Ein Alibi von Geisterhand
Published by BEKKERpublishing, 2019.
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Ein Alibi von Geisterhand
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About the Publisher
Roman von W. A. Castell
Der Umfang dieses Buchs entspricht 121 Taschenbuchseiten.
Gordon Wilms kann der Mord nicht nachgewiesen werden. Als freier Mann verlässt er den Gerichtssaal. Doch bevor er das kann, erschallt ein schreckliches Lachen, das alle Anwesenden erschauern lässt. Der Privatdetektiv Ron Eden gibt sich mit dem Urteil nicht zufrieden. Er hängt sich weiter an Wilms, um ihn des Mordes zu überführen.
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Copyright
EIN CASSIOPEIAPRESS Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© ROMAN BY AUTHOR
© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
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1
DER GERICHTSSAAL WAR überfüllt.
Draußen stand noch eine Menschenmenge, die Einlass begehrte. Wäre man nicht in England, wo gegenseitige Rücksichtnahme höher eingeschätzt wird als auf dem Kontinent, hätte eine heikle Situation entstehen können. So genügten zwei kräftige Gerichtsdiener, um die schwere Eingangstür beiseite zu drücken.
Die Wartenden traten zurück. Sie konnten den letzten Akt des Prozesses nicht miterleben, der seit Tagen die Öffentlichkeit und vor allem die Presse Londons beschäftigte.
Mit einem lauten Plumps fiel die Tür ins Schloss.
Richter Moore hob die Hand und wartete geduldig, bis auch das letzte Geräusch im Saal verstummt war. Dann gab er ein Zeichen.
Im Hintergrund öffnete sich eine Tür, und die Geschworenen betraten nacheinander den Gerichtssaal. Schweigend, von den Blicken der Anwesenden verfolgt, begaben sie sich auf ihre Plätze. Die Spannung im Saal wuchs.
»Nun, meine Herren Geschworenen, sind Sie zu einem Entschluss gekommen?«
Die Stimme des Richters war sachlich, leidenschaftslos.
Der Geschworenensprecher, der in der ersten Reihe zur äußersten Rechten saß, erhob sich. Hundert Augenpaare richteten sich auf ihn.
»Ja, wir haben eine Entscheidung gefällt. Sie war einstimmig.«
Der Schöffe sprach langsam, fast zögernd: »Unser Spruch lautet: Nicht schuldig!«
Die Worte schlugen ein wie eine Bombe. Ein Tumult entstand. Wütende Zwischenrufe wurden laut.
Jemand stand auf und deutete auf den Angeklagten, einen Mann Mitte Zwanzig, den der Aufruhr zu belustigen schien. Ein zynisches, selbstgefälliges Lächeln spielte um seinen Mund.
»Damit ist ein Mörder freigesprochen! Ja, ich sage ein Mörder, denn jeder weiß, dass er es ist, auch wenn die Beweise gegen ihn nicht ausreichend waren.«
Beipflichtendes Gemurmel erfüllte den Raum.
Vorn, wo der Angeklagte saß, blitzten die Apparate der Pressefotografen, Mikrofone drängten sich dem Angeklagten entgegen. Er wurde um einen Kommentar gebeten.
Mit lautem Klopfen verschaffte sich der Vorsitzende Ruhe.
»Darf ich die Presse bitten, sich noch einen Moment zu gedulden?«
Moore nickte dem Sprecher der Geschworenen zu.
»Ich danke Ihnen.« Der Blick des Richters schweifte durch den Saal, heftete sich schließlich auf den Angeklagten. »Gordon Wilms, Sie verlassen den Gerichtssaal als freier Mann.« Richter Moore erhob sich. »Ich erkläre die Schwurgerichtsverhandlung für geschlossen.«
Sekunden später war Gordon Wilms von einer Menschentraube umringt. Er wurde mit Fragen bombardiert.
»Haben Sie mit diesem Freispruch gerechnet? Was halten Sie davon, dass man Sie in der 'Times' als den perfektesten Killer aller Zeiten bezeichnet hat? Werden Sie in die Staaten zurückkehren?«
Gordon Wilms hob beschwichtigend die Arme.
