Thomas Bay

DIE ZEITSCHLEIFE

Teil 4

Der Sprung an den Anfang

INHALTSVERZEICHNIS

PROLOG

EINE VERGESSENE GESCHICHTE

WER BIN ICH?

DIE HÜTER DES WISSENS

OLAF BERGSSON

SHIZU YAGAMI

ANDREA HANSSON

AMESTRIS THADERI

DIE ERSTE REISE

VERSCHWUNDEN

SANDY BERENDT

DIE DREIZEHN

DIE VORBEREITUNG

DIE ZWEITE REISE

EINE EXPEDITION

GIBT ES FEINDE?

GEFÄHRLICHE WENDUNG

ZWISCHENSTOPP

ANTARKTIS

DIE SCHWARZE PYRAMIDE

DIE ÜBERSETZUNG

ERSTE ERGEBNISSE

DER GEEINTE PLAN

EINE NEUE STRATEGIE?

DIE LETZTEN VORBEREITUNGEN

WAS GESCHEHEN IST, IST GESCHEHEN

IN QUO ITINERE

DER START

16 JAHRE LANG

ZWISCHEN DEN STERNEN

WER IST DER MAULWURF

DIE TÖDLICHE BEICHTE

DER GRAVITATIONSSPRUNG

DIE ZEITSCHLEIFE

WANN IST HEUTE

IN DER FALSCHE ZEIT

BESUCH DER GÖTTER

EIN FATALER IRRTUM

KEIN ENDE OHNE ANFANG

EPILOG

PERSONEN

WEITERE BÜCHER

Prolog

45.250 v. Chr.

„Sie sind verschwunden, Herrin“, sagte der Diener und verbeugte sich vor seiner Königin. „Ja, es ist seltsam. Noch bevor wir sie besuchen konnten, haben sie die Erde wieder verlassen. Warum wollten die Götter des Alls so schnell wieder zurück?“

„Sind sie mit ihrem Himmelsschiff wieder zurück in den Himmel gestiegen?“, fragte die Königin. Sie blickte ihren wissenschaftlichen Berater ernst an. Dieser nickte nur stumm und schaute empor, in den Himmel, wo die vielen Sonnen weit entfernt leuchteten. „Was haben sie uns zurückgelassen?“

„Meine Herrin, es ist diesmal ein Buch. Ein seltsames Buch aus einem sonderbaren Papier. Jede der Seiten ist völlig glatt und das Papier ist mit einem unbekannten Material umschlossen.“

„Sag mir, was darin geschrieben steht!“

„Es ist in drei Abschnitte aufgeteilt. Auf den ersten Seiten sind unsere zehn Gesetze aufgeschrieben, so wie es die Götter befohlen haben. Der zweite Abschnitt beschreibt all das, was sie uns beigebracht haben: Das Land für den Ackerbau fruchtbar zu machen und Tiere zu züchten, sodass wir immer genügend zu essen haben. Es lehrt uns den Himmel und die Mathematik zu verstehen, sowie den Wind und das Wetter für uns nutzbar zu machen.“

Die Königin nickte zufrieden, denn nun konnte das Wissen der Menschen nicht mehr verloren gehen. „Was liest man im letzten Abschnitt des Buches?“, fragte sie.

„Dieser Teil, meine Herrin, ist sehr seltsam. Denn keiner von uns kann es lesen. Es ist eine Sprache, die wir nicht entziffern können. Sie besteht nur aus zwei Zeichen: aus einem Kreis und einem Strich.“

„Aus einem Kreis und einem senkrechten Strich? Was soll das für eine Sprache sein? Lass mich das Buch sehen. Ich will mir selbst ein Bild davon machen.“

Die Königin erhob sich und schritt zusammen mit ihren Wissenschaftlern und Priestern stolz in den Tempel, wo die Priester das Buch der Götter bereitgelegt hatten. Schön und außergewöhnlich gebunden in einem hellen silbernen Material lag es auf einem hohen Granitstein. Vorsichtig und mit einer gewissen Ehrerbietung strich sie mit seinen Fingern über das Buch. Gut fühlte sich der Buchdeckel an, als sie das Buch vorsichtig aufschlug. Die Königin lächelte und war sich des unbezahlbaren Schatzes bewusst, den ihr Volk damit besaß. Langsam blätterte sie Seite für Seite um. Die wissenschaftlichen Berater, die ihre Nervosität nicht verbergen konnten, drängten die Königin, endlich zum letzten Abschnitt zu blättern. Die Königin, versunken in Gedanken, wo sie den Schatz verstecken könnte, hörte ihre Berater nicht. Keiner sollte das Wissen erlangen, das sie in ihren Händen hielt. Endlich schlug sie die erste der Seiten auf, auf denen nur noch Kreise und Striche zu sehen waren. Stumm blätterte sie Seite für Seite um und bemerkte, dass die Schriftreihen in Viererblöcken auf 64 Seiten zusammengefasst waren. Auf jeder Seite waren die Zeichen in Viererblöcken angeordnet. Pro Zeile waren 8 Blöcke auf 32 Zeilen angeordnet, so dass sie bei allen Seiten 16384 Blöcke zählte. Was die Zeichen allerdings bedeuteten, wusste aber keiner.

