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Nr. 2611

 

Gegen den Irrsinn

 

Er ist die einzige Hoffnung und die größte Bedrohung – Saedelaere im moralischen Konflikt

 

Marc A. Herren

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Der furchtbare, aber kurze Krieg gegen die Frequenz-Monarchie liegt inzwischen sechs Jahre zurück. Die Hoffnung auf eine lange Zeit des Friedens bleibt leider unerfüllt. Die geheimnisvolle Macht QIN SHI schlägt zu, und es geschieht zweierlei:

Perry Rhodan verschlägt es mitsamt der BASIS in die unbekannte Doppelgalaxis Chanda, und auch das gesamte Solsystem wird an einen fremden Ort entführt.

Alaska Saedelaere wiederum befindet sich auf der Suche nach der Kosmokratenbeauftragten Samburi Yura, wozu sich ihm deren Raumschiff LEUCHTKRAFT unterstellt hat. Sie, QIN SHI, das Botnetz und das Reich der Harmonie hängen irgendwie zusammen. Als Saedelaere das Reich der Harmonie erreicht, kann er zwar dessen Herzogin retten und Sholoubwa, den Konstrukteur, finden, doch macht er sich zugleich verdächtig, weil sein Cappinfragment ungeahnte Auswirkungen auf andere hat. Jeder, der sich in Saedelaeres Umgebung aufhält, muss nun kämpfen – GEGEN DEN IRRSINN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger will Leben retten und bringt den Tod.

Eroin Blitzer – Der Zwergandroide muss den Verlust seines Beiboots verkraften.

Pridon – Der Gardeleutnant ist bereit, sein neues Leben zu opfern.

Fallun Vierauf – Der Zwergandroide hat das Kommando über die LEUCHTKRAFT erpresst.

Saarema – Die Escalianerin begibt sich auf einen lebensgefährlichen Einsatz.

»Ein kluger Kopf meines Volkes hat einmal gesagt, dass ein Kind das lebensnotwendige Vertrauen kraft seiner Illusionen produziert. Wer zu Illusionen fähig ist, überlebt. Selbst im größten Zweifler und Pessimisten steckt somit ein gewisses Maß an Urvertrauen.«

»Illusionen? Wir sind nicht geschaffen, um Illusionen zu haben. Sie fehlen uns. Deswegen bist du zu uns gekommen.«

»Siehst du? Und genau dieses Fehlen zweifle ich an, mein Freund. Deine Entwicklung spricht eine andere Sprache.«

Alaska Saedelaere zu Eroin Blitzer, als sie auf dem Baumstamm saßen.

 

Momentaufnahme 1

 

Fallun Vierauf zitterte am ganzen Körper. Inständig hoffte er, dass niemand seine Schwäche bemerkte. Unzählige Androiden starrten ihn aus leeren Augen an.

Er wusste, dass er sich an eine sinnlose, verzweifelte Hoffnung klammerte. Zumindest dem Bordrechner DAN entging nichts, was in der Zentrale der LEUCHTKRAFT vor sich ging.

Auch N'tur Lind blickte immer wieder von seinem Pult zu Vierauf herüber. Mehr als einmal hatte er sich gefragt, wie lange er noch auf die Loyalität seines Gefährten zählen durfte.

Weder Fallun Vierauf noch N'tur Lind hatten je eine schlimmere, verzweifeltere Situation erlebt. Eroin Blitzer vielleicht, Alaska Saedelaere sehr wahrscheinlich, aber nicht sie beide.

Vierauf sah, wie die Anspannung Linds Gesicht alles Maskenhafte verlieren ließ. Die runzlige Haut bewegte sich ohne Unterlass.

Zwei Armlängen vor Vierauf stand Gorn Myrek, der nach DANS Willen eigentlich das Kommando in der Zentrale der LEUCHTKRAFT hätte übernehmen sollen. Er presste die Lippen so stark aufeinander, dass sie nur mehr zwei dünne weiße Linien bildeten.

Aber Vieraufs Erpressung mit der Nekrophore funktionierte: DAN ließ zu, dass die LEUCHTKRAFT in die Anomalie gesteuert wurde. In den Gesichtern der anderen Zwergandroiden sah Vierauf nicht das Verstehen, zu dem er selbst in jüngster Zeit gekommen war.

Er sah nur Ablehnung, Unverständnis.

Und Leere.

Vierauf blickte auf die jüngsten Gefahren- und Schadensmeldungen, die N'tur Lind an sein Terminal weitergeleitet hatte.

Die LEUCHTKRAFT setzte ihren Flug weiter fort.

