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4. Auflage (ePub) November 2017

 

© 2011 by A.C. Lelis

Verlagsrechte © 2011 by Cursed Verlag

 

Inh. Julia Schwenk, Fürstenfeldbruck

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: hanne's designküche

 

 

ISBN-13: 978-3-95823-666-0

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

 


 

 

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Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Rubens Alltag ist zwar weder spannend noch erfüllt, aber immerhin schafft er es, Uni und Arbeit ohne fremde Hilfe unter einen Hut zu bringen. Zumindest bis die Stimme aus seinen Träumen in Person vor ihm steht. Denn Kilian ist wirklich ein Traummann - allerdings einer, der auch nicht vor unmoralischen Angeboten zurückschreckt...


 

 

 

 

Für meine kleine Schwester,

danke für Deine Stärke und bedingungslose

Unterstützung in allen Lebenslagen.


 

Prolog

 

 

Wie ein heißer Pflock stößt er in mich. Ich keuche und schnappe gleich darauf wieder nach Luft. Zitternd recke ich mich ihm entgegen. Seine Hände halten mich an den Hüften fest. Salzige Tropfen rinnen mein durchgedrücktes Rückgrat hinab. Er wird schneller, mein Körper bebt vor Lust.

Schneller. Die Hände reißen mich ihm entgegen. Erregt betaste ich unsere Verbindung mit einer Hand. Dann lasse ich sie wieder unter mich gleiten und reibe meinen Schaft. Mein stützender Arm bricht unter mir zusammen, sodass ihm nur noch mein Hintern entgegenragt.

Die Bewegungen meiner Hand werden fahriger. Eine unendlich heiße Welle schlägt über mir zusammen. Orkanartig greift sie auf mein Inneres über und durchdringt jede Faser meines Körpers. Ein letztes Beben lässt mich aufstöhnen, dann beflecke ich das Laken mit meinem Sperma. Meine wohligen Laute werden dabei von dem Kissen unter mir verschluckt.

»Zu früh, Kleiner«, spottet er sanft und gleitet aus mir heraus. Meine Ohren pulsieren vor Verlegenheit. Wie peinlich. Ich bin immer zu schnell. Ich könnte vor Scham sterben…

 

Dann erwache ich endlich und reiße die Augen auf. Mein Atem rast. Mein Herz pocht laut. Meine Shorts sind feucht und klebrig. Es ist dunkel. Natürlich bin ich allein. Es war nur ein Albtraum. Nein. Mehr als ein Albtraum. Mein Fluch. Die Realität. Die Wahrheit: Ich bin ein Schnellspritzer. Eine Niete im Bett! Das Gefühl der Scham will auch jetzt nicht weichen.

Ich versuche, mich an den bereits verblassenden Traum zu erinnern. An meinen Partner. Da waren nur Hände und sein Ding in mir. Kein Gesicht – aber eine Stimme, die mich verspottete. Es war bereits der dritte Traum dieser Art, doch nie kann ich mich daran erinnern, mit wem ich zusammen bin. Vielleicht ist er nur ein Geschöpf meiner Fantasie.

Dafür klingt seine Stimme jedoch zu vertraut in meinen Ohren. Ich muss ihn irgendwoher kennen. Nur will mir niemand einfallen, zu dem sie passen könnte.

Es wäre ohnehin sinnlos, versuche ich, mich zu beruhigen: Selbst wenn ich ihn finde, würde ich mich nicht trauen ihn anzusprechen. Jedenfalls ist er keiner meiner Ex-Partner. Ex-Sexpartner. Einen richtigen Freund hatte ich noch nie.

Mit diesem ernüchternden Gedanken fällt es mir noch schwerer, wieder einzuschlafen. Ich blinzle zu meinem Wecker. Erst halb vier. Das wären keine vier Stunden Schlaf, wenn ich jetzt wach bliebe. Reiß dich zusammen, Ruben. Es hilft ja nichts.

Irgendwann gebe ich meine Schlafversuche dann doch auf und beginne, ein Buch zu lesen, während ich darauf warte, dass die Nacht vergeht und meine Schicht im Café beginnt. Ich arbeite momentan in Doppelschichten, um möglichst viel Geld in kurzer Zeit zu verdienen. Die Studiengebühren sind wieder einmal fällig.

 


 

Kapitel 1

 

 

Gegen zehn ist das Café gerammelt voll. Frühstücksbuffet. Zum Glück muss ich dabei fast nur Teller und Getränke verteilen und am Ende abkassieren. Trotzdem verliert man leicht den Überblick bei diesen Massen. Wir sind auch nur zu zweit heute und meine Kollegin Fiona ist eine Anfängerin.

Ein Tisch wird frei. Angesichts der fünf Leute, die ungeduldig auf diesen Augenblick gewartet haben, beeile ich mich lieber, das benutzte Geschirr abzuräumen und den Tisch abzuwischen. Obwohl das eigentlich nicht mein Tisch ist. Egal. Es muss schnell gehen und Fiona ist eine Schnecke.