»Ich gebe in zwei Stunden eine Pressekonferenz. Sie findet im Hotel 'Royal' statt.« Der junge Mann grinste. »Ich werde versuchen, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit zu beantworten.«
Wenig später hielt Gordon Wilms die Pressekonferenz ab. Geschickt umschreibend, ohne die Dinge beim Namen zu nennen, gab er bereitwillig auf jede ihm gestellte Frage Antwort.
Nach reichlich einer Stunde sahen sich die Reporter in dem bestätigt, was sie längst über Gordon Wilms gewusst hatten - und was im rechtlichen Sinne nicht zu beweisen war: Gordon Wilms war ein Mörder. Er hatte gegen Bezahlung einen Menschen ins Jenseits befördert.
Wilms war vor gut einem halben Jahr nach London gekommen, um nach seinen eigenen Angaben einen Auftrag auszuführen. Welcher Art dieser Auftrag war, konnte er nur umschreiben. Jedenfalls sei er nur durch einen dummen Zufall in diese Mordgeschichte verwickelt worden, so seine Worte. Er, Gordon Wilms, sei kein Mörder.
Dieser Satz wurde von den Reportern mit einem ungläubigen Lächeln quittiert.
»Dann stimmt es auch nicht, was in einer amerikanischen Zeitung über Sie geschrieben wurde? Sie hätten in den letzten Jahren drei Menschen getötet, alles einflussreiche Personen. Dazu stand, sie hätten die Morde so genial vorgeplant, dass man Ihnen nichts nachweisen konnte.«
Eine junge Reporterin hatte diese Frage gestellt. Gordon Wilms' Lächeln war entwaffnend.
»Sie haben gut recherchiert. Zu dem Artikel möchte ich Folgendes bemerken: Ich habe weder in den Staaten noch hier einen Menschen getötet.« Wilms Lächeln vertiefte sich. »Und wenn es so wäre, würde mir das niemand beweisen können.«
Kaum waren Gordon Wilms’ Worte verklungen, da erscholl ein Lachen. Es war ein befreiendes Lachen, in das sich Genugtuung mischte.
Die Presseleute, und auch Gordon Wilms. blickten sich erschreckt um. Doch das Lachen war nicht zu lokalisieren. Es kam von allen Seiten, schwoll an und brach dann abrupt ab.
Die Anwesenden brauchten Sekunden, ehe sie den Schock überwunden hatten. Für eine Weile herrschte lähmendes Schweigen.
»Wer auch immer für diesen Spuck verantwortlich ist, ich glaube, Mr. Wilms, das Lachen hat Ihnen gegolten. Vielleicht ...«
»Schweigen Sie!«, funkte Gordon Wilms der jungen Reporterin dazwischen. Wilms erhob sich und verließ den Raum, ohne die verdutzten Gesichter links und rechts von ihm zu beachten.
Sam Eliot war in Schweiß gebadet. Er setzte sich im Bett auf und starrte zum Fenster. Das Licht der späten Nachmittagssonne fiel gleißend in den Raum, schien auf kostbare Möbel, die im sonst herrschenden Halbdunkel wenig zur Geltung kamen. Die Luft im Zimmer war stickig. Tagelang war nicht mehr gelüftet worden. Es hieß, Lüften würde seiner angegriffenen Gesundheit schaden.
Milliarden kleinster Staubkörnchen tanzten im grellen Schein der Sonne. Sam Eliot betrachtete sie sinnend. Wie oft hatte er sich gesehnt, einen Blick nach draußen zu tun. Es war ihm seit Monaten nicht mehr vergönnt gewesen.
Ein Hustenanfall erschütterte seinen Körper. Dann war der Anfall vorüber.
Mit der linken Hand tastete Sam Eliot nach dem dicken Buch, das neben ihm auf dem Nachttisch lag. Nur unter höchster körperlicher Anstrengung schaffte er es, den schweren Wälzer zu sich herüberzuholen. Erschöpft schloss der alte Mann die Augen.
Nach Minuten schlug er das Buch auf. Seine Hand zitterte. Er blätterte nach einer bestimmten Seite.
Sam Eliot beugte sich leicht nach vorn. Seine Augen sogen sich förmlich an den vergilbten Buchstaben fest. Dann nickte er vor sich hin. Ja, es hatte sich genauso abgespielt, wie es hier geschrieben stand. Seit Jahren hatte er, Sam Eliot, versucht, es zu erreichen.