 

Momentaufnahme 2

 

Eroin Blitzer saß neben Alraska in der engen Rettungskapsel. Das Firibirim fiepte leise. Es schien begriffen zu haben, dass sein orangebefellter Artgenosse die Flucht aus der implodierenden ROTOR-G nicht überlebt hatte.

Vor der Sichtscheibe ragte die gewaltige Hülle des Verwaltungspalastes der Harmonie auf.

Sie trieben auf eine kreisrunde schwarze Öffnung im matt glimmenden Metall zu. Die Rettungskapsel verfügte nicht über Antriebssysteme, die komplexere Manöver zuließ.

Alraska sprach kein Wort mehr. Steif aufgerichtet betrachtete er abwechselnd die Kontrolle und das Ziel ihres verzweifelten Manövers. Unter seiner Maske leuchtete und irrlichterte es.

Ängstlich wartete der Zwergandroide auf den nächsten Teppich aus Strukturbomben. Der letzte hatte das Undenkbare geschafft, hatte die ROTOR-G zerstört, die angreifbar geworden war in dieser Anomalie.

Undenkbar ...

Das Beiboot der LEUCHTKRAFT war sein Schiff, er hatte als Commo'Dyr fungiert. Er war Kommandant gewesen, weit mehr, als er sich je mit dem Mutterschiff verbunden gefühlt hatte.

Die ROTOR-G existiert nicht mehr.

Selbst wenn sie nun dank der Hilfe Alraskas die Frau Samburi Yura tatsächlich fanden und der Konflikt mit DAN irgendwie gelöst würde, wäre nichts mehr wie zuvor.

Welchen Daseinszweck hatte ein Beibootkommandant ohne Beiboot?

Eroin blickte hinüber zu dem Maskenträger. Dessen starre Körperhaltung hatte sich nicht gelöst. Wartete er darauf, dass die nächste Salve aus Strukturbomben ihrer verzweifelten Fahrt ein Ende setzte?

Die kreisrunde Öffnung im Verwaltungspalast weitete sich langsam.

Es war längst nicht geschafft ...

 

1.

 

Gardeleutnant Pridon ging unruhig auf und ab.

Irgendetwas stimmte nicht. Er dachte an den hageren Mann mit der schäbigen Maske, der ihnen den Einflug in die Anomalie überhaupt ermöglicht hatte. Alaska Saedelaere hatte einen höchst widersprüchlichen Eindruck auf Pridon gemacht.

So rätselhaft manche seiner Gesten und Worte gewesen waren, so sicher und erfahren hatte er gleichzeitig gewirkt. Saedelaere war einem höheren Ziel gefolgt – und lange hatte es tatsächlich so ausgesehen, als würde er seine Kraft zum Wohle der Harmonie einsetzen.

Pridon kratzte sich am Kinn, fuhr entlang des Maskenrandes.

Saedelaere ...

Sein Anflug auf den Verwaltungspalast hatte naiv und dumm gewirkt. Der Fremde musste gewusst haben, dass ihm die Escalianer keine freundliche Gesinnung entgegenbrachten.

Nicht mehr entgegenbringen konnten, nach allem, was zuvor geschehen war.

Pridon hatte dem Tod in das hässliche entblößte Angesicht geblickt, als er sich zu lange in der Nähe des Trägers der billigen Maske aufgehalten hatte.

Sein Herz hatte ausgesetzt, einmal. Zweimal. Dann war es ganz stehen geblieben. Nur die rasche Reaktion eines Medoroboters hatte ihm ein weiteres Leben geschenkt – und irreparable Hirnschäden verhindert.

Pridon trat vor eine Bildscheibe und aktivierte sie. Die Aufnahmen des letzten Fluges der ROTOR-G. Eine kleine Zahl verriet, dass er sie zum dreißigsten Mal ansah.

Naiv und dumm, dachte er, aber Zweifel schoben diese Gedanken nicht beiseite.

Pridon wischte das Bild beiseite. Holte sich die aktuellen Ortungsdaten auf die Scheibe.

Die räumlichen Erschütterungen, der Hall der Strukturbomben, schlugen Wellen in der Darstellung, als hätte eine Handvoll Kiesel die spiegelglatte Oberfläche eines Gewässers durchschlagen.

Hatte der Fremde mit seinem seltsamen kleinen Begleiter einen Weg gefunden, in dem strukturellen Chaos zu überleben? Selbst mit aufwendigen Ortungen hatte Saedelaeres kleines Walzenschiff kein einziges seiner Geheimnisse preisgegeben.

