Schwert deines Vaters.«

Der Junge nahm die Waffe entgegen und drückte sie ans Herz, während ihm heiße Tränen über die Wangen liefen.

»Auf Wiedersehen, mein Sohn«, sagte Barsine mit tränenerstickter Stimme. »Ahura Mazda und die Götter deines Vaters mögen dich beschützen!«

Eteokles rannte den Korridor entlang und die Treppen hinunter in den Innenhof, wo ihm Alexanders Leibwächter die Zügel eines Pferdes in die Hand drückten, aber bevor er aufspringen und davonstieben konnte, sah er aus einer kleinen Seitentür einen Schatten hervortreten: seinen Bruder Phraates.

»Nimm mich mit! Ich will nicht länger ein Gefangener der Yauna sein.« Eteokles zögerte einen Augenblick, und sein Bruder insistierte: »Nimm mich mit! Bitte, Eteokles, bitte! Ich bin nicht schwer, das Pferd trägt uns beide …«

»Ich kann nicht«, erwiderte Eteokles. »Du bist zu klein und außerdem … einer muß bei Mama bleiben. Leb wohl, Phraates. Wir sehen uns wieder, sobald dieser Krieg zu Ende ist. Und dann komme ich dich persönlich befreien.« Er drückte den weinenden Bruder fest an sich, sprang auf das Pferd und sprengte davon.

Barsine hatte die Szene vom Fenster ihres Gemachs aus verfolgt und wäre am liebsten gestorben bei dem Gedanken, was dem alleine in die Nacht hinausgaloppierenden Jungen alles passieren konnte. Weinend und zutiefst verzweifelt warf sie sich auf ihr Bett. Wie bitter war doch das Schicksal der Menschen. Vor wenigen Augenblicken noch war sie sich wie eine jener Göttinnen auf dem Olymp vorgekommen, die sie von den Gemälden und Skulpturen der großen Yauna-Künstler: kannte, jetzt hätte sie mit der bescheidensten ihrer Sklavinnen getauscht, nur um ihr Kind behalten zu können.

2

Alexander liess zwei Schiffbrücken bauen, damit das Heer ans andere Nilufer übersetzen konnte, und dort stießen sie zu jenen Offizieren und ihren Kontingenten, die er zur Kontrolle des Landes eingesetzt und zurückgelassen hatte. Da sie ihre Aufgabe gut erfüllt hatten, bestätigte er sie in ihren Ämtern, gab jedoch acht, daß die Macht über das reiche Land immer auf mehrere Personen verteilt war.

Es folgten wahrhaft glorreiche Tage: Ägypten krönte ihn, den vom Ammon-Tempel Zurückkehrenden, zum Pharao und verehrte ihn wie einen Gott. Doch das Schicksal wollte, daß traurige Ereignisse den Jubel überschatteten. Fast täglich hatte Alexander Barsines Verzweiflung vor Augen, aber das Unglück, das dann folgte, war noch schlimmer: Parmenion hatte außer Philotas noch zwei Söhne, Nikanor, Anführer einer Reiterschwadron, und Hektor, einen neunzehnjährigen Burschen, an dem der alte General besonders hing. Begeistert vom Anblick der großen Armee, die sich anschickte, den Nil zu überqueren, hatte Hektor darauf bestanden, sich in einem ägyptischen Papyrusboot auf den Fluß hinausrudern zu lassen, um das grandiose Spektakel aus nächster Nähe miterleben zu können. Dazu hatte er aus jugendlicher Eitelkeit noch eine schwere Rüstung angelegt und einen grellfarbenen Paradeumhang, in denen er aufrecht am Bug des Bootes stand.

Dann geschah das Unvorhersehbare: Sein Boot prallte plötzlich gegen irgendeinen Widerstand, vielleicht den Rücken eines Flußpferdes, das in diesem Augenblick auftauchte, jedenfalls war der Zusammenstoß so heftig, daß Hektor das Gleichgewicht verlor, ins Wasser stürzte und von seiner schweren Rüstung augenblicklich in die Tiefe gezogen wurde. Die ägyptischen Ruderer des Bootes sprangen ihm zwar sofort hinterher, ohne sich um gefährliche Wasserstrudel und Krokodile zu kümmern, und dasselbe taten zahlreiche junge Makedonen und sein Bruder Nikanor, die den Unfall vom Ufer aus mitbekommen hatten, aber es war alles umsonst. Parmenion, der die Flußüberquerung vom Ostufer aus überwachte, mußte der Tragödie tatenlos beiwohnen.

Der König wurde kurz darauf von dem Vorfall unterrichtet und ordnete augenblicklich an, daß phönizische und zypriotische Seeleute versuchten, wenigstens die Leiche des jungen Mannes zu bergen, aber auch ihre Mühe blieb vergeblich. Nach vielen Stunden fieberhafter Suche, an der er selbst sich beteiligte, stattete Alexander dem trauernden General einen Besuch ab.

»Wie geht es ihm?« fragte er Philotas, der vor dem Zelt seines Vaters Wache stand, als müsse er dessen Einsamkeit hüten. Der Freund schüttelte traurig den Kopf.