„Herrin, seht Ihr nun, was ich meine?“, fragte einer der Wissenschaftler und spielte aufgeregt mit seinen Fingern.

Die Königin blieb ruhig und verbarg ihre Nervosität dadurch, dass sie sich ständig mit den Fingern durch die Haare strich, schlug das Buch zu und sagte: „Für mich bedeutet dies nur eines: Wir sind noch nicht soweit, zu verstehen, was uns die Götter mitteilen wollen. Daher bestimme ich Folgendes, um unser Wissen zu schützen: Schreibt alles Wissen aus diesem Buch auf Papyrus nieder und bringt das Buch selbst an den Ort der Götter. Ihr habt selbst gesagt, dass im südlichsten Land unseres Planeten außerhalb unserer Grenzen eine schwarze Pyramide im Eis steht. Dort soll es so lange aufbewahrt werden, bis wir gelernt haben, die Sprache der Götter zu verstehen und das letzte Kapitel lesen zu können.“

„So soll es sein, meine Herrin“, sagte einer der Wissenschaftler und verneigte sich ehrfurchtsvoll.

Die Königin legte das schwere Buch zur Seite und verließ den Tempel. Zurück blieben die Priester und die Männer und Frauen der Wissenschaft, welche das Geschenk der Götter in eine Kiste aus Metall legten und diese verschlossen. Schon wenige Tage später verließ eine Expedition die mächtige Stadt und segelte mit einem Schiff über den großen See inmitten des urzeitlichen Europas an die Brücke von Gibraltar. An den Grenzen des Reiches ging es weiter über den großen Ozean weit in den Süden des Planeten.

„Ist die Expedition endlich wieder zurück?“, fragte sechs Monate später der Hohepriester den Hafenmeister.

Der Hohepriester wurde bleich im Gesicht, als hätte er die Sonne seit Wochen nicht mehr gesehen, als der Hafenmeister flüsterte: „Nein, sie hätte schon vor einem Monat zurück sein sollen.“

„Ist unsere Königin bereits informiert worden?“

„Wir haben es ihr schon mitgeteilt, doch sie wollte keine weiteren Männer in die Ferne schicken, um nach dem Schiff zu suchen. Sie ist sich aber sicher, dass sie es geschafft haben, das Buch an den sicheren Ort zu bringen.“

„Wie geht es weiter?“, fragte ein Wissenschaftler und blickte von der weitläufigen Terrasse hinaus auf den See.

„Es wird die Zeit kommen, da man das Buch findet. Unsere Nachkommen werden dann bereit sein, die Schrift lesen zu können“, antwortete der Priester und verließ die Terrasse.

Eine vergessene Geschichte

6.250 v. Chr.

„39.000 Jahre später war das „Buch des Wissens“, wie es heute genannt wird, schon lange vergessen und existierte nur noch als alte Sage in den Köpfen einiger Hohepriester. Zu viel Zeit war in den Jahrtausenden verstrichen, als dass man sich noch daran erinnern würde. Die erste Hochkultur war in einer großen Flut untergegangen, eine neue Hochkultur war entstanden: die der Sumerer.

Es begann in Eridu, wo der dort lebende Herrscher eine Bestandsaufnahme seines Reichtums machen ließ. Das Zweistromland von Euphrat und Tigris befand sich am Anfang seiner zukünftigen Blütezeit. Man hatte die Schrift wiederentdeckt und beherrschte Mathematik und Astronomie wieder. Die Tempel wuchsen in die Höhe, die Straßen waren breit angelegt, und die Menschen lebten sicher in ihren Häusern.

In einem der großen Tempel, tief in den Katakomben, ging ein Schreiber konzentriert mit seinem Gehilfen durch alle Räume und notierte jede Kiste, jeden Gegenstand und jedes Schmuckstück auf seiner weichen Tontafel. Die dunklen Gänge und die Räume waren vorsorglich mit Öllampen ausgestattet. Diese gaben genügend Licht und Wärme für die zum Teil langwierigen Arbeiten. Mehrere Stunden waren sie an diesem Tag bereits auf den Füßen, und viele Tafeln waren bereits beschrieben worden, als der Gehilfe dem Schreiber eine Rolle zeigte. Darin befand sich ein etwa 40 cm langes, mit Schnitzereien verziertes Holzstück, um welches ein seltsames Pergament gerollt war. Der Schreiber legte die Tontafel auf einen Holztisch und begutachtete die Pergamentrolle.

„Was ist das?“, fragte der Gehilfe.

„Ich weiß es nicht. Ein solches Material habe ich noch nie gesehen. Es scheint aus einer Art Holz zu bestehen“, antwortete der Schreiber.