Lag es an der Nicht-Natur der Anomalie? Oder stammte das Schiff – wie es ein anderer in der Zentrale gemutmaßt hatte – aus einer anderen Ebene der kosmischen Ordnung?

Aus einer höheren Ebene?

Aber – wenn es so wäre – weshalb hatten die Geschütze des Verwaltungspalastes überhaupt Wirkungstreffer erzielen können?

Pridon presste die Lippen zusammen. Solche Gedankenspiele, die auf der Logik der Normalität basierten, standen in dieser lebensfeindlichen Sphäre, in der sie sich aufhielten, auf einem äußerst morschen, ja bröckelnden Fundament.

Naiv und dumm.

Der Alaska Saedelaere, den er kennengelernt hatte, war alles andere als naiv und dumm.

Sein Anflug auf den Verwaltungspalast hatte entweder auf einer unfassbaren Verzweiflung oder auf einem ebenso stark ausgeprägten Vertrauen beruht.

Vertrauen in ihn, Pridon?

Weshalb hatte Saedelaere alles riskiert, nur um an jenen Ort zu gelangen, von dem unmittelbare Gefahr drohte? Weshalb hatte er die zweifellos Gefahr verheißenden Zeichen ignoriert und seinen Weg unbeirrt fortgesetzt?

Schon auf ihrem gemeinsamen Flug in die Anomalie hatte der Fremde mit der primitiven Maske eine unglaubliche Nervenstärke und Kaltblütigkeit gezeigt.

Gemeinsam hatten sie alle Wertsteine auf ein einziges Feld gelegt – und gewonnen.

Hatte Saedelaere dasselbe getan und war damit Opfer seines eigenen Mutes geworden?

Der Gardeleutnant fluchte. Niemand außer ihm war in dem kleinen Nebenkommandoraum anwesend, der seine Flüche hätte hören können.

Die Ortungsergebnisse auf der Bildscheibe sagten nichts Verwertbares aus. Das fremde Kontinuum machte den Gebrauch präziserer Tasterstrahlen unmöglich. Pridon sah nur Wellenmuster, Vertiefungen in diesem falschen Raum-Zeit-Gebilde, als hingen gescheiterte Selbstmörder in den feinen Fallnetzen der Türme von Syllam.

Die ROTOR-G war das einzige Schiff gewesen, das in diesem feindlichen Kontinuum überhaupt hatte manövrieren können.

Oder ermöglichte tatsächlich ein geheimnisvolles »Fragment« in Saedelaeres Gesicht das problemlose Manövrieren, wie der Terraner bei ihrem letzten – fatalen – Zusammentreffen behauptet hatte? Pridon hatte Saedelaeres Worten keinen Glauben geschenkt.

Bis jetzt.

Hatte Saedelaere sein Raumschiff etwa absichtlich aufgegeben, weil er dank des Leuchtens unter seiner Maske mit jedem beliebigen Flugobjekt die feindliche Sphäre verlassen konnte? Was steckte wirklich darunter? Tatsächlich ein ... Fragment eines fremden Wesens, oder war das nur eine perfide Lüge gewesen?

War der gefährliche Fremde rechtzeitig aus dem implodierenden Raumschiff geflüchtet? Trieb er in exakt diesem Moment durch die fremde Sphäre auf eines der Andockschotten des Palastes zu?

Hatte er ihre Basis vielleicht schon erreicht?

Pridons Finger tanzten über die Bildscheibe. Er aktivierte den stillen Alarm, dann den Palast-Kom. Eine junge Offizierin antwortete ihm. Dunkel glänzende Augen blickten durch die Sehschlitze ihrer mit viel Sorgfalt geformten Maske.

»Gardeleutnant?«

Pridon nickte.

Die Herzogin hatte ihn – noch während er auf dem Wiederbelebungsschragen gelegen hatte – zum Chef der Palast-Sicherheitsabteilung ausgerufen. Dank seiner Willensstärke im Umgang mit der Schutzflotte genoss Pridon in den unteren Maskenrängen einen hervorragenden Ruf. Dazu kam, dass er den gefährlichen Fremden am besten beurteilen konnte.

Eine gute Entscheidung; kaum anders zu erwarten, schließlich kam er von der Herzogin der Harmonie.

