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George Vithoulkas

Klassische

Homöopathie bei

Angst & Eifersucht

Materia medica
Differentialdiagnosen
Anthracinum-Fall

Übersetzung durch Uta Schildwächter

Die Deutsche Bibliothek - Nationales ISBN-Zentrum

Klassische Homöopathie bei Angst & Eifersucht

George Vithoulkas

Groma Verlag

eBook-Ausgabe 2018

basierend auf der 2. Auflage der gedruckten Ausgabe

ISBN 978-3-9521004-9-3

Copyright 2018

© Groma Verlag, Oberdorfstrasse 2, CH-6340 Baar

E-mail: info@gromaverlag.ch

Homepage: www.gromaverlag.ch

 

Alle Rechte, einschließlich auszugsweiser oder photomechanischer Wiedergabe, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Microfilm oder irgendein anderes Verfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden.

 

Satz und Gestaltung der eBook Ausgabe: Peter Vint.

 

Verlags-Nr.: 9521004 - ISBN 978-3-9521004-9-3

Zum Autor

George Vithoulkas gilt als der bedeutendste Homöopath des 20. Jahrhunderts. Sein ganzes Leben und Schaffen stellt er in den Dienst der Homöopathie. Durch seine jahrzehntelange internationale Referententätigkeit trug er weltweit zur Wiederbelebung, Anerkennung und Verbreitung der klassischen Homöopathie bei.

Er wurde 1932 in Athen geboren, ist verheiratet und lebt auf der griechischen Insel Alonissos.1960 begann er mit dem Homöopathie-Studium in Südafrika. Er führte seine Ausbildung an diversen Homöopathie-Schulen in Indien weiter.

1967 kehrte George Vithoulkas aus Indien zurück nach Griechenland. 1970 eröffnete er das Zentrum für homöopathische Medizin in Athen. An diesem grossen Studien- und Arbeitszentrum wurden viele namhafte Homöopathen ausgebildet.

Seit 1976 hält George Vithoulkas internationale Seminare für Homöopathen. Er wurde bald zu einem weltweit bekannten Lehrer, dessen Schüler bereits in vielen Ländern der Welt homöopathische Ausbildungsstätten und Kliniken leiten.

1987 begann George Vithoulkas, in Zusammenarbeit mit der Universität von Namur, Belgien, mit der Entwicklung des V.E.S. (Vithoulkas Expert System), eines hochentwickelten Computersystems, das dem Therapeuten mit Hilfe von Computertechnik intelligente Vorschläge für die homöopathische Behandlung macht. Er gilt daher auch als Erneuerer der Homöopathie und als Pionier der elektronischen Datenverarbeitung in der homöopathischen Praxis und Forschung.

Er ist Gründer und Leiter der «International Academy for Classical Homeopathy» in Alonissos/Griechenland. Dorthin reisen seit 1995 Homöopathen aus aller Welt zur Aus- und Weiterbildung.

Seine zahlreich erschienenen Artikel und Bücher, u.a. «Medizin der Zukunft», «Materia Medica Viva», «Die wissenschaftliche Homöopathie» und «Die neue Dimension der Medizin», sind jedem Homöopathen bekannt.

Am 9. Dezember 1996 wurde er in Stockholm in Anerkennung für seine Verdienste um die Homöopathie mit dem alternativen Nobelpreis «Wright Livelihood Award» geehrt.

1999 und 2000 erhielt er die Professur der Medizinischen Fakultät der Baskischen Universität/Spanien und der Medizinischen Akademie von Kiew.

Vorwort

Es war uns eine grosse Ehre, George Vithoulkas im Herbst 2001 für ein 2-tägiges Seminar in die Schweiz einzuladen. Der Seminarinhalt zum Thema «Angst und Eifersucht» stiess auf grosses Interesse und begeisterte die Teilnehmer. Aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen und Anfragen haben wir uns entschlossen, das Seminar als Buch zu veröffentlichen.

George Vithoulkas liess uns während den beiden Seminartagen an seinem grossen Erfahrungsschatz und seinen umfassenden Materia Medica Kenntnissen teilhaben. Mit grossem Engagement vermittelte er die Keynotes der bedeutendsten Mittel zu diesem Thema lebendig und praxisnah. Dabei kristallisierte er die wichtigsten Aspekte heraus und ermöglichte den Anwesenden mit der vergleichenden Betrachtung der Materia Medica klar den Weg zur Mittelverschreibung nachzuvollziehen.

Das vorliegende Buch enthält für die Leser viele Informationen und wertvolle Anregungen für den Praxisalltag. Das umfangreiche Stichwortverzeichnis, die übersichtliche Gestaltung sowie die Leitsymptome der im Seminar besprochenen 25 homöopathischen Mittel, zeichnen das Buch auch als praktisches Nachschlagewerk aus.

Wir danken George Vithoulkas ganz herzlich für die Erlaubnis, sein Referat zu veröffentlichen, sowie für die Durchsicht und Ergänzung des Manuskripts. Weiter geht unser Dank an Uta Schildwächter für die Übersetzung und an Kathrin Büchi für das Lektorat.

 

Groma Verlag CH-Baar

Heidi Grollmann, Urs Maurer

TEIL 1: ANGST

GV: In diesen Zeiten der Gewalt brauchen wir die Homöopathie sehr. Wie Sie wissen, entfernt sie die Aggression aus der menschlichen Seele. Sie macht Menschen ausgeglichener, vernünftiger und ermöglicht mehr gesunden Menschenverstand. In diesen Zeiten brauchen wir Menschen, die ausgeglichen sind und über gesunden Menschenverstand verfügen. Gewalt führt zu Gewalt, wie jeder weiss. Wenn wir weiterhin Gewalt einsetzen, um Gewalt zu bekämpfen, werden wir einen Punkt erreichen, an dem wir uns selbst zerstören.