Damals, als man ihn in dieses Zimmer abgeschoben hatte, in dieses Bett abschob, war ihm die rettende Idee gekommen. Er hatte sich an das Buch erinnert, das sein Vater immer sorgsam verwahrt hatte. Und nun hatte das Buch Sam Eliots Leben verändert. Ohne die Kraft, die ungeheuere Möglichkeit, die das Buch ihm bot, hätte er all die Jahre in diesem Zimmer nicht aushalten können, Jahre, in denen sein ausgemergelter, von Krankheiten zerschundener Körper immer mehr an Widerstandskraft verloren hatte.
Sam Eliot legte sich ins Kissen zurück. Er schloss die Augen. Beide Hände legte er flach auf das Buch und konzentrierte sich. Ihm musste noch einmal gelingen, was ihm heute schon einmal gelungen war.
Die Gedanken des alten Mannes zielten auf einen Punkt.
Langsam, zuerst verschwommen wie das schlecht eingestellte Bild eines Fernsehers, dann aber klar zu erkennen, bildeten sich in Sam Eliots Kopf die Umrisse des Raumes ab, in dem er seit Jahren gefangen war. Der alte Mann ging noch einen geistigen Schritt weiter. Sein Bewusstsein löste sich vom Körper, schwebte über dem Bett. Eliot bewegte sein eigenes, vom Körper gelöstes Ich wie einen ferngesteuerten Roboter. Er schwebte zur Tür, durchdrang sie ohne Schwierigkeiten.
Vor ihm lag der geräumige Flur, auf dessen gegenüberliegender Seite sich die Bibliothek anschloss. Sam Eliot wandte sich nach rechts. Vor ihm tauchte die Verbindungstür auf, die zur Rundgalerie führte. Er passierte sie mühelos. Draußen hielt er inne. Er erkannte sofort, dass sich in den Jahren seiner Bettlägerigkeit hier manches verändert hatte. Renovierungsarbeiten waren vorgenommen worden. Dort, wo früher die Bilder seiner, Sam Eliots, Ahnen hingen, zierten jetzt moderne Gemälde die Wand.
Der alte Mann fühlte Verbitterung in sich aufsteigen, Verbitterung gegen die beiden Menschen, mit denen er seit Jahren dieses Haus teilte.
Neugier packte ihn. Sollten noch weitere Überraschungen auf ihn warten?
Der Pseudokörper des alten Mannes schwebte weiter. Nach wenigen Yards vernahm er Stimmen. Sie drangen aus einer Tür, die an die Rundgalerie angrenzte. Sam Eliot glaubte zu wissen, dass sich dort das Arbeitszimmer seines Stiefsohnes befand.
Er schwebte durch die Tür. Er wusste, niemand würde sein Erscheinen bemerken, denn er war unsichtbar.
Am Tisch saß Lola Jenner, die Frau von seinem Stiefsohn Pete Jenner. Missmutig betrachtete sie ihren Mann, der unruhig im Raum auf und ab ging.
»Was sollen wir noch unternehmen, um den Alten dazu zu bringen, dich als seinen Universalerben einzusetzen?«, sagte Lola soeben.
Pete Jenner blieb mitten im Raum stehen. Der hagere Mann runzelte die Stirn. Seine Augen funkelten kalt.
»Ich werde ihn dazu zwingen!«
Die Frau zuckte erschrocken zusammen.
»Zwingen?« Sie dehnte das Wort. »Ich kenne deine Methoden. Der Alte würde keine fünf Minuten überleben.«
Ihr Mann brauste auf.
»Was schlägst du also vor? Du weißt, wenn wir in nächster Zeit keine größere Summe auftreiben können, sind wir am Ende. Ich kann die Leute nicht mehr länger vertrösten.«
Lola Jenner wiegte nachdenklich den Kopf.