»Leutnant Karrde!«, befahl Pridon. »Ich will, dass mindestens sechs Gruppen durch die peripheren Sektoren vier bis sieben patrouillieren. Gesucht werden zwei Fremde von escalianischer Gestalt: ein großer, schlanker Mann mit billiger Maske und hochwertigem Kampfanzug und ein kleines Wesen mit unbedecktem Gesicht und unbekanntem Kampfpotenzial. Eine Annäherung auf unter zwanzig Schritte ist verboten. Waffeneinsatz: Nervenstrahlen; in lebensgefährdenden Situationen ist der Einsatz von Thermostrahlern gestattet – allerdings darf der Kopf des größeren Gegners nicht direkter Waffenwirkung ausgesetzt werden! Meldung alle fünf Zeiteinheiten; auch bei negativem Ergebnis!«

Die Frau streckte sich, wiederholte den Befehl, Wort für Wort. Pridon bestätigte. Karrde salutierte, das Bild erlosch.

»Naiv und dumm ist nur, wer den Feind unterschätzt«, murmelte Pridon.

 

*

 

Im Laufschritt brachten sie den Verbindungskorridor hinter sich. Über die Nottreppen stiegen sie zwei Ebenen hinunter, bis sie die Sieben erreicht hatten.

»Trupp halt!«, befahl Saarema.

Karrde hatte ihrem Trupp Deck sieben vom Andockschott bis zu den Sicherheitsschleusen zugewiesen. Früher hatte sich in diesem Bereich eine Vergnügungslandschaft befunden. Nach der Entführung in die Todeszone waren von den Blumen und sorgsam angelegten Graskorridoren nur verrottete Mahnmale früheren Lebens übrig. Die verholzten Stängel einzelner Hartpilze standen dazwischen.

Ausdruck des Vergangenen, ein Sinnbild für ihre eigene Lage. Nur der Faktor Zeit trennte sie von der Schwelle zum ewigen Nicht-Sein. Ein Umstand, der zwar universelle Gültigkeit besaß, in diesem Moment aber greifbarer wirkte als je zuvor.

Muffig schlechte Luft drang durch die Atemschlitze des Helmes und der Maske. Der künstliche Horizont flackerte in unregelmäßigen Abständen und veränderte dadurch die räumliche Wahrnehmung immer wieder aufs Neue.

Saaremas Körper reagierte auf die bedrohliche Situation. Sie bildete sich ein, kühlen Wind zu spüren, der an der Halskrause im Nacken eindrang und über ihren tätowierten Rücken strich. Die Fingerspitzen kribbelten. Sie schluckte krampfhaft. Der Hals war rau, kratzte wie Nagelschleifer.

Normale Zeichen der Nervosität, dachte die Truppführerin. Den anderen geht es nicht besser – und ich kann es aushalten.

Keiner ihrer fünf Männer und Frauen hatte den Befehl des Gardeleutnants hinterfragt. Aber Saarema waren die kleinen Zeichen der Unsicherheit sofort aufgefallen, als sie die Beschreibung der beiden Gesuchten weitergegeben hatte.

Ein großer, schlanker Mann mit primitiver Maske und hochwertigem Kampfanzug und ein kleines Wesen mit unbedecktem Gesicht und unbekanntem Kampfpotenzial.

Solesh hatte den Sitz seiner Maske überprüft, Torrem und Karlek hatten untereinander den Augenkontakt gesucht, Ferron das Gewicht von einem Bein aufs andere verlagert. Nur Porton, der Alte, hatte während der Befehlsausgabe seine Körperspannung gehalten, in der Konzentration keinen Moment lang nachgelassen.

Alle wussten, wen sie aufspüren mussten.

Ihre Kameraden von der Schutzflotte hatten ihnen von der Gefährlichkeit dieser beiden Fremden berichtet. Über den Größeren der beiden wurde hinter vorgehaltener Hand berichtet, dass er in der Lage sei, mit bloßem Willen Herzen zum Stillstand zu bringen.

Saarema blickte in die Runde. Sie alle mussten mit der gleichen Ausgangslage fertig werden. Nach einer zermürbend langen Zeit, die von Inaktivität, Angst und Schockzuständen geprägt gewesen war, hatten sich die Ereignisse in den letzten Raumtagen förmlich überstürzt.

Seit ihrer Entführung erklangen immer wieder Stimmen, die als Auslöser für die räumliche Versetzung des Palastes einen natürlichen kosmischen Effekt annahmen, der zugleich Ursache ihrer misslichen Situation war.

Je länger sie antriebslos in der Todeszone festsaßen, ohne dass sie von ihren unbekannten Entführern kontaktiert oder sogar geentert wurden, desto mehr Gewichtssteinchen neigten sich in die Waagschalen zugunsten der Verfechter der »Natürliche-Ursachen-Theorie«.

Dann war die Schutzflotte des Gardeleutnants plötzlich aufgetaucht, und zum ersten Mal hatte sich Hoffnung geregt. In ihrem Zentrum stand dieser große, fast dürre Nicht-Escalianer.