Anthracinum-Fall

GV: Ich habe einen sehr interessanten Fall mitgebracht, den ich Ihnen gerne präsentieren möchte. Diesen Fall habe ich in den USA aufgenommen, in Kalifornien, ich glaube, im Jahre 1984. Es ist ein Fall von Anthrax – Anthracinum. Ich dachte, solch ein Fall könnte Sie interessieren. In diesem speziellen Fall wirkte Anthracinum nicht nur auf das Problem der Haut, sondern befreite darüber hinaus die Person von den tiefgreifenderen Auswirkungen von Anthrax. Wie Sie wissen, können Menschen von verschiedenen Kräften oder Substanzen auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Stadien beeinflusst werden. Anthrax gehört dazu. Dieser Fall ist ein in der Homöopathie sogenannter konstitutioneller Anthrax-Fall.

Als ich dieser Frau Anthracinum verordnete, dachte ich nicht, dass das Mittel so tiefgreifend wirken und solch tiefgreifende Veränderungen hervorrufen würde. Dieser Fall ist auch noch aus einem anderen Grunde ein guter Lehrfall. Oft geben wir ein Arzneimittel und wir sehen eine gewisse Wirkung. Der Patient sagt: «Es hat gut gewirkt, ich fühle mich besser.» Wir geben ein weiteres Mittel. «Ich fühle mich besser», sagt der Patient. Noch ein Mittel. «Es geht mir besser» etc., etc. Drei, vier, fünf, sechs Arzneimittel – immer: «Es geht mir besser.» Aber die zugrundeliegenden Probleme bleiben unverändert! Es gab keine tiefgreifende Wirkung. Die Mittel gingen nicht tief genug, um die innersten chronischen Probleme des Falles zu berühren.

Dies ist einer der Fälle, wo wir so etwas beobachten können. Der Fall wird von einem guten Homöopathen vorgestellt, der auch ihr Ehemann ist. Er wird erzählen, welche Mittel er ihr verschrieben hat und wie diese ihren Zustand besserten. Aber in Wirklichkeit ist das, wovon er spricht, eine oberflächliche Ebene. Die Mittel hatten tatsächlich eine gewisse Wirkung, gingen aber nicht tief genug, um wirkliche Veränderungen herbeizuführen.

Dies ist also ein Lehrfall, und ich werde Ihre Aufmerksamkeit immer wieder auf bestimmte Punkte dieses Falles lenken, um sie Ihnen zu verdeutlichen und Ihnen einen Eindruck der chronischen Auswirkungen von Anthrax zu ermöglichen. Schauen Sie: In den Vereinigten Staaten verbreitet sich Gewalt derzeit durch Anthrax, nicht wahr? Und natürlich sagt die Regierung: «Keine Angst. Wir haben Antibiotika, und wir werden uns dieser Situation stellen.» Wir wissen aber, dass die Folgen von Anthrax und der Antibiotika noch Jahre danach sichtbar sein werden. [Mehr zu Anthrax finden Sie hier ...]

Diese Menschen, die in Form eines chronischen Zustandes davon betroffen sein werden, brauchen unsere Hilfe, um ihre verlorene Gesundheit wiederzugewinnen. Die Homöopathie wird also in diesem Moment sehr, sehr gebraucht. Ich habe natürlich keine Erfahrungen mit primären Anthrax-Infektionen der Lungen und kann daher nicht sagen, welche Wirkung die Homöopathie da haben könnte. Und bevor ich nicht Tatsachen sehe, habe ich da eher meine Zweifel. Aber um die Nachwirkungen von Anthrax weiss ich.

Wie bei dieser Frau. Sie war Bäuerin und hatte mit Tieren zu tun. Höchstwahrscheinlich hatte sie sich infiziert, aber nicht in Form einer Primärinfektion. Die Manifestationen auf ihrer Haut kamen den Symptomen von Anthrax sehr nahe. Und Anthracinum führte zur Heilung. Bevor ich Ihnen aber mehr Informationen gebe, möchte ich gerne beginnen, den Fall zu zeigen:

(Das Video beginnt. Die Patientin und ihr Homöopath sitzen vor einer Klasse. Zu jener Zeit lehrte George Vithoulkas in Kalifornien. Das Furunkel wird in Nahaufnahme gezeigt.)

(Vithoulkas erläutert für das Zürcher Auditorium:) Hier haben wir ein Furunkel, ein riesiges Furunkel am Oberkörper. Man kann die Wölbung deutlich sehen.

GV: Das scheint mir sehr tief zu gehen. Ist es sehr hart? (Untersucht den Bereich) Wann hat das angefangen?

Hom: Ja, sie hat diese Talgzyste an dieser Stelle seit etwa acht Jahren. Vor ungefähr neun Tagen fing es an, ein wenig abzusondern, nur ganz wenig Absonderung, nur Tröpfchen, eine kleine Öffnung.

GV: All die Jahre war das dort?

Hom: Es ist nie eröffnet worden. Nachdem die Absonderung begann, habe ich anschliessend ein wenig übelriechende, weisse, talgartige Masse ausgedrückt.

GV: Wie roch das?