Parmenion saß stumm auf der Erde, nur sein weißes Haar war im Dunkel des Zeltes zu erkennen. Alexander fühlte, wie er weiche Knie bekam; der treue Gefolgsmann, der ihn mit seinen Ermahnungen zur Besonnenheit und den ständigen Anspielungen auf die Größe König Philipps so oft gereizt hatte, tat ihm entsetzlich leid. In diesem Moment erinnerte er ihn an eine uralte Eiche, die jahrelang Sturm und Wetter getrotzt hat und plötzlich vom Blitz getroffen worden ist.

»Es ist ein trauriger Besuch, den ich dir heute abstatte, General«, hob Alexander zögernd an und mußte, während er Parmenion betrachtete, unwillkürlich an den alten Auszählreim denken, den er als Kind immer hergesagt hatte, wenn der General mit dem weißen Haar zu den Kriegsräten seines Vaters erschienen war:

 

»Der alte Soldat zieht in den Krieg,

fällt in den Dreck, und du bist weg!«

 

Als Parmenion die Stimme seines Königs vernahm, erhob er sich fast automatisch und sagte mit gebrochener Stimme: »Danke, daß du gekommen bist, Herr.«

»Wir haben alles versucht, um den Leichnam deines Jungen zu bergen. Ich hätte ihm die höchsten Ehren erwiesen, ich hätte … ich hätte alles getan, nur um …«

»Ich weiß«, erwiderte Parmenion. »›In Zeiten des Friedens beerdigen die Söhne die Väter, in Zeiten des Krieges die Väter ihre Söhne‹, sagt das Sprichwort. Ich hatte immer gehofft, mir würde dieses Elend erspart bleiben. Ich hatte gehofft, mich würde der erste Pfeil oder der erste Schwertstreich treffen. Statt dessen …«

»Ein schrecklicher Unfall«, sagte Alexander. Seine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit im Zelt gewöhnt, und so konnte er die vom Schmerz entstellten Züge des Generals erkennen. Er schien um Jahre gealtert, seine Augen waren gerötet, die Haut war ausgetrocknet und rissig, das Haar verwildert. Nicht einmal nach den härtesten Schlachten hatte Alexander ihn in einem so erbärmlichen Zustand erlebt.

»Wäre es doch …«, murmelte Parmenion, »wäre es doch im Kampf passiert, mit einem Schwert in der Hand, dann hätte ich es noch hinnehmen können, wir sind schließlich Soldaten. Aber so … so … ertrunken in diesem trüben Fluß, zerfetzt und verschlungen von diesen Ungeheuern! Oh, Götter, Götter des Himmels, warum? Warum?« Er schlug sich die Hände vors Gesicht und brach in herzzerreißendes Weinen und Wehklagen aus.

Alexander fand angesichts dieser Verzweiflung keine tröstenden Worte mehr. »Mein tiefes Beileid …«, murmelte er nur und ging hinaus. Vor dem Zelt grüßte er Philotas mit einem kummervollen Blick und ebenso Nikanor, den anderen Bruder, der in diesem Augenblick – bis auf die Haut durchnäßt und mit Schlamm bedeckt – von der erfolglosen Suche nach Hektors Leiche zurückkam.

Am darauffolgenden Tag ließ der König einen Kenotaphen zu Ehren des jungen Mannes errichten und leitete persönlich die feierliche Bestattungszeremonie. Die in dichten Reihen aufmarschierten Soldaten schrien zehnmal Hektors Namen, auf daß sein Andenken niemals in Vergessenheit gerate, aber es war nicht wie in Thrakien oder Illyrien, wo sie die Namen ihrer in der Schlacht gefallenen Kameraden zu den schneebedeckten Berggipfeln, in den saphirblauen Himmel hinaufgeschrien hatten. An den Ufern des trüben Nils, in der drückenden Atmosphäre der schwülheißen Gegend, wurde der Namen Hektors sofort von der Stille verschluckt.

 

Am selben Abend kehrte der König zu Barsine zurück. Er fand sie weinend auf ihrem Bett vor, und die Amme erzählte ihm, daß sie seit Tagen fast keine Speise zu sich nahm.

»Du hast keinen Grund, so verzweifelt zu sein«, sagte Alexander zu ihr. »Deinem Jungen wird nichts passieren: Ich habe ihm zwei von meinen Männern nachgeschickt, damit sie ihn beschützen.«

Barsine setzte sich auf und lächelte matt. »Ich danke dir. Damit hast du mir eine große Last vom Herzen genommen … auch wenn die Schande bleibt. Meine Söhne haben mich verurteilt und verdammt.«

»Du irrst dich«, erwiderte Alexander. »Weißt du, was Eteokles seinem jüngeren Bruder beim Abschied gesagt hat? Meine Wachleute haben es mir erzählt. ›Einer muß bei Mama bleiben‹, hat er zu ihm gesagt. Das bedeutet, daß er dich liebt und nur aus falsch verstandenem Pflichtbewußtsein so handelt. Eigentlich solltest du stolz auf ihn sein.«