Gehörte er zu den Entführern?

War er ein Pirat?

Ein Dämon?

Ihre einzige Hoffnung?

Oder gar nichts von alldem?

»Anführerin?«

Saarema war irritiert. Das Kribbeln in den Fingerspitzen verstärkte sich schmerzhaft. Gleichzeitig spürte sie, wie ihr Magen unruhig wurde. Sie hatte kurz vor der Befehlsausgabe gewohnheitsgemäß mehrere Energieriegel gegessen, um ihre Aufmerksamkeit zu steigern und den Körper »auf Betriebstemperatur« zu bringen.

Ist einer der Riegel schlecht gewesen?

»Saarema!«

Sie zuckte leicht zusammen. Was geschah mit ihr?

»Saarema, hörst du mich?«

Die Truppführerin schüttelte den Kopf. »Was gibt es, Ferron?«

»Etwas stimmt hier nicht!«

»Was meinst du? Sei präziser!«

»Spürst du es nicht?«

Als hätte ihr jemand mit einem glühenden Messer quer durch die Maske geschnitten, kam Saarema endlich zu der Erkenntnis, dass tatsächlich etwas nicht stimmte.

Der rebellierende Magen strahlte schmerzende Blitze in den gesamten Körper aus.

»Ich fühle mich plötzlich unwohl«, stieß sie aus. Die eigene Offenheit erschreckte sie, sobald die Worte durch den Maskenschlitz gedrungen waren. »Geht es euch ebenso?«

Ferron und Torrem bestätigten. Bei den anderen sprach die Körperhaltung Bände.

»Verteilen!«, befahl Saarema. »Gewehre auf Nervenstrahlen schalten! Lasst euch von der Pharmaeinheit ...«

Ein Schwall heißer Magensaft schoss ihre Speiseröhre herauf. Mit äußerster Willensanstrengung biss sie die Zähne aufeinander und zwang die Säure, die es bis in den Mund geschafft hatte, wieder hinunter.

Sie würde sich nicht übergeben.

Saarema hatte das harte Training in der Raumfahrerakademie überstanden. Körperliche Strapazen, Psychospiele, scheinbar ausweglose, fatale Situationen – sie hatte die ganzen drei Jahre durchgehalten, ohne ein Zeichen der Schwäche nach außen dringen zu lassen.

Wie Blicke an Masken abprallen, waren die Qualen, Anspannungen und Überlastungen an ihr abgeprallt.

Sie würde sich nicht übergeben!

Das Innere ihrer Maske würde rein bleiben.

Karlek stöhnte. Die Escalianerin lehnte am Stamm eines Hartpilzes. Zuckungen liefen durch ihren athletischen Körper.

»Schließt die Helme!«, befahl Saarema. »Die Anzüge sollen die gesamtheitliche physische Unterstützung übernehmen!«

Ein hässliches Knacken drang durch die verrottende Landschaft. Gleich darauf fiel der künstliche Horizont aus. Die Männer und Frauen ihres Trupps reagierten darauf. Sie drehten sich um ihre eigene Achse, die Strahlgewehre auf die möglichen Zugänge gerichtet. Über den Helmfunk hörte Saarema hastiges Schnaufen. Atemlamellen der Masken, die aneinander rieben.

Anzeichen von Panik.

Eine gefährliche Situation.

Ihr selbst ging es nicht viel besser. Ihr Körper schien sie im Stich zu lassen. Der Magen rebellierte, ebenso der Darm. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als würden sich schwere Eisenketten langsam enger um ihn ziehen.

»Information an alle Trupps!«, drang eine schmerzhaft laute Stimme über den Funk zu ihr. »Ich erhielt soeben die Meldung, dass auf Höhe der Ebene sieben eine der Luftschleusen manipuliert wurde. Die Trupps in diesem Bereich sind angehalten, jede Unregelmäßigkeit zu melden!«

Saarema bekundete plötzlich Mühe, das Gesagte in einen Zusammenhang zu bringen. Worte und Eindrücke rotierten in ihrem Kopf.

Die Stimme – sie hatte entweder Gardeleutnant Pridon oder Leutnant Karrde gehört.

Saarema wägte ab, erinnerte sich dann an den kernigen Klang der Stimme und ordnete sie dem ... Gardeleutnant ... Karrde ...

Ihr Gedankenfaden riss ab. Etwas stimmte nicht.

»Spezialist Ferron an Gardeleutnant ... Karrde«, hörte sie in diesem Moment eine fremde Stimme in ihrem Kopf. Oder war es doch neben ihrem Kopf? »Etwas stimmt hier nicht ...«