Als ich mit dem Tablett wieder in Richtung Küche sprinte, packt mich plötzlich eine kräftige Hand am freien Arm.

»Hey Kleiner, ich würde gern bestellen.«

Wie in Zeitlupe segelt das Tablett vor meinen Augen zu Boden. Die Gläser zerschellen und die Teller zerbrechen in große Scherben. Ein paar Idioten klatschen sogar. Das alles geht voll an mir vorbei. Ich bekomme eine Gänsehaut. Diese Stimme kenne ich. Nicht die Hand, sondern sie war der Grund, warum mir das Tablett runtergefallen ist. Aber das kann doch nicht sein…

Ganz langsam und vorsichtig wende ich mich zu ihrem Besitzer um. Ein Paar eisblauer Augen blickt zu mir auf – ein bisschen schuldbewusst, aber auch amüsiert. Jedenfalls scheint er genug Selbstbewusstsein für uns beide zu haben, denn die peinliche Situation scheint ihn nicht im Geringsten zu belasten.

»Einen Kaffee, bitte, schwarz und eine Packung Zigaretten.«

Schwarzes Haar, maskulines Gesicht, um die dreißig – wahnsinnig gut aussehend. Ich kenne ihn nicht. Wieso träume ich von ihm? Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Stumm nicke ich und mache mich von ihm los. Ich muss ohnehin zur Theke, um den Besen zu holen. Da kann ich gleich einen Kaffee und die Zigaretten – die er hier eh nicht mehr rauchen darf – mitbringen. Wer ist der Kerl?

»Hey Fiona«, zische ich leise, als sie ebenfalls hinter die Theke kommt. Ich nicke in Richtung des Mannes. »Kennst du den?«

»Den Dunklen?«, fragt sie zurück. »Klar, das ist dieser Nachrichtensprecher von Radio Sazu mit der tollen Stimme. Gehst du nie ins Kino? Da lief doch letztens im Vorspann ständig diese Werbung: Das Radio zeigt Gesicht.«

»Ach so.« Jetzt geht mir ein Licht auf. Daher kenne ich seine Stimme. Aus dem Radio! Er moderiert auch diese Sendung spätabends, die ich gelegentlich höre: Du bist nicht allein. Eine Kontaktsendung für Homosexuelle. Nicht, dass ich da mitmachen würde. So nötig habe ich es dann doch nicht.

Aber er hat eine tolle Stimme: Dunkel, warm… aber ganz klar. Nur wenn er leiser spricht, wird sie ein wenig rau und unwahrscheinlich sexy. Gestern Abend habe ich seine Sendung auch gehört. Kein Wunder, dass ich von ihm dann bis in meine Träume verfolgt werde.

»Willst du eine?«, bietet er mir lässig eine seiner Zigaretten an, als ich ihm den Kaffee vor die Nase stelle und die Packung daneben lege. »Quasi als Entschädigung für den Schreck…«

Ich schüttle den Kopf. »Danke, ich rauche nicht.«

»Ist auch besser so.« Er lächelt charmant zu mir auf.

Ich lächle flüchtig zurück und kümmere mich dann um die Scherben, ehe noch jemand hineintritt. Die Nähe zu dem Mann verwirrt mich sehr. Ich spüre den Traum noch heiß in meinen Gliedern. Und jetzt sitzt er in der kalten Wirklichkeit neben mir. Es ist so surreal.

Eigentlich sollte ich sauer auf ihn sein: Eine Zigarette als Entschädigung – ha! Dank dieses Schreckens arbeite ich die nächsten zwei Stunden umsonst. Kaputtes Geschirr wird von meinem Gehalt abgezogen. Obwohl Zigaretten teurer geworden sind, könnte ich mir doch immerhin zwei große Packungen von dem Geld kaufen. Mistkerl. Andererseits kann er das ja nicht wissen.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mich beobachtet, als ich mich ans Werk mache. Da ich ihm den Rücken zukehre, ist es nicht mehr als eine Vermutung… Aber ich habe den irren Verdacht, dass er mir auf den Arsch glotzt. Zumindest kribbelt der ganz schön.

Natürlich kann das auch Einbildung sein. Sehr wahrscheinlich ist es das. Vielleicht wegen des Traums. Als ich mich von ihm entferne, finde ich mich selbst ziemlich lächerlich. Was sollte so ein heißer Typ mit meinem Arsch anfangen?

Keine fünf Minuten später ist er dann auch nicht mehr allein und meine letzten Zweifel sind damit ausgeräumt. Ein blonder Schönling hat sich ihm gegenüber niedergelassen. Wenn auch nicht auffällig, so flirten sie doch recht beharrlich miteinander. War zu erwarten. So ein cooler Typ setzt sich nicht in ein Cafe, nur um einen Kaffee zu trinken. Und das auch noch allein. Das ist völlig absurd. Der Traum ist zu Ende. Das hier ist die Wirklichkeit.

Ich konzentriere mich wieder auf meinen Job. Schließlich muss ich zu ihrem Tisch und den Schönling fragen, was er bestellen möchte. Dann brauchen sie mich auch nicht noch einmal so zu erschrecken.