Barsine wischte sich die Tränen aus den Augen. »Es tut mir leid, daß alles so kommen mußte. Ich hätte dir Freude bereiten wollen, dir in den Augenblicken des Triumphes nahe sein wollen. Statt dessen ist mir nur nach Weinen zumute.«

»Mir auch«, entgegnete Alexander. »Parmenion hat seinen jüngsten Sohn verloren, er ist im Nil ertrunken. Das ganze Heer trauert um ihn, und ich konnte das Unglück nicht verhindern. Es nützt mir nicht viel, zum Gott aufgestiegen zu sein … Aber jetzt komm und iß mit mir. Versuchen wir gemeinsam das Glück zurückzuerobern, das uns vom Schicksal geneidet wird.«

Admiral Nearchos erhielt Befehl, mit der Flotte in Richtung Phönizien zu segeln, während das Heer neuerlich die Straße zwischen Wüste und Meer einschlug und auf dem Landweg zurückkehrte. Als man beinahe in Gaza war, bekam Alexander eine böse Nachricht aus Sidon: »König«, schrie der Bote ganz außer Atem und sprang vom Pferd. »Die Samariter haben deinen syrischen Gouverneur, den Kommandanten Andromachos, stundenlang gefoltert und bei lebendigem Leibe verbrannt.«

»Wer sind diese Samariter?« fragte Alexander mit wutverzerrtem Gesicht. Das hatte ihm zu allem Unglück gerade noch gefehlt!

»Barbaren, die in den Bergen zwischen Judäa und dem Karmel leben und eine Stadt namens Samaria besitzen«, erwiderte der Melder.

»Und wissen diese Barbaren nicht, wer Alexander ist?«

»Wissen vielleicht schon«, warf Lysimachos ein, »aber es scheint sie nicht groß zu kümmern. Offenbar glauben sie, deinen Zorn ungestraft herausfordern zu können.«

»Dann sollen sie mich kennenlernen«, erwiderte der König düster und gab Befehl, den Marsch augenblicklich wieder aufzunehmen. Das Heer zog ohne Aufenthalt bis Akre und drang von dort in östlicher Richtung ins Landesinnere vor – die triballische und agrianische Kavallerie sowie die Königsschwadron befanden sich dabei in Schlachtaufstellung und in voller Kampfmontur. Der König führte sie mit Unterstützung seiner Gefährten persönlich an, während sich das schwer bewaffnete Fußvolk, die Hilfstruppen und die Hetairoi unter Parmenions Kommando weiterhin an der Küste hielten.

Mit Einbruch der Dämmerung erreichte Alexander sein Ziel – völlig unerwartet für die Samariter, die ein Hirtenvolk waren, und sich deshalb – vor allem die Männer – größtenteils in den umliegenden Bergen und Hügeln befanden, wo sie ihr Vieh weideten. Innerhalb von drei Tagen waren alle ihre Dörfer niedergebrannt. Die Hauptstadt Samaria, die im Grunde auch nur ein größeres Dorf mit Mauergürtel war, wurde gestürmt und dem Erdboden gleichgemacht, ihr ärmlicher Tempel, der nicht einmal eine Statue oder ein Kultbild besaß, in Brand gesteckt.

Als der verheerende Einfall zu Ende war, schickte bereits die dritte Nacht ihre Schatten voraus. Der König beschloß, in den Bergen zu lagern und den nächsten Tag abzuwarten, bevor er und seine Männer den Marsch zurück ans Meer antraten. Um Überraschungsangriffen vorzubeugen, sicherte er alle umliegenden Paßstraßen mit doppelten Wachtrupps und ließ große Feuer anzünden, so daß die Nacht schließlich ruhig verlief. Kurz vor Sonnenaufgang wurde Alexander von dem Anführer der letzten Wachrunde, einem Thessaler aus Larissa namens Eurialos, geweckt:

»Herr, komm und schau dir das an.«

»Was gibt’s?« fragte Alexander und erhob sich.

»Da kommt wer von Süden – sieht beinahe aus wie eine Gesandtschaft.«

»Eine Gesandtschaft? Von wem?«

»Keine Ahnung.«

»Im Süden gibt es nur einen Ort«, bemerkte Eumenes, der schon länger auf den Beinen war und bereits einen ersten Rundgang gemacht hatte. »Jerusalem.«

»Was ist das für ein Ort?«

»Die Hauptstadt eines kleinen Reichs ohne König, das Reich der Judäer; sie liegt auf einem steilen Berg und ist mit einem Mauerring umgeben.«

Während Eumenes sprach, war die kleine Gruppe Männer beim ersten Wachtrupp angekommen und bat, durchgelassen zu werden.

»In Ordnung«, sagte Alexander. »Ich empfange sie vor meinem Zelt.« Er warf sich einen Umhang über die Schulter und ließ sich auf einem kleinen Feldschemel nieder.