Hom: Wie sehr starker Käse. Übelriechend. Aber andere Talgzysten haben nach meiner Erfahrung genau den gleichen Geruch. Auch am darauffolgenden Tag sickerte etwas heraus, so dass ich es wieder ausdrückte, bis es nur noch 30% seiner ursprünglichen Grösse hatte. Jetzt hat es ungefähr die normale Grösse.

GV: So hervorgewölbt? Die ganze Zeit, all die Jahre?

Hom: Ja, genau so.

GV: War diese Rötung auch schon immer vorhanden?

Hom: Nein, es gab noch nie Verfärbungen, noch nie Schmerz.

GV: Jetzt ist dort eine Entzündung?

Hom: Ja. Nachdem ich es am zweiten Tage ausgedrückt hatte, schmerzte es, daher beschlossen wir, es in Ruhe zu lassen. Aber es war deutlich kleiner, ich konnte alle Muster der Zyste tasten. Danach haben wir es nicht mehr angefasst, und so langsam, während der nächsten drei Tage, fühlte sie sich nicht mehr so gut. Nicht im Hinblick auf die Zyste...

Pat: Aber es kam immer noch Absonderung. Während der ganzen Zeit sickerte es so vor sich hin.

Hom: Schliesslich entleerte sich eine rötliche Masse. Dann, es war inzwischen Mittwochmorgen, hatte sie Kopfschmerzen. Sie konnte keine Entscheidungen treffen, hatte ein starkes Verlangen nach frischer Luft und hatte das Gefühl, dass sie am liebsten ausgezogen nach draussen in die Kälte gehen würde.

Pat: Das war um sieben Uhr morgens, da war es wirklich noch kalt, und ich hatte das Gefühl, die Kälte würde sich grossartig anfühlen. Und Magenschmerzen, und ich wollte weinen...

Hom: Ja, sie war sehr emotional. Ich gab ihr eine Gabe Pulsatilla M. In der Vergangenheit hat ihr Pulsatilla immer wieder gut geholfen. Und innerhalb von einer halben Stunde...

Pat: ...fühlte ich mich viel besser. Keine Kopfschmerzen mehr, keine Magenschmerzen. Mir war nicht mehr heiss, und emotional fühlte ich mich besser.

Hom: Aber dann hörte die Absonderung auf.

Pat: Das Furunkel wurde heiss, rot und schmerzte.

(Vithoulkas hält das Video an)

GV: Was sagt er? Er gab ihr eine Gabe Pulsatilla, wegen der Besserung an frischer Luft. Und: Die Kopfschmerzen verschwanden, aber die Zyste hörte auf, abzusondern. Was hat das in der Homöopathie für eine Bedeutung?

Es bedeutet, dass Pulsatilla auf einer oberflächlichen Ebene wirkte. Es führte zu einigen Veränderungen, liess aber die darunter liegenden Ursachen unberührt. Dies geschieht unglücklicherweise in den meisten unserer Fälle. Wir verstehen nicht, dass es zugrunde liegende Ursachen gibt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt behandelt werden müssen, bevor ein Fall sich öffnet und wir Fortschritte machen können.

Seit acht Jahren wird sie von ihrem Partner behandelt, der ein guter Homöopath ist. Sie hat verschiedene Arzneimittel erhalten, Natrium muriaticum, Pulsatilla etc. Wie wir sehen können, oder vielleicht auch nicht sehen können, dies ist ein altes Video und die Bildqualität lässt natürlich nicht alle Details erkennen, ist dies eine verschlossene Frau. Ihr Gesicht war wie vertrocknet. Die Gefühle waren vertrocknet. Keine Emotionen.

Auf der Geistes- und Gemütsebene ruft Anthracinum einen analogen Zustand hervor. Wir sehen einen Menschen mit einem tief eingebetteten emotionalen Abszess. Dies ist ein Abszess, der sich oft aus einer sehr schmerzhaften emotionalen Erfahrung heraus geformt hat.

Dieses Arzneimittel hält so viel tief im Inneren versteckten Kummer zurück, dass man es vielleicht sogar als Hauptmittel für stilles Leiden in Betracht ziehen kann. Die dunkelste emotionale Wunde ist tief in der Psyche begraben. Es ist, als ob alles emotionale und geistige Leiden des Anthracinum-Patienten in einem grossen Furunkel eingeschlossen ist. Der Patient ist nicht in der Lage, tiefe Gefühle zu empfinden, auszudrücken oder mit anderen zu teilen.

Sie sagte: «Ich wollte weinen...». Aber Pulsatilla hat keine Neigung zu weinen: Sie weint! Um Pulsatilla zu verordnen, braucht man eine Besserung durch frische Luft und Weinen fast ohne Grund oder schon beim geringsten Anlass.

Wenn aber jemand sagt: «Ich möchte weinen und kann nicht», dann muss man zweimal nachdenken, bevor man Pulsatilla gibt. In solchen Fällen, wenn Menschen weinen wollen, es aber nicht tun, dann sollte man vielleicht eher an verschlossene Mittel wie Natrium muriaticum, Ignatia, Phosphoricum acidum, vielleicht auch an Staphisagria denken. Aber nicht an Pulsatilla! Dennoch hat es die Kopfschmerzen weggenommen.

Sehen Sie, wie man verleitet werden kann zu denken, das Mittel habe gewirkt? Hier hat es nicht wirklich gewirkt. Was hat es getan? Es hat unterdrückt. Deshalb hatte ich zu jener Zeit ein Problem. Ich sah eine Frau mit vertrockneten Emotionen und vertrockneter Haut. Ich erinnere mich sehr gut an sie. Ihre Haut hatte feine, feine Fältchen. Sie war keine alte Frau! Aber sie sah viel älter aus, als sie war.