»Lass uns Folgendes versuchen: Wir sagen dem Alten die Wahrheit. Sagen ihm, dass wir ihn schon seit Jahren systematisch vergiften, dass sein Essen jedes Mal eine winzige Portion Gift enthält. Dass wir - mit anderen Worten - einen perfekten Mord vorbereiten. Wir reden dem Alten ein, dass wir dieses Vorhaben aufgeben, wenn er dich zum Erben einsetzt.«
»Du bist eine Närrin!« Pete Jenner lachte laut heraus. »Du kennst meinen Stiefvater nicht. Wenn er erfährt, was wir schon seit Jahren mit ihm treiben, sehen wir keinen Cent. Du kennst den Grund, warum er mich noch nicht zu seinem Erben eingesetzt hat. Da muss uns schon etwas Besseres einfallen, um den Alten von mir zu überzeugen.«
Lolas Blick fiel auf das Bücherregal, das eine Wand des Raumes einnahm. Ihre Augen leuchteten auf.
»Ich hab’s«, sagte sie schnell. »Wir nehmen deinem Stiefvater das Buch weg, das er wie ein Kleinod behandelt.« Lola Jenner lachte spöttisch.
»Ich habe den alten Narr schon mehrmals dabei überrascht, wie er sich selbst unverständliches Zeug aus dem Buch vorgelesen hat. Auch hat er jedes Mal, wenn er mich zu Gesicht bekam, den alten Schinken so fest an sich gepresst, als müsste er ihn vor mir beschützen. Das Buch muss für den Mann eine große Bedeutung haben.«
»Und du meinst, damit könntest du ihn erpressen?«
Pete Jenner schien von dem Vorhaben seiner Frau nicht überzeugt. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Dennoch, wir müssen jede Chance nutzen. Wenn wir unseren Freunden nicht innerhalb kurzer Zeit etwas vorzeigen können ...«
Pete Jenner ließ den Rest des Satzes im Raum stehen. Er und seine Frau wussten, dass es höchste Zeit zum Handeln war.
Sam Eliot hatte genug gehört. Er ließ das Arbeitszimmer seines Stiefsohnes hinter sich und schwebte den gleichen Weg zurück, den er gekommen war.
Die Worte der beiden Menschen hatten ihn wie Hammerschläge getroffen. Nur mühsam gelang es dem alten Mann, seine Gedanken zu ordnen. Die Gewissheit, das Ziel eines teuflischen Verbrechens zu sein, hatte ihn zutiefst erschüttert.
Sam Eliot erreichte sein Zimmer. Sekunden später waren Körper und Geist wieder vereint.
Eliot wartete minutenlang. Zuerst musste seine Erregung, die sich nun auch auf seinen Körper übertragen hatte, abklingen.
Endlich lagen seine Hände ruhig auf dem Buch. Im Kopf des alten Mannes begann es zu arbeiten. Wie ein Film lief sein bisheriges Leben vor ihm ab.
Ein Junge aus gutem Elternhaus hatte sich ein Vermögen erarbeitet, war schließlich als Abgeordneter bis ins Unterhaus vorgedrungen. Dann die ersten Schicksalsschläge. Der Tod seiner Frau. Die zweite Heirat mit einer Frau, die einen Sohn mit in die Ehe gebracht hatte. Dann die letzten Jahre. Pete Jenner, sein Stiefsohn, und dessen Frau hatten ihn immer mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt. Und doch hatte er, Sam Eliot, den beiden nie sein volles Vertrauen schenken können. Eine innere Stimme hatte ihn stets davor gewarnt.
Da war noch etwas in seinem, Eliots, Leben. Doch es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken.
Dem alten Mann fielen Lola Jenners Worte ein. Sie sprach von einem perfekten Mord. Nun, der Gedanke war nicht abwegig.
Wie eine überschwappende Welle flutete Hass in Sam Eliots Herzen auf. Hass gegen seinen Stiefsohn und dessen Frau. Ein Schatten flog über das Gesicht des alten Mannes. Die eingefallenen Lippen zogen sich zu einem schmalen Strich zusammen.
Sam Eliot hatte einen Plan gefasst. Einen Plan, wie er nur einem Mann gegeben war, der außergewöhnliche Fähigkeiten besaß.
Ron Eden hatte ein Telegramm an seinen Auftraggeber aufgegeben.
gordon wilms in london freigesprochen stop habe nach wie vor keine möglichkeit den burschen festzunageln stop werde mich an seine fersen heften stop
Ron Eden verließ das Postgebäude. Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht. Der junge hochaufgeschossene Mann schloss blinzelnd die Augen. Unentschlossen blieb er auf der Straße stehen. Sollte er sich direkt ins Royal-Hotel begeben, oder vorher irgendwo noch ein Mittagessen zu sich nehmen.
