Zitat aus dem ›Wettkampf zwischen Homer und Hesiod‹ (Certamen 78f.), der in der Antike Homer zugeschrieben wurde. (Der Vers taucht in Theognis’ Elegien [425–27] wieder auf.)
Epikur spielt auf den u.a. von Demokrit vertretenen und von der Stoa systematisch begründeten Determinismus an, nach dem jede Ursache notwendig bestimmte Wirkungen hervorruft und ihrerseits das Produkt aus vor ihr liegenden Ursachen ist: Wenn der Kausalnexus nicht durchbrochen werden kann, ist alles vorausbestimmt. Für die homerischen Dichter war Μο˜ιρα, das ›Schicksal‹, diese nicht weiter bestimmbare Macht, die selbst das Handeln der Götter lenkt.
Homer, Ilias, Erstes Buch, Vers 70
In der Handschrift ist χάριν ›um … willen‹ bzw. ›Freundlichkeit‹ wiederholt, vermutlich ein Fehler. Von der Mühll hält als einziger Herausgeber am Text fest, der Satz würde dann lauten: ›Manchmal muss man allerdings um der Freundschaft willen auch etwas Freundlichkeit wagen.‹
Epikur verteidigt die menschliche Willensfreiheit gegen Demokrits oberstes Gesetz der Notwendigkeit.
Auszug aus einem Brief an einen Schüler
Eine Anspielung auf das Gespräch zwischen Solon und Krösus bei Herodot, Erstes Buch, Abschnitt 30ff. In der lateinischen Fassung: »Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.« Das Zitat ist der Schluss eines Iambus, der dem Solon zugeschrieben wird in einem Scholion zu Dio Chrys. Or. 72,13.
Gemeint ist das Göttliche, die Götter.
der tote Körper in Verwesung
Herrschaft und Königtum: Gilt vielen Kennern als Glosse, weil nach epikureischer Lehre mit dem Ausdruck ›naturgemäße Güter‹ nicht vereinbar.
Epikur will sagen: Diese Leute haben dann nicht nur ihr Ziel verfehlt, sondern auch ihr ganzes Leben, auf dem Weg zu diesem Ziel, verpfuscht.
Wir lesen hier mit Bignone et al. κατά ›bei‹ statt καί ›und‹; der letzte Satz müsste mit von der Mühlls Text (καί ›und‹) etwa so lauten: ›… wirst du dem Irrtum nicht entgehen, weil du jede Kontroverse und jede Beurteilung dessen, was richtig oder nicht richtig ist, beibehältst.‹
Mit Bailey ’εξωρίσατο ›ausgrenzen, abgrenzen‹, statt mit von der Mühll ’εξηρείσατο ›sich stützen‹ o.ä.
Träume oder Visionen
vgl. Hauptlehrsätze, 24
Dieser Satz gibt einerseits die Meinung Epikurs wieder, dass es immer gleich viele Atome gibt, nämlich unendlich, denn wenn sie sich ins Nicht-Seiende auflösten, gäbe es schon längst nichts mehr; anderseits gab es diese Diskussion über das Nicht-Seiende, sie wird bei Demokrit angetönt, und von Gorgias, dem Redner, gibt es einen Text, in dem er beweist, dass das Nicht-Seiende ist und umgekehrt.
Es sind z.B. Wärme, Farbe, Feuchtigkeit, Trockenheit keine Elemente, sondern Eigenschaften und Folgen der Attribute der Elemente, der Atome. Vorsokratische Philosophen vor Epikur hatten derlei als Elemente eingeführt, z.B. Anaximenes das Warme und das Kalte.
Diesen Satz hat Usener getilgt, alle andern mit ihm. Er macht diese Stelle aber tatsächlich zugänglicher.
d.h. wenn die Atome Teil einer Verbindung sind oder unter eine Verbindung geraten
Bilder im Sinne von visueller Wahrnehmung
»Strom« ergänzt Bailey; falls an von der Mühlls Text festgehalten werden soll, müsste die Stelle wie folgt lauten: und nichts oder nur wenig ihre grenzenlose [Feinheit] hindert.
Sie sind nur Hüllen.
Mit »solchen Wesen« sind z.B. Monster gemeint, die entstehen, wenn die Ströme verschiedener Festkörper sich mischen zu einem neuen Bild.