Bei diesen Patienten ist es interessant zu beobachten, dass sie älter und müder aussehen und sich auch so verhalten. Ohne es zuzugeben vermitteln sie einem den Eindruck, dass sie ihr Unglück und Leiden still schultern, ohne zu klagen, ohne viel Aufhebens, während sie gleichzeitig emotional ziemlich tot sind.

Ich rang also mit diesem Fall, um herauszufinden, was zum jetzigen Zeitpunkt das richtige Mittel sein könnte. Also: Ihre Kopfschmerzen waren weg, aber sie hatte Schlafstörungen. Sie konnte nicht schlafen. Noch ein Faktor, der uns zeigt, dass das Mittel auf einer sehr oberflächlichen Ebene gewirkt hat.

(das Video läuft weiter)

Hom: Brennend heiss.

Pat: Es hat mich an das Brandmarken von Tieren erinnert.

Hom: Und es wird von Tag zu Tag schlimmer. Sie wird schwächer. Sie schläft nicht gut. Wenn jemand es berührt...

GV: Frieren Sie jetzt?

Pat: Nein.

GV: Ist Ihnen noch warm?

Pat: Ja.

Hom: Ansonsten fühlt sie sich recht gut.

Pat: Emotional fühle ich viel besser als zu der Zeit, als das Furunkel noch absonderte. Aber nun ist es sehr schmerzhaft. Und abends erstreckt sich der Schmerz nach oben zu meinem Kopf, und nach unten bis hierher...

GV: Vor allem abends?

Pat: Ja. Die beste Zeit ist, wenn ich mich nachts zum Schlafen hinlege. Nicht sofort, aber nachdem ich einige Stunden gelegen habe, dann fühlt es sich am besten an.

Hom: Obwohl sie nicht gut schläft.

Pat: Ja, ich wache oft auf.

(Vithoulkas hält das Band an)

GV: Sie werden feststellen, dass Pulsatilla die Kopfschmerzen beseitigt hat, aber ihr Schlaf gestört ist. Sie kann nicht schlafen. Dies ist ein weiterer Punkt der uns sagt, dass das Mittel nur auf einer oberflächlichen Ebene gewirkt hat.

Homöopathie hat sehr ernstzunehmende therapeutische Modalitäten, die wir sehr gut studieren müssen, bevor wir anfangen, Patienten zu behandeln. Denn Homöopathie hat sehr viel Kraft. Man kann den Eindruck bekommen, das Mittel wirke, während es eigentlich den Fall nur verändert, Symptome verschiebt, oder sie sogar unterdrückt – und oft bewirkt es natürlich gar nichts.

Wenn Ihr Mittel vom eigentlichen Fall weit entfernt ist, dann kommt der Patient zurück und sagt. «Es hat sich nichts verändert.» Wenn der Patient wieder kommt und sagt: «Dieses und jenes ist besser geworden, aber x und y sind jetzt schlimmer», dann muss diese Antwort vom Homöopathen sehr genau untersucht werden, um Klarheit zu erlangen, ob das Mittel korrekt gewirkt hat oder nicht.

Und wie bewertet man eine solche Situation? Indem man die Theorie der Homöopathie gründlich versteht. Das theoretische Verständnis der Homöopathie ist für die korrekte Auswertung eines Falles absolut notwendig.

(Das Video läuft weiter)

GV: Irgendwelche anderen Symptome?

Pat: Keine, ausser dass es immer heiss ist und brennt. Es kommt in Wellen, und manchmal fühlt es sich richtig heiss an, manchmal beruhigt es sich auch und tut nur weh.

GV: Sind Sie anämisch?

Pat: Ja.

Hom: Ja, sie ist schwanger.

GV: Sind Sie immer anämisch?

Pat: Nein, nicht anämisch, aber ich habe niedrigere Werte als andere.

GV: Verstehe, zu wenig Eisen...

Hom: Das ist ihre dritte Schwangerschaft und die bislang beste. Dank guter homöopathischer Behandlung.

Pat: Ich war kürzlich in Indien und kam mit Hepatitis zurück. Keine gelben Augen, aber Juckreiz überall und erhöhte Leberenzyme.

GV: Juckreiz überall?

Hom: Schrecklich, vor allem während der Nacht.

GV: Sie haben Dolichos gegeben?

Pat: Ja, und am nächsten Tag fühlte ich mich 80 % besser.

GV: Gut... (lächelt) Er hat seine Frau geheilt.

Hom: Zwischen Dolichos (das war vor etwas mehr als zwei Monaten) und Pulsatilla hat sie kein anderes Mittel erhalten. Und was die Anämie betrifft: während ihrer vorherigen Schwangerschaften war die Anämie stärker ausgeprägt. Ihr Hämatokrit beträgt derzeit 34. In früheren Schwangerschaften lag er bei 28 oder 30. Für sie ist das also verhältnismässig gut.

GV: OK, danke.

Pat: Danke.

(Vithoulkas stoppt das Video)

GV: Es gab nicht sehr viele verwendbare Informationen. Normalerweise stelle ich gerne mehr Fragen. Aber wenn ein Patient vor einer Klasse sitzt, ist die Situation schwierig, vor allem, wenn man mehr über die Emotionen und die Sexualität erfahren möchte. Patientinnen wie sie geraten dann unter starken Stress.