Einer der Abgeordneten, ein Griechisch sprechender Mann, wechselte unterdessen ein paar Worte mit Eurialos und fragte ihn, ob der junge Mann mit dem roten Umhang dort vor dem Zelt König Alexander sei. Auf Eurialos’ bejahende Antwort hin nickte er seinen Begleitern zu und näherte sich Alexanders »Thron« an der Spitze der kleinen Gruppe. Man sah auf den ersten Blick, wer unter ihnen das Sagen hatte, nämlich ein mittelgroßer, alter Mann mit langem, gepflegtem Bart. Er trug eine steife Mitra und eine Art Brustlatz, den zwölf bunte Steine schmückten. Er sprach als erster; seine gutturale und zugleich wohlklingende Sprache mit ihren vielen Hauchlauten und dem rhythmischen Klang erinnerte Alexander an das Phönizische.

»Der Herr möge dich behüten, großer König«, übersetzte der Dolmetscher.

»Von welchem Herrn sprichst du?« fragte Alexander.

»Von dem Herrn, unserem Gott: dem Gott Israels.«

»Und warum sollte ausgerechnet euer Gott mich beschützen?«

»Nun, er hat es ja bereits getan«, erwiderte der Alte. »Er hat dich so viele Schlachten heil überstehen lassen, damit du hierherkommen und die Samariter, diesen Fluch, vernichten konntest.«

Alexander schüttelte verständnislos den Kopf. »Ein Fluch, was ist das?« fragte er. Aber in diesem Augenblick spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er wandte den Kopf und sah Aristandros, in seinen weißen Umhang gehüllt und mit einem seltsamen Ausdruck im Blick.

»Achte diesen Mann«, flüsterte ihm der Seher ins Ohr. »Sein Gott ist bestimmt ein sehr mächtiger Gott.«

»Ein Fluch ist eine Gotteslästerung«, fuhr unterdessen der Dolmetscher fort, »und die Samariter hatten einen Tempel auf dem Berg Garizim errichtet – den Tempel, den du soeben mit Hilfe des Herrn zerstört hast.«

»Und das war der … Fluch?«

»Ja.«

»Warum?«

»Weil es nur einen einzigen Tempel geben kann.«

»Einen einzigen?« fragte der König verblüfft. »Bei uns zu Hause gibt es Hunderte!«

Aristandros bat um Erlaubnis, mit dem weißhaarigen Greis sprechen zu dürfen. »Kannst du mir euren Tempel beschreiben?« fragte er ihn.

Der Alte begann mit verklärtem Blick und schwärmerischer Stimme zu sprechen, während der Dolmetscher übersetzte: »Der Tempel ist das Haus unseres Herrn, des einzigen Gottes, Schöpfer des Himmels und der Erde, des Sichtbaren und des Unsichtbaren. Er befreite unsere Väter aus dem Joch der Ägypter und gab ihnen das verheißene Land. Viele Jahre lang war ein Zelt in der Stadt Silo seine Wohnstatt, dann aber hat König Salomo ihm in unserer Stadt, auf dem Berge Zion, einen Tempel gebaut, der von Gold und Bronze strahlt.«

»Und wie sieht euer Gott aus?« fragte Aristandros. »Kannst du mir ein Bild von ihm entwerfen?«

Bei dieser Frage verzog der greise Gesandte entsetzt das Gesicht. »Unser Herr hat überhaupt kein bestimmtes Aussehen, und es ist uns strengstens verboten, ihn irgendwie bildlich darzustellen«, erwiderte er trocken. »Das wahre Bild unseres Herrn ist in allem, was uns umgibt, in den Wolken am Himmel, in den Blumen auf dem Felde, im Gesang der Vögel und im Rauschen des Windes in den Baumkronen.«

»Aber wenn euer Tempel keine Bilder und Statuen enthält, was enthält er dann?«

»Nichts, was für menschliche Augen bestimmt wäre.«

»Und wer bist du?«

»Ich bin der höchste Priester. Ich bringe die Gebete unseres Volkes vor den Herrn, und nur mir ist es erlaubt, einmal im Jahr, im Allerheiligsten des Tempels, seinen Namen auszusprechen. Dürfte ich nun auch erfahren, wer du bist?«

Der König blickte zuerst seinen Seher, dann den fremden Priester an und sagte schließlich: »Ich will den Tempel deines Gottes sehen.«

Der alte Mann fiel, kaum daß er den Wunsch des Königs vernommen hatte, auf die Knie und flehte ihn, die Stirn auf dem Boden, an: »Ich bitte dich, entweihe unseren Tempel nicht. Keiner, der nicht beschnitten ist und nicht zu Gottes auserwähltem Volk gehört, darf den Tempel betreten. Ich habe die Pflicht, das zu verhindern, und wenn dabei Blut fließt.«

Der König war drauf und dran, einen Tobsuchtsanfall zu bekommen, wie immer, wenn ihm etwas abgeschlagen wurde, aber Aristandros bedeutete ihm, seinen Zorn zu zügeln und beugte sich erneut zu seinem Ohr hinunter: »Achte diesen Mann, der bereit wäre, sein Leben für einen Gott ohne Angesicht zu opfern, und nicht lügen will, um dir zu schmeicheln.«

Alexander dachte eine Weile schweigend nach, dann wandte er sich erneut an den Alten mit dem weißen Bart: »Gut, ich werde deinen Wunsch respektieren. Aber du mußt mir dafür Antwort auf eine Frage geben.«

»Auf welche Frage?« wollte der Greis wissen.