»Was darf ich Ihnen bringen?«

Der Kerl mustert mich kurz, dann grinst er den Radiotypen an, ehe er wieder zu mir aufblickt. Wahrscheinlich hat der ihm von meinem Malheur erzählt. Das verunsichert mich, aber ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen.

»Wie lange steht das Buffet noch da?«

»Bis zwölf«, antworte ich routiniert. Jetzt ist es halb elf.

»Und wie viel kostet es?«, will er weiter wissen.

»Sieben Euro fünfzig.« Das steht sowohl in der Karte als auch auf der Tafel vor der Tür als auch hier drinnen über der Theke.

Ich lasse mir meine Ungeduld nicht anmerken. Er ist ja nicht der erste Gast, der seine Augen anscheinend nur zur Zierde mit sich herumträgt. Und er hat wirklich hübsche Augen. Sehr dunkel.

Die beiden bilden ein schönes Kontrastpaar. Während der eine helle Augen und dunkle Haare hat, verhält es sich bei diesem anders herum. Da fühle ich mich mit meinem Aussehen mal wieder wunderbar durchschnittlich. Grüne Augen und dunkelblonde Haare, nicht gerade selten. Nein, wirklich nicht.

»Braucht dich doch nicht zu interessieren. Schließlich zahle ich«, meint der Radiotyp zu seinem Freund.

»Eben, das muss ich ausnutzen.« Der andere grinst keck. »Kann ich dazu einen Champagner haben?«

»Natürlich. Um diese Uhrzeit allerdings nur als ganze Flasche oder alternativ ein Glas Sekt.«

»Dann die ganze Flasche«, meint er frech.

Ich warte kurz, ob das ein Scherz sein soll und er noch einlenkt, aber anscheinend nicht. Der Radiotyp lächelt gutmütig.

Schulterzuckend notiere ich die Bestellung. »Also das Buffet und eine Flasche Champagner? Darf es sonst noch etwas sein?«

»Ich hätte gerne noch so einen leckeren Kaffee«, bittet der Radiotyp. Tatsächlich ist seine Tasse bereits leer.

»Du bist so ein Koffeinjunkie!«, spottet der Schönling. Es klingt aber nicht böse. Eher so, als würden sie sich wirklich gut kennen und den anderen samt seinen Macken sehr gern haben. So etwas will ich auch. Noch so ein realitätsferner Traum.

Der Radiotyp lacht dunkel auf. »Hab kaum geschlafen die Nacht.«

»Okay.« Ich notiere mir auch noch den Kaffee und mache, dass ich weg komme. Ob er auch schlecht geträumt hat? Dieser Typ lässt mich einfach nicht los. Warum muss seine Stimme auch in meinen Träumen auftauchen? Einfach unerhört!

»Ruben, das Ei ist wieder alle«, knurrt mich plötzlich jemand von der Seite an. Der Manager, der alle paar Jahre mal runter guckt, um über etwas Banales zu meckern. Etwas, was ich schon längst bemerkt und an die Küche weitergegeben habe, wohlgemerkt.

»Ich habe schon Bescheid gesagt«, antworte ich schlicht. Ich hege die wilde Hoffnung, dass er mich nicht zu lange aufhält. Immerhin habe ich eine Bestellung. Buffetbestellungen sollen immer sofort bearbeitet werden. Und Getränke muss ich heute auch selbst machen, weil Markus an der Theke nicht aufgekreuzt ist.

»Außerdem hab ich es klirren gehört«, bemerkt er kritisch und sieht sich nach Fiona um.

»Das war ich. Hab's auch schon auf der Liste vermerkt.«

»Gut.« Er wirkt grimmig. Vielleicht, weil er nicht weiter meckern kann. »Wie viel denn?«

»Drei Gläser, eine Tasse und zwei Teller.«

»Na, wenn's dir mal passiert, dann lohnt sich's«, stellt er hämisch fest. »Willst du die Stunden dranhängen oder soll ich sie dir abziehen?«

»Ich hab heute schon zwei Schichten«, erkläre ich knapp und lasse ihn dann stehen, um mich endlich um die Bestellung zu kümmern.

Champagner um halb elf. Sonst noch Wünsche? Da geht uns doch fast das Eis aus. Als hätte ich nicht schon genug zu tun, als mich auch noch um den Nachschub von crushed ice zu kümmern.

Kaffee geht schnell, dafür haben wir eine Maschine. Während die Tasse vollläuft, öffne ich die Champagnerflasche und stelle sie in den Silbereimer mit Eis. Das mache ich wirklich nicht oft. Besonders nicht vormittags. Ich will auch so einen spendablen Freund.

»Zwei Gläser zum Champagner?«, frage ich, als ich den beiden schon mal den Kaffee bringe.

Der Schönling richtet sich an den Radiotypen. »Ich weiß nicht, magst du auch?«

»Ich kann dich wohl kaum eine ganze Flasche allein trinken lassen«, meint sein Freund spöttisch.

Fein, mehr wollte ich nicht wissen und bin schon wieder weg. Als ich das teure Getränk arrangiere, werde ich überraschend von dem Radiomann angesprochen.