Nun möchte ich einige Bemerkungen machen über das, worüber ihr Behandler berichtete: ihre Rückkehr aus Indien, die Behandlung der Hepatitis, die Schwangerschaft etc. Geht es ihr hinsichtlich der Hepatitis gut, oder war die Behandlung unterdrückend? Oder haben Sie noch andere Ansichten?

Kann jemand die diesbezüglichen Informationen auswerten? (Von den Teilnehmern antwortet niemand).

Mit diesem Teil der Informationen müssen wir sehr klar sein. Was war geschehen? Sie hatte die Hepatitis, sie war krank, sie nahm Lycopodium oder Chelidonium oder was auch immer, und die Hepatitis wurde natürlich besser und ihr ging es auch viel besser.

Wenn Sie den Fall nun betrachten: Wie bewerten Sie die Behandlung der Hepatitis? War die Behandlung richtig oder falsch? Schauen Sie: Solche Fragen müssen Sie klar beantworten können. Ohne die ganze Theorie verstanden zu haben, können Sie solche Fragen nicht beantworten. Soll ich mal Statistik machen? Wer sagt, die Behandlung war korrekt?

(ein paar Hände werden gehoben)

Wer sagt, die Behandlung war falsch?

(nun gehen mehr Hände nach oben)

OK, vielen Dank.

Sie haben Unrecht! Die Behandlung war korrekt! Die Behandlung der Hepatitis war richtig, nicht falsch. Warum sind Sie in die Falle gegangen? Weil Sie die wirkliche Theorie der Homöopathie nicht verstehen. Wenn diese Theorie nicht verstanden wird, dann geschieht so etwas. Fast niemand hat geglaubt, dass die Behandlung korrekt gewesen ist.

Natürlich kann ich hier nicht alles erklären, aber ich möchte Ihnen zumindest eine Idee davon vermitteln: Jeder, jeder Patient hat irgendeinen chronischen Zustand, der ein, zwei oder drei Arzneimittel in einer ganz bestimmten Folge benötigt. Mal angenommen, Sie behandeln einen solchen Patienten und geben die Arzneimittel nicht in der erforderlichen Reihenfolge.

Nun bekommt dieser Patient eine Akuterkrankung, eine Bronchitis. Sie geben ein Arzneimittel, Bryonia, und behandeln damit die Bronchitis. Oder eine schwerwiegendere Erkrankung, eine Bronchopneumonie. Sie geben Kalium carbonicum, dann Phosphor, dann Arsenicum album – drei Arzneimittel, und dem Patienten geht es gut.

Die Behandlung ist korrekt! Sie haben das behandelt, was sich oberhalb seines chronischen Zustandes abspielte. Mit diesen drei Arzneimitteln haben Sie die Akuterkrankung, die sich in diesem Patienten manifestierte, korrekt behandelt. Aber Sie haben die darunter liegenden chronischen Probleme des Patienten nicht berührt. Ihre Behandlung für den Akutzustand war also richtig, Ihre Behandlung des chronischen Zustandes war falsch.

Ich gebe Ihnen mal ein einfaches Beispiel, das jeder verstehen wird. Mal angenommen, jemand fällt hin, bekommt eine Prellung mit Austritt von Blut ins Gewebe etc. Was verschreiben Sie? (niemand antwortet)

Haben Sie keine Angst, nur weil Sie einen Fehler gemacht haben! Sie machen nicht immer Fehler! Was verordnen Sie?

Die Prellung ist schmerzhaft, man darf sie nicht berühren – was ist das? (Einige Stimmen antworten: «Arnica»)

Arnica! Sie geben Arnica, und die Reaktion ist wunderschön: Der Schmerz verschwindet, und die Prellung geht natürlich auch weg.

Was ist hier passiert? Sie haben etwas behandelt, was diesen Menschen überkommen hat. Etwas Plötzliches, ein Akutzustand. Dieser Akutzustand erforderte ein spezifisches Mittel, das Sie geben mussten. Sonst hätte es zu chronischen Nachwirkungen des akuten Zustandes kommen können. Das bedeutet, Sie haben den Akutzustand korrekt behandelt. Prima! Anschliessend kommt der Mensch wieder mit seinen chronischen Kopfschmerzen, seinen anderen Problemen zu Ihnen.

Denken Sie nun an diese Frau! Seit acht Jahren versorgt sie die Tiere (Schafe), seit acht Jahren leidet sie unter diesem Zustand. Dieser Zustand hat ein tieferes, zugrundeliegendes Problem, wie sich im Follow-up herausstellen wird.

Noch ein Beispiel, welches Sie auch gut verstehen werden. Jemand hat einen geliebten Menschen verloren. Er kommt, seufzt (Vithoulkas seufzt zweimal tief). Sie sehen: Seufzen, Kummer, weint nicht, möchte weinen, aber kann nicht... – welches Mittel geben Sie?

(Teilnehmer antworten: «Ignatia»)

Ignatia! Ich weiss, Sie haben immer noch Angst. (Gelächter) Sie werden sich noch bis zur letzten Minute fürchten. (Vithoulkas lacht) Schauen Sie: Wenn Sie das Bild eines Arzneimittels haben, brauchen Sie sich nicht fürchten. Dies ist das Bild des Mittels, dies ist das Mittel. Ignatia ist das Mittel. Also geben sie Ignatia. Nehmen wir mal an, die ganze Klasse hätte dieses Problem. In den meisten Fällen würde Ignatia indiziert sein.

OK. Ist das richtig oder nicht? Natürlich ist es richtig. Man muss es geben, die Wirkung ist vorhanden, und es ist absolut richtig.