»Du hast gesagt, daß sich das Bild des einzigen Gottes in den Wolken am Himmel findet, in den Blumen auf der Wiese, im Lied der Vögel, im Rauschen des Windes. Was aber hat der Mensch von deinem Gott?«

Der Alte sah ihn an und sagte: »Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. In manchen Menschen ist dieses Ebenbild aufgrund von schlechten Taten bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. In anderen dagegen leuchtet es wie die Sonne am Mittagshimmel. Einer von diesen Menschen bist du, großer König.«

Mit diesen Worten drehte sich der Hohepriester um und trat den Heimweg an.

3

Das Heer setzte seinen Marsch fort, ließ Palästina hinter sich und zog erneut in Phönizien ein. In Tyros wollte der König dem Herkules-Melqart opfern, um mit einer feierlichen, religiösen Zeremonie seine Soldaten zuversichtlich zu stimmen, denn seit dem Tod des jungen Hektor, den viele als ungünstiges Vorzeichen gedeutet hatten, herrschte eine ziemlich gedrückte Stimmung im Heer.

Tyros war immer noch schwer gezeichnet von der Verwüstung, die es im Jahr zuvor erlitten hatte, und doch war bereits wieder Leben in die Inselstadt eingekehrt. Die Überlebenden arbeiteten am Wiederaufbau ihrer Häuser und schafften das nötige Material mit Ruderbooten vom Festland herbei. Andere kümmerten sich um den Fischfang, und wieder andere waren damit beschäftigt, die Betriebe wieder instand zu setzen, in denen das wertvollste Purpur der Welt hergestellt wurde; man gewann es aus den zermahlenen Schalen einer Art von Miesmuscheln, die nur hier, an den Felsen von Tyros, gediehen. Aus Zypern und Sidon waren zahlreiche Siedler zur Neubevölkerung der alten Stadt eingetroffen und langsam aber sicher heiterte sich die triste Atmosphäre, die von den Trümmern ausgegangen war, etwas auf. Die Arbeit ging voran, neue Familien bildeten sich, und das Alltagsleben verlief allmählich wieder in seinen normalen Bahnen.

Alexander wurde in Tyros von den Gesandtschaften vieler griechischer Städte und Inseln besucht, und er bekam reichlich Post von zu Hause – Berichte des Regenten Antipatros über die Anwerbung neuer Truppen im Norden des Landes sowie einen Brief von seiner Mutter, der ihn nachhaltig beeindruckte:

 

»Olympias an Alexander, ihren geliebten Sohn, Heil!

Ich habe von deinem Besuch des Zeustempels in der Oase Siwa erfahren und davon, was der Gott dir durch das Orakel beschieden hat – es hat mich zutiefst bewegt. Ich habe mich wieder an den Tag erinnert, an dem du dich – noch ungeboren – zum erstenmal in meinem Schoß geregt hast; das war, wie du weißt, vor dem Zeustempel in Dodona, in meiner Heimat Epeiros.

Damals kam plötzlich ein heftiger Wind auf, er brachte Sand aus der Wüste mit sich, und die Priester sagten mir, daß sich dein grandioses Schicksal an jenem Tag erfüllen würde, an dem du das andere große Heiligtum des Gottes, den Zeus-Ammontempel in der Libyschen Wüste, besuchtest. Neulich ist mir auch wieder ein Traum eingefallen, in dem Zeus in Gestalt einer Schlange von mir Besitz nahm. Im übrigen war ich schon immer überzeugt, lieber Sohn, daß du nicht von Philipp gezeugt wurdest, sondern Abkömmling eines Gottes bist. Wie anders wären deine unglaublichen Siege zu erklären, die Tatsache, daß sogar das Meer vor dir zurückweicht und daß es in der glühenden Wüste plötzlich zu regnen beginnt?

Denke an deinen himmlischen Vater, mein Sohn, und vergiß Philipp. Es ist nicht sein Blut, das in deinen Adern fließt.«

 

Alexander begriff, daß seine Mutter bestens über den Verlauf der Expedition unterrichtet war und ihrerseits einen ganz präzisen Plan verfolgte. In diesem Plan war kein Platz für die Vergangenheit, sondern nur für die Zukunft – eine Zukunft, die freilich ganz anders aussah, als Philipp und sein Lehrer Aristoteles es beabsichtigt und für ihn gewünscht hatten; nicht genug: In Olympias Plan war nicht einmal Platz für die Erinnerung an Philipp. Alexander legte den Brief gerade auf den Tisch zurück, als Eumenes mit neuer Korrespondenz hereinkam.