»Was war das gerade? Werden dir die zerbrochenen Sachen von deinem Gehalt abgezogen?«

Das hat er gehört? Peinlich! Ich spüre eine flüchtige Röte in meine Ohren steigen. Vielleicht sollte ich mir wirklich lange Haare wachsen lassen.

Ich zucke mit den Schultern. »Ja, aber schon okay.«

»Nein, ist es nicht. Es war meine Schuld!«, empört er sich resolut.

»Nein, nein, schon okay. Ich habe nicht aufgepasst, sonst wäre das nicht passiert«, versichere ich verlegen und kehre den beiden geschäftig den Rücken zu.

»Was hast du dem denn getan?«, höre ich den Schönling amüsiert fragen.

»Nichts«, versichert die angenehme Stimme.

»Ja klar…«, spottet der andere. »Hast du seinen niedlichen Hintern betatscht?«

»Natürlich nicht.«

Glücklicherweise kann ich in die Küche verschwinden, um nach dem Rührei zu sehen. Das ist auch tatsächlich fertig. Zusammen mit Fiona trage ich es nach draußen.

»Zahlen!«, ruft da auch schon eine alte Dame ungeduldig.

Nur Stress.

»Dein Gast«, erinnere ich Fiona.

Sie kriegt schon hektische Flecken. »Kannst du?«

»Klar«, brumme ich und gehe zur Kasse, um die Quittung für den Tisch auszudrucken. Die Dame sieht ohnehin nicht so aus, als würde sie Trinkgeld geben. Kein Wunder, dass Fiona da keinen Bock hat. Man kriegt schnell raus, welcher Gast Trinkgeld gibt und welcher nicht. Der Radiotyp wird definitiv von mir abgerechnet, den überlasse ich Fiona bestimmt nicht.

Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellt – oder auch nicht: Es ist eher megapeinlich. Dank des Champagners ist die Rechnung ohnehin schon sehr hoch. Er drückt mir einen großen, grünen Schein in die Hand und grinst.

»Behalt den Rest.«

Ich starre ihn fassungslos an und will gerade etwas dagegen ein- wenden, doch er winkt ab. »Wegen der Gläser«, erklärt er und steht auf.

Sein Freund ist schon dabei, sich anzuziehen. Auch er grinst mich an. »Nimms an. Sonst hat er ein schlechtes Gewissen.«

»Ähm…«, murmle ich sprachlos. »D-danke… Aber das ist trotzdem viel zu viel!«

»Schon gut.« Der Radiomann lacht und ehe ich mich versehe, hat er mir tatsächlich den Hintern getätschelt.

»Das hab ich jetzt aber genau gesehen!«, ruft sein Freund amüsiert und zieht ihn mit sich nach draußen, ehe ich mich wieder fangen kann. Nicht, dass mir noch etwas als Erwiderung eingefallen wäre. Ich stehe da wie vom Donner gerührt.

»Du hast mich doch auf die Idee gebracht«, sagt der dreiste Kerl nur lachend und zwinkert mir über die Schulter zu.

»Und?«, gluckst der andere.

»Schön fest.« Habe ich nur das Gefühl oder starren mich alle an? Ich schüttle den Kopf und reiße mich zusammen.

Er hat mich betatscht! Mein Traum ist mir tatsächlich an den Arsch gegangen. Eine merkwürdige Mischung aus Empörung und geschmeichelt sein sucht mich heim. Hoffentlich sehe ich ihn nie wieder. Obwohl, noch sieben von diesen Trinkgeldern und ich habe die Studiengebühren zusammen. Allerdings könnte ich dem Gefühl nach dann auch gleich auf den Strich gehen.

»Ist der Kerl dir da gerade wirklich an den Hintern gegangen?«, flüstert mir Fiona amüsiert zu, als wir uns wieder an der Theke treffen.

»Anscheinend.«

»Wow, ist der schwul?«, will sie sensationslüstern wissen.

»Anscheinend.«

»Wirst du es überleben?«

Er wird mir deshalb kaum abfaulen! Himmel, Mädchen, mach die Augen auf. Ist schließlich kein Geheimnis, dass ich auch schwul bin.

Ich zucke mit den Schultern. »Sicher.«

»Ist ja irgendwie sexuelle Belästigung.«

»Würdest du dich von so einem Mann belästigt fühlen?«, frage ich nüchtern.

Sie grinst und schüttelt den Kopf.

»Siehst du…« Ich zucke erneut mit den Schultern. »Ich auch nicht.«

Sie guckt etwas komisch, dann springt der Funken über und sie wird rot. »Oh.«

»Ja«, brumme ich und winke tuntig. »Hi!«

Damit lasse ich sie stehen. Ich schätze, Mister Radio hat es eher gerafft als sie. Dem hat sicher nur ein Blick gereicht. Und er hat Kleiner zu mir gesagt, genau wie in meinem Traum. Unheimlich. Dabei bin ich überhaupt nicht klein.