Nun: Nachdem die Ignatia-Schicht verschwunden ist, muss man sich mit dem darunterliegenden Problem befassen. Pulsatilla nahm die Kopfschmerzen weg, liess dieses und jenes übrig, und dann wurde Natrium muriaticum gegeben und etliche andere Mittel. Alle Mittel wirkten sehr gut, gute homöopathische Behandlung...

Aber im Grunde genommen ist der Homöopath verwirrt. Er ist verwirrt, weil er einerseits die Akuterkrankung korrekt behandelte, aber andererseits den darunterliegenden chronischen Zustand nicht berührt hat. Aber Homöopathie kann viel mehr bewirken. Und aus diesem Grunde sind Sie hierher gekommen: um zu lernen, um gute, solide, fundierte Homöopathie zu erlernen, richtig?

Ich werde Ihnen keine Geschichten erzählen. Von mir bekommen Sie einige Fakten. Bei der Materia Medica werde ich Ihnen die jeweiligen Hauptpunkte nennen, auf die Sie Ihre Verschreibungen stützen können. Aber um ein wirklich umfangreiches Wissen über die Homöopathie zu erwerben, müssten Sie an dem vierjährigen Kurs teilnehmen, der an der Akademie in Alonissos stattfand. Er wurde auf Video aufgezeichnet und kann für Interessierte stattfinden. In der Schweiz ist sogar eine Universität daran interessiert, den Kurs zu präsentieren. Es ist ein umfangreicher Kurs mit präziser Materia Medica, ausführlicher Theorie, aber noch wichtiger ist, dass es von den dort von mir behandelten Patienten über einen Zeitraum von zwei, drei, vier Jahren Follow-ups gibt. Das gibt Ihnen die Möglichkeit zu sehen, wie sich Fälle nach Vorbehandlung mit Allopathie, Akupunktur oder Homöopathie entwickeln. Etliche dieser Fälle hatten zuvor 40, 50, sogar bis zu 150 verschiedene homöopathische Arzneimittel erhalten.

Was geschieht mit solchen Fällen? Kann man solche Fälle behandeln, wenn man nicht richtig beginnt, mit dem richtigen Mittel? Danach muss das zweite Mittel ebenfalls korrekt sein und zum richtigen Zeitpunkt gegeben werden. Gleiches gilt für das dritte Mittel. Und dann, nach drei, vier Jahren, sieht man die Wirkung. Da sitzt dann ein anderer Mensch, der sich bedankt und fühlt, dass er wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist.

Es sind Patienten, die von den vielen verschiedenen heute auf der Welt existierenden Therapieformen zerstört wurden. Therapieformen, die an sich sehr gut sind! Akupunktur ist zum Beispiel eine sehr gute Therapieform, keine Frage. Chiropraktiker leisten gute Arbeit. Solange die jeweiligen Behandler wissen, was sie tun, leisten sie gute Arbeit.

Ich bedaure sagen zu müssen, dass in der Homöopathie so viele verschiedene Vorstellungen im Umlauf sind. Nicht wahr? Wie zum Beispiel ein Lied zu potenzieren! «Warum nicht?» sagt er. «Wir werden ein Lied potenzieren und es verabreichen.» Ich frage: «Wem werden Sie es verordnen?» – «Ach, nun, wenn zum Beispiel jemand falsch singt, dann gebe ich es ihm, und dann fängt er an, zu singen...» (Publikum lacht)

Ich meine, was soll das? Ich las das in den «Homeopathic Links», einem Journal, in dem es um Homöopathie gehen soll. Oder Folgendes: Man muss ein Mittel geben und hat es nicht zur Hand. Was tut man? Man schreibt den Namen des Arzneimittels auf ein Stück Papier, zum Beispiel Lycopodium 10 M, stellt ein Glas Wasser darüber und lässt dann den Menschen das Wasser trinken – und schon hat er eine Gabe Lycopodium 10 M zu sich genommen. (Publikum lacht)

Verstehen Sie, wie ich mich fühle, wenn ich so etwas sehe? Wenn so etwas aufgeschrieben wird als Handlungsanweisung für Schüler? Um Gottes Willen! Homöopathie hat mit all diesen Verrücktheiten nichts zu tun! Und man muss sich dessen bewusst sein – deshalb bin ich hier, um in Ihnen ein Bewusstsein dafür zu wecken – damit man diesen ganzen Unsinn nicht glaubt.

Schauen wir also mal, was in diesem Fall passiert ist. Die Verordnung lautete: Anthracinum C 200.

Anthracinum ist indiziert bei Patienten, die chronisch unter Karbunkeln leiden, unter Abszessen, ödematöser Lymphadenopathie und Tumoren, die dazu neigen, bösartig auszusehen, mit einer rötlich-schwarzen Verfärbung, und die brennende Empfindungen und extreme Schmerzen verursachen. Bei Anthracinum kommt es leicht zu Ulzerationen, mit Schorfbildung und entsetzlichen, brennenden Schmerzen. Das Gewebe wird ödematös und verhärtet.

Anthracinum passt auf septische Zustände mit enormer Schwellung, den bereits erwähnten unerträglichen brennenden Schmerzen und der dunkelroten Verfärbung des entzündeten Teils. Dieses Mittel neigt generell zu leichter Eiterung und Sepsis. Die Patientin ist nicht in der Lage, tiefe Gefühle zu empfinden, auszudrücken oder zu teilen. Sie trottet in einem offensichtlichen Verwirrungszustand durchs Leben, vor allem, was ihre Gefühle betrifft, wo nichts klar ist, nichts angemessen wahrgenommen wird. Sie weiss selbst nicht, was sie fühlt.