„Kannst du die Zeichen, die darauf gemalt wurden, lesen?“

Der Schreiber antwortete nicht sofort. Er rollte das Pergament vorsichtig auf und begutachtete die seltsame Schrift. „Nein, aber ich werde diese Rolle unserem Herrscher zeigen. Vielleicht hat er so etwas schon einmal gesehen.“

Die beschriebenen Schrifttafeln wurden verstaut und der Raum verschlossen. Mit der Pergamentrolle unter dem Arm schritt der Schreiber in den Palast und bat bei der Palastwache um ein sofortiges Treffen mit dem Herrscher. Das, was er gefunden hatte, war zu wichtig, um es aufzuschieben. Der Herrscher war etwas überrascht, seinen Schreiber so schnell wiederzusehen. Er glaubte, dieser wäre mit seiner Inventur bereits fertig.

„Du hast die Bestandsaufnahme bereits abgeschlossen?“, fragte er seinen Schreiber.

„Nein, mein Gebieter. Mein Kommen hat einen anderen Grund“, antwortete der Schreiber und verneigte sich. Er hob den Kopf und zeigte dem Herrscher die gefundene Pergamentrolle.

Der Herrscher nahm die Rolle in eine Hand und zog das Pergament vorsichtig auseinander. Still und mit einem sonderbaren Leuchten in seinen Augen begutachtete er das unbekannte Material. Sein Blick glitt über die Schrift, als versuchte er, sie zu übersetzen. Er hob die Hand und rief einen der Leibwächter zu sich. „Gehe sofort zu unserem Übersetzer und sage ihm, er habe sich unverzüglich im Palast einzufinden.“

Der Soldat nickte kurz und rannte wie von einer Tarantel gestochen aus dem Saal. Nur eine halbe Stunde später verneigte sich der Übersetzer vor dem Herrscher und schaute ihn erwartungsvoll an.

„Ihr habt nach mir rufen lassen?“, fragte der Übersetzer.

„Ja! Ich benötige deine Weisheit und deine Kenntnisse alter Schriften“, antwortete der Herrscher. Er reichte ihm die Pergamentrolle hinüber. Der in weiß gekleidete Mann nahm sie ehrfürchtig in die Hand. Behutsam zog er das Pergament von der Rolle und sein Gesicht erhellte sich. Die Augen wurden glasig und der Blick lag starr auf den Zeilen, die er langsam, ja flüsternd las. Für den Herrscher zogen sich die wenigen Minuten, die der Hohepriester zum Lesen in Anspruch nahm, wie Stunden hin, und er wurde immer ungeduldiger.

„Dir sind diese Texte bekannt?“, fragte er. Er hielt es nicht mehr aus und wollte endlich eine Antwort bekommen.

„Oh, Herr! Das ist unglaublich! Ich dachte, es handelte sich immer um eine alte Geschichte, aber das hier sind die verschollenen Texte aus dem Buch des Wissens“, sprach der Übersetzer mit zittriger Stimme.

„Das Buch des Wissens?“, fragte der Herrscher und erhob sich von seinem Thron.

„Ja, das sind Texte aus dem Buch, welches uns die Götter bei ihrem Besuch überbracht haben. Es enthält das vollständige Wissen über Mathematik, Architektur, die Seefahrt, den Ackerbau, die Viehzucht und vieles mehr. Dieses Buch haben sie angeblich nach ihrem letzten Besuch vor dem Untergang der sagenumwobenen Stadt „At-Lantnis“ vor der großen Sintflut zurückgelassen. Es wird erzählt, dass die damals Herrschenden das Buch abschreiben ließen, und das Buch selbst wurde in einer der großen Pyramiden, welche die Götter über den ganzen Planeten verteilt hatten, versteckt.“

Der Herrscher schaute drein, als besäße er jetzt den größten Schatz, den es je gegeben hätte. Er schritt am Übersetzer vorbei, blickte auf die unter ihm liegende Stadt und fragte: „Woher weißt du davon?“

„Ich habe die Geschichte von meinen Vorfahren und die von den ihren übermittelt bekommen. Seit vielen Generationen, vielleicht schon seit der großen Flut, wird dieses Wissen von Generation zu Generation weitergegeben. Leider kann ich nicht alles lesen. Aber ich kenne jemanden, der im Land der großen Pyramiden lebt und der diese Schrift vielleicht entziffern könnte. Es handelt sich um eine komplexe Bilderschrift, wovon Teile sich in der einfachen Schrift der Kemer wiederfinden.“

Der König, der sich schon als den größten Herrscher der Welt sah, drehte sich um und schaute den Übersetzer streng an. „Nimm dir, was du brauchst und reise in das Land der Pyramiden. Ich werde dir eine Tafel mitgeben, welche dir freies Geleit auf deiner langen Reise gewährt.“ Er machte eine Geste, welche das Ende der Audienz ausdrückte und schritt davon.

Der Übersetzer, der mit zitternden Händen noch immer die Rolle festhielt, rollte das Pergament vorsichtig zusammen und ging zurück in seinen Tempel. Nur eine Woche später machte er sich in Begleitung zweier Gehilfen auf den langen Weg. Von Eridu aus, auf dem Euphrat nach Norden, von dort anschließend nach Westen über die Sinai-Halbinsel bis nach Gizeh sollte die fast 2000 Kilometer lange Reise gehen. In drei Monddurchläufen wollten sie die Strecke bewältigen und im Monat des Stieres mit dem Priester des Pharaos über das Pergament sprechen.