»Schlechte Nachrichten?« fragte der Generalsekretär, als er Alexanders kummervollen Gesichtsausdruck bemerkte.

»Nein, im Gegenteil, eigentlich sollte ich mich freuen: Selbst meine Mutter hält mich für den Sohn eines Gottes.«

»Trotzdem machst du mir keinen sehr glücklichen Eindruck.«

»Wärst du an meiner Stelle glücklich?«

Eumenes zuckte mit den Schultern: »Um Ägypten zu regieren und von der Priesterschaft von Memphis anerkannt zu werden, gab es einfach keinen anderen Weg – du mußtest Pharao und damit Sohn Ammons werden. Und wenn du bedenkst, daß alle Griechen, die in Libyen, Kyrene, Naukratis und bald auch in Alexandreia ansässig sind, den Ammon als Zeus verehren, so ist es nur logisch daß du als Sohn des Ammon gleichzeitig auch Sohn des Zeus bist.«

Alexander hatte ihm, während er sprach, Olympias Brief in die Hand gedrückt. Eumenes überflog ihn rasch und sagte: »Die Königinmutter will dir lediglich dabei behilflich sein, dich mit deiner neuen Rolle abzufinden«, sagte er, als er mit dem Lesen fertig war.

»Nein, da täuschst du dich. Meine Mutter hat sich schon immer zwischen Traum und Wirklichkeit bewegt; oft kann sie das eine nicht vom anderen unterscheiden. Und das ist noch nicht alles …« Er hielt einen Augenblick inne, als wisse er nicht recht, ob er Eumenes wirklich in dieses Geheimnis einweihen sollte. »Meine Mutter … meine Mutter ist in der Lage, ihren Träumen Gestalt zu verleihen und andere Menschen in sie einzubeziehen.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte der Sekretär.

»Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem mein Vater mich umbringen wollte und ich aus Pella geflohen bin?«

»Und ob!«

»Ich floh mit meiner Mutter, wir wollten nach Epeiros; etwa dreißig Stadien westlich von Beroea haben wir in einem Eichenwald unser Nachtlager aufgeschlagen. Gegen Mitternacht sah ich Olympias plötzlich aufstehen und in den dunklen Wald hinausgehen. Sie wandelte ganz leicht dahin, als berührten ihre Füße den Boden überhaupt nicht; ich bin ihr gefolgt, sie ging zu einer Tempelruine, vor der eine uralte, efeuumrankte Dionysos-Statue stand. Glaub mir, Eumenes: Ich habe Olympias gesehen, wie ich jetzt dich vor mir sehe, und weißt du, was sie tat? Sie beschwor eine riesige Schlange aus der Erde herauf und lockte flötespielende Satyrn und Mänaden herbei, die eine Orgie feierten, sie war wie besessen …«

Eumenes starrte ihn an, als traue er seinen Ohren nicht. »Wahrscheinlich hast du geträumt«, sagte er.

»Nein. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, und es war ihre Hand, begreifst du? Aber einen Augenblick vorher hatte ich sie noch Flöte spielen und von dieser riesigen Schlange umwunden tanzen sehen. Außerdem stand ich mitten im Wald, ein gutes Stück von unserem Lagerplatz entfernt. Am Ende sind wir gemeinsam dorthin zurückgegangen. Wie erklärst du dir diese Geschichte?«

»Keine Ahnung. Es gibt ja Schlafwandler, und angeblich soll es auch Leute geben, die im Schlaf ihren Körper verlassen, weit umherreisen und sogar anderen Menschen erscheinen – Ekstasis nennt man das. Olympias ist keine gewöhnliche Frau …«

»Das steht außer Zweifel. Antipatros fällt es immer schwerer, sie im Zaum zu halten. Meine Mutter will regieren, sie will Macht ausüben, und es wird schwierig sein, sie daran zu hindern. Ich frage mich, was Aristoteles zu alledem sagt.«

»Das ist leicht herauszubekommen. Du brauchst dich nur an Kallisthenes zu wenden …«

»Kallisthenes regt mich manchmal auf.«

»Das merkt man. Und er selbst bedauert es.«

»Aber er tut nichts, um es zu verhindern.«

»Ich glaube, das siehst du falsch. Kallisthenes hat seine Prinzipien, und er ist von seinem Onkel dazu erzogen worden, nicht von ihnen abzuweichen. Versuch, ihn zu verstehen«, sagte Eumenes. Dann wechselte er das Thema: »Was hast du für die nächste Zukunft vor?«

»Ich will Theaterwettkämpfe und gymnastische Spiele veranstalten.«

»Theaterwettkämpfe?« wiederholte Eumenes völlig entgeistert.