 

***

 

Verdammt, tun mir die Füße weh. Außerdem bin ich so müde, dass ich kaum noch die Augen aufhalten kann, als ich aus dem Café trete. Und zu allem Überfluss muss ich jetzt auch noch mit dem Rad nach Hause. Missmutig schlurfe ich zum Fahrradständer und schließe mein altes Stadtrad auf. Ich habe keine Lust in meine leere Wohnung zurückzukehren. Aber ich bin auch zu müde, um irgendwas anderes zu machen.

Also erreiche ich eine Viertelstunde später meine kleine Bruchbude im Dachgeschoss eines fünfstöckigen Baus – natürlich ohne Fahrstuhl. Bruchbude kann man eigentlich nicht sagen, denn die Wohnung wurde erst vor kurzem renoviert. Allerdings misst sie nur vierundzwanzig Quadratmeter, mit Bad und Küchenzeile. Gut, eigentlich noch weniger, denn die Fläche mit den Dachschrägen zählt nur die Hälfte. Ich mag sie trotzdem, auch wenn mich die Treppen, die ich zuvor bezwingen muss, jedes Mal wieder umbringen. Erst recht nach einer Doppelschicht.

Erschöpft lasse ich mich aufs Bett fallen und schalte den Radiowecker an. Zu mehr bin ich nicht mehr fähig. Es läuft zunächst nur Musik. Mir fällt auf, dass ich ein wenig enttäuscht bin, seine Stimme nicht zu hören. Darauf hatte ich wohl insgeheim gehofft. Selbstironisch grinsend schlüpfe ich aus meinen verschwitzten Sachen, in denen sich zudem ein penetranter Geruch nach Essen eingenistet hat. Ich muss unbedingt duschen.

Aber ich mag nicht aufstehen. Träge zerre ich mir noch die Hose über den Hintern und krieche unter die Decke. Es ist albern, aber ich warte auf die Nachrichten. Vielleicht arbeitet er heute gar nicht. Seine Sendung kommt nur dienstags und freitags. Heute ist Mittwoch.

Allerdings ist er Nachrichtensprecher, oder? Vielleicht ist er doch gleich auf Sendung. Wie heißt er eigentlich? Ach, muss mich das interessieren? Er kennt meinen Namen ja auch nicht.

Es gibt nun wirklich keinen Grund, sich noch weiter in diese peinliche Geschichte hineinzusteigern. Zumal er schon einen Freund hat, dem ich nie im Leben das Wasser reichen könnte. Erst recht nicht, wenn alles, was ich zu bieten habe, ein geiler Arsch ist. Und selbst der ändert nichts daran, dass ich eine Niete im Bett bin. Womit sollte ich ihn also für mich einnehmen?

Resigniert strecke ich meinen Arm aus und taste nach dem Schalter für den Wecker. Ich sollte jetzt einfach duschen und dann schlafen gehen.

Doch da kommt die Meldung: »Und jetzt hat Kilian Hubert die Nachrichten für uns zusammengestellt.« Dann seine angenehme, warme Stimme. Wie elektrisiert horche ich auf. Ich kriege den Inhalt gar nicht mit. Nur den Klang sauge ich in mich auf.

 

***

 

Am nächsten Tag beginnt meine Schicht wieder um halb neun. Immerhin habe ich diese Nacht durchgeschlafen.

Ein weiterer positiver Aspekt: Markus ist wieder unter den Lebenden und steht arbeitsam hinter der Theke.

»Wo warst du gestern?«, erkundige ich mich.

»Der Chef hat mir freigegeben«, gesteht er zerknirscht. »War viel los?«

»Ja, und nur Fiona war noch da«, berichte ich.

Er macht ein schuldbewusstes Gesicht. »Die Neue? Himmel, na ja, ich dachte, der Chef weiß schon, wie's hier unten aussieht.«

»Der interessiert sich wie alle anderen nur für das Rührei«, seufze ich und binde mir die Kellnerschürze um. Er lacht. Selten, dass ich jemanden mit meinem trockenen Humor dazu bekomme.

»Na, du lebst ja noch.« Markus grinst fröhlich. »Heute kommt, so viel ich weiß, noch Lisa und die ist ja schon ganz flott.«

Ich nicke dankbar und mache mich daran, das Buffet aufzustellen. Lisa ist zwar flott, aber meistens zu spät, weil sie immer ihren Bus verpasst und auf den nächsten warten muss.

In der Küche geht es schon heiß her. Zum Glück ist das nicht mein Job. Ich hätte jetzt echt keine Lust, Käse zu schneiden und Wurst auszulegen.

»Oh, du bist ja schon fast fertig mit Aufbauen! Sorry!« Mit diesem Ausruf rauscht Lisa in den Raum.

Ich zucke mit den Schultern. »Schon gut. War gerade so dabei.«

»Du bist ein Engel«, sagt sie grinsend und fällt mir um den Hals. Bei Frauen bekomme ich davon immer Beklemmungen. Bei Männern eigentlich auch, wenn ich sie nicht gut kenne… Aber da ist es etwas anderes.