Die grüne Ebene Mesopotamiens lag vor ihnen, durchschnitten von den beiden Strömen, welche im Taurus-Gebirge hoch im Norden entsprangen. Die ersten 28 Tage, die sie entlang des Euphrats führten, verliefen ohne nennenswerte Zwischenfälle. Jeden Tag versuchte der Übersetzer, Zeichen aus den Texten zu übersetzen. Aber es gelang ihm nicht. Zu viele Zeichen dieser Schrift waren ihm nicht bekannt, und er hatte hoch gepokert, als er dem König von Eridu sagte, sein Freund im Land der Pyramiden könnte alles übersetzen. Er hatte seinen Freund seit über 15 Jahren nicht gesehen, und was wäre, sollte dieser nicht mehr leben?

Am nächsten Tag erreichten sie auf ihren Pferden die Stadt Bilbat und folgten der Straße der Händler in einem Bogen nach Westen. Vor ihnen lag nun eine Strecke von 30 Tagen, die sie über Mari und Tadmor nach Damaskus bringen sollte. In Damaskus wollten sie sich einige Tage von den Strapazen erholen, bis es weiter nach Hebron und durch die Sinai-Wüste gehen sollte. Bis Bilbat waren, beeinflusst durch das kühle Wasser des Euphrats, die Temperaturen noch erträglich gewesen. Doch schon ab Mari wurde es unerträglich heiß. Sie sahen nur noch wenige Karawanen und an manchen Tagen begegneten sie keiner Menschenseele auf ihrem beschwerlichen Weg.

Müde und ausgezehrt von der anstrengenden Strecke erreichten sie nach eineinhalb Monaten endlich Hebron. Vor der Stadt schlugen sie ihr Zelt auf, so wie es viele Durchreisende machten und füllten ihre Vorräte auf. Sie hatten untereinander vereinbart, dass immer einer das Zelt bewachen sollte. Die Angst, dass Räuber sie überfallen könnten, war ständig präsent. Die Pergamentrolle trug der Hohepriester daher immer bei sich. Drei Tage wollten sie ausruhen, bevor sie den letzten Abschnitt ihrer Reise antreten würden. Sie nutzten die Zeit zum Austausch von Neuigkeiten mit den Reisenden aus den verschiedensten Ländern und Regionen. Auf den Märkten in den vielen Tavernen war man an allem interessiert, was in der Welt passierte.

Drei Tage später hatten sie neue Kraft geschöpft und begaben sich mit ihrem Lastenkamel auf den Weg nach Süden, nach Gaza. Von dort aus wollten sie nach Memphis und schließlich nach Gizeh. Die Nachricht, dass der Süden von mehreren schlimmen Stürmen heimgesucht worden war, ignorierten sie. Dass das Ziel schon greifbar nahe schien, ließ sie unvorsichtig werden. Tag für Tag herrschte das gleiche Wetter, immer die gleiche Hitze, und dazu spürten sie den Geschmack des Sandes im Mund. Die drei Reisenden freuten sich täglich mehr auf das Land der Pharaonen, auf die frische Brise, welche der Nil aus dem Land Nubien mitbringen würde, auf das Essen und auf die über die Grenzen hinaus bekannte Gastfreundschaft der Ägypter.

Sie hatten vor zwei Tagen Gaza verlassen, befanden sich nun im Norden der Sinai-Halbinsel und durchquerten einen weitläufigen Wüstenabschnitt.

„Morgen erreichen wir die Grenze Ägyptens“, erklärte der Übersetzer stolz seinen beiden Begleitern, und sein Gesicht begann zu leuchten. Danach hätten sie nur noch zwei Tagesreisen vor sich, bevor sie ihr Ziel erreichen würden. Es war Nachmittag, und sie beschlossen, im Schatten einer Düne das Zelt aufzubauen, denn die Hitze war unerträglich. Heiße Windböen machten das Aufbauen zu einer Tortur, doch irgendwann waren sie geschützt vor den Sonnenstrahlen. Fast unmerklich begann eine leichte Brise den Sand aufzuwirbeln. Sandwolken zogen sich zusammen und verdunkelten rasch den Himmel. Verwirrt und voller Unverständnis gingen die drei nach draußen. Die Brise verwandelte sich schlagartig in einen Sturm. In Panik bauten sie ihr Zelt ab und beluden das Kamel, welches zusehends unruhiger wurde. Fragend schauten die beiden Gehilfen ihren Reiseführer an, doch dieser starrte nur voller Schrecken auf die vor ihnen liegende Sturmfront. Die Pferde hatten sich losgerissen und galoppierten davon.

„Schnell hinter die Düne. Nur dort haben wir eine Chance, diesen Wind zu überleben“, schrie er beim Versuch, den Sturm zu übertönen.