Epikur argumentiert hier einerseits gegen Demokrit, der sich vorstellte, die Bilder würden zuerst wie in Wachs in die Luft eingedrückt und dann erst ins Auge gelangen, weil sie selber hart sind, das Auge aber weich ist und nachgibt; andererseits gegen Empedokles und Platon, die sich, um den aktiven Aspekt beim Sehen zu berücksichtigen, vorstellten, dass von unseren Augen Strahlen ausgehen, die die Bilder treffen.
z.B. bei Scheintoten: Die Seele ist nur entfernt, es ist aber noch nicht alles aufgelöst. Ähnliche Beobachtungen an Scheintoten berichtet man von Demokrit.
z.B. bei Verlust eines Arms oder Beins
Da die Seele im ganzen Körper verteilt ist, geht immer ein Stück von ihr mit zugrunde, wenn ein Teil des Körpers verletzt wird oder ganz wegfällt. Aber solange überhaupt noch ein bisschen Körper mit ein bisschen Seele vorhanden ist, wird sie Wahrnehmung besitzen.
gegen Zenon von Kition, den Begründer der Stoa, der das Feuer als Urelement betrachtete
Vorwort von Ludwig Marcuse
Der Name Epikur ist weltberühmt geworden – im Begriff ›Epikureer‹. Es ist der einzige Fall in der Geschichte der Philosophie, dass ein Eigenname in den allgemeinen Sprachgebrauch überging – zur Bezeichnung einer Lebenshaltung.
Was ist ein Epikureer? Ein älterer, lustiger Herr mit gepolsterten, weingeröteten Wangen? Das vielleicht auch. Ein Wesen (wie die Feinde sich ausdrückten), welches einem Schwein nur darin nachsteht, dass es nicht dieselbe animalische Unbekümmertheit erreichen kann? Das vielleicht auch.
Man kann aber noch besser sagen, was ein Epikureer ist. Jemand, der mit Epikur weiß: »Jedes lebende Wesen strebt, sobald es geboren ist, nach Lust und freut sich daran als dem höchsten Gut, während es den Schmerz als das höchste Übel vermeidet.«
An Platons Akademie soll eine Inschrift gewarnt haben: »Wer nichts von Mathematik versteht, soll draußen bleiben.« Am Eingang zum Garten des Epikur soll man eingeladen worden sein: »Freund, das ist ein guter Ort; hier wird nichts mehr verehrt als das Glück.« – Epikureer sind Leute, die das Glück verehren.
Der Eigenname Epikur ist nicht so berühmt geworden wie der Gattungsname ›Epikureer‹. Epikur hat zwar nicht weniger Schule gemacht als Buddha oder Sokrates oder Jesus. Aber er wurde nicht zur Legende – wie jeder von den dreien. Auch er hatte seinen Apostel. Was Platon für Sokrates war, was die Evangelisten für Jesus taten – das tat der römische Dichter Lukrez für Epikur. Er verherrlichte das Leben und die Lehre des Meisters als den ›Ruhm der Griechenheit‹: in einem Gedicht von 7915 Zeilen. Trotzdem blieb die Person dieses Stifters Literatur. Sie lebt nicht. Weshalb nicht?
Der Anfang seiner Karriere ist nicht so pompös gewesen wie jene sensationelle Absage des indischen Prinzen Siddharta, später Buddha genannt, der sich aller seiner angestammten indischen Herrlichkeiten begab. Und das Ende seiner Karriere ist nicht so sensationell gewesen wie das Ende des Sokrates und des Jesus. Sokrates wurde von seinen Mitbürgern vergiftet und hielt bei dieser Gelegenheit eine Reihe von Reden – die nicht so unvergesslich wären, wenn ihnen nicht sein Tod gefolgt wäre. Jesus wurde ans Kreuz geschlagen und versprach den Mitmenschen bei dieser Gelegenheit Gott und die Welt; diese Versprechungen wären nicht so unvergesslich, wenn ihnen nicht sein Tod gefolgt wäre. Epikur aber starb mit zweiundsiebzig am Blasenstein; und schrieb bei dieser Gelegenheit einen freundlichen und gar nicht welterschütternden Brief des Abschieds. Er teilte seinem Freunde Idomeneus darin mit, dass der Krankheitsprozess in der Blase seinen üblichen Verlauf nähme; es wäre ganz scheußlich. Trotzdem sei er recht guter Dinge; unter anderem auch deshalb, weil er sich mit Vergnügen an einige Unterhaltungen mit dem Freunde erinnere … Dann nahm er ein lauwarmes Bad, trank einige Schluck ungemischten Wein und verschied. Aus solchem Holz werden keine Legendenfiguren geschnitzt. Idyllikern wird kein Weihrauch gespendet.
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