Ich schiebe sie von mir. »Dafür übernimmst du die ersten Gäste.«

Sie gibt schnell nach. »Okay. Ich mach dann mal auf. Oder kommt der Chef?«

»Warten wir lieber nicht drauf«, meine ich und reiche ihr ihre Schürze. »Sag mir Bescheid, wenn's zu viele werden. Ich geh schnell was frühstücken.« Eigentlich habe ich morgens nie Hunger, aber ein Brötchen brauche ich schon, um auf den Beinen zu bleiben. Bis zum Mittag halte ich sonst nicht durch.

Ich habe gerade herzhaft hineingebissen, als Lisa das erste Mal in die Küche stolpert. »Du hast Stammkundschaft, Ruben.«

»Bitte?«, nuschle ich mit vollem Mund.

»Da ist so'n geiler Typ, der darauf besteht, von dir bedient zu werden.« Sie grinst von einem Ohr zum anderen. Aber das, was sie sagt, klingt völlig absurd.

Ich blicke unbeteiligt zu ihr auf. »Willst du mich veralbern?«

»Nein, ehrlich. Groß, schwarze Haare, blaue Augen, umwerfendes Lächeln. Kommt mir auch irgendwie vage bekannt vor.«

»Aus der Radiowerbung im Kino?« Mein Herz setzt einen Schlag aus und mein Gehirn wird blank.

Sie stutzt und nickt dann begeistert. »Jetzt, wo du's sagst! Stimmt! Das ist der Typ, der die Nachrichten bei Sazu spricht.«

Der Typ, der die Nachrichten spricht, dessen Stimme mich in meine Träume verfolgt und der mir an den Hintern gefasst hat. Ich schlucke und versuche die Verwirrung in meinem Inneren zu bekämpfen.

Bleib rational, Ruben. Es muss eine vernünftige Erklärung dafür geben.

Irritiert runzle ich die Stirn und versuche, nachzudenken. Fühlt er sich noch schlecht wegen des Geschirrs? Unsinn. Er hat mir Trinkgeld im doppelten Wert gegeben. Rumrätseln bringt da wohl nichts – und ist auch unmöglich, solange Lisa mich immer noch so angrinst.

»Was hat er konkret gesagt?«

»Er hat gefragt, ob der niedliche Kellner von gestern heute auch arbeitet«, berichtet sie schmunzelnd. »Ich hatte keine Ahnung, wen er meint, und hab Markus gefragt, der wiederum meinte, dass du gestern Doppelschicht hattest.«

»Niedlich?«, wiederhole ich.

»Na ja… Gehst du jetzt vielleicht mal los und guckst, was er will?«, spottet sie.

Seufzend erhebe ich mich. Offensichtlich hat er einen falschen Eindruck von mir bekommen. Sobald der korrigiert ist, wird er sich wohl nie wieder blicken lassen. Ich bin nämlich nicht niedlich. Das ist ja mein Problem. Ich bin sogar das Gegenteil, weshalb es auch nie jemand lange mit mir aushält. Ich habe kein soziales Talent.

»Hallo«, brumme ich, als ich seinen Tisch ansteuere.

»Einen schwarzen Kaffee, wie gestern?«

»Ehrlich gesagt hätte ich erst mal gerne deinen Namen.« Er grinst verhalten. Seine Augen mustern mich verschmitzt. Versucht er, mit mir zu flirten? Ach, Unsinn. Sicher nicht.

»Ruben«, antworte ich knapp.

»Hi, ich bin Kilian«, stellt er sich vor.

Das war mir bekannt. Ich nicke. Er wartet auf irgendwas. Vielleicht darauf, dass mir etwas Geistreiches einfällt. Natürlich fällt mir nichts ein. Und geistreich schon mal gar nicht.

Schließlich gibt er auf. »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich dir gestern an den Hintern gefasst habe. Tut mir leid…«

»Nein, schon okay.«

»Gut, eigentlich tut es mir auch gar nicht leid«, gesteht er schmunzelnd. Wunderbar, dann hat ihm mein Hintern also gefallen. Ich merke, wie sich ein schmales Lächeln auf meine Lippen stiehlt. Das scheint ihm Mut zu machen. »Wie lange arbeitest du heute?«

»Recht lang. Bis abends.«

»Wieder eine Doppelschicht?« Ach ja, er hat das Gespräch mit meinem Chef belauscht. Ich nicke.

Kilian – anscheinend darf ich ihn duzen – mustert mich kritisch. »Und warum? Der Job ist doch anstrengend…«

»Geht schon«, behaupte ich. Soll ich einem quasi Fremden etwa meine Lebensumstände erklären? Wohl kaum. »Ich arbeite sonst nicht so viel. Nur diese Woche und die nächste, weil ich das Geld brauche«, erkläre ich schulterzuckend und sehe mich um.

Allmählich füllt sich das Café und Lisa flitzt schon von Tisch zu Tisch. »Also, was kann ich dir bringen? Ich muss weitermachen.«

»Einen Kaffee ohne alles.« Er lächelt. »Sorry, dass ich dich aufhalte.«

»Schon okay«, murmle ich wieder und eile zur Theke.