„Legt euch ein Tuch über den Kopf“, rief einer der Gehilfen. Durch den Sand wurde es stockdunkel. Schrecklich tobte der Sturm über ihnen. Es fühlte sich an, als ob jemand Millionen von Eimern Sand aus dem Himmel schütten würde. Der Übersetzer hatte ein weißes Tuch über sich gezogen und kauerte sich mit der Schriftrolle am Boden zusammen. Ihm dämmerte bereits, dass sie keine Chance haben würden. Hier also sollte seine Reise ein abruptes Ende haben und niemand würde je erfahren, welchen Schatz er bei sich trug.

Sein letzter Gedanke war: „Würde jemals jemand diese Schriftrolle finden?“

Wer bin ich?

2168 Erdzeit

Ich schlug meine Augen auf. Um mich herum war alles in weißes und grelles Licht getaucht. Eine Struktur oder feste Konturen zu erkennen, war nicht möglich. War ich etwa gefesselt? Vorsichtig bewegte ich meinen Arm, der sich wie eingeschlafen anfühlte. Nein, gefesselt war ich nicht und so versuchte ich, mich aufzusetzen. Alles um mich herum wirkte völlig verschwommen. Ich rieb mit meinem Handrücken in den Augen und kniff in meinen Arm, in der Hoffnung, ich würde vielleicht aus einem Traum aufwachen. Aber nichts geschah.

Ich schloss meine Augen, atmete tief durch und versuchte mich zu erinnern. Aber ich konnte nur Bruchstücke aus meinem Leben abrufen, als hätte man Teile meines Gehirns abgeschaltet. In meinen Gedanken sah ich einen korpulenten Mann blutüberströmt vor mir liegend, und dann stand er auf einmal wieder quicklebendig in einem Garten. Um mich herum befanden sich plötzlich viele Menschen mit vertrauten Gesichtern. Dann erschienen Personen, die mir andeuteten, ich solle mit ihnen kommen. Ich roch den Staub und die Mauern alter Gebäude, sah mich rennen, kämpfen und dann wieder in einem Zimmer, in einen Spiegel schauend. Ich ging zu einer Tür, öffnete sie und blickte in das Gesicht einer Frau. Es war eine Frau mit dunklen Haaren und Augen, die mir sehr vertraut waren.

„Elena!“, rief ich und riss meine Augen auf. Es war Elena, die Amunidin, die vor dieser Tür gestanden hatte.

Wo bin ich nur? Wer bin ich? Und warum bin ich hier? Ich ballte meine Hände vor Verzweiflung zu Fäusten zusammen. Völlig hilflos zu sein, war frustrierend, und so versuchte ich mich erneut zu erinnern.

„Tom! Kannst du mich hören?“ Eine männliche Stimme hallte durch den Raum, eine Stimme, die ich bereits einmal gehört hatte.

Ich versuchte meine Lippen zu bewegen, aber sie fühlten sich an wie zugeklebt.

„Tom, versuche etwas zu trinken. Du bist noch im Quarantänebereich und sehr geschwächt, denn du hast eine sehr lange Reise hinter dir.“

Neben meinem Bett fuhr eine Schublade aus der Wand mit einem Getränk darin. Langsam hob ich meinen Arm und bewegte auf dem Weg zu dem Becher meine Finger. Das Gefühl war endlich zurückgekehrt. Ich nahm den Becher, setzte ihn an meine Lippen und trank einen Schluck. Als wäre ich an ein Ladegerät angeschlossen, so spürte ich, wie meine Lebensgeister zurückkehrten.

„Ja“, krächzte ich. „Ich kann Sie hören. Wo bin ich? Und wer sind Sie?“

„Man nennt mich Immanuel, und wir kennen uns. Du bist Tom und befindest dich nicht in Gefahr. Die Wirkung der Medikamente wird demnächst nachlassen, und wir bringen dir dann etwas zu essen. Alles andere erkläre ich dir später, Tom.“

„Aber….halloooo? Wo bin ich denn?“, rief ich, aber es blieb ruhig und ich bekam keine Antwort mehr. Immanuel war bereits wieder weg. „Verdammt!“, schimpfte ich.

Ich schaute mich um und konnte nun die Konturen des Raumes erkennen. Er war komplett in Weiß gehalten, nur einige Elemente, wie Schränke oder eine Wandfläche, die mich an einen Monitor erinnerte, waren etwas dunkler.

„Okay, ich bin also Tom und befinde mich in einer Art medizinischer Abteilung“, murmelte ich vor mich hin. War ich krank? Eigentlich fühlte ich mich jetzt, als könnte ich Bäume ausreißen. Ich stand auf und schlagartig kam die Energie zurück. Langsam bewegte ich mich durch den etwa 20 Quadratmeter kleinen Raum und schaute mich um. Auf einer Ablage lagen Kleidungsstücke. Erst jetzt merkte ich, dass ich in Unterwäsche herumlief. Ich zog den bereitgelegten grauen Overall an, an den ich mich entfernt erinnerte. Obwohl alles fremd war, kam es mir doch sehr vertraut vor. Jetzt, da ich in leichten Schuhen stand, welche sich automatisch an meine Füße angepasst hatten, ordneten sich meine Gedanken.

Ich erinnerte mich zu Hause gewesen zu sein, auf einer Party in meinem Garten. In meinem Schlafzimmer zog ich mich um und fand im unteren Teil meines Kleiderschranks einen ganz speziellen Gürtel.