»Jawohl.«

»Wozu?«

»Die Männer brauchen Zerstreuung.«

»Die Männer brauchen endlich wieder ein Schwert in der Hand! Sie haben seit über einem Jahr nicht mehr gekämpft. Wenn morgen plötzlich die Perser über uns herfielen, ich weiß nicht, wie das ausginge …«

»Die Perser fallen in nächster Zeit bestimmt nicht über uns her. Dareios ist im Augenblick damit beschäftigt, das größte Heer aller Zeiten zu versammeln, um uns zu vernichten.«

»Und du läßt es ihn in aller Ruhe tun? Organisierst Theateraufführungen und Turnwettkämpfe?« Der Sekretär schüttelte verständnislos den Kopf, aber Alexander legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Hör zu, Eumenes: Es kann nicht Ziel unseres Feldzugs sein, sämtliche Städte und Festungen des ganzen Perserreichs einzeln zu erobern – das wäre auf die Dauer viel zu strapaziös. Du hast doch selbst erlebt, wieviel es uns gekostet hat, Milet, Halikarnassos, Tyros einzunehmen …«

»Schon, aber …«

»Dareios soll Truppen ausheben, so viel er will … Irgendwann treffen wir uns zur großen Schlacht, und dann schlage ich ihn – ein für allemal!«

»Und was, wenn wir … verlieren?«

Alexander sah Eumenes an als hätte er soeben eine Riesendummheit von sich gegeben: »Verlieren? Das ist unmöglich!«

Eumenes senkte den Blick. Plötzlich wurde ihm klar, daß Olympias’ Brief Alexander nur in einem Glauben bestärkt hatte, den er insgeheim schon immer gehegt hatte: den Glauben, unbesiegbar und unsterblich zu sein. Daß dies eine wie auch immer geartete Form von Göttlichkeit mit einschloß, war von zweitrangiger Bedeutung. Doch würden das Heer und seine Gefährten dieselbe Überzeugung und Entschlossenheit besitzen? Wie würden sie reagieren, wenn sie auf irgendeiner endlosen asiatischen Hochebene plötzlich dem größten Heer aller Zeiten gegenüberstanden?

»Was denkst du?« fragte Alexander.

»Nichts, mir ist nur gerade eine Stelle aus dem ›Zug der Zehntausend‹ in den Sinn gekommen, die, in der …«

»Sag nichts«, unterbrach ihn der König. »Ich weiß, welche Stelle du meinst.« Und dann begann er auswendig zu zitieren:

»Es war bereits Mittag und der Feind noch immer nicht zu sehen; am Nachmittag tauchte plötzlich eine weiße Staubwolke auf, die sich weithin über die Ebene ausbreitete. Wenig später waren metallene Blitze zu erkennen, und dann kamen die Lanzen und die Scharen in Sicht …«

»Die Schlacht von Kunaxa, der Moment, in dem das riesige Heer des Großkönigs wie ein Gespenst im Staub der Wüste auftaucht … Und doch haben die Griechen auch damals gesiegt, Eumenes. Und hätten sie den Feind – anstatt des Frontalansturms auf seinen linken Flügel – gleich im Zentrum angegriffen, so hätten sie den persischen König getötet und sein ganzes Reich erobert. Tu mir den Gefallen, mein Freund, kümmere dich um die Spiele und Theateraufführungen.«

Eumenes schüttelte noch einmal den Kopf und schickte sich an, zu gehen.

»Noch etwas«, rief ihm der König nach, als er schon auf der Türschwelle stand. »Wähle Dramen aus, die Thessalos’ Stimme und seine Schauspielkunst entsprechend zur Geltung bringen. Den ›Ödipus‹ zum Beispiel, oder …«

»Keine Sorge«, fiel Eumenes ihm ins Wort, »du weißt ja, daß ich mich auf derlei Dinge verstehe.«

»Eumenes!«

»Ja?«

»Wie geht es dem General?«

»Parmenion? Vermutlich miserabel, aber er läßt es sich nicht anmerken.«

»Meinst du, er wird der Lage gewachsen sein, wenn es soweit ist?«

»Ja, davon bin ich überzeugt«, erwiderte Eumenes. »Es gibt nicht viele Männer wie ihn.« Und mit diesen Worten ging er hinaus.

 

Alexander eröffnete die Wettspiele mit einer pompösen Feier und lud seine Freunde und die höheren Offiziere anschließend zu einem Festbankett ein. Alles erschien, nur Parmenion ließ sich durch einen Boten entschuldigen, der dem König ein kleines Billett überreichte:

 

Parmenion an König Alexander, Heil!

Bitte entschuldige mein Fehlen beim Bankett. Ich fühle mich nicht wohl und würde deinem Tisch bestimmt keine Ehre machen.«

 

Von Anfang an war klar, daß es sich diesmal um ein ausgesprochen gesittetes Mahl handeln würde, das vor allem der Kunst und dem Gespräch dienen sollte, denn man hatte weder Tänzerinnen noch in Liebesspielen erfahrene »Gefährtinnen« bestellt, und Alexander ließ es sich nicht nehmen, als »Leiter des Gastmahls«, eigenhändig den Wein im Mischkrug mit vier Teilen Wasser zu versetzen. Daß er sich an diesem Abend nicht über Kriegsangelegenheiten, sondern über philosophische und literarische Themen unterhalten wollte, war auch daran zu erkennen, daß er Barsine und Thessalos die Plätze zu seiner Rechten und Linken zugewiesen hatte; auf sie folgten Kallisthenes und ein paar Sophisten, die mit einer Gesandtschaft aus Athen zu Besuch gekommen waren, dann Hephaistion, Eumenes, Seleukos und Ptolemaios mit ihren mehr oder weniger festen Begleiterinnen; die restlichen Gefährten waren am andern Ende des Saals plaziert.