»Du hast einen Stammkunden?« Markus grinst mich an.

»Er ist nicht mein Stammkunde und will Kaffee – schwarz.«

»Schon fertig.« Lächelnd schiebt Markus ihn mir rüber. »Ich hab euch belauscht. Der Kerl flirtet mit dir, sei mal ein bisschen lockerer!«

»Kann ich nicht«, nuschle ich mehr zu mir selbst.

»Das ging schnell«, stellt Kilian fest, als ich ihm unverzüglich den Kaffee zurückbringe.

Ich zucke mit den Schultern. »Wir haben heute einen dritten Mann an der Theke.«

»So, so«, murmelt er und mustert mich wieder so interessiert. »Wofür brauchst du so dringend Geld?«

»Studiengebühren.«

»Und was studierst du?«

»Produktionstechnik«, murmele ich.

Er stutzt und wirkt plötzlich leicht verunsichert. Vielleicht, weil das nicht in sein merkwürdiges Bild von mir passt. Niedlich ist Produktionstechnik bestimmt nicht. Ich will nicht sehen müssen, wie sein Interesse an mir schwindet, daher mache ich mich daran, die anderen Gäste zu bedienen.

Lisa und ich sind schon ein eingespieltes Team, es gibt keine Missverständnisse darüber, wer für welchen Tisch zuständig ist. Nur mein Frühstück wartet immer noch in der Küche auf mich.

»Hey, Ruben?«, erklingt plötzlich seine Stimme.

Sofort fahre ich zu Kilian herum. Irgendwie wirkt der Klang wie ein Magnet auf mich. Er lächelt und winkt mich zu sich. Natürlich komme ich dem sofort nach. Dass da gerade jemand auf seine Rechnung wartet, ist mir schnurz.

»Möchtest du noch etwas?«

»Ja, vieles.« Sein Lächeln verwandelt sich in ein Raubtiergrinsen. Wie alt er wohl ist? Schon über dreißig, oder? Aber er sieht verdammt gut aus. Heute hat er sich bestimmt noch nicht rasiert… Ein dunkler Bartschatten, der ihn noch maskuliner wirken lässt, ziert sein Gesicht. Mir gefällt besonders das Grübchen wenn er lächelt so gut. Und die hohen Wangenknochen.

»Ähm, was?« Jetzt habe ich nicht mitbekommen, was er gesagt hat. Wie peinlich! Ich spüre, dass meine Ohren wieder heiß werden.

Er lacht und wiederholt es dann noch einmal extra deutlich, als wäre ich ein Vollidiot: »Erst einmal nur noch einen Kaffee, danke.«

»Okay.« Ich will mich wieder auf den Weg machen, doch er hält mich an meiner Schürze zurück. Beinahe wäre ich gestolpert.

»Was ich mich schon die ganze Zeit frage: Bist du eigentlich schwul oder nicht?«

Meine Güte. Das ist ja mal eine direkte Frage. Ich starre ihn verdutzt an und brauche einen Moment für meine Antwort.

Dafür reicht seine Geduld anscheinend nicht aus. »Sorry, wenn ich zu neugierig bin. Aber auf den ersten Blick dachte ich: Ja. Auf den zweiten: Auf keinen Fall. Und dann wieder: Wahrscheinlich doch. Allerdings bin ich mir noch unsicher… Darum erspar mir doch einfach das Rätseln und klär mich auf.« Er lächelt entwaffnend.

Wehrlos dagegen zucke ich mit den Schultern und gestehe dann. »Total schwul.«

»Schön«, meint er und strahlt übers ganze Gesicht. Ich wünschte, meine Eltern hätten ähnlich begeistert darauf reagiert.

Ich schnaufe belustigt und löse seine Hand aus meiner Schürze. »Ich hole deinen Kaffee.«

Er lässt es zu. »Na gut.«

Verwirrt laufe ich wieder zur Theke. Während Markus mir den Kaffee macht, hole ich auch gleich die Quittung für den Gast, der schon etwas ungeduldig darauf wartet, endlich zahlen zu dürfen.

»Dein Stammgast scheint aber mächtig scharf auf dich zu sein«, kommentiert Markus ungefragt.

Ich schiele ihn von der Seite an. »Quatsch, zumal er gestern mit seinem Freund hier war.«

»Heute ist er aber allein«, stellt er fest.

»Sein Freund ist zehnmal schärfer, als ich es jemals sein könnte«, entgegne ich vernünftig. »Kein Plan, was er von mir will, aber das, was du denkst, kann man wohl getrost ausschließen.«

Vielleicht will er mich ja für seine Sendung rekrutieren. Der Gedanke ist wie ein Geistesblitz und seine Logik schockierend ein- gängig. Seine Sendung! Das würde natürlich alles erklären.

Jetzt finde ich mich selbst zum Schießen, dass ich tatsächlich für einen Moment die Hoffnung gehegt habe, Markus könnte eventuell recht haben. Aber nein, viel wahrscheinlicher ist es doch, dass so ein toller Kerl einem armen Wicht wie mir zu einem Date verhelfen möchte, indem er mich für seine Sendung anwirbt und so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt.