Ich schaute in den Spiegel und erkannte, dass genau dieser Gürtel neben dem Overall gelegen hatte und legte ihn an. Ich setzte mich wieder auf das Bett, denn mein Kopf begann zu schmerzen, als würde man mit tausend Nadeln in ihn stechen.

In meiner Erinnerung hörte ich es klingeln und vernahm eine Stimme, welche mich daran erinnerte, an die Türe zu gehen. Ich öffnete die Türe und sah drei Personen.

„Elena, Immanuel und Joshua“, sagte ich. Es waren die drei Amuniden, die ich kannte. Aber woher? Daran konnte ich mich im Moment nicht erinnern. Teile meines Gehirns waren immer noch blockiert.

Im Hier und Jetzt drehte ich meinen Kopf nach links und sah, wie sich die Türe öffnete und eine Frau eintrat.

„Herr Berendt? Ich bringe Ihnen etwas zur Stärkung. Ich möchte Sie vorher kurz untersuchen und feststellen, ob die Immunisierung gewirkt hat“, sagte sie freundlich und lächelte.

„Die Immunisierung? Um Himmelswillen, was habt ihr mit mir angestellt?“, fragte ich. Ich hatte plötzlich das Gefühl, schwer krank zu sein.

„Haben Sie keine Angst, Mr. Berendt. Sie mussten nur in diesen Bereich, da Sie von einem anderen Planeten stammen. Ihre einheimischen Viren sind bei uns nicht bekannt. Um eine Epidemie zu verhindern, mussten wir diese Vorsichtsmaßnahme treffen“, antwortete sie.

„Von einem anderen Planeten?“, wiederholte ich und versuchte mich zu erinnern, woher ich eigentlich stammte? „Das bedeutet, ich befinde mich auf einem anderen Planeten?“, fragte ich.

„Ich bin nicht autorisiert, Ihre Fragen zu beantworten. Ich möchte Sie nur kurz untersuchen und Sie bitten, anschließend etwas essen.“

Am liebsten hätte ich der Frau eine Ohrfeige gegeben, aber nach dem kurzen Hoch meines Körpers fühlte ich mich jetzt wieder total schwach. So schwach, dass ich es nicht schaffen würde, meine Hand zu heben.

Sie hatte ein seltsames Gerät in der Hand, bewegte dieses zuerst vor meinem Gesicht, dann hinunter zum Bauch. „Na, das sieht doch ganz gut aus. In ein paar Stunden sind sie wieder der Alte. Man wird Sie danach abholen und Ihnen alles Weitere erklären. Auch Ihr Gedächtnis wird sich in dieser Zeit wieder regenerieren, und Sie können sich wieder an alles erinnern. Dies sind nur die Reaktionen auf die Injektion, die Sie bekamen.“

„Aha…..super. Dann bin ich ja echt beruhigt. Und ich soll noch einige Stunden hier warten? Hier? In diesem…. diesem… schrecklich klinischen Weiß? Ich werde ja bereits schneeblind. Sagen Sie mal, geht es Ihnen noch gut?“, schimpfte ich. Doch die Dame war bereits gegangen, und selbst eine Wand hätte mir eher geantwortet als diese Ärztin. Was war denn nur passiert? Verzweifelt versuchte ich mich wieder zu erinnern, stand auf und schnappte mir das Essen, das sie für mich bereitgestellt hatte.

Mit dem Löffel schob ich den gelblich aussehenden Brei in mich hinein, und es war wie verrückt, denn 30 Minuten später fühlte ich mich tatsächlich wieder wie neu geboren. Was auch immer in diesem Zeug gewesen war, es hatte mich wieder komplett reaktiviert. Nachdenklich lief ich im Kreis herum und dachte über eine Möglichkeit nach, aus meinem Gefängnis zu entfliehen. Aber ich konnte nicht einmal die Rillen finden, dort, wo sich eben noch eine Tür befunden hatte. Dieser Raum war absolut ausbruchssicher. Warum auch ausbrechen, man würde mich ja abholen. So verwarf ich sehr schnell jegliche Art eines Gedankens an einen Ausbruch und legte mich wieder auf mein Bett. Ich war mir nicht sicher, ob ich kurz eingenickt war, aber plötzlich konnte ich mich an alles erinnern. An meinen Wüstenlauf, an die Reise in den Asteroidengürtel, sogar an die unglaubliche Reise von Ägypten bis nach Paris und an den Tod meines besten Freundes Harry und an Alex.

Aber auf einmal stutzte ich. War ich nicht durch die Zeit gereist und all das war nicht in der jetzigen Zeit geschehen?

Wieder erschien das Bild vor meinem geistigen Auge, als ich die Haustür öffnete und meine drei Freunde vor mir standen und sagten: „Du hast bestimmt viele Fragen. Du willst sicher wissen, wer wir sind und vor allem, wer du wirklich bist?“

Elena legte den Arm um meine Schulter und etwas piekte in meinen Hals.