(Das Video läuft weiter, man sieht nun das Follow-up)

Hom: Sie erhielt Anthracinum C 200. Kurz nach der Einnahme wurde ihr schwindelig und sie meinte, sie bekäme Kopfschmerzen. Und der infizierte Bereich wurde nach der Mittelgabe sehr, sehr heiss.

(Vithoulkas hält das Video an)

GV: Sehen Sie nur! Sofort kann man die korrekte Wirkung sehen! Was geschah? Sie fing an schwindelig zu werden. Das ist ein Ausdruck. Die Kopfschmerzen kamen wieder. Sehen Sie? Erinnern Sie sich? Pulsatilla hatte die Kopfschmerzen weggenommen. Die Kopfschmerzen mussten wiederkommen.

(Das Band läuft wieder weiter)

Hom: Und beim Umhergehen fühlte sie viel Druck nach unten in der Vagina und hatte die Empfindung von Kontraktionen. Dies ist bis heute geblieben. Eine Stunde nach der Mitteleinnahme ging sie hinaus und setzte sich in den Park und hatte die friedlichste Stimmung seit Tagen. Erst dadurch wurde ihr bewusst, dass vorher etwas nicht in Ordnung gewesen war. Sie erzählte, sie habe gar nicht gemerkt, was sie verloren hatte, bis dieses Gefühl von Frieden wiederkehrte. 2 ½ Stunden nach dem Mittel war sie...

(Vithoulkas unterbricht und hält das Band an)

GV: Das ist ein weiterer wichtiger Punkt. Vielleicht konnten Sie das nicht richtig verstehen. Er erzählt, dass sie einige Stunden nach dem Mittel, während sie auf einer Parkbank sass, Frieden empfand. Etwas, so wurde ihr bewusst, was sie verloren hatte. Zuvor hatte sie keinen Frieden empfunden. Nun fühlte sie ihn wieder. Dies ist wiederum ein Hinweis, dass das Mittel in der Tiefe wirkt und einige Veränderungen herbeiführen kann.

Warum? Weil er erzählt, dass die Kopfschmerzen wiederkamen, dass die Entzündung schlimmer wurde, sie hatte brennende Schmerzen, aber innerlich fühlte sie Frieden. Das ist eine korrekte Abfolge von Ereignissen.

Wenn sie gesagt hätte: «Psychisch fühle ich mich gut», dann hiesse das ohne die Verschlechterung, ohne die korrekte Abfolge von Ereignissen gar nichts. Bei einer korrekten Abfolge von Ereignissen muss es eine Besserung von den tieferen hin zu den mehr peripheren Bereichen geben. Psychisch besser, körperlich schlimmer – das ist gut. Aber solche Dinge erkennen wir nicht, verstehen wir nicht, wenn wir die Theorie nicht sehr gut kennen. Nur dann können wir wahrnehmen, was der Mensch erzählt. Schauen wir weiter.

(Das Video wird fortgesetzt)

Hom: Sie konnte ihren Hals ohne Schmerzen bewegen. Um sieben Uhr abends, fünf Stunden nach der Mitteleinnahme, ging es ihren Muskeln, die durch das Ulcus sehr geschmerzt hatten, viel besser, und sie hatte ein überwältigendes Gefühl von Frieden und Schläfrigkeit. Sie gähnte viel.

Sie sagte von sich: «Ich bin ein wandelnder Zombie.» In der vorhergehenden Nacht war ihr Zustand zum gleichen Zeitpunkt am schlimmsten gewesen, mit Schmerzen und Ruhelosigkeit.

Sie sagte: «Ich habe das Gefühl, ich werde ewig schlafen.» Es war das erste Mal seit Tagen, dass sie sich auf die Nacht freute. Die Nächte zuvor waren schlimm gewesen. Jetzt war sie zuversichtlich, dass ihr Schlaf erholsam sein würde. Und sie hat tatsächlich ziemlich gut geschlafen, definitiv viel besser. Dann, am nächsten Tag, gab es eine deutliche Verbesserung, der Schmerz war geringer. Aber sehen konnte man den Unterschied noch nicht.

Gestern nun wurde die Zyste deutlich grösser, sie weitete sich aus. Sie war nicht so erhaben, nahm aber ein grösseres Areal in Anspruch und breitete sich vor allem zum Hals hin aus. Sie stand unter grösserer Spannung, war heisser und schmerzte wieder mehr. Nicht so schlimm wie vor dem Mittel, aber mehr als am vorhergehenden Tag. Und der Schmerz war jetzt stechend und pochend, nicht mehr so intensiv brennend wie zuvor.

Und heute dann ist es kleiner geworden. Sie hatten ja mal Lachesis erwähnt. Vielleicht sollte ich erzählen, dass das Furunkel gestern violett war und sie dort überhaupt nicht

berührt werden wollte. Noch nicht einmal ihre Kleidung konnte sie dort ertragen, hob sie immer von der Haut ab.

(Vithoulkas stoppt das Band)

GV: Ein guter Punkt. Das ist noch mal ein Test für Sie. Und Sie werden sehen, dass Sie nun meine Frage richtig beantworten werden. Vor meiner Frage aber muss ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die Patientin ein «wandelnder Zombie» ist. Sie schläft. Sie will schlafen. Sie will den Rest ihres Lebens schlafen. Sie fühlt sich sehr schläfrig. Sie sehen die tiefe Entspannung des Organismus, wodurch sie jetzt schlafen möchte. All die Tage zuvor hatte sie schlaflose Nächte. Nun möchte sie schlafen. Dies ist eine weitere Bestätigung dafür, dass das Mittel wirkt.