Sein knurrender Magen nahm ihm diese Entscheidung ab.
Eine Stunde später fühlte sich Ron wohler. Ein ausgiebiges Essen hatte dafür gesorgt, dass seine Gemütsverfassung sich deutlich gebessert hatte. In den zwei Tagen seines Aufenthalts in London war sie durch die anfangs vergebliche Suche nach Gordon Wilms etwas angekratzt gewesen.
Ron trank bedächtig den dampfenden Kaffee, den er dem in diesem Land üblichen Tee vorgezogen hatte. Minuten später hatte er sich in die Tageszeitung vertieft. Auf der zweiten Seite stand ein sehr ausführlicher Bericht über die Gerichtsverhandlung gegen Gordon Wilms.
Ron Eden machte sich einige Notizen. Manches, was hier über Gordon Wilms zu lesen stand, war selbst ihm, Ron Eden, noch nicht bekannt gewesen.
Der Londoner Polizei war also gelungen, was ihren New Yorker Kollegen bisher versagt geblieben war: ausreichend Beweismaterial gegen Gordon Wilms zu haben, um ihm eine Mordanklage anzuhängen. Und doch war dieser Bursche, glatt wie ein Aal, im letzten Moment den Fängen der Justiz entwischt. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Gordon Wilms erneut einen schmutzigen Auftrag erhielt, ihn dann irgendwo in der Welt auszuführen.
Auf Ron Edens Stirn bildete sich eine steile Falte. Seit einem Jahr war er hinter Gordon Wilms her. Fred Basman, der Sohn eines ermordeten Industriellen, hatte ihm, dem New Yorker Privatdetektiv, damals den Auftrag gegeben, Gordon Wilms nicht mehr aus den Augen zu lassen. Fred Basman war davon überzeugt, dass Gordon Wilms der Mörder seines Vaters war. Der Polizei war es aber nicht gelungen, einen handfesten Beweis für Wilms Schuld aufzutreiben.
Er, Ron Eden, hatte Nachforschungen angestellt. Vergeblich. Gordon Wilms war nichts nachzuweisen.
Nach einem halben Jahr war Wilms plötzlich untergetaucht. Erst durch einen Zeitungsartikel hatte Ron Eden erfahren, dass sich der Killer in London aufhielt und dort eine Mordklage gegen ihn lief.
Gegen fünfzehn Uhr betrat Ron Eden das Royal-Hotel. Er erkundigte sich beim Portier nach Gordon Wilms.
Der Portier verzog die Mundwinkel.
»Mr. Wilms befindet sich auf seinem Zimmer. Sind Sie von der Polizei?«
Ron Eden schüttelte den Köpf. Er vergewisserte sich, dass sie nicht beobachtet wurden. Dann flüsterte er leise: »Heißt das, dass sich Scotland Yard immer noch für Gordon Wilms interessiert?«
Die Miene des Portiers verschloss sich. Offensichtlich war er der Meinung, schon zu viel gesagt zu haben. Ron Eden wusste aus Erfahrung, was jetzt helfen würde. Er schob dem Mann eine Zehnpfundnote in die Hand. Das Gesicht des Portiers erhellte sich auf Anhieb. Unauffällig schob er das Kinn in Richtung eines Mannes, der draußen vor dem Hoteleingang auf und ab spazierte und jedes Mal wieder von Neuem auftauchte, wenn er die gläserne Drehtür passierte,
»Polizei«, knurrte der Portier. Mit einem unmissverständlichen Blick auf Rons Geldbörse, die dieser gerade in der Jacke verschwinden lassen wollte, enthielt sich der Portier eines weiteren Kommentars. Der Privatdetektiv verstand. Erneut wechselte ein Geldbetrag den Besitzer.
»Da ist noch eine Dame«, fuhr der Portier jetzt bereitwillig fort. »Sie interessiert sich ebenfalls für Gordon Wilms. Sie sitzt in der Empfangshalle.«
Der Portier schnalzte genüsslich mit der Zunge.
»Sie ist zwar nicht mehr die Jüngste, aber die Figur ... Dabei hat sie knallrote Haare.«