Ich antwortete: „Ich denke, ich weiß wer ihr seid, und natürlich möchte ich erfahren, was mit mir geschehen ist.“

Ich erinnere mich noch, wie ich zurück in mein Schlafzimmer ging, einige Sachen in meine Tasche steckte und das Haus verließ, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben. Warum ich das tat, war mir ein Rätsel, ließ ich doch in diesem Moment alles zurück, was ich liebte; meine Frau und meine besten Freunde, mit denen ich so viel Spaß und auch Leid geteilt hatte. Die Amuniden begleiteten mich zu einem Wagen, fuhren in ein abgelegenes Waldstück und dann gingen bei mir die Lichter aus.

Erneut stand ich vor einem Rätsel. Ich wollte endlich Antworten – die Antworten, die mir erklärten, was das alles sollte. Ich schloss meine Augen und versuchte mich auszuruhen, denn etwas anderes konnte ich nicht machen. Und so schlief ich ein. Ich merkte weder, dass die Ärztin mich noch zweites Mal untersuchte, noch dass ich fast neun Stunden schlief. So wachte ich ohne jegliches Zeitgefühl wieder auf und begann erneut, auf und ab zu gehen.

Da öffnete sich die Tür. Eine Frau mit dunklen Haaren und einer Offiziersuniform betrat den Raum.

„Hallo Tom, mein Liebster. Wie fühlst du dich? Ist alles wieder okay?“, fragte sie mich, und ihr Lächeln verzauberte mich sofort.

Einen Augenblick rasten meine Gedanken und dann sagte ich: „Elena. Oh meine Güte, Elena! Du bist es wirklich. Was ist denn passiert, und wo um Himmelswillen bin ich hier?“

Sie hielt meine Hände und legte ihre Lippen auf meine und meine Erinnerung kam zurück. All das, was ich mit Elena erlebt hatte, lief in meinem Kopf wie ein Film ab, und als wir uns in die Augen schauten, fragte sie: „Du kannst dich an alles erinnern?“

„Ja Elena, das kann ich jetzt. Aber bitte sage mir, was passiert ist und warum ich mit euch gegangen bin?“

„Ich erkläre dir jetzt alles, was auf dem Flug hierher abgelaufen ist. Nachdem du den Gürtel gefunden hattest, welcher dir von deiner Mutter vererbt wurde, hast du unbewusst den eingebauten Sender aktiviert. Er hat uns zu dir geführt und deinem Unterbewusstsein mitgeteilt, dass du dorthin gehen sollst, wo du geboren wurdest. Damit du nicht wieder zu deiner Party zurückgehst, habe ich dir, als Vorsichtsmaßnahme, eine kleine Injektion gegeben.“

„Du hast was? Elena, das verstehe ich nicht. Woher komme ich eigentlich? Die Ärztin meinte, dass ich von einem anderen Planeten käme. Sorry, aber mein Kopf ist bei dieser Frage völlig leer.“

„Ach, diese Ärztin. Sie sollte doch ihren Mund halten. Das mit deinem Kopf wird wieder. Aber es stimmt. Du hast auf der Erde gelebt, bist dort aber nicht geboren worden. Du weißt, dass du kein Erdenmensch bist, oder?“, fragte sie mich.

„Ja“, antwortete ich. Bereits zu dem Zeitpunkt, als ich all die Informationen in mein Gehirn eingespeist bekam, war ich mir sicher, dass ich nicht von der Erde stammte.

„Dein Gehirn wurde nur reaktiviert. Es wurden dir keine Daten neuen übertragen. Das Gleiche wurde damals mit Frank gemacht. Auch er stammt nicht von der Erde.“

Ich war einen Moment lang sprachlos, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Sie nahm mich an der Hand, und wir verließen den Raum. Wir spazierten eine Weile durch das Gebäude, bis wir in eine Halle mit einem überdimensionalen Fenster kamen.

Sie sah mich an und sagte: „Schau es dir selbst an!“

Ich ließ ihre warme Hand los und schritt langsam auf die Fensterfront zu. Mein Atem beschleunigte sich, und ich begann zu schwitzen. Ich erkannte, wie Raumschiffe, die an dem Gebäude, in dem ich mich befinden musste, vorbeiflogen. Je näher ich zum Fenster kam, desto schärfer wurde das Bild. Zu meiner Überraschung befand mich jedoch in keinem flachen Haus auf einer Anhöhe, sondern ich stand an einem der Fenster eines fast 1000 Meter hohen Wolkenkratzers und sah hinab auf eine Stadt mit über 100 Hochhäusern, einen See mit vielen Grünanlagen und hinauf auf unzählige Raumschiffe, die sich verstreut über den ganzen Himmel bewegten.

Mir liefen ein paar Tränen über die Wangen, als Elena plötzlich ihre Hand auf meine Schulter legte und sagte: „Willkommen zu Hause auf Amun, Tom Chons Berendt, auf deinem Geburtsplaneten im Sternbild Kassiopeia, wie die Menschen es bezeichnen.“

Die Hüter des Wissens

02. Mai 2150

Seit über 47.000 Jahren waren sie es, die die Pergamentrollen in ihrem Besitz hielten. Es gab von ihnen immer 13: Einen, der das Wissen weitergab und zwölf, die den Einen schützten über die Jahrtausende mit allen politischen Umwälzungen. Neue Kulturen kamen und gingen wieder. Aber auch in der langen dunklen Zeit, als die Menschheit zurück in die tiefste Barbarei fiel, hielten sie das Geheimnis in ihren Reihen und verteidigten es mit ihrem Leben.