Wie ich schon sagte: Wir beobachten die tiefe Entspannung des Organismus, während sich gleichzeitig die Zyste vergrössert. Sie hat Schmerzen, aber nicht die mehr den fürchterlichen, brennenden Schmerz. Anthracinum hat absolut unerträgliches Brennen.

Wenn man ein Anthracinum-Geschwür sieht, dann ist es schwarz und riecht nach altem Käse. Das weist in den meisten Fällen auf eine Infektion mit Bacillus anthracis hin, also eine Infektion, die recht hartnäckig ist und einen üblen Geruch verbreitet. Infektionen mit Streptokokken oder Staphylokokken würden keinen solchen Geruch, nicht diese Intensität haben. Wir sehen also auf der körperlichen Ebene die Verschlechterung, die Zyste vergrössert sich, aber innerlich entwickelt sich Frieden. Wunderschön.

Okay. Nun sagt er: «Wir haben ein Lachesis-Bild, genau, wie Sie gesagt haben.» Höchstwahrscheinlich hatte ich in meiner Analyse erwähnt, dass wir an Lachesis denken sollten, falls Anthracinum nicht wirkt. Der Homöopath sagt: «Wie Sie in Ihrer Analyse gesagt hatten: kann dort nicht berührt werden, bläuliche Verfärbung...».

Nun stellt sich die Frage: Werden Sie Lachesis geben, um die Wirkung dieses Mittels zu vervollständigen? Ja oder nein? (das Publikum lacht)

Sehen Sie? Jetzt sehen Sie die richtige Antwort! Sie geben es nicht! Man darf es nie geben! Dies ist der vierte Tag nach der Mittelgabe. Man darf niemals ein Mittel geben, wenn es dem Menschen so gut geht. Die Stelle schmerzt noch, das Furunkel hat sich noch nicht geöffnet, es gibt noch keine Absonderung – aber würde Lachesis helfen, die Öffnung und Absonderung in Gang zu bringen? Überhaupt nicht! Lachesis würde den ganzen Prozess stoppen.

Es gäbe eine Zeit, wo man Lachesis geben sollte. Wann wäre das? Was bräuchten wir? Wir bräuchten auch auf der Ebene des Schlafes und auf der geistig-emotionalen Ebene eine Verschlimmerung.

Wenn wir das sähen und sich gleichzeitig ein Lachesis-Bild entwickelt, dann könnten wir zur Gabe von Lachesis ja sagen. Man könnte es sogar am vierten Tage der Behandlung geben, solange man ein vollständiges Lachesis-Bild sieht. Hier hatten wir aber nur ein lokales Bild von Lachesis, wohingegen der

Allgemeinzustand der Patientin gut ist – es geht der ganzen Patientin so gut! Wenn wir da jetzt hineingingen und störten...

Gott behüte! Wir würden unsere wunderschöne Arbeit zerstören. Es war nicht so einfach, in diesem Fall auf Anthracinum zu kommen, nicht wahr? Wenn Sie aber jetzt für die Lokalsymptome Lachesis verschreiben würden, während es der Patientin insgesamt besser geht – vergessen Sie’s!

Sie würden Ihren Fall verderben. Diese Sprüche wie «Homöopathie ist harmlos» oder «es kann nicht schaden», die stimmen nicht! Die Lokalsymptome ähneln derzeit Lachesis, und Lachesis würde den ganzen Prozess stoppen. Die Heilung könnte nicht abgeschlossen werden. Dann wären Sie versucht, ein anderes Mittel zu geben, und noch eines, und noch eines...

Das sind die Fälle, die bei mir landen. Ich bekomme keine unbehandelten Fälle mehr zu sehen. Zu mir kommen nur noch verdorbene Fälle. Und dann heisst es: «Okay, nun reparieren Sie das mal.» Ich habe Fälle, die haben zuvor schon die halbe Materia Medica bekommen! Solche Fälle bekomme ich zu sehen, und ich verstehe, warum!

Diese meine Erfahrung versuche ich Ihnen zu vermitteln. Wir haben Gesetze, die wir erfassen und gut verstehen müssen. Sehen Sie, wie der Organismus seine Arbeit tut? Der Körper fängt alles auf, erfährt eine Verschlimmerung. Die Zyste hat sich ziemlich vergrössert. Warten Sie einfach noch ein paar Tage, und die Absonderung wird beginnen.

(Das Video läuft weiter)

Hom: Heute ist es kleiner geworden, weicher, beweglicher. Hin und wieder fing es an, kleine Mengen dieser übelriechenden Absonderung auszustossen. Das ist erst seit heute. Wenn sie auf den Beinen ist und in Bewegung, ist es härter und schmerzt mehr, und es wird definitiv besser, wenn sie ruht oder sitzt. Sie hatte heute vorübergehend Kopfschmerzen, aber viel weniger schmerzhaft als gestern.

GV: Wie lange war die Zyste dort?

Hom: Acht Jahre. Es geht ihr viel besser, wirklich, unglaublich viel besser. Jeder Tag ist besser, mit kleinen Aufs und Abs, aber heute geht es ihr äusserst gut. Gestern öffnete sich das Furunkel. Um die Entwicklung überschaubar zu machen: Nach dem Arzneimittel ging der Schmerz dramatisch zurück. Und es gab Auswirkungen, die fast unmittelbar nach der Mittelgabe spürbar waren.