Ich meine, sicher hat er Probleme damit, immer neue Bewerber für die Sendung zu finden. Mir ist auch schon aufgefallen, dass ein paar Typen jedes dritte Mal dabei sind. Das ist hier nun mal keine riesige Großstadt. Gut möglich, dass er auf der Suche nach neuen Anrufern ist. Aber nicht mit mir. Ich würde niemals bei so einer Flirtsendung mitmachen.

»Bitte sehr.« Mit leisem Scheppern stelle ich die Tasse vor ihm ab und will sofort weiter zum Kassieren. Wenn ich zu lange warte, kommt mir Lisa zuvor und kriegt mein Trinkgeld. Wir haben da so eine Zehn-Minuten-Regel für die Tische, die anderen gehören.

»Arbeitest du am Wochenende auch?«, erkundigt er sich, bevor ich ihm den Rücken zukehren kann. Hab ich's doch gewusst! Am Wochenende werden immer die Dates arrangiert. Zum Glück muss ich nicht einmal lügen.

»Ja.«

»Und am nächsten Wochenende?«, bohrt er weiter.

»Auch.« Okay, das ist gelogen.

»Dann arbeitest du tatsächlich die nächsten zwei Wochen durch? Jeden Tag Doppelschichten?«, erkundigt er sich erschrocken.

Ich zucke mit den Schultern. »Nicht zu ändern.«

»Es gibt doch noch andere Methoden, Geld aufzutreiben.« Jetzt klingt er beinahe entsetzt. Geht ihn ja eigentlich nichts an.

Wieder zucke ich nur die Schultern. »Ich muss den Tisch da hinten abrechnen.«

»Warte«, befiehlt er und hält mich wieder an der Schürze zurück. »Bist du zurzeit in einer festen Beziehung?«

Er hat es echt drauf, direkte Fragen zu stellen. Aber warum fragt er dann nicht einfach, ob ich bei seiner dämlichen Sendung mitmache? Stattdessen diese ganzen Fragen, die doch offensichtlich nur darauf abzielen, dass mir letztlich die Ausreden ausgehen. Schlimmer als ein Staubsaugervertreter. Ist der bei den Zeugen Jehovas aufgewachsen? Himmel!

»Nein, aber ich habe gerade weder Lust noch Zeit für so etwas«, brumme ich ablehnend und mache mich abermals los.

Das ist wirklich dämlich. Eigentlich hätte ich schon Lust und Zeit würde ich mir nehmen, wenn er mich fragen würde, ob ich mit ihm ausgehe. Aber auf einen fremden Typen, der bei so einer Show mitmacht… Nein, so verzweifelt bin ich dann doch nicht. Und vor allem habe ich meinen Stolz.

»Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten.« Ich lege der alten Dame ihren Bon auf den Tisch.

»Der Mann war aber auch aufdringlich«, sagt sie entrüstet. »Als würde ihm der Laden gehören und Sie dazu.«

»Es tut mir leid«, wiederhole ich nochmals und lächle verhalten. Das Trinkgeld, das sie mir wohl als Trostpflaster gibt, lässt sich für eine alte Dame wirklich sehen. Ich bedanke mich artig und helfe ihr noch aus dem Stuhl. Der Gast ist eben König.

»Du bist echt eine harte Nuss«, behauptet Kilian, als ich noch einmal an ihm vorbei eile.

Ich nicke nur und gehe weiter. Diesmal hält er mich nicht zurück, denn ich balanciere ein schweres Tablett vor mir her. Doch auf dem Rückweg habe ich keine Chance mehr, ihm zu entgehen.

»Wie sieht es nach den zwei Wochen aus?«, erkundigt er sich. Einer seiner Finger hat sich in meinem Gürtel verfangen. Natürlich könnte ich mich ganz einfach losreißen, aber das ist mir dann doch zu dämlich.

Abrupt bleibe ich stehen und sehe etwas ungeduldig auf ihn herab. »Warum?«

»Ist das so schwer zu erraten?«, fragt er lächelnd zurück. »Aber wenn du schon so guckst, sollte ich vielleicht einfach aufgeben. Du scheinst nicht in bester Laune zu sein – ist verständlich bei dem Stress.«

»Hm«, brumme ich zustimmend.

»Okay, kann ich zahlen? Ich muss zur Arbeit«, erklärt er resigniert und sieht mich durchdringend an.

Ich nicke. »Klar, brauchst du einen Bon? Ansonsten vier Euro achtzig, bitte.«

Er zahlt sie mir so. Zehn Euro. Stimmt so. Sagte ich, dass ich Stolz besitze? Nun, was sein Trinkgeld angeht offensichtlich nicht. Ich bekomme lediglich warme Ohren, murmle ein Dankeschön und bin weg. Als wäre ich käuflich. Das bin ich nicht. Sein Problem, wenn bei ihm die Scheine so locker sitzen. Deshalb rufe ich trotzdem nicht bei seiner Sendung an.