Obwohl beinahe Hochsommer war, brauten sich draußen über der alten Stadt dicke schwarze Regenwolken zusammen. Die Köche hatten gerade begonnen, die ersten Portionen gebratenes Lamm mit frischen Feldbohnen auszuteilen, als plötzlich ein lauter Donnerschlag die Wände des Hauses zum Erzittern brachte und sogar den Wein in den Bechern kräuselte.

Die Geladenen sahen einander erschrocken an, während der Donner in der Ferne verhallte. Als die Köche mit dem Fleischausteilen fortfuhren, wandte Kallisthenes sich mit einem halb ironischen, halb scherzhaften Lächeln an Alexander und sagte: »Würdest du als Sohn des Zeus so etwas auch fertigbringen?«

Der König senkte einen Moment lang den Kopf, und viele der im Saal versammelten fürchteten schon einen seiner berühmten Wutausbrüche. Kallisthenes selbst schien seine Bemerkung bereits tief zu bereuen – Seleukos bemerkte, daß er ganz blaß geworden war, und flüsterte Ptolemaios ins Ohr: »Jetzt macht er sich in die Hose.«

Aber Alexander hob den Kopf wieder, setzte ein völlig entspanntes Lächeln auf und sagte: »Nein, das würde ich niemals tun – ich möchte ja nicht, daß meine Tischgenossen vor lauter Schreck der Schlag trifft.«

Seine Bemerkung wurde mit großem Gelächter aufgenommen. Diesmal hatte sich das Gewitter noch einmal verzogen.

4

Eteokles ritt mehrere Tage hindurch, fast ohne zu rasten; nachts schlief er nur ein paar Stunden neben seinem Pferd, immer wieder aufgeschreckt vom Heulen eines Schakals oder anderen Tierlauten; bei Tag hatte er ständig Angst, vom Weg abzukommen, überfallen und ausgeraubt zu werden, Pferd und Vorräte gestohlen zu bekommen oder womöglich Wegelagerern in die Hände zu fallen, die ihn als Sklaven weit weg verkaufen würden, wo niemand ihn mehr aufstöbern und freikaufen konnte. In seinem kurzen Leben hatte er noch nie so viele Ängste und Gefahren alleine durchstehen müssen, aber das Schwert seines Vaters flößte ihm Mut ein, er drückte es immer wieder an sich und hielt sich vor Augen, wem es gehört hatte: dem großen Memnon von Rhodos! Auch der Umstand, daß er groß und kräftig gebaut war und deshalb älter aussah, als er in Wirklichkeit war, beruhigte ihn.

Er konnte freilich nicht ahnen, daß er heimlich von zwei Männern beschützt wurde, die sein Feind ihm an die Fersen geheftet hatte, er, dieser verhaßte Alexander, der seinen Vater entehrt und seiner Mutter Seele und Körper erobert hatte. Vielleicht war er ja wirklich der menschgewordene Ahriman, Gott der Finsternis und des Bösen, wie er seinen Großvater Artabazos einmal hatte sagen hören.

So lange Eteokles die bewohnten Gegenden Palästinas und Syriens durchquerte, hatten seine Leibwächter es nicht schwer, ihm unbemerkt zu folgen; sie hielten sich im Schatten von Häusern oder mischten sich unter die Reisenden irgendeiner Karawane, die von Dorf zu Dorf zog, doch als sich die große Wüste vor ihnen auftat, mußten die beiden Hetairoi Rat abhalten. Sie waren zwei junge Makedonen aus der königlichen Leibgarde, tapfere und kluge Männer, die den Charakter ihres Königs bestens kannten. Wenn sie in ihrer Mission versagten und dem Jungen etwas zustieß, durften sie Alexander nicht mehr unter die Augen treten, das war ihnen klar.

»In dieser Einöde können wir uns nirgends verstecken«, sagte einer von ihnen. »Wenn wir ihm in Sichtweite folgen, wird er uns bemerken. Lassen wir ihn andererseits aus den Augen, dann verlieren wir womöglich den Kontakt.«

»Ja«, sein Gefährte nickte. »Ich denke, einer von uns muß sich ihm nähern und versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen, um ihn begleiten zu können. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig.«

Sie dachten sich einen Plan aus, und am nächsten Morgen, als sich der Junge in aller Frühe auf den Weg machte – müde, da er kaum geschlafen hatte – sah er auf der Wüstenstraße, ein gutes Stück vor sich, einen einzelnen Mann reiten. Er blieb stehen und überlegte, was wohl besser war: dem Mann Vorsprung zu geben und selbst erst später aufzubrechen, oder sich ihm zu nähern und ein Stück gemeinsam zu reiten.