Es kamen die Sumerer, die Ägypter, die Perser, dann die Griechen und die Römer, aber niemand außer den 13 wusste, dass es die Abschrift des Buches des Wissens wirklich gab. Inzwischen waren die Pergamentrollen verschollen, und das Wissen wurde ausschließlich mündlich weitergegeben. Die letzte Papyrusrolle war vor langer Zeit durch ein Unglück verlorengegangen und ihre Expeditionen, das Dokument zu finden, schlugen seit Jahrhunderten fehl.

Bis zu dem Tag, an dem etwas passierte, mit dem keiner gerechnet hatte, lag alles im Dunkeln. Dieser Tag war der 2. Mai 2150.

In einem kleinen Appartement in Madaba, 35 km südlich von Amman, lebte Achmed Matechem. Der hagere Mann lebte bereits sein ganzes Leben in diesem Ort. Obwohl er mit 68 Jahren vergleichsweise jung war, sah er, gezeichnet vom harten und entbehrungsreichen Leben aus, als hätte er bereits die 100 überschritten. Als Priester war sein Einkommen nicht besonders hoch, und auch die Zuwendungen, die er aus der Gemeinschaft der Dreizehn erhielt, waren alles andere als üppig. So lebte er mehr oder weniger von der Hand in den Mund. Sein 35 m2 kleines Appartement war daher spartanisch aber zweckmäßig eingerichtet.

Niemand hatte ihn je darüber klagen gehört, dass ihm sein Vater die Bürde übergeben hatte, die er zu tragen und zu verteidigen hatte. Er war der Dreizehnte der Gemeinschaft der ‚Hüter des Wissens’. Auf seinem kleinen Tisch lagen unzählige Dokumente und Pergamentrollen aus alten Zeiten. Diese Schriften wären für viele Wissenschaftler unbezahlbar. Für Achmed waren sie lediglich Mittel zum Zweck. Er hatte schon vergessen, wie lange er nach dem Buch des Wissens bzw. nach dem Ort der verschollenen Pergamentrollen suchte. Die anderen Zwölf waren auf dem ganzen Planeten verstreut und gingen ihrer normalen Tätigkeit nach. Nur zweimal im Jahr trafen sie sich in Alexandria, um ihren Bund zu erneuern und Neuigkeiten auszutauschen.

An diesem Morgen lief wie immer der Nachrichtensender auf der kleinen Medienwand, dem einzigen technischen Gerät im ganzen Appartement. Achmed hatte das kleine Fenster geöffnet und genoss die warmen Sonnenstrahlen, als ihn die folgende Nachricht im TV aufhorchen ließ:

„Seit 50 Jahren gab es das nicht mehr. Gestern entdeckte ein Straßenbauteam in der Sinai-Wüste tatsächlich ein altes Skelett tief im Sand am Straßenrand und informierte sofort die Nahost-Behörden.“

Versunken in Gedanken drehte Achmed seinen Kopf von der Sonne weg und richtete seinen Blick auf die museumsreife Medienwand.

„Ein internationales Forschungsteam wurde von den Behörden, die den Vorfall als bedeutend einstuften, umgehend in die Wüste gesandt. Nach einer genaueren Untersuchung der Fundstelle und einer Grabung fand man zwei weitere Skelette. Nach den ersten pathologischen Untersuchungen der Archäologen handelt es sich um drei Männer aus dem 6. Jahrtausend vor Christus. In verschiedenen unbestätigten Informationsquellen wurde behauptet, dass auch Dokumente gefunden wurden. Und nun zu den Auslandsmeldungen………“

Der Priester starrte einen Moment auf die TV-Wand und sprang auf. War das der Hinweis, auf den er so lange gewartet hatte? Konnten ihm die Dokumente endlich einen Hinweis über den Aufbewahrungsort des Buches des Wissens geben? Ihm war erzählt worden, dass vor langer Zeit drei Sumerer mit einer Kopie eines Teils des Buches in das Land der Ägypter gezogen wären.

„Was mache ich nur?“, dachte er sich. Sollte er die anderen informieren? „Natürlich!“ Verärgert über seine Unsicherheit schnappte er sich seinen dünnen Umhang, steckte sein kleines altmodisches Notizbuch, in dem er alle Kontakte aufgeschrieben hatte, ein und trat aus seinem Appartement.

„Ich muss zu Daniel und die Zwölf einberufen“, war sein nächster Gedanke. Gedankenverloren rannte er über die stark befahrene Hauptstraße und sah den anfahrenden Bus nicht kommen. „Wo und bei wem sollten wir uns treffen?“, überlegte er sich, als der Aufprall erfolgte. Es wurde schlagartig dunkel um ihn, und Schmerzen fühlte er